Schlacht an der Scheldemündung

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Schlacht an der Scheldemündung
Teil von: Westfront, Zweiter Weltkrieg

Karte der Schlacht
Datum 2. Oktober bis 8. November 1944
Ort Walcheren, Zeeland, Niederlande
Antwerpen, Flandern, Belgien
Ausgang Alliierter Sieg
Konfliktparteien

Kanada 1921 Kanada
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Polen 1928 Polnische Exilregierung
Vereinigte Staaten 48 Vereinigte Staaten
Niederlande Niederlande
Belgien Belgien

Deutsches Reich NS Deutsches Reich

Befehlshaber

Henry Duncan Graham Crerar
Guy Simonds

Gustav-Adolf von Zangen

Truppenstärke

1. Kanadische Armee
450.000 Mann

15. Armee
230.000 Mann

Verluste

20.873 Tote, Verwundete und Vermisste, davon 6.367 Kanadier

vermutlich 10–15.000 Tote und Verwundete
41.043 Gefangene

General Crerar beim Kartenstudium

Die Schlacht an der Scheldemündung (französisch Bataille de l’Escaut, englisch Battle of the Scheldt) war eine militärische Operation der kanadischen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs. Sie fand im Nordwesten Belgiens und im Südwesten der Niederlande zwischen dem 2. Oktober und dem 8. November 1944 statt.

Vorgeschichte

Truppen der Wehrmacht hatten im Mai 1940 Belgien, die Niederlande und Luxemburg in einer Art Blitzkrieg erobert („Fall Gelb“) und im Juni Nordfrankreich („Fall Rot“). Am 22. Juni 1940 unterschrieb Frankreich einen kapitulationsähnlichen Waffenstillstand. Deutschland ließ von September 1942 bis Mitte 1944 den Atlantikwall bauen. Alleine auf dem relativ kleinen Gebiet von Walcheren wurden etwa 300 Bunkerbauwerke mit einer Wand- oder Deckenstärke von 2 Metern oder mehr gebaut; zudem hunderte von schwächer geschützten Bauwerken.[1]

Nach dem schnellen Vorrücken der Alliierten durch Nordfrankreich und dem fluchtartigen Rückzug der deutschen Truppen nach Belgien, den Niederlanden und Westdeutschland konnten die Briten mit der 2. Armee unter General Miles Dempsey in den ersten Septembertagen Brüssel einnehmen. Auf dem weiteren Vormarsch entlang der Nordseeküste stießen die Kanadier auf verlassene V1-Abschussrampen, die für den Einsatz der Raketen gegen London und Südengland genutzt worden waren.

Etliche belgische Dörfer waren von den Deutschen geräumt worden, in anderen kam es zu kurzen und heftigen Gefechten. Der Großteil Westbelgiens konnte schnell eingenommen werden. Die Deutschen zogen sich in vorher festgelegte Schlüsselstellungen zurück. Als die Kanadier den Gent-Kanal überquerten, kam es zu einem erbittert geführten Kampf um den Brückenkopf. Er konnte nur unter größten Anstrengungen gehalten werden. Auch beim weiteren Vorrücken östlich um Antwerpen herum in dessen Nordgebiete trafen die alliierten Truppen auf heftigen Widerstand. Die Nachschubprobleme wurden langsam kritisch, da die Alliierten bedingt durch ihr sehr schnelles östliches Vorrücken die Versorgungswege weit überdehnt hatten und nur Häfen in der Normandie zur Verfügung standen. Auch der Red Ball Express, der vor allem Treibstoff und Munition zur Front brachte, konnte daran nicht allzu viel ändern. Es war daher unabdingbar, einen großen Hafen an der Kanalküste einzunehmen. Die kleineren Hafenstädte, die unterdessen in die Hände der Alliierten gefallen waren, erwiesen sich als zu klein oder waren nach den Kämpfen viel zu stark beschädigt, um als Anlieferungsort für die Nachschubeinheiten der Marine dienen zu können.

Antwerpen war ein noch relativ unbeschädigter großer Seehafen und konnte Anfang September von der britischen 2. Armee besetzt werden. Die 4. Brigade der kanadischen 2. Infanteriedivision war dabei für die Säuberung und Sicherung des Hafens verantwortlich. Da Antwerpen aber im Hinterland der Scheldemündung, etwa 80 Kilometer von der Küste entfernt liegt, war eine Nutzung erst möglich, wenn es gelang, die starken deutschen Artilleriestellungen auf der vorgelagerten Insel Walcheren auszuschalten.

