Renaissance der Straßenbahn

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Renaissance der Straßenbahn bezeichnet die Entwicklung und Errichtung neuer Straßenbahnbetriebe in jüngster Zeit. Nachdem Mitte des 20. Jahrhunderts weltweit Straßenbahnen stillgelegt worden waren, begann in den 1970er- zunächst in den USA und Kanada und ab 1980er-Jahren in Frankreich der Wiederaufbau von Straßenbahnnetzen. Diese Entwicklung setzte sich in weiteren Ländern, wie etwa Spanien und Großbritannien, fort. Etwa seit 2000 entstehen neue Netze auch in Ländern außerhalb Europas und Nordamerikas wie beispielsweise der Türkei oder Algerien. International wird die Renaissance der Straßenbahn als wichtiger Aspekt einer Verkehrswende im Hinblick auf die Reduzierung des MIV betrachtet.

In Deutschland entstanden bis 2020 neue Netze nur in (chronologische Reihenfolge) Oberhausen, Saarbrücken, und Heilbronn, Kehl und Weil am Rhein; dabei stellt die Saarbahn in Saarbrücken jedoch die einzige Straßenbahnlinie dar, welche keine direkte oder indirekte Verlängerung eines bereits vorhandenen Systems war. Zudem wurden vielerorts mehrere Netze deutlich erweitert, z. B. in Karlsruhe und Freiburg im Breisgau, oder historische Linien wieder aufgebaut, so in Augsburg.

In der Schweiz wird derzeit in Lausanne eine neue Straßenbahnstrecke errichtet; ansonsten bleibt es bei der Erweiterung vorhandener Netze. In Österreich gibt es in den dortigen Straßenbahnnetzen seit 2010 ebenfalls Netzerweiterungen oder Neuplanungen.

Renaissance der Straßenbahn in Deutschland: Saarbrücken

Vorgeschichte

Nachdem Straßenbahnen in vielen Städten, vorwiegend in Europa und den USA, errichtet worden waren, verlor die Straßenbahn mit der Zunahme des Individualverkehrs an Bedeutung. Außerdem konnten viele Städte nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Betriebe nicht mehr halten. So kam es weltweit zu einer Stilllegungswelle; die Anzahl der Straßenbahnbetriebe sank von über 1000 auf unter 300.

Gründe für die Aufgabe von Straßenbahnnetzen

Folgende mögliche Gründe für die Aufgabe von Straßenbahnnetzen werden häufig angebracht:[1]

Besonders auffällig ist, dass die meisten Straßenbahnen in den 1950er- und 1960er-Jahren aufgegeben wurden; in dieser Zeit herrschte das Leitmotiv der autogerechten Stadt, so dass vielerorts die Straßenbahn beim Ausbau der Straßen neuen Fahrstreifen weichen musste.

In den USA kauften zudem zwischen 1930 und 1960 verschiedene Automobilunternehmen unter Führung von General Motors die Straßenbahnnetze in vielen Städten und überließen diese dann dem Verfall, bis die Reparaturkosten zu teuer waren und die Netze stillgelegt werden mussten. Dieser große amerikanische Straßenbahnskandal wurde erst Mitte der 1970er-Jahre bekannt.[2][3][4][5]

Umdenken

Bereits in den 1970er-Jahren kam es jedoch zu einem Umdenken, insbesondere durch die steigenden Benzinpreise und die Ölkrise und das zunehmende Umweltbewusstsein. In Deutschland entstanden in dieser Zeit Planungen für U-Stadtbahnen und erste Ideen für Regionalstadtbahnen. In anderen Ländern Europas und Nordamerikas kam es zu einer Renaissance der Straßenbahn. Seinerzeit wurden die verkehrspolitischen und umweltpolitischen Vorteile der Straßenbahn gegenüber Omnibus, Oberleitungsbus und U-Bahn, sowie dem Individualverkehr wieder erkannt.[1]

Die Rückkehr der Straßenbahn

Light Rail Transit

Stadtbahnwagen der 1. Generation (Typ U2 von Duewag) in San Diego

In den USA waren bis in die 1950er-Jahre schon die meisten Straßenbahnen stillgelegt worden. Die zunehmende Motorisierung führte jedoch zu erheblichen Problemen in den Innenstädten in den 1960er-Jahren. Die zum Ersatz der Straßenbahnen eingerichteten Buslinien stellten sich für den Pendlerverkehr als unattraktiv heraus. In diese Zeit fällt die Rezeption der europäischen U-Straßenbahnen, die mit Hochbahnsteigen an den Außenästen zu Metrosystemen umgebaut wurden, bei denen auch für den Massentransport ein schneller Fahrgastwechsel möglich ist.

