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Satz des Pythagoras

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Satz des Pythagoras

Der Satz des Pythagoras (auch Hypotenusensatz) ist einer der fundamentalen Sätze der euklidischen Geometrie. Er besagt, dass in allen ebenen rechtwinkligen Dreiecken die Summe der Flächeninhalte der Kathetenquadrate gleich dem Flächeninhalt des Hypotenusenquadrates ist. Sind und die Längen der am rechten Winkel anliegenden Seiten, der Katheten, und die Länge der dem rechten Winkel gegenüberliegenden Seite, der Hypotenuse, dann lautet der Satz als Gleichung ausgedrückt:

Der Satz ist nach Pythagoras von Samos benannt, der als Erster dafür einen mathematischen Beweis gefunden haben soll, was allerdings in der Forschung umstritten ist. Die Aussage des Satzes war schon lange vor der Zeit des Pythagoras in Babylon und Indien bekannt, es gibt jedoch keinen Nachweis dafür, dass man dort auch einen Beweis hatte.

Mathematische Aussage

Der Satz des Pythagoras lässt sich folgendermaßen formulieren:

Sind , und die Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreiecks, wobei und die Längen der Katheten sind und die Länge der Hypotenuse ist, so gilt .

In geometrischer Deutung ist demnach in einem rechtwinkligen Dreieck die Summe der Flächen der beiden Quadrate über den Katheten gleich der Fläche des Quadrats über der Hypotenuse.

Die Umkehrung des Satzes gilt ebenso:

Gilt die Gleichung in einem Dreieck mit den Seitenlängen , und , so ist dieses Dreieck rechtwinklig, wobei der rechte Winkel der Seite gegenüberliegt.

Eng verwandt mit dem Satz des Pythagoras sind der Höhensatz und der Kathetensatz. Diese beiden Sätze und der Satz des Pythagoras bilden zusammen die Satzgruppe des Pythagoras. Der unten beschriebene Kosinussatz ist eine Verallgemeinerung des pythagoreischen Satzes.

Verwendung

Längen im rechtwinkligen Dreieck

Aus dem Satz des Pythagoras folgt direkt, dass die Länge der Hypotenuse gleich der Quadratwurzel aus der Summe der Kathetenquadrate ist, also

.

Eine einfache und wichtige Anwendung des Satzes ist, aus zwei bekannten Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks die dritte zu berechnen. Dies ist durch Umformung der Gleichung für alle Seiten möglich:

Die Umkehrung des Satzes kann dazu verwendet werden, zu überprüfen, ob ein gegebenes Dreieck rechtwinklig ist. Dazu wird getestet, ob die Gleichung des Satzes für die Seiten bei dem gegebenen Dreieck zutrifft. Es reicht also allein die Kenntnis der Seitenlängen eines gegebenen Dreiecks, um daraus zu schließen, ob es rechtwinklig ist oder nicht:

  • Sind die Seitenlängen z. B. , und , dann ergibt sich , und daher ist das Dreieck rechtwinklig.
  • Sind die Seitenlängen z. B. , und , dann ergibt sich , und daher ist das Dreieck nicht rechtwinklig.

Aus dem Satz des Pythagoras folgt, dass in einem rechtwinkligen Dreieck die Hypotenuse länger als jede der Katheten und kürzer als deren Summe ist. Letzteres ergibt sich auch aus der Dreiecksungleichung.

Pythagoreische Tripel

Unter allen Dreiergruppen , die die Gleichung erfüllen, gibt es unendlich viele, bei denen , und jeweils ganze Zahlen sind. Diese Dreiergruppen werden pythagoreische Tripel genannt. Das einfachste dieser Tripel besteht aus den Zahlen , und . Pythagoreische Tripel werden seit alters her zur Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke verwendet. Ein Beispiel ist die Zwölfknotenschnur, mit der ein Dreieck gelegt wird, dessen Seiten die Längen , und haben. Die beiden kurzen Seiten bilden dann einen rechten Winkel.