Am 6. September wurde die gesamte Halbinsel Walcheren zur „Festung Walcheren“ ausgerufen (siehe auch Fester Platz). Es gab die „freie Küste Walcheren“ (ein Nordbereich von Veere bis nördlich Westkapelle und ein Westbereich von Westkapelle bis Groot Valkenisse) sowie den „V.B. Vlissingen“ (V.B. = Verteidigungsbereich). Letzterer hatte drei Bereiche:[1][2]

  • Die Landfront (Bereich von Groot Valkenisse bis zum Fort Rammekens bei Ritthem);[3] sie ist in Teilen durch einen wasserführenden Panzergraben geschützt.
  • Die Seefront (von Groot Valkenisse über Dishoek bis nach Vlissingen). Der Hafenbereich von Vlissingen war besonders geschützt und wurde als „Kernwerk“ bezeichnet. Dort standen drei 150-mm-Kanonen.[4]

Es gab drei Flugabwehrbatterien in der Umgebung von Vlissingen.

Am 12. September erhielt die 1. Kanadische Armee den Auftrag zur Eroberung des Scheldemündungsgebiets. Erste Attacken gegen die dortigen deutschen Stellungen am nächsten Tag hatten wenig Erfolg.

Unterdessen war die britische 2. Armee weiter östlich bis in die südlichen Niederlande vorgedrungen. Am 17. September wurde die Operation Market Garden gestartet, die jedoch mit einem Fehlschlag endete, da die Rheinbrücke in Arnheim nicht gehalten werden konnte. Die Hoffnung auf ein schnelles Kriegsende rückte in weite Ferne.

Die Schlacht

Die eigentliche Schlacht an der Scheldemündung begann am 2. Oktober. Unter dem Kommando von General Henry Duncan Graham Crerar rückte die 1. Kanadische Armee, bestehend aus der kanadischen 2. und der 3. Infanteriedivision, der kanadischen 4. Panzerdivision, dem britischen I. Korps und der polnischen 1. Panzerdivision, gegen die Deutschen vor. In kleineren Einheiten kämpften auch Amerikaner, Niederländer und Belgier mit. Insgesamt belief sich die Stärke der Armee auf etwa 450.000 Soldaten.

Die Schlacht fand auf überschwemmtem, schlammigem Gelände statt, und die gut positionierte und starke Verteidigung der Deutschen machte sie zu einem zermürbenden und verlustreichen Unterfangen. Viele Historiker sehen in ihr die Schlacht des Zweiten Weltkriegs, die auf dem schwierigsten Gelände überhaupt stattfand. General Crerar war mittlerweile wegen einer schwerwiegenden Erkrankung nach Großbritannien ausgeflogen worden, und Lieutenant-General Guy Simonds hatte das Kommando übernommen.

Die Besonderheiten des Schlachtfeldes machten die Aufgabe der 1. Kanadischen Armee sehr schwierig. Nördlich der Scheldemündung liegt Nord-Beveland, darunter Süd-Beveland mit der dahinter liegenden Insel Walcheren, die von den Deutschen stark befestigt worden war. Am Südufer des Mündungsgebiets liegt flaches Flutgelände, das so genannte Polderland, unter dem Meeresspiegel und gut zur Verteidigung geeignet.

Der Plan zur Sicherung der Mündung war in vier Phasen unterteilt:

  1. Einnahme des Gebiets nördlich von Antwerpen und Sicherung des Zugangs nach Nord-Beveland,
  2. Auflösung des Kessels bei Breskens hinter dem Leopoldkanal (Operation Switchback),
  3. Einnahme von Süd-Beveland (Operation Vitality) und
  4. Einnahme von Walcheren (Operation Infatuate).

Anfang Oktober rückte die kanadische 2. Infanteriedivision nördlich von Antwerpen vor. Gleichzeitig begann die kanadische 3. Infanteriedivision mit Unterstützung der kanadischen 4. Panzerdivision den Vorstoß über den Leopoldkanal. An beiden Frontabschnitten entwickelten sich heftige Kämpfe, da die gut befestigten deutschen Stellungen es den Alliierten erschwerten, schnelle Erfolge zu erzielen.

Fahrzeuge der Royal Hamilton Light Infantry rollen durch Krabbendijke auf der Zufahrtsstraße nach Süd-Beveland

Im Norden von Antwerpen stießen die Kanadier auf deutsche Fallschirmjägereinheiten, die das östliche Ende von Süd-Beveland verteidigten. Nur unter schweren Verlusten gelang es, durch die gefluteten Gebiete bis zum 16. Oktober nach Woensdrecht vorzudringen. Am selben Tag erklärte Feldmarschall Bernard Montgomery als Kommandeur der 1. Kanadischen und britischen 2. Armee die Säuberung der Scheldemündung zur Aufgabe mit erster Priorität.