Die Überlegungen führten 1972 dann zur begrifflichen Definition von LRV-Leichtbahnfahrzeugen (Light rail vehicle). Die ebenfalls 1972 gegründete Urban Mass Transportation Administration (UMTA) gründete dann Kommissionen zur Förderung von Nahverkehrssystemen für die Städte, in denen Straßenbahnen verschwunden waren. Noch vor den USA wurde das erste LRV-System in Edmonton (Kanada) 1974 begonnen und 1978 eröffnet. Es folgte die Stadtbahn in Calgary und die Straßenbahn San Diego 1981. Für die genannten drei Städte importierte man zu dieser Zeit die U2-Stadtbahnwagen aus Deutschland (durch den Buy America Act mit lokaler Endmontage ab 1983).

Ab Mitte der 1980er-Jahre kam es dann zur Eröffnung weiterer Straßenbahnen, und den Umbau überlebender Straßenbahnen wie in Toronto und in Pittsburgh. In den USA übernehmen die Straßenbahnen seitdem unter dem Namen „Light Rail Transit“ meist städteverbindende Funktionen: Sie verbinden die Kernstadt mit ihren großen Stadtteilen und Trabantenstädten. In vielen Fällen führen sie dabei aber nicht direkt ins Stadtzentrum, sondern nur in dessen Nähe oder umfahren es. In diesem Sinne lassen sie sich eher mit den europäischen Stadtbahnen vergleichen, auch wenn sie teilweise straßenbahnähnliche Trassen und Fahrzeuge benutzen.[1] In den USA wird dabei generell zwischen klassischen „streetcar“-Straßenbahnen und neueren „light rail“-Stadtbahnen unterschieden, wobei auch einige neuere Systeme den Begriff „light rail“ einsetzen, die im Charakter eher Straßenbahnen gleichen.

Im 21. Jahrhundert setzte sich die Renaissance der Straßenbahn bzw. light rail in Nordamerika fort. Neue Straßenbahnsysteme wurden u. a. in Ottawa, Seattle, Houston, MinneapolisSaint Paul, Charlotte und Phoenix in Betrieb genommen. Im gleichen Zeitraum wurden viele der in den 1980er- und 90er-Jahren in Betrieb genommenen Light-Rail-Systeme um weitere Linien ergänzt oder verlängert. Die umfangreichsten darunter sind mittlerweile in Dallas (Netzlänge 150 km), Los Angeles (142 km), Portland (97 km), San Diego (86 km) und Denver (76 km).

Anfänge in Frankreich

Hochfluriger Gelenkwagen der Straßenbahn Nantes, 1988
Grenoble: Rechts ein TFS aus der Anfangszeit, links ein Citadis 402 der zweiten Generation
Eurotram der ersten Generation (links) und Citadis 403 in Straßburg

Während in Deutschland in Kiel, Bremerhaven oder Wuppertal noch Straßenbahnen stillgelegt wurden, entbrannte in Frankreich die Diskussion über die Wiedereinführung des Verkehrsmittels in Großstädten. Die Regierung förderte diese Projekte; von 1986 bis 2006 existierte ein Gesetz, nach dem jede Stadt, die eine Straßenbahn bauen wollte, staatliche Hilfen erhielt. Als letzte Stadt profitierte Valenciennes im Jahr 2006 von diesem Gesetz.[6] Dennoch wollen andere Städte weiter bauen, da die bestehenden Betriebe Vorbildcharakter haben.

1985 errichtete als erste Stadt Nantes eine neue Straßenbahnstrecke, 1987 folgte die Straßenbahn Grenoble. Dieses Netz stellt das erste Straßenbahnnetz der Welt dar, das von Anfang an nur Niederflurwagen einsetzte.

Als vorbildliches, innovatives Beispiele für die Wiederinbetriebnahme von vormals stillgelegten Straßenbahnen gilt das Netz in Bordeaux. Die dortige Straßenbahn war 1958 stillgelegt worden. In den 1990er-Jahren entschied sich die Stadt jedoch, die Verkehrsprobleme durch eine Rückkehr zur Straßenbahn zu lösen. Um zu vermeiden, dass Strommasten das Bild der Altstadt stören, beziehen die Bahnen dort Strom über eine mittig zwischen den Gleisen liegende Stromschiene, bei der nur der gerade unter dem Straßenbahnwagen befindliche kurze Stromschienen-Bereich unter Spannung gesetzt wird. In Nizza verkehren Straßenbahnen abschnittsweise mittels Akkus, um das historische Stadtbild auf zwei Plätzen nicht zu beeinträchtigen.

