Verschwundene indigene Frauen in den USA

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MMIW-Demonstration in San Francisco
Die Gemeinderätin von Seattle Juarez unterstützt die MMIW-Bewegung
Seit dem Ölboom durch Fracking stiegen die MMIW-Fälle sprunghaft an. Im Bild die umstrittene Dakota Access Pipeline
Proteste gegen die Ölindustrie und die DAPL. Stammesführer machen die Ölindustrie für die MMIW-Fälle verantwortlich.
Die Stämme sind mit den Morden überlastet. Im Bild ein Streifenwagen der Navajo Nation Police.
Karte der Rosebud Indian Reservation in South Dakota. Bei den gefleckten Gebieten auf der Karte handelt es sich um Off-reservation trust land.

MMIW steht für „Missing and murdered Indigenous Women“ (Verschwundene und ermordete indigene Frauen) oder auch MMIWG („Missing and murdered Indigenous Women and Girls“; Verschwundene und ermordete indigene Frauen und Mädchen) und geht auf die Bemühungen in Kanada zurück, auf das Schicksal der dort verschwundenen indigenen Frauen aufmerksam zu machen. Das Problem bestand und besteht aber auch in den Vereinigten Staaten von Amerika. Seit 2015 führten diese Umstände zu Protestbewegungen, besonders in den Indianerreservaten der USA. Tausende Mädchen und Frauen verschwanden oder verschwinden immer noch in den Indianerreservaten oder werden in diesen oder in der Nähe von diesen ermordet aufgefunden. Die Verbrechen wurden und werden aufgrund der schwierigen Situation in den Reservaten nur selten aufgeklärt.[1][2] Im Gebiet der Lakota wurden 4 von 5 Fällen nie aufgeklärt.[3]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einigen Regionen der USA werden indigene Frauen 10 Mal häufiger Opfer von Gewaltverbrechen. Besonders in und in der Nähe von Indianerreservaten kommt es regelmäßig zu Morden an indigenen Frauen und Mädchen. Die meisten Verbrechen wurden und werden nie aufgeklärt. Wurden sie aufgeklärt, dann handelte es sich in den meisten Fällen um Täter, die nicht aus der indigenen Bevölkerung stammten. Oft handelte es sich um Arbeiter, die temporär in und in der Nähe von Reservaten wohnten, wie Arbeiter auf den Ölfeldern in North Dakota. Die Dakota Access Pipeline (DPAL) und die MMIW-Fälle hängen zusammen.[4] Mitarbeiter der Ölgesellschaften sollen die Morde begangen haben, behaupten MMIW-Aktivisten und Stammesführer.[5][6] Erschwerend für die Aufklärung dieser Morde sind die verschiedenen Zuständigkeiten innerhalb und außerhalb einer Reservation. Während außerhalb der Reservation Polizeieinheiten des Bundesstaates oder des Counties zuständig sind, sind es in den Reservaten eigene Polizeieinheiten der Stämme oder Polizeieinheiten des Bundes. Die Polizeibehörden der Bundesstaaten und der Counties sind für die Reservate nicht zuständig und können nur auf Aufforderung durch die Stammespolizei tätig werden. Nur in den Bundesstaaten Kalifornien, Minnesota, Wisconsin, Oregon und Nebraska können Polizeieinheiten der Bundesstaaten auch in Reservatsgebieten selbstständig tätig werden. Dabei findet das Public Law 83-280 aus dem Jahre 1953 Anwendung, welches Zuständigkeiten der Bundesregierung an die Bundesstaaten abgetreten hat.[7][8] Doch die schlecht ausgerüsteten und unterbesetzten Polizeibehörden der Stämme in den anderen Staaten fordern ungern Hilfe von außerhalb an. Dies gilt besonders für die flächenmäßig großen Reservate wie in South Dakota, North Dakota, Wyoming, Montana, Washington, Idaho, Arizona und New Mexico. Die Stämme wollen souverän sein und über ihre Angelegenheiten selber bestimmen.[9] 2018 sprach das Urban Indian Health Institute (UIHI) in Seattle von 5712 Fällen. In nur 118 Fällen legte das FBI Fallakten an, obwohl die Zuständigkeit nach dem Major Crimes Act klar in den Händen der Bundesbehörden liegt. Eine Studie aus demselben Jahr sprach von 84,3 % indigener Frauen, die körperliche Gewalt erlebt haben. 56 % der befragten Frauen wurden sexuell missbraucht.[10][11] Die Stämme konnten wenig dagegen unternehmen, lag doch die Zuständigkeit bei den Bundesbehörden. Nach dem Major Crimes Act sind nicht Stammesgerichte, sondern Bundesgerichte für solche Verbrechen zuständig. Erst mit dem Violence Against Women Reauthorization Act von 2013, welches von Präsident Barack Obama am 7. März 2013 unterschrieben wurde, können sich Stammesgerichte mit solchen Fällen beschäftigen.[12] Doch das Gesetz lief 2018 aus und muss erst verlängert werden.