Operation Switchback

Kessel von Breskens
Soldaten der Canadian 4th Armoured Division demonstrieren Flammenwerfer an einem Kanal, Maldegem bei Middelburg, Oktober 1944.

Auch auf der Südseite der Schelde fanden verbissene Kämpfe statt. Die Deutschen besaßen stark befestigte Artilleriestellungen hinter dem Leopoldkanal und der Dérivation de la Lys. Als Überquerungspunkt wählten die Kanadier das Verzweigungsdreieck beider Kanäle. Dort gab es einen schmalen Bereich trockenen Landes, etwa einige hundert Meter breit. Während am 6. Oktober die kanadische 3. Infanteriedivision versuchte, den Leopoldkanal zu überqueren, geriet sie in starkes deutsches Abwehrfeuer. Sie antwortete mit starkem Artilleriebeschuss und Universal Carriern, die mit Flammenwerfern ausgestattet waren, den so genannten Wasps. Zwei kleine Brückenköpfe konnten errichtet werden, doch als die Deutschen sich von der ersten Überraschung erholt hatten, reagierten sie mit einem heftigen Gegenangriff. Bis zum 9. Oktober war es ungewiss, ob die Brückenköpfe überhaupt gehalten werden konnten. Nach einer weiteren amphibischen Kanalüberquerung mit stärkeren Truppen gelang es den Kanadiern, beide zu vereinen und den Brückenkopf deutlich zu erweitern, um in Richtung Breskens vorzurücken. Als dann auch Panzer den Kanal überquerten, zogen sich die Verteidiger in ihre Betonbunker entlang der Küste zurück. Die Kanadier etablierten einen Versorgungsweg in den Kessel und begannen, die Städte Breskens, Fort Frederik Hendrik, Oostburg, Zuidzande und Cadzand zu belagern. Erst am 3. November wurden Knokke und Zeebrugge genommen; ab dann wurde die Südseite der Schelde von den Kanadiern als gesichert betrachtet.

Operation Vitality

Kanadische Einheiten in Bergen op Zoom

Unterdessen konzentrierte Simonds seine Truppen im Raum nördlich von Süd-Beveland. Die kanadische 4. Panzerdivision stieß mittlerweile nördlich der Schelde nach Westen vor und griff auf Bergen op Zoom an. Bis zum 24. Oktober gelang es, den Eingang nach Süd-Beveland zu sichern. Die kanadische 2. Infanteriedivision rückte kurz darauf auf Süd-Beveland vor. Die schnelle Einnahme der Insel wurde jedoch durch die stark verminte Straße verhindert. Gleichzeitig fand durch die Operation Infatuate eine amphibische Landung der britischen 52. Division u. a. über die Westerschelde statt, um hinter die deutschen Verteidigungspositionen zu kommen.

Operation Infatuate

Damit blieb Walcheren das letzte Hindernis, das den Hafen von Antwerpen von einer Nutzung durch die Alliierten trennte. Um die dortigen starken deutschen Befestigungsanlagen anzugreifen, mussten die Kanadier über die lange schmale Zugangsstraße über Süd-Beveland vorrücken. Dabei kam verschärfend hinzu, dass das flache Land beidseitig der Straße überflutet war, so dass dort keine Fußtruppen vorrücken konnten. Für den Einsatz von Sturmbooten war das Wasser allerdings zu flach.

Bombardierung von Walcheren

Walcheren wurde aus drei Richtungen angegriffen. Zum einen über die Zufahrtsstraße aus dem Osten, dann über die Schelde von Süden und als drittes von Westen über den Seeweg. Um die Verteidigung zu schwächen und den Angriff zu unterstützen, bombardierte die Royal Air Force die Dämme der Insel, damit das Hinterland überflutet wurde und Amphibienfahrzeuge eingesetzt werden konnten.

Der Vormarsch über die Zufahrtsstraße begann am 31. Oktober. Nach schweren Kämpfen gelang es den Kanadiern, eine erste Stellung auf Walcheren zu sichern. Zusammen mit den von der Schelde und der Seeseite kommenden Truppen unter Major General Edmund Hakewill-Smith konnten anschließend weitere Fortschritte erreicht werden. Ein Gegenangriff in der Nacht zum 1. November in der Westerschelde durch deutsche Schnellboote führte zur Versenkung eines kanadischen Munitionstransporters, eines Leichters mit Flugabwehrkanone und eines Scheinwerferprahms. Weitere deutsche Unternehmen durch Schnellboot-Flottillen bei Ostende einen Tag später hatten den Verlust eines Tankers und eines Trawlers zur Folge.