Der große fermatsche Satz besagt, dass die -te Potenz einer Zahl, wenn ist, nicht als Summe zweier Potenzen des gleichen Grades dargestellt werden kann. Gemeint sind ganze Grundzahlen und natürliche Hochzahlen. Allgemein gesprochen bedeutet dies:

Die Gleichung besitzt für ganzzahlige und natürliche Zahlen keine Lösung.

Das ist erstaunlich, weil es für unendlich viele Lösungen gibt. Für sind dies die pythagoreischen Zahlentripel.

Euklidischer Abstand

Der Satz von Pythagoras liefert eine Formel für den Abstand zweier Punkte in einem kartesischen Koordinatensystem. Sind zwei Punkte und in einer Ebene gegeben, dann ist ihr Abstand durch

gegeben. Hierbei wird ausgenutzt, dass die Koordinatenachsen senkrecht zueinander liegen. Diese Formel kann auch auf mehr als zwei Dimensionen erweitert werden und liefert dann den euklidischen Abstand. Zum Beispiel gilt im dreidimensionalen euklidischen Raum

.

Beweise

Addition abgeleiteter Flächeninhalte aus dem Zhoubi suanjing

Für den Satz sind mehrere hundert Beweise bekannt,[1] womit er wohl der meistbewiesene mathematische Satz ist. Exemplarisch werden neben dem Beweis durch Addition abgeleiteter Flächeninhalte,[2] aus dem Zhoubi suanjing (Arithmetischer Klassiker des Zhou-Gnomons), nachfolgend weitere vier geometrische Beweise vorgestellt. Ein fünfter Beweis aus dem Jahr 1875 von James A. Garfield findet sich unter Beweis des Satzes des Pythagoras nach Garfield, der dem Beweis durch Ergänzung stark ähnelt.

Geometrischer Beweis durch Ergänzung

Positionierung von vier Dreiecken in einem Quadrat mit der Seitenlänge

In ein Quadrat mit der Seitenlänge werden vier kongruente rechtwinklige Dreiecke mit den Seiten , und (Hypotenuse) eingelegt. Dies kann auf zwei Arten geschehen, wie im Diagramm dargestellt ist.

Die Flächen des linken und des rechten Quadrates sind gleich (Seitenlänge ). Das linke besteht aus den vier rechtwinkligen Dreiecken und einem Quadrat mit Seitenlänge , das rechte aus den gleichen Dreiecken sowie einem Quadrat mit Seitenlänge und einem mit Seitenlänge . Die Fläche entspricht also der Summe der Fläche und der Fläche , also

.

Eine algebraische Lösung ergibt sich aus dem linken Bild des Diagramms. Das große Quadrat hat die Seitenlänge und somit die Fläche . Zieht man von dieser Fläche die vier Dreiecke ab, die jeweils eine Fläche von (also insgesamt ) haben, so bleibt die Fläche übrig. Es ist also

.

Auflösen der Klammer liefert

.

Zieht man nun auf beiden Seiten ab, bleibt der Satz des Pythagoras übrig.

Scherungsbeweis

Zweifache Scherung der Kathetenquadrate und Drehung in das Hypotenusenquadrat

Eine Möglichkeit ist die Scherung der Kathetenquadrate in das Hypotenusenquadrat. Unter Scherung eines Rechtecks versteht man in der Geometrie die Überführung des Rechtecks in ein Parallelogramm unter Beibehaltung der Höhe. Bei der Scherung ist das sich ergebende Parallelogramm zu dem Ausgangsrechteck flächengleich. Über zwei Scherungen können die beiden kleineren Quadrate dann in zwei Rechtecke umgewandelt werden, die zusammen genau in das große Quadrat passen.

Beim exakten Beweis muss dann noch über die Kongruenzsätze im Dreieck nachgewiesen werden, dass die kleinere Seite der sich ergebenden Rechtecke jeweils dem betreffenden Hypotenusenabschnitt entspricht. Wie üblich wurden in der Animation die Höhe mit und die Hypotenusenabschnitte mit bezeichnet.