Ein weiteres Problem sind die sogenannten Stammesgebiete – auf Englisch Off-reservation trust land. Genauso wie Indianer-Reservate unterstehen die Off-reservation trust lands nicht dem Bundesstaat, auf welchem sie liegen.[13][14] Dabei handelt es sich um Gebiete der Bundesregierung. Diese haben einen ähnlichen Status wie Puerto Rico, Guam und American Samoa, oder auch wie Washington DC. Aufgrund des Flickenteppichs in einigen Regionen der USA gestaltet sich die Verwaltung als recht problematisch. Besonders im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gibt es massive Probleme, da oftmals nicht klar ist, wer eigentlich zuständig ist. Als Beispiel soll Rosebud Indian Reservation in South Dakota dienen. Offiziell beschränkt sich Rosebud auf Todd County. Der Stamm der Sicango Lakota Oyate besitzt aber Gebiete in 4 weiteren Counties und die Stammespolizei ist dort auch zuständig nämlich in Tripp County, Lyman County, Mellette County und Gregory County.[15] Der Flickenteppich macht es nahezu unmöglich, festzustellen, wer eigentlich zuständig ist. Dies begünstigt, dass Verbrechen an Frauen und Mädchen einfach nicht bearbeitet werden.

So verhielt es sich auch beim Fall United States v. Medearis. Der damals 23-jährige Cody Cheyenne Medearis wurde von der Stammespolizei der Sicango Lakota Oyate (Rosebud) am 13. Januar 2002 in der Nähe von Wood, Mellette County verhaftet. Ihm wurde zur Last gelegt Sherri Lynn Whiting aus der Rosebud Reservation entführt und vergewaltigt zu haben. Verhaftet wurde er auf dem Grundstück einer Tankstelle mit Namen D & E Food and Fuel Convenience Store von der Polizeibeamtin Grace Her Many Horses. Es stellte sich heraus, dass das Grundstück der Tankstelle nicht auf Stammesgebiet, sondern mehrere Meter neben diesem lag. Die Verhaftung durch die Stammespolizei war dadurch nicht rechtens, da sie nur auf Stammesgebiet aktiv werden darf.[16]

#MMIW ist ein Hashtag, der seit November 2015 Verbreitung in den sozialen Netzwerken erfährt.

Maßnahmen der Regierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2018 beschloss der US-Kongress den Savanna Act. Das Gesetz wurde nach „Savanna LaFontaine-Greywind“ benannt, einer indigenen Frau, welche 2017 in North Dakota entführt und ermordet wurde. Die Leiche der 22-Jährigen wurde in einem Fluss in North Dakota gefunden.[17] In diesem Gesetz wurde eine Registrierungspflicht von MMIW-Fällen in einer Datenbank beschlossen. Auch sollen die Stammes-Polizeieinheiten zusätzliche Mittel und Ausbildungsangebote bekommen. Das FBI soll aktiver werden.[18][19] Am 26. November 2019 setzte Präsident Donald Trump eine Taskforce ein, um das Problem der MMIW zu lösen,[20] nachdem Charles Addington vom Bureau of Indian Affairs am 11. September 2019 vor einem Komitee des US-Kongresses ausgesagt hatte.[21] Auch Bundesstaaten haben MMIW Task Forces eingerichtet, so auch Minnesota,[22] South Dakota,[23] North Dakota,[24] und Montana.[25] Der 5. Mai wurde von Donald Trump zum „MMIW Day of Awareness“ erklärt[26][27] und in den letzten Jahren wurde MMIW als eine nationale Krise erkannt.[28][29]