Als eines der besten Beispiele für die Renaissance der Straßenbahn in Frankreich wird die Straßenbahn Straßburg angesehen. Das neue Netz wurde 1994 eröffnet. Inzwischen besteht es aus sechs Linien (bezeichnet von A bis F), die nahezu alle Stadtteile von Straßburg erschließen. Seit April 2017 ist auch die deutsche Nachbarstadt Kehl in das Konzept integriert. Die Straßenbahntrassen in Straßburg wurden oft aufwändig, unter anderem mit vielen begrünten Bahnkörpern, Teil des Stadtbildes. Zudem stellte Straßburg eine der ersten Städte in Frankreich dar, in denen ein Großteil der Innenstadt autofrei wurde und nun nur noch von Straßenbahnen erschlossen wird, die eine teils breite Fußgängerzone durchqueren. Da wie in Grenoble von Anfang an Niederflurwagen eingesetzt wurden und zudem sämtliche Bahnsteige perfekt angepasst wurden, wird die Straßburger Straßenbahn auch lokal als „Trottoir Rouloir“ (zu deutsch „Rollender Bürgersteig“) genannt. Bemerkenswert sind auch die Straßenbahnzüge selbst, welche durch ihre futuristische Form mittlerweile schon zur Touristenattraktion geworden sind. Das Konzept von Straßburg wurde zum Vorbild für viele andere Städte in Frankreich und anderen Ländern Europas.

In den 2000er- und 2010er gab es eine ganze Welle weiterer neu bzw. wieder in Betrieb genommener Straßenbahnsysteme, u. a. in Lyon, Mülhausen, Le Mans, Dijon und Tours.

Ostdeutschland nach 1990

In der DDR gab es – wie im gesamten Ostblock – eine hohe Zahl von Straßenbahnbetrieben, die allerdings um 1990 teilweise (besonders in den kleineren Städten) auf einem technisch vollkommen veralteten Niveau waren. Dennoch hielten die Städte – mit Ausnahme von Naumburg – auch nach der Wiedervereinigung an der Straßenbahn als modernem und ökologisch sinnvollem Verkehrsmittel fest. In den 1990er-Jahren wurden mit hohem finanziellem Aufwand Streckennetze und Fuhrparks modernisiert. Später begann vielerorts der Ausbau des vorhandenen Angebotes. Beispielsweise wuchs die Netzlänge der Straßenbahn Erfurt zwischen 1998 und 2007 um etwa zwölf Kilometer auf etwa 45 Kilometer. Auch in Rostock, Jena, Halle (Saale) oder Gera wurden die Netze erheblich ausgebaut. Sogar Naumburg ergänzt seit 2014 das Netz. Zudem wurden neue Konzepte im Streckenbau in Chemnitz, Zwickau und Nordhausen erprobt, indem regionale Bahnverbindungen mit Straßenbahnnetzen verknüpft wurden. So spielt die Straßenbahn in allen ostdeutschen Großstädten eine wichtige Rolle im ÖPNV. In Dresden und Leipzig wurde die jeweilige Straßenbahn ebenfalls modernisiert und ausgebaut sowie mit neuen Niederflurwagen ausgestattet. Zudem wurden dort Strecken mit Rasengleis errichtet. In Berlin gelang es dem seit den 1960ern auf den Ostteil beschränkten Betrieb, nach der Wende wieder im Westen „Fuß zu fassen“; das System wird in der Gesamtstadt ausgebaut.