Beweis mit Ähnlichkeiten

Ähnlichkeit der Dreiecke , und

Es ist nicht unbedingt notwendig, zum Beweis des Satzes von Pythagoras (explizit) Flächen heranzuziehen. Geometrisch eleganter ist es, Ähnlichkeiten zu verwenden. Sobald man sich durch Berechnung der Winkelsummen im Dreieck überzeugt hat, dass die beiden Winkel im unteren Bild gleich groß sein müssen, sieht man, dass die Dreiecke , und ähnlich sind. Der Beweis des Satzes von Pythagoras ergibt sich dann wie im Bild gezeigt, dabei beweist man auch den Kathetensatz und die Addition beider Varianten des Kathetensatzes ergibt den Satz des Pythagoras selbst. Diese Herleitung lässt sich anschaulich mit der Ähnlichkeit der Quadrate und der Ähnlichkeit deren angrenzenden Dreiecke erklären. Da deren Fläche proportional zur Fläche der jeweils anliegenden Quadrate ist, repräsentiert die Gleichung

den Satz.

Beweis der Umkehrung

Beweis der Umkehrung
Links: Gewähltes Ausgangsdreieck erfüllt
Rechts: Rechtwinkliges Dreieck, dessen Längen der Katheten entsprechen den Seitenlängen von und des Ausgangsdreiecks

Die Umkehrung des Satzes lässt sich auf verschiedene Arten beweisen, ein besonders einfacher Beweis ergibt sich jedoch, wenn man den Satz des Pythagoras selbst zum Beweis seiner Umkehrung heranzieht.

Zu einem beliebigen Dreieck, dessen Seiten die Bedingung erfüllen, konstruiert man ein zweites Dreieck. Dieses besitzt einen rechten Winkel, dessen Schenkellängen den Seitenlängen von und entsprechen. Nach dem Satz des Pythagoras beträgt nun die Länge der Hypotenuse in diesem zweiten Dreieck und entspricht damit der Länge der Seite des Ausgangsdreiecks. Somit besitzen die beiden Dreiecke die gleichen Seitenlängen und sind aufgrund des ersten Kongruenzsatzes (SSS) kongruent. Damit sind dann aber auch ihre Winkel gleich, das heißt, auch das Ausgangsdreieck besitzt einen rechten Winkel, der der Seite gegenüberliegt.

Verallgemeinerungen und Abgrenzung

Kosinussatz

Der Kosinussatz ist eine Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras für beliebige Dreiecke:

,

wobei der Winkel zwischen den Seiten und ist. Der Kosinussatz unterscheidet sich also durch den Term vom Satz des Pythagoras. Da der Kosinus von gleich null ist, fällt dieser Term bei einem rechten Winkel weg, und es ergibt sich als Spezialfall der Satz des Pythagoras. Gilt umgekehrt in einem Dreieck die Beziehung

,

so muss sein, woraus folgt, und daher ist das Dreieck rechtwinklig. Für spitzwinklige Dreiecke gilt entsprechend

und für stumpfwinklige Dreiecke

.

Verallgemeinerung von Thabit ibn Qurra

Verallgemeinerung von Thabit ibn Qurra:
Gleichfarbige Rechtecke sind flächengleich,
gleichfarbige Winkel sind gleich groß,

Eine auf Thabit ibn Qurra zurückgehende Verallgemeinerung liefert zu den Quadraten über zwei Seiten eines beliebigen Dreiecks ein Rechteck über der dritten Seite, dessen Fläche der Summe der beiden Quadratflächen entspricht.[3]

Zu einem beliebigen Dreieck mit Seiten , Winkel in und Höhe konstruiert man ein gleichschenkliges Dreieck dessen Basis auf der Seite liegt und das als Höhe besitzt. Darüber hinaus besitzen seine beiden Basiswinkel die gleiche Größe wie , sofern ein spitzer Winkel ist. Ist hingegen ein stumpfer Winkel, so sollen die Basiswnkel betragen. Ferner wird der Eckpunkt des gleichschenkligen Dreiecks, der auf derselben Seite von wie liegt, mit E bezeichnet und der andere Eckpunkt auf derselben Seite wie mit . Dies gilt jedoch nur im Falle , für vertauscht man stattdessen und . Im Fall fällt das gleichschenklige Dreieck mit der Höhe zusammen und die Punkte und dementsprechend mit dem Punkt . Definiert man nun und , so gilt:

Für gilt dabei und die obige Gleichung liefert den Satz des Pythagoras.