Kulturelle Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. cultural survival Addressing The Epidemic Of Missing & Murdered Indigenous Women and Girls
  2. powwows.com The Tragedy of Missing and Murdered Indigenous Women (MMIW)
  3. Lakota Times MMIW Day of Action 411 cases representing women and girls from 41 tribal nations, who went missing from 142 locations, 59 percent of which are on reservation or rural areas. 10 percent of these cases occurred in counties where the Keystone XL pipeline is proposed to be built. Four in 5 cases in these counties remain unsolved with no charges laid.
  4. Rapid City Journal … Data and reporting show that the oil boom in North Dakota and Montana was associated with an increase in violent crime, often on reservations and against women.
  5. Indigenous Environment Network Native Leaders Bring Attention to Impact of Fossil Fuel Industry on Missing and Murdered Indigenous Women and Girls
  6. Charkoosta News Flathead Indian Reservation Oil booms, so does violence
  7. Tribal Institute Public Law 280: Issues and Concerns for Victims of Crime in Indian Country
  8. United States Department of Justice Frequently Asked Questions about Public Law 83-280
  9. Rapid City Journal … He said tribes need more money for police officers, courts and lawyers to improve public safety and tackle drug use — changes that could help prevent murders and disappearances and make people want to invest in economic development on reservations.
  10. Lakota People Law Project. Noelle Phillips MMIW Resource Guide
  11. Billings Gazette Thousands of Native women victimized in Plains, report shows. The report documents 158 MMIWG cases in South Dakota alone, and 35 in North Dakota.
  12. Indian Law Ending Violence Against Native Women
  13. Because the Constitution vested the Legislative Branch with plenary power over Indian Affairs, states have no authority over tribal governments unless expressly authorized by Congress. While federally recognized tribes generally are not subordinate to states, they can have a government-to-government relationship with these other sovereigns, as well.
  14. Federal Indian reservations are generally exempt from state jurisdiction, including taxation, except when Congress specifically authorizes such jurisdiction.
  15. Collaborative Research Center for American Indian Health Sicangu Oyate Rosebud Sioux Tribe Community Profile
  16. 236 F. Supp. 2d 977 (2002) UNITED STATES of America, Plaintiff, v. Cody Cheyenne MEDEARIS, Defendant.
  17. newscenter 1 Savanna’s Act — named for 22-year-old Savanna LaFontaine-Greywind, whose body was found in a North Dakota river in 2017
  18. congress.gov Savanna's Act This bill directs the Department of Justice (DOJ) to review, revise, and develop law enforcement and justice protocols to address missing and murdered Indians.
  19. Rapid City Journal Feds comes to Rapid City to listen to local leaders on MMIW Federal government officials visited Rapid City this week to learn how they can help local tribal, health and public safety leaders address the crisis of missing and murdered indigenous women (MMIW), men and children.
  20. Federal Register Establishing the Task Force on Missing and Murdered American Indians and Alaska Natives
  21. U.S. Department of Interior Office of Congressional and Legislative Affairs MMIW Crisis Reviewing the Trump Administration’s Approach to the Missing and Murdered Indigenous Women (MMIW) Crisis
  22. Office of Justice Programs, Minnesota Department of Public Safety, Missing and Murdered Indigenous Women Task Force
  23. Newscenter 1 New South Dakota law focuses on missing indigenous women
  24. Bluestem Prairie North Dakota state rep Ruth Buffalo introduces bills to improve state's response to MMIW
  25. Billings Gazette: Girl's death, MMIW march prompt creation of missing persons task force in Big Horn County
  26. South Dakota Public Broadcasting 5. May MMIW Day of Awareness
  27. Rapid City Journal … President Donald Trump declared May 5 Missing and Murdered American Indians and Alaska Natives Awareness Day.
  28. The interceptor U.S. lawmakers are beginning to grapple with the crisis of missing and murdered Indigenous women.
  29. Yakima Herald During remarks in the Oval Office, Trump said the statistics involving missing and murdered Native women are sobering and heartbreaking. He said one study showed that Native American women in some tribal communities are 10 times more likely to be murdered than the average American.
  30. The True Story Behind 'Wind River' Is This Hidden Injustice Against Native American Women. Abgerufen am 15. September 2020 (englisch).
  31. Fancy Dance Review: Coming-of-Age Amidst the Epidemic of Missing and Murdered Indigenous Women. Abgerufen am 3. Januar 2024.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]