Ausbau in Westdeutschland

Neuverlegung eines Straßenbahngleises in München (2013)

Nach der Wiedervereinigung wurden auch in Westdeutschland die vorhandenen Strecken wieder ausgebaut. Hierfür stehen die Netze in Karlsruhe und Freiburg im Breisgau. Inzwischen werden in vielen Städten auch einst stillgelegte Linien wieder in Betrieb genommen, z. B. in Augsburg. Ein weiteres Beispiel ist die Ulmer Straßenbahn, deren Netz auch erneut ausgebaut wird. Außer in den bereits erwähnten Städten Heilbronn, Oberhausen und Saarbrücken wurde die Straßenbahn jedoch bislang nirgendwo komplett wiedereingeführt. Auch das Netz der Münchner Straßenbahn befindet sich aktuell (wieder) in einer Ausbauphase: Einige der in den 1980er-Jahren stillgelegten Strecken werden wieder errichtet.[7]

Auch der komplette Neubau in Städten, die bisher keine Straßenbahn hatten, wird mehr und mehr diskutiert, so die Stadt-Umland-Bahn Erlangen, welche in gewisser Weise eine Erweiterung der Straßenbahn Nürnberg darstellt. Noch in den 1970er-Jahren war hier eine Stilllegung zu Gunsten eines reinen U-Bahn- und Busnetzes vorgesehen. Allerdings gibt es örtlich auch Entwicklungen, die sich gegen dieses Verkehrsmittel aussprechen: So wurde 2015 in Oberhausen durch einen Ratsbürgerentscheid die Erweiterung des dortigen Netzes abgelehnt. Auch die geplante Citybahn Wiesbaden wurde 2020 in einem Bürgerentscheid mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Dennoch titelte der Fahrgast, das Mitgliedermagazin von Pro Bahn beziehungsreich: Mehr Straßenbahn wagen.[8]

Netzerweiterungen in der Schweiz

Auch in der Schweiz wurde begonnen, die Tram-Netze zu erweitern, so in Zürich (Glattalbahn, Tram Zürich West), Basel (Verlängerung nach Weil am Rhein/Deutschland und St. Louis/Frankreich), Bern (Tram Bern West) und Genf (Onex/Bernex). Auch in Lugano ist die Wiederauferstehung von Trams im Gespräch.[9]

Netzerweiterungen in Österreich

Insbesondere nach 2010 wurden (und werden) in allen österreichischen Straßenbahnnetzen in Wien, Gmunden, Graz, Innsbruck und Linz Neubaustrecken errichtet und dadurch die vorhandenen Netzstrukturen verändert und erweitert.[10] 2018 wurde die Gmundner Straßenbahn mit der Schmalspurstrecke der Traunseebahn zu einer Linie verbunden.[11]

Neue Konzepte im Straßenbahnbau

Verknüpfung mit der Eisenbahn

Stadtbahn Karlsruhe am Bahnhof Germersheim

Im Zusammenhang mit der Straßenbahn-Renaissance spielt seit den 1990er-Jahren die Verknüpfung zwischen Straßenbahn und Eisenbahn eine große Rolle bei der Erweiterung beziehungsweise Modernisierung von Straßenbahnnetzen. Besonderen Vorbildcharakter hatte hierbei das sogenannte Karlsruher Modell. Dessen Erfolgsgeschichte begann mit der Verknüpfung der Albtalbahn mit dem städtischen Karlsruher Straßenbahnnetz. Die erste Verbindung, bei der Straßenbahnen Gleise der Deutschen Bundesbahn mitbenutzten, war die Neubaustrecke in Neureut.[12] Wichtige Strecken der Karlsruher Stadtbahn führen nach Bruchsal, Wörth am Rhein/Germersheim und Pforzheim. Seit 2001 ist es möglich, von Heilbronn nach Karlsruhe auf der Strecke der Kraichgaubahn mit der Straßenbahn zu fahren, in Heilbronn wurde in den folgenden Jahren eine neue Innenstadtstrecke gebaut.

Weiterentwicklungen des Karlsruher Modells sind das Nordhäuser Modell, das Zwickauer Modell, das Chemnitzer Modell und das Kaiserslauterer Modell.

International wird die Verknüpfung zwischen Straßenbahn und Eisenbahn meist als Tram-Train bezeichnet. Beispiele solcher Systeme sind:

APS-System

APS-Stromschiene im Weichenbereich der Straßenbahn Angers
Systemwechselstelle Stromschiene / Oberleitung der Straßenbahn Angers

Die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Berlin-Lichterfelde benutzte bis zur Erfindung des Bügelstromabnehmers bereits eine Stromschiene.[21] Ende des 20. Jahrhunderts wurde wieder mit oberleitungslosen Straßenbahnen experimentiert. So gibt es auf dem Testgelände von Bombardier in Bautzen eine Strecke, bei der die Straßenbahn den Strom mittels einer Stromschiene zapft.[22]