Die Aussage lässt sich analog zum Satz des Pythagoras direkt über ähnliche Dreiecke beweisen, wobei hier die Dreiecke , und ähnlich sind.[4][5]

Aufgrund von

liefert Qurras Verallgemeinerung auch eine geometrische Darstellung des Korrekturterms im Kosinussatz als ein Rechteck, das zu dem Quadrat über der Seite hinzugefügt oder von ihm abgetrennt wird, um eine Fläche zu erhalten, die der Summe der Flächen der Quadrate über den Seiten und entspricht.

Flächensatz von Pappus

dunkelgraue Fläche = hellgraue Fläche

Eine weitere Verallgemeinerung auf beliebige Dreiecke liefert die Flächenformel von Pappus. Hier ergibt sich aus zwei beliebigen Parallelogrammen über zwei Seiten eines beliebigen Dreiecks ein eindeutig bestimmtes Parallelogramm über der dritten Seite des Dreiecks, dessen Fläche der Summe der Flächen der beiden Ausgangsparallelogramme entspricht. Sind die beiden Ausgangsparallelogramme Quadrate, so erhält man im Falle eines rechtwinkligen Dreiecks ein Quadrat über der dritten Seite und damit den Satz des Pythagoras.

Das Parallelogramm über der dritten Seiten erhält man, indem man die beiden Seiten der Ausgangsparallelogramme, die parallel zu den Dreiecksseiten sind, verlängert und deren Schnittpunkt mit dem Eckpunkt des Dreiecks, der auch auf beiden Parallelogrammen liegt, verbindet. Diese Verbindungsstrecke liefert das zweite Seitenpaar des Parallelogramms über der dritten Seite (siehe Zeichnung).[6][7]

Ähnliche Figuren, errichtet über den Seiten des rechtwinkligen Dreiecks

Bild 1: Flächen von ähnlichen Dreiecken
Es gilt:
Bild 2: und bezeichnen die Flächen der Fünfecke, ähnlichen Dreiecke und Kreise
Es gilt jeweils:

Eine Verallgemeinerung des Satzes des Pythagoras mithilfe von drei zueinander ähnlichen Figuren über den Dreieckseiten (neben den bereits bekannten Quadraten) war bereits Hippokrates von Chios im 5. Jahrhundert v. Chr. bekannt[8][9] und wurde, wahrscheinlich zweihundert Jahre später, von Euklid in seinem Werk Elemente aufgenommen:

„Im rechtwinkligen Dreieck ist die gradlinige Figur über der Hypotenuse gleich den ähnlichen und ähnlich errichteten Figuren über den Katheten zusammen.“

Euklid: Elemente. VI.31.[10]

Errichtet man über den drei Seiten und des ursprünglichen Dreiecks jeweils eine zu den beiden anderen ähnliche Figur (Bild 1) mit den Flächen und dann gilt wegen ihrer Ähnlichkeit:

Stellt man und in der Form

dar, so erhält man für die Summe:

Nach dem Satz des Pythagoras wird für eingesetzt und somit ergibt sich:

Während Euklids Beweis nur für konvexe Polygone (Vielecke) gilt,[10] ist der Satz auch für konkave Polygone und sogar für ähnliche Figuren mit gekrümmten Grenzen gültig, wobei auch diese Figuren aus einer betreffenden Seite des ursprünglichen Dreiecks hervorgehen.[8] Die im Bild 2 dargestellten Flächen und der Kreise entstehen aus den Seiten und der Fünfecke.

Um zu verdeutlichen, dass Kreise bzw. Halbkreise[11] allein, d. h. ohne Vielecke über den Seiten, zur Verallgemeinerung herangezogen werden können, erweitert man den Satz des Pythagoras mit der Kreiszahl

Aus dem Satz mit Quadraten

wird, mit den entsprechenden Seitenlängen und als Radien, eine Verallgemeinerung mit Kreisen

bzw. eine Verallgemeinerung mit Halbkreisen:

Die Grundidee hinter dieser Verallgemeinerung ist, dass die Fläche einer ebenen Figur proportional zum Quadrat jeder linearen Dimension und insbesondere proportional zum Quadrat der Länge jeder Seite ist.

