Samthäubchen

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Samthäubchen

Roststieliges Samthäubchen (Conocybe tenera)

Systematik
Unterabteilung: Agaricomycotina
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: Agaricomycetidae
Ordnung: Champignonartige (Agaricales)
Familie: Mistpilzverwandte (Bolbitiaceae)
Gattung: Samthäubchen
Wissenschaftlicher Name
Conocybe
Fayod

Die Samthäubchen (Conocybe) sind eine Pilzgattung aus der Familie der Mistpilzverwandten (Bolbitiaceae) und umfassen etwa 150 eigenständige Arten.[1] Die Typusart ist das Roststielige Samthäubchen (Conocybe tenera).[2] Es sind meist kleine, helmlingsartige Pilze ohne Velum oder Schleier. Die angewachsenen oder freien Lamellen stehen dichter als bei den sehr ähnlichen Häublingen (Galerina) und das Sporenpulver ist zimtbraun bis rostbraun. Die Huthaut ist ein Hymeniderm und die Lamellenscheiden tragen immer lecythiforme Zystiden, Pleurozystiden fehlen. Die meist nitrophilen Saprobionten kommen auf Rasen, Weide, in Gärten oder auf Mist vor, in Wäldern sind sie eher selten.[3][4] Üblicherweise wird die Gattung den sogenannten Little brown mushrooms zugeordnet.

Merkmale

Makroskopische Merkmale

Die Gattung Conocybe besteht überwiegend aus sehr kleinen bis kleinen, zierlichen und leicht zerbrechlichen Pilzen. Ihr dünner, glatter, 0,3–7 cm breiter Hut ist kegelig bis glockenförmig und hat eine weißliche, gelbe, hellbeige oder ocker- bis rostbraune Färbung. Bei Feuchtigkeit scheinen die Brauntöne stärker durch. Diese Eigenschaft nennt man hygrophan. Die Lamellen sind angeheftet bis frei und erst ockerlich und bei Sporenreife meist blass rostbraun gefärbt. Die Lamellenschneiden sind blasser, oft flockig und gezähnelt bis schartig. Das Sporenpulver ist zimt- bis rostbraun. Der weiße bis braune Stiel ist dünn, steif, 15 bis 140 mm lang und 0,5 bis 12 mm breit, selten hat er eine 14 mm breite Knolle, ein Velum partiale oder ein Ring kommt nicht vor. Das Fleisch ist weich und zerbrechlich und selten gefärbt.[3] Der Geschmack ist in der Regel mild.

Wenig typisch und innerhalb der Gattung eine Ausnahme ist das Ansehnliche Samthäubchen (Conocybe intrusa), dessen kompakte Fruchtkörper eher an einen Fälbling erinnern.[5]

Mikroskopische Merkmale

Die meist glatten Sporen sind elliptisch, mandel- bis zitronenförmig oder sechseckig und werden 4,5–20 µm lang und 3–10 µm breit. Bei den Vertretern der Untergattung Ochromarasmius tragen sie auch niedrige, runde Warzen. Die inamyloiden Sporen sind dickwandig und haben an der Spitze meist einen deutlichen Keimporus. Bei den zwei- bis viersporigen Basidien können arttypisch an der Basis Schnallen ausgebildet sein oder auch fehlen. Während Pleurozystiden fehlen, sind die gattungscharakteristischen Cheilozystiden auf den Lamellenschneiden immer vorhanden. Sie werden als „lecythiform“ bezeichnet, weil sie mit dem Köpfchen an ihrer Spitze wie die vasenartigen Gefäße aussehen, in denen die alten Griechen ihr Olivenöl aufbewahrten. Einige Mykologen vergleichen die Zellen auch mit Kegelfiguren.

Das Hyphensystem ist monomitisch, ist also nur aus gleichartigen Hyphen aufgebaut. Auch bei den Hyphen können artabhängig Schnallen vorhanden sein oder fehlen. Die zellig aufgebaute Huthaut (Pileipellis) ist ein Hymeniderm oder Ixohymeniderm und besteht aus rundlichen bis birnförmigen Zellen. Das Lamellentrama ist regelmäßig.[6][3]

Gattungsabgrenzung

Verwechslungsgefahr besteht mit den Vertretern der Gattungen Mistpilze (Bolbitius), ferner Faserlinge, Ackerlinge, Tintlinge, Trompetenschnitzlinge sowie die teils hochgiftigen Häublinge.[7]

Einige Autoren stellen auch die Arten aus der Gattung der Glockenschüpplinge (Pholiotina) in die Gattung Conocybe, doch werden in neueren Systematiken (Hausknecht & Krisai 2007 und E. Arnolds 2003) die Glockenschüpplinge als eigene Gattung wieder abgetrennt.[8]

Verbreitung und Ökologie

Samthäubchen-Arten sind in Europa, Asien, Nordafrika, sowie ganz Amerika, besonders in den USA und Kanada, verbreitet. Sie wachsen bevorzugt auf grasreichen Flächen wie Weiden, Wegrändern oder Wiesen, außerdem auf Dung. Lichte Laubwälder bieten ebenfalls günstige Wachstumsbedingungen.[4][5]