Bei der Straßenbahn Bordeaux wurden 2004 diese Konzepte zu einem modernen alltagsverträglichen Konzept weiterentwickelt: das „Alimentation Par Sol“ (kurz: APS). Hierbei befindet sich mittig zwischen den Gleisen eine Stromschiene, die in voneinander isolierte acht Meter lange Abschnitte aufgeteilt ist. Einfahrende Bahnen senden ein Funksignal aus, wodurch nur in jenen Abschnitten, die unmittelbar unter dem Fahrzeug liegen, die Stromversorgung aktiviert wird, so dass eine Gefährdung der Fußgänger ausgeschlossen ist.[22]

Am Anfang kam es häufig zu Problemen und Betriebsausfällen. Starke Regenfälle können das System nach wie vor kurzfristig lahmlegen. Obwohl die Betriebskosten wesentlich höher sind, als bei klassischen Oberleitungen, etabliert es sich inzwischen als Alternative zu diesen in einigen historischen Stadtzentren, so etwa in Angers und Orléans.[23][24]

Translohr und TVR

Translohr

Translohr in Clermont-Ferrand
Front- und Heckansicht des TVR in Caen

Ein weiteres Konzept ist das Translohr-Konzept. Die Fahrzeuge fahren auf Gummireifen wie Busse, werden jedoch mit Hilfe einer mittig verlegten Schiene spurgeführt und beziehen den elektrischen Strom wie Straßenbahnen beziehungsweise Oberleitungsbusse aus der Oberleitung. Das System ist eine Weiterentwicklung des Spurbus-Systems.

Gegenüber der klassischen Straßenbahn hat der Translohr mehrere Nachteile. Neben der fehlenden Möglichkeit, Rasengleise anzulegen, sind vor allem der höhere Energieverbrauch, der geringere Fahrkomfort und der größere Platzbedarf der Räder im Wagen zu nennen. Als Vorteile gelten kleinere befahrbare Gleisbögen und größere mögliche Steigungen.[25]

Folgende Städte haben bereits ein Translohr-System errichtet:

  • Clermont-Ferrand, Frankreich
  • Padua, Italien
  • Tianjin, China
  • Shanghai, China
  • Venedig-Mestre, Italien
  • Saint Denis-Sarcelles (nördlich von Paris), Frankreich
  • Châtillon und Viroflay (südwestlich von Paris), Frankreich
  • Medellín, Kolumbien

TVR

Der von Bombardier entwickelte TVR zählt wie der Translohr zu den gummibereiften Bahnen. Im Unterschied zu jenem können sich seine Fahrzeuge auch ohne Spurführung bewegen. Nur die französischen Städte Nancy und Caen entschieden sich für dieses System. In Caen wurde der Betrieb 2017 zugunsten des Baus einer „klassischen“ Straßenbahn stillgelegt. Bombardier hat erklärt, das Konzept nicht weiter zu verfolgen.

Drahtlose Energieübertragung

Neben leitergebundener Energiezuführung werden auch Verfahren mittels drahtloser Energieübertragung erprobt. Die Verfahren basieren meist auf induktiver Energieübertragung ähnlich wie bei einem Transformator, bei dem der Transformatorkern in zwei Hälften geteilt ist: Ein Teil, mit der Primärspule, ist ortsfest im Untergrund untergebracht, die zweite Hälfte ist die Sekundärseite im Fahrzeug. Ein solches System im Versuchsstadium mit einer Übertragungsleistung bis 250 Kilowatt ist das Primove von Bombardier Transportation.[26] Damit können Straßenbahnen, welche zusätzlich mit Akkumulatoren ausgestattet sind, Abschnitte ohne Oberleitung oder Stromschiene durchfahren. Vorteile der drahtlosen Energieübertragung sind die geringere visuelle Beeinträchtigung, da es keine Oberleitungen und Oberleitungsmasten mehr gibt. Nachteile sind in den hohen Kosten und der im Vergleich zu Oberleitung schlechtere Wirkungsgrad der drahtlosen Energieübertragung. Ein Testprojekt des Systems findet bei der Straßenbahn Augsburg statt.[27] Seit August 2014 ist die Straßenbahn Nanjing mit drahtloser Energieübertragung unterwegs.[28]