Skalarprodukträume

Abstrahiert man vom gewöhnlichen euklidischen Raum zu allgemeinen Skalarprodukträumen, also Vektorräumen mit einem Skalarprodukt, dann gilt:

Sind zwei Vektoren und zueinander orthogonal, ist also ihr Skalarprodukt , dann gilt aufgrund der Linearität des Skalarprodukts

,

wobei die von dem Skalarprodukt induzierte Norm bezeichnet.

Bezieht man diesen Satz wiederum auf den euklidischen Raum, dann stehen und für die Katheten und eines rechtwinkligen Dreiecks. steht für die Länge der Hypotenuse .

Diese Verallgemeinerung des Satzes des Pythagoras findet sich auch in abstrakten mathematischen Strukturen, etwa unendlichdimensionalen Funktionenräumen wieder. Die Umkehrung gilt ebenfalls. Trifft die Gleichung zu, so sind die beiden Vektoren orthogonal zueinander. Der Satz lässt sich noch weiter verallgemeinern. Ist ein Orthogonalsystem bestehend aus paarweise orthogonalen Vektoren , dann folgt durch wiederholte Anwendung obigen Arguments:

Die entsprechende Aussage gilt sogar für unendliche Summen, wenn man eine Folge von Vektoren betrachtet, die alle zueinander orthogonal sind. Konvergiert nun die Reihe , so konvergiert auch und es gilt:

Der Beweis der zweiten Behauptung folgt dabei aus der Stetigkeit des Skalarprodukts. Eine weitere Verallgemeinerung führt zur Parsevalschen Gleichung.

Weitere Verallgemeinerungen

Ebenfalls als Verallgemeinerungen des Satzes des Pythagoras können der Schenkeltransversalensatz, der Satz von Stewart, der Satz von Ptolemäus und der Satz von der britischen Flagge gelten. Letzterer stellt sowohl eine Verallgemeinerung in der Ebene als auch im Raum dar. Die pythagoreische Gleichung ist darüber hinaus auch in der Apollonios-Gleichung enthalten.

Ein räumliches Analogon ist der Satz von de Gua. Hier werden das rechtwinklige Dreieck durch ein rechtwinkliges Tetraeder und die Seitenlängen durch die Flächeninhalte der Seitenflächen ersetzt. Sowohl der Satz des Pythagoras als auch der Satz von de Gua sind Spezialfälle eines allgemeinen Satzes über n-Simplexe mit einer rechtwinkligen Ecke.

Unterschiede in der nichteuklidischen Geometrie

Nichteuklidische Geometrien sind Geometrien, in denen das Parallelenaxiom nicht gilt. Ein Beispiel hierfür ist die Geometrie der Kugeloberfläche. Dort gilt der Satz des Pythagoras nicht mehr, da in solchen Geometrien der Innenwinkelsatz nicht gilt, also die Winkelsumme eines Dreiecks von 180° verschieden ist. Ein anderes Beispiel ist der „gekrümmte“ Raum der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins.

Geschichte

Babylon und Indien

Bereits auf einer babylonischen Keilschrifttafel,[12] die in die Zeit der Hammurabi-Dynastie datiert wird (ca. 1829 bis ca. 1530 v. Chr.), findet sich eine geometrische Problemstellung mit Lösung, bei der der Satz zur Berechnung von Längen (im Sexagesimalsystem) verwendet wurde:[13][14]

Ein Balken, 0;30 (= 30/60 GAR = 1/2 GAR ≈ 3 m lang)[15]
Von oben ist er 0;6 (= 6/60 GAR) herabgekommen.
Von unten was hat er sich entfernt?
0;30 (= 30/60) quadriere, 0;15 (= 900/3600 = 15/60) siehst du.
0;6 (= 6/60) von 0;30 (= 30/60) abgezogen, 0;24 (= 24/60) siehst du.
0;24 (= 24/60) quadriere, 0;9,36 (= 576/3600) siehst du.
0;9,36 (= 576/3600) von 0;15 (= 900/3600) ziehe ab, 0;5,24 (= 324/3600) siehst du.
0;5,24 (= 324/3600) hat was als Quadratwurzel? 0;18 (= 18/60).
0;18 (= 18/60 GAR) am Boden hat er sich entfernt.