Am 6. November nahmen die kanadischen Einheiten Middelburg ein. Zwei Tage später endete der deutsche Widerstand endgültig. Deutsche Angriffsversuche von der Seeseite konnten Mitte November durch britische Geleitzerstörer abgewehrt werden.

Währenddessen war die kanadische 4. Panzerdivision von Bergen op Zoom nach Nordwest bis Sint-Philipsland vorgestoßen. Im westlich davon gelegenen Hafen von Zijpe gelang ihnen die Versenkung einiger deutscher Schnellboote.

Der Frachter Fort Cataraqui wird im Antwerpener Hafen gelöscht

Ergebnis

Nach der Säuberung der Scheldemündung und des Gebiets von Antwerpen bis zur Maas war die eigentliche Schlacht beendet. Bis allerdings ein Schiff die Schelde bis nach Antwerpen befahren konnte, musste der Fluss noch mühsam von den dort gelegten Seeminen geräumt werden. Weiterhin beeinträchtigten die von Hitler am 12. Oktober angeordneten V2-Beschüsse aus dem Eifelgebiet, dem Raum Köln/Bonn und den Niederlanden auf Antwerpen das öffentliche Leben in der Stadt und den Aufbau der Logistik im Hafengebiet. Erst am 28. November fuhr der erste Konvoi unter Führung des kanadischen Frachters Fort Cataraqui in den Hafen ein.

Mit den Nachschublieferungen, die jetzt über den Antwerpener Hafen an die Front gebracht werden konnten, hatten die Alliierten das größte Problem gelöst. Da sie aber einige Wochen zuvor durch die Operation Market Garden den Frontverlauf selbst nach Norden ausgedehnt hatten und während der Allerseelenschlacht im Hürtgenwald starke amerikanische Kräfte dort gebunden wurden, ergaben sich für die Deutschen im Gebiet der Ardennen Angriffsmöglichkeiten. Ab dem 16. Dezember 1944 startete die Wehrmacht eine groß angelegte Gegenattacke, die Ardennenoffensive. Zielpunkt war der Hafen von Antwerpen, um den alliierten Nachschub wieder zu stoppen.

Gedenkstätten

Belgische Gedenktafel zur Befreiung Walcherens in Ostende

Die kanadischen und anderen alliierten Opfer der Schlacht liegen auf zwei Commonwealth-Friedhöfen begraben. Im Nordwesten Belgiens unweit der niederländischen Grenze befindet sich bei Adegem, zwischen Brugge und Gent, eine kanadische Begräbnisstätte. Hier liegen insgesamt 1119 Soldaten, davon 848 Kanadier, 33 Polen und 2 Franzosen. Die meisten von ihnen starben im Kessel von Breskens.

Ein weiterer Friedhof befindet sich im Südwesten der Niederlande, 40 Kilometer nordwestlich von Antwerpen bei Bergen op Zoom (1116 Gräber, davon 968 Kanadier). Einige hundert Meter daneben liegt ein weiterer Friedhof, wo 1200 britische, 45 kanadische, 12 australische und 23 neuseeländische Soldaten bestattet sind.

Weitere Gräber bei den Kämpfen beteiligter Soldaten befinden sich auf dem Schoonselhof-Friedhof von Antwerpen (348), dem Heverlee-Kriegsfriedhof bei Löwen (157), dem Hotton-Kriegsfriedhof (88) und auf dem Brüsseler Hauptfriedhof (74).

In Ysselsteyn (Limburg) ruhen alle im Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden gefallenen oder verstorbenen Deutschen, soweit sie nicht in die Heimat überführt wurden.

Literatur

  • Andrew Rawson: Walcheren: Crossing the Scheldt. Pen and Sword Books, 2003, ISBN 0-85052-961-1.
  • W.Denis Whitaker, Shelagh Whitaker: Battle of the Scheldt. Souvenir Press, 1985, ISBN 0-285-62696-5.
  • W.Denis Whitaker, Shelagh Whitaker: Tug of War: Eisenhower’s Lost Opportunity: Allied Command & the Story Behind the Battle of the Scheldt. Beaufort Books, 1985, ISBN 0-8253-0257-9.

Weblinks

Commons: Schlacht an der Scheldemündung – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Der Atlantikwall in Walcheren auf entdecke-walcheren.de
  2. infovlissingen.nl (mit weiteren Links)
  3. Bunker 700
  4. Kernwerk Vlissingen infovlissingen.nl