Coventry Very Light Rail

Coventry Very Light Rail ist ein ursprünglich für die englische Stadt Coventry entwickeltes Konzept, mit dem der Bau von Stadtbahn- und Straßenbahnsystemen auch in Mittel- und Kleinstädten im Sinne der Verkehrswende besser umsetzbar sein soll. Dabei sollen die Fahrzeuge auf Einzelwagen mit Drehgestellen reduziert und auf eine Oberleitung verzichtet werden. Stattdessen sollen Akkutriebwagen mit Schnellladestationen entlang der Strecke eingesetzt werden. Da die Einzelwagen leichter sind, kann darüber hinaus beim Gleisbau auf aufwändige Vorarbeiten zum Umlegen von Versorgungsleitungen verzichtet werden. Dadurch ist der Bau nun kostengünstiger und auch stadtplanerisch weniger aufwändig.[29]

Beispiele für Projekte und Planungen weltweit

Die neuen französischen Straßenbahnen hatten nicht nur in Frankreich Vorbildcharakter, sondern auch in anderen Ländern, insbesondere in Südeuropa. Es existieren mittlerweile moderne (und neue) Straßenbahnen etwa in Athen, Valencia, Sevilla und Florenz. Momentan tendiert die Entwicklung daher dahin, dass insbesondere in diesen Ländern auch weiter große Straßenbahnnetze gebaut werden. Auch in anderen Staaten des Mittelmeerraumes sollen weitere Projekte entstehen oder wurden schon durchgeführt.

In Deutschland ist hingegen eine eher langsame Entwicklung zu erkennen. Hier gibt es zwar ähnlich viele Planungen für Straßenbahnstrecken wie in Frankreich; unter anderem sind Straßenbahnkonzepte für Kiel und Tübingen/Reutlingen geplant, die noch in den 2020ern realisiert werden sollen. Genauso liegen aktuell Planungen von neuen Straßenbahnnetzen in Nordrhein-Westfalen, unter anderem in Paderborn, auf Eis.[30] Zuletzt waren die Projekte in Aachen und Hamburg in den Medien, welche beide jedoch an politischen Veränderungen im Stadtrat und einem nachfolgenden Bürgerentscheid scheiterten.[31][32] In Oberhausen wurde 2015 der projektierte Neubau einer Straßenbahnverbindung mit Essen nach einem negativen Bürgervotum auf Eis gelegt. Weitere Planungen in Trier, Kaiserslautern, Offenbach am Main und Hanau kommen wiederholt in die Diskussion, misslangen jedoch gleichfalls immer wieder an mangelnder finanzieller Unterstützung durch die Aufgabenträger oder an Meinungsänderungen im Stadtrat. Weitere Beispiele für geplante Netze sind hier zu finden.

Auch Luxemburg plant seit den 1990er-Jahren eine neue Straßenbahn. Die Entwürfe konnten aufgrund von Bürgerinitiativen und Streitigkeiten über den Streckenverlauf jedoch lange Zeit nicht realisiert werden.[33] Aufgrund der Bedeutung als EU-Standort und dem wachsenden Individualverkehr in Luxemburg als einem der mitteleuropäischen (Banken-)Zentren bleibt eine Straßenbahn jedoch nach wie vor notwendig. Es wurden Planungen bekannt, dass spätestens 2030 der Bau eines Netzes beginnen könnte.[34] Im Juni 2014 wurde vom Parlament schließlich der Bau eines Straßenbahnlinie für 550 Millionen Euro beschlossen[35], Baubeginn war Mitte 2015[36]. Ein erster 7,5 km langer Betriebsabschnitt wurde am 10. Dezember 2017 in Betrieb genommen, die Fertigstellung der insgesamt 16 km langen Linie soll bis 2021 erfolgen. In der Innenstadt wird dabei ein 3,6 km langer Abschnitt ohne Oberleitungen mit Akkumulatoren betrieben werden.[37][38]

Nijmegen erwägt ebenfalls Investitionen in dieser Richtung und die Straßenbahn Olsztyn in Polen rollt seit 2015, nachdem 1965 hier die letzte meterspurige Strecke stillgelegt wurde.