Daraus ergibt sich:

, also und weiter .

Ein Interesse der Babylonier an einem mathematischen Beweis geht jedoch aus den Quellen nicht hervor.

Die Keilschrifttafel Plimpton 322 enthält außerdem verschiedene pythagoreische Tripel, unter anderem

, sowie ,

was auf ein Verfahren zur Berechnung solcher Tripel schließen lässt.

In indischen Sulbasutras („Schurregeln“ bzw. „Leitfäden zur Meßkunst“), die ungefähr vom 6. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden, finden sich einige pythagoreische Tripel. Außerdem wurde auch der Lehrsatz dort schon allgemein ausgesprochen und benutzt.[16][17][18] Wie er begründet wurde, ist nicht sicher.[19]

China

Der Satz war im antiken China als Satz der Gougu (勾股定理) bekannt. In der Schrift Zhoubi suanjing („Arithmetischer Klassiker des Zhou-Gnomons“), die ungefähr vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. entstand,[20] wird mit der sogenannten „Hypotenusen-Figur“ (Xian-tu)[21][22] ein dort am Beispiel des rechtwinkligen Dreiecks (gougu) mit den Seiten 3, 4 und 5 gegebener Beweis des Satzes veranschaulicht.[23] Auch im Jiu Zhang Suanshu („Neun Bücher arithmetischer Technik“, 1. Jahrhundert n. Chr.), dem klassischen mathematischen Werk Chinas mit einer Sammlung von 263 Problemstellungen, ihren Lösungen und den Lösungswegen, wird er angewendet. Liu Hui (3. Jahrhundert n. Chr.) gab wohl in seinem Kommentar zu den „Neun Büchern“ im neunten Kapitel einen Zerlegungsbeweis an.[24]

Die umstrittene Rolle des Pythagoras

Der Satz des Pythagoras in der byzantinischen mathematischen Sammelhandschrift Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vaticanus Palatinus graecus 95, fol. 40r (13./14. Jahrhundert)

Die Benennung des Satzes nach dem griechischen Philosophen Pythagoras (6. Jahrhundert v. Chr.) ist erst in späten Quellen bezeugt. Daher ist in der Forschung die Frage nach der Rolle des Pythagoras stark umstritten. Verschiedene Hypothesen kommen in Betracht:

  • Pythagoras übernahm den Satz von den Babyloniern, seine Rolle war nur die eines Vermittlers orientalischen Wissens an die Griechen. Antiken Quellen zufolge unternahm er eine Ägyptenreise, er soll sogar in Babylonien gewesen sein, doch ist die Glaubwürdigkeit der Berichte über seine Reisen umstritten.
  • Pythagoras hat den Satz unabhängig von der orientalischen Mathematik entdeckt und auch erstmals bewiesen. Diese Ansicht war in der Antike verbreitet.
  • Pythagoras verdankte die Kenntnis des Sachverhalts orientalischen Quellen, war aber der erste, der einen Beweis dafür fand. Tatsächlich waren Babylonier und Ägypter anscheinend nur an der Anwendung des Satzes für praktische Zwecke, nicht an einem allgemeingültigen Beweis interessiert. So enthält beispielsweise das älteste bekannte Rechenbuch der Welt, das ägyptische Rechenbuch des Ahmes (auch Papyrus Rhind) aus dem 17. Jahrhundert v. Chr., bereits komplizierte Aufgaben, es fehlt jedoch jede Verallgemeinerung, es wird nicht definiert und bewiesen.
  • Pythagoras hat in der Geschichte des Satzes keine Rolle gespielt; erst spätere Pythagoreer haben möglicherweise den ersten Beweis gefunden.

Gegensätzliche Positionen vertreten die Wissenschaftshistoriker Walter Burkert und Leonid Zhmud. Burkert zieht allenfalls eine Vermittlerrolle des Pythagoras in Betracht, Zhmud schreibt ihm mathematische Leistungen wie den Beweis des Satzes zu und betont seine Eigenständigkeit gegenüber der orientalischen Mathematik.[25][26][27]

Euklid, der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. in seinem berühmten Werk Elemente das mathematische Wissen seiner Zeit zusammentrug, bot einen Beweis,[28] brachte den Satz aber nicht mit Pythagoras in Zusammenhang. Der älteste Beleg dafür, dass der Satz mit Pythagoras in Verbindung gebracht wurde, ist ein Epigramm eines Apollodoros, der möglicherweise mit dem Philosophen Apollodoros von Kyzikos zu identifizieren ist; in diesem Fall stammen die Verse aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. Der Text lautet:[29]

Als Pythagoras einst die berühmte Zeichnung gefunden,
Brachte als Opfer er dar herrliche Stiere dem Gott.

Apollodoros gibt nicht an, welche „berühmte“ Zeichnung oder Figur er meint, doch spätere Autoren, darunter Diogenes Laertios, der im 3. Jahrhundert die beiden Verse zitierte, gingen davon aus, dass es sich um den „Satz des Pythagoras“ handelt. Diese Überlieferung, wonach Pythagoras einem Gott zum Dank dafür, dass dieser ihm die Erkenntnis eingab, ein Rinderopfer darbrachte, steht in Widerspruch zu dem von zahlreichen antiken Quellen überlieferten Umstand, dass Pythagoras und die Pythagoreer Tieropfer grundsätzlich ablehnten.[30][31]

Literarische Rezeption

Hans Christian Andersen verfasste 1831 einen Beweis des Satzes des Pythagoras in Gedichtform mit dem Titel Formens evige Magie (Et poetisk Spilfægterie).[32][33]

Veranschaulichung

Prinzipskizze eines Anschauungsobjektes

Sehr verbreitet sind Anschauungsobjekte, die mit Hilfe von Flüssigkeiten den Satz des Pythagoras beschreiben. Die nebenstehende animierte Prinzipskizze ist quasi die Vorderansicht eines drehbar gelagerten Exponates des Science-Center Phaeno in Wolfsburg.[34] An den Seiten des mittigen rechtwinkligen Dreiecks sind flache durchsichtige Behälter mit der Tiefe angebracht. Deren quadratische Grundflächen sind gleich den Flächen der Kathetenquadrate bzw. des Hypotenusenquadrates. Die Behälter sind deshalb mit , und bezeichnet. Ist das Exponat in seiner Ausgangsstellung ( unten), fließt das in und randvoll gefüllte blaue Wasser über die Ecken des Dreiecks und restlos ab und füllt somit vollständig . Daraus folgt