Neue Straßenbahnstrecken sind auch außerhalb von Europa entstanden, unter anderem in der Türkei, in Israel, Algerien und Marokko.[39][40]

Insbesondere in einigen chinesischen und südostasiatischen Städten entstehen neue Stadtbahnstrecken. Gerade in diesen wirtschaftlich und demographisch sehr schnell wachsenden Ländern gibt es ein großes Potential für neue Straßenbahnen. Dort könnten sie einen ähnlichen Aufschwung wie in den westlichen Industriestaaten nehmen. Bis zum Jahr 2020 sollen in 36 chinesischen Städten über 5000 km Straßenbahnstrecken gebaut werden. Umgerechnet 500 Milliarden Euro sind dafür notwendig.[41] Als erste Neubaumaßnahme wurde die Straßenbahn Shenyang am 15. August 2013 teilweise in Betrieb genommen: Die Linien 2 und 5 auf der Gesamtstrecke, Linie 1 nur auf einer Teilstrecke.[42]

Im asiatischen Raum sind neue Straßenbahnsysteme bereits unter anderem in Tuen Mun bei Hongkong und Dubai in Betrieb.[43][44] Insbesondere in China gehen zunehmend neue Straßenbahnstrecken in Betrieb.[45][46] Im 21. Jahrhundert begannen auch in süd- und mittelamerikanischen Städten Planungen; erste Strecken sind bereits in Betrieb gegangen,[47][48][49] z. B. die Ayacucho-Tram in Medellín (2015) oder der VLT in Rio de Janeiro (2016).

Siehe auch

Literatur

  • Reinhart Köstlin, Hellmut Wollmann: Renaissance der Straßenbahn. Birkhäuser, Basel 1998, ISBN 3-7643-1729-9.
  • Klaus Bindewald: Die Albtalbahn: Geschichte mit Zukunft. Verl. Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1998, ISBN 3-929366-79-7.
  • Eric Gilgore: Regionalbahn, Stadt- und Straßenbahn im Systemverbund – vom Karlsruher zum Kaiserslauterer Modell. Kaiserslautern 1999, Universitätsbibliothek Kaiserslautern
  • Hartmut H. Topp (Hrsg.): Verkehr aktuell: Renaissance der Straßenbahn. Kaiserslautern, 1999, Universitätsbibliothek Kaiserslautern
  • Christoph Groneck: Neue Straßenbahnen in Frankreich. EK-Verlag, Freiburg 2003, ISBN 3-88255-844-X.
  • Stadtwerke Heilbronn (Hrsg.): Stadtbahn Heilbronn. Verlag für Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2005, ISBN 3-89735-416-0.
  • Wolfgang Kaiser (Hrsg.): Die schönsten Straßenbahnen der Welt: Tram und Überlandbahnen rund um den Globus. Bruckmann Verlag München 2007, ISBN 978-3-7654-7204-6.
  • Harald Jahn: Die Zukunft der Städte. Die französische Straßenbahn und die Wiedergeburt des urbanen Raumes . Wien 2010, ISBN 978-3-85161-039-0.