,

geteilt durch ergibt es

Verwandte Themen

Literatur

Weblinks

Commons: Satz des Pythagoras – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Satz des Pythagoras – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Eli Maor: The Pythagorean Theorem: A 4,000-year History. Princeton University Press, Princeton 2007, ISBN 0-691-12526-0., S. XIII (Vorwort).
  2. Zhou bi, Mathematischer Kanon des Zhou-Gnomons. Universität Bielefeld, abgerufen am 24. Mai 2019.
  3. Michael de Villiers: Thabit’s Generalisation of the Theorem of Pythagoras. In: Learning and Teaching Mathematics. Nr. 23, 2017, S. 22–23.
  4. Aydin Sayili: Thâbit Ibn Qurra’s Generalization of the Pythagorean Theorem. In: Isis. Band 51, Nr. 1, 1960, S. 35–37 (JSTOR).
  5. George Gheverghese Joseph: The Crest of the Peacock: Non-European Roots of Mathematics. Princeton University Press, 2011, ISBN 9780691135267, S. 492.
  6. Howard Eves: Pappus’s Extension of the Pythagorean Theorem. In: The Mathematics Teacher. Band 51, Nr. 7 (November 1958), S. 544–546 (JSTOR:27955752).
  7. Claudi Alsina, Roger B. Nelsen: Charming Proofs: A Journey Into Elegant Mathematics. M. A. A., Washington DC 2010, ISBN 978-0-88385-348-1, S. 77–78 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. a b Thomas Heath: A History of Greek Mathematics, Band 1,. (a) Hippocrates’s quadrature of lunes. In: wilbourhall. Clarendon Press, Oxford, 1921, S. 183 ff., Abbildung S. 185, abgerufen am 25. September 2019.
  9. Oskar Becker: Das mathematische Denken der Antike, Band 3. Mathematik des 5. Jahrhunderts. In: Google Books. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1966, S. 58, abgerufen am 26. September 2019.
  10. a b Euklid: Stoicheia. Buch VI. (PDF; 529 kB) In: opera-platonis.de/euklid. Abgerufen am 19. Mai 2019.
  11. Naber: Der Satz von Pythagoras ein Satz über Quadrate? Universität Bielefeld, abgerufen am 24. Mai 2019.
  12. London, British Museum, Keilschrifttafel 85196.
  13. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. Berlin 1984, S. 33 f.
  14. Kurt Vogel: Vorgriechische Mathematik. Teil II: Die Mathematik der Babylonier. Hannover/Paderborn 1959, S. 67 f.
  15. Kurt Vogel: Vorgriechische Mathematik. Teil II: Die Mathematik der Babylonier. Hannover/Paderborn 1959, S. 20.
    Franz Lemmermeyer: Die Mathematik der Babylonier. (PDF; 7,6 MB) 2.4 Das Babylonische Maßsystem. Universität Heidelberg, 27. Oktober 2015, S. 44 ff., abgerufen am 23. Mai 2019.
  16. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. Berlin u. a. 1984, S. 66–69.
  17. Oskar Becker: Das mathematische Denken der Antike. Göttingen 1966, S. 55 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  18. Ausführliche Darlegung des Sachverhalts bei Thomas L. Heath: The thirteen books of Euclid’s Elements. Band 1. 2. Auflage, New York 1956, S. 360–364.
  19. Oskar Becker: Die Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung. Freiburg 1964, S. 20.
  20. Jean-Claude Martzloff: A History of Chinese Mathematics. Berlin u. a. 1997, S. 124, 126.
  21. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. Berlin 1984, S. 178 f.
  22. Jean-Claude Martzloff: A History of Chinese Mathematics. Berlin u. a. 1997, S. 298 f.
  23. Oskar Becker: Das mathematische Denken der Antike. Göttingen 1966, S. 56 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. Berlin 1984, S. 179 dagegen sieht darin noch keinen Beweis.
  24. Jean-Claude Martzloff: A History of Chinese Mathematics. Berlin u. a. 1997, S. 296–298. Die zugehörige Zeichnung, die für das richtige Verständnis benötigt wird, ist nicht erhalten geblieben.
  25. Walter Burkert: Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon. Nürnberg 1962, S. 405 f., 441 ff.
  26. Leonid Zhmud: Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus. Berlin 1997, S. 141–151, 160–163 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  27. Siehe auch Thomas L. Heath: The thirteen books of Euclid’s Elements. Band 1. 2. Auflage. New York 1956, S. 350–360.
  28. Euklid: Elemente. Die Stoicheia. Buch 1, Satz 47. (PDF; 5,6 MB) In: opera-platonis.de. Abgerufen am 15. Juli 2019.
  29. Apollodoros nach Diogenes Laertios 8,12, übersetzt von Otto Apelt: Diogenes Laertios: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. 3. Auflage. Hamburg 1990, S. 116.
  30. Leonid Zhmud: Pythagoras and the Early Pythagoreans. Oxford 2012, S. 59, 257, 267–269.
  31. Walter Burkert: Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon. Nürnberg 1962, S. 168 und Anm. 152, S. 405 f.
  32. Hans Christian Andersen: H. C. Andersens samlede værker. Band 7: Digte I. 1823–1839. Kopenhagen 2005, S. 311–313, Kommentar S. 638–639 (visithcandersen.dk).
  33. Hans-Joachim Schlichting: Die Welt physikalisch gesehen. – Formen der ewigen Magie. In: hjschlichting.wordpress.com. 9. März 2017, abgerufen am 13. Juli 2020.
  34. Hans-Joachim Schlichting: Die Welt physikalisch gesehen. Der Satz des Pythagoras – revisited. In: hjschlichting.wordpress.com. 5. März 2017, abgerufen am 11. Juli 2019.