Einzelnachweise

  1. a b c Reinhart Köstlin, Hellmut Wollmann: Renaissance der Straßenbahn. Birkhäuser, Basel 1998, ISBN 3-7643-1729-9.
  2. Großer Amerikanischer Straßenbahn-Skandal, Bericht der TU Dresden. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. April 2014; abgerufen am 24. April 2014.
  3. Artikel zum Großen Amerikanischen Straßenbahn-Skanadal. 9. Dezember 2011, abgerufen am 24. April 2014.
  4. http://www.wissenbloggt.de/?p=9320, abgerufen am 24. April 2014
  5. Der Große Amerikanische Straßenbahnskandal. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. April 2014; abgerufen am 24. April 2014.
  6. Straßenbahn-Magazin 8/06
  7. unterschiedliche Ausgaben des Straßenbahn-Magazins zu entsprechenden Neueröffnungen in Augsburg, Ulm und München
  8. (auf Neubauabschnitt in Ulm): Der Fahrgast Feb./April 2021
  9. „Wiedergeburt des Luganer Trams“ in NZZ vom 14. Jan. 2012
  10. Dr. Martin Pabst (Hrsg.): Straßenbahn-Jahrbuch 2014. München, 2014.
  11. Neue Traunsee-Tram in Betrieb genommen. In: ooe.orf.at. 1. September 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  12. Klaus Bindewald: Die Albtalbahn: Geschichte mit Zukunft. Verl. Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1998, ISBN 3-929366-79-7.
  13. Le tram-train de Mulhouse ne fait pas sauter les bouchons. In: mobilicites.com. 27. Februar 2012, abgerufen am 11. September 2016.
  14. Christoph Groneck: Neue Straßenbahnen in Frankreich. EK-Verlag, Freiburg 2003, ISBN 3-88255-844-X.
  15. Le Quotidien de la Réunion, votre journal réunionnais d’actualités et d’informations de l’île de la Réunion (974). In: lequotidien.re. Abgerufen am 11. September 2016.
  16. D. M.: Lyon-Brignais : mise en service du tram-train samedi 8 décembre. In: leprogres.fr. 11. Juni 1970, abgerufen am 11. September 2016 (französisch).
  17. « Bientôt un tram-train au nord de Nantes », article de la revue Rail Passion de décembre 2012, pages 19 à 23.
  18. Nantes-Châteaubriant Tram Line. In: railway-technology.com. Abgerufen am 7. März 2017.
  19. www.nantes-chateaubriant.paysdelaloire.fr. In: nantes-chateaubriant.paysdelaloire.fr. Abgerufen am 11. September 2016.
  20. http://www.stadtregiotram-gmunden.at/
  21. Siemens History Site – Im Fokus – Erste elektrische Straßenbahn der Welt. In: siemens.com. Abgerufen am 27. Januar 2020.
  22. a b Tramgeschichten » Artikel » Bombardier: Straßenbahn ohne Oberleitung. In: tramgeschichten.de. 23. Januar 2009, abgerufen am 27. Januar 2020.
  23. Angers Light Rail System. In: railway-technology.com. Abgerufen am 27. Januar 2020.
  24. Orléans-Val-de-Loire Tramway, Orléans, Loiret. In: railway-technology.com. 24. November 2000, abgerufen am 27. Januar 2020.
  25. NTL. In: newtl.com. 31. März 2016, abgerufen am 11. September 2016 (englisch).
  26. Primove: PRIMOVE true e-mobility. In: primove.bombardier.com. Abgerufen am 11. September 2016.
  27. Primove: PRIMOVE true e-mobility. In: primove.bombardier.com. Abgerufen am 11. September 2016.
  28. Primove: PRIMOVE Straßenbahn Nanjing. In: primove.bombardier.com. Abgerufen am 11. September 2016.
  29. Enda Mullen: Trams to run on Cov's streets for first time since The Blitz. In: coventrytelegraph.net. 14. März 2019, abgerufen am 1. Februar 2021 (englisch).
  30. Straßenbahn-Magazin 9/10
  31. Dr. Martin Pabst (Hrsg.): Straßenbahn Jahrbuch 2014, München 2014
  32. Straßenbahn-Magazin 3/14
  33. Ons Stad: Thema „Straßenbahnen“
  34. Straßenbahn Luxemburg. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. Januar 2014; abgerufen am 24. April 2014 (französisch).
  35. Das Parlament fährt mit der Tram. In: Tageblatt. Abgerufen am 21. Mai 2016.
  36. Jörg Tschürtz und Jonathan Vaucher: Luxemburg drückt bei der Tram aufs Tempo. In: L’essentiel auf Deutsch. Abgerufen am 21. Mai 2016.
  37. „Oben ohne“ durch die Oberstadt. In: Wort.lu. 30. April 2014, abgerufen am 21. Mai 2016.
  38. DIE TRAM IN ZAHLEN. In: www.luxtram.lu. Abgerufen am 21. Mai 2016.
  39. Neue Straßenbahnen in Marokko. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. April 2014; abgerufen am 24. April 2014.
  40. Straßenbahnen in Algerien. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. April 2014; abgerufen am 24. April 2014.
  41. NahverkehrHAMBURG vom 24. März 2015: China baut weltweit erste Wasserstoff-Straßenbahn, abgerufen am 2. April 2017
  42. Railway gazette vom 15. August 2013: Shenyang tramway opens (englisch) abgerufen am 23. Juli 2015
  43. Tuen Mun Stadtteil. In: hong-kong.info. 17. September 1988, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. März 2016; abgerufen am 11. September 2016.
  44. Neue Straßenbahn Dubai. Abgerufen am 24. April 2014.
  45. Peter Odrich: China setzt massiv auf den Straßenbahn-Bau. In: ingenieur.de. 29. August 2013, abgerufen am 11. September 2016.
  46. Chinas Großstädte setzen wieder auf die Straßenbahn. In: vdi-nachrichten.com. 11. Oktober 2013, abgerufen am 11. September 2016.
  47. Germany Trade, Invest: GTAI – Suche. In: gtai.de. 7. Februar 2014, abgerufen am 11. September 2016.
  48. Germany Trade, Invest: GTAI – Internationale Märkte. In: gtai.de. Abgerufen am 11. September 2016.
  49. Anne Herrberg: Brasilien – Olympiastadt Rio macht mobil. In: deutschlandfunk.de. 9. Juni 2016, abgerufen am 11. September 2016.