Arten

Die Gattung der Conocybe umfasst strenggenommen knapp 150 Arten. Die Abgrenzung der Taxa auf Artebene ist hierbei nicht abschließend geklärt.[9] Außerdem bestehen auf Seiten der Mykologen verschiedene Auffassungen zur Einordnung. Unter Berücksichtigung der Varietäten und Formen ergeben sich etwa verschiedene 240 Taxa. In Europa sind über 100 Arten und Varietäten bekannt bzw. zu erwarten.[10] In Österreich wurden 93 Arten gemeldet.[11]

Samthäubchen (Conocybe) in Europa
Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Autorenzitat
Milchweißes Samthäubchen Conocybe albipes (G.H. Otth 1871) Hausknecht 1998
Zweisporiges Wurzel-Samthäubchen Conocybe ambigua Arnolds 1983
Kohlen-Samthäubchen Conocybe anthracophila Maire & Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1983
Eckigsporiges Wurzel-Samthäubchen Conocybe antipus (Lasch 1828 : Fries 1832) Fayod 1889
Gold-Samthäubchen Conocybe aurea (Jul. Schäffer 1930) Hongo 1963
Zweisporiges Samthäubchen Conocybe bispora (Singer 1977) Hausknecht 1998
Gesägtblättriges Samthäubchen Conocybe brachypodii (Velenovský 1947) Hausknecht & Svrcek 1999
Büscheliges Samthäubchen Conocybe cettoiana Hausknecht & Enderle 1992
Zerbrechliches Samthäubchen Conocybe crispella (Murrill 1942) Singer 1950
Zylinderhütiges Samthäubchen Conocybe cylindracea Maire & Kühner 1935 ex Singer 1959
Schleimiges Samthäubchen Conocybe deliquescens Hausknecht & Krisai-Greilhuber 2006
Hecken-Samthäubchen Conocybe dumetorum (Velenovský 1921) Svrcek 1956
Dünen-Samthäubchen Conocybe dunensis T.J. Wallace 1960
Dunkelscheiteliges Samthäubchen Conocybe echinata (Velenovský 1947) Singer 1989
Dunkelscheiteliges Samthäubchen Conocybe echinata (Velenovský 1947) Singer 1989
Wurzelndes Mist-Samthäubchen Conocybe fimetaria Watling 1986
Dattelbraunes Wurzel-Samthäubchen Conocybe fiorii (D. Saccardo 1898) Watling 1981
Fleischrosa Samthäubchen Conocybe fragilis (Peck 1897) Singer 1950
Viersporiges Mist-Samthäubchen Conocybe fuscimarginata (Murrill 1942) Singer 1969
Riesensporiges Samthäubchen Conocybe gigasperma Enderle & Hausknecht 1992
Dunkles Gras-Samthäubchen Conocybe graminis Hausknecht 1996
Kräuter-Samthäubchen Conocybe herbarum Hausknecht 1996
Eckigsporiges Samthäubchen Conocybe hexagonospora Métrod 1940 ex Hausknecht & Enderle 1993
Bescheidetes Samthäubchen Conocybe hornana Singer & Hausknecht 1989
Fleischrotes Samthäubchen Conocybe incarnata (Jul. Schäffer 1930) Hausknecht & Arnolds 2003
Risspilzähnliches Samthäubchen Conocybe inocybeoides Watling 1980
Ansehnliches Samthäubchen Conocybe intrusa (Peck 1896) Singer 1950
Binsen-Samthäubchen Conocybe juncicola Hausknecht 2001
Schwachgestreiftes Samthäubchen Conocybe juniana (Velenovský 1947) Hausknecht & Svrcek 1999
Linsensporiges Samthäubchen Conocybe lenticulospora Watling 1980
Hasen-Samthäubchen Conocybe leporina (Velenovský 1947) Singer 1989
Rillstieliges Samthäubchen Conocybe leucopus Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1983
Lobau-Samthäubchen Conocybe lobauensis Singer & Hausknecht 1988
Auwald-Samthäubchen Conocybe macrocephala Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1980
Freudiggefärbtes Samthäubchen Conocybe mesospora Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1980
Bereiftes Samthäubchen Conocybe microspora var. brunneola (Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1980) Singer & Hausknecht 1992
Kleinstes Samthäubchen Conocybe minima Singer & Hausknecht 1992
Bleigraues Samthäubchen Conocybe moseri Watling 1980
Mausgraues Samthäubchen Conocybe murinacea Watling 1980
Schwarzscheibiges Samthäubchen Conocybe nigrodisca Hausknecht & Krisai 1992
Ockerlichweißes Samthäubchen Conocybe ochroalbida Hausknecht 1995
Ockerstreifiges Samthäubchen Conocybe ochrostriata Hausknecht 2005
Blasssporiges Samthäubchen Conocybe pallidospora Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1983
Engblättriges Samthäubchen Conocybe pilosella (Persoon 1801 : Fries 1821) Kühner 1935
Zweisporiges Milch-Samthäubchen Conocybe pseudocrispa (Hausknecht 1998) Arnolds 2003
Flaumstieliges Mist-Samthäubchen Conocybe pubescens (Gillet 1874) Kühner 1935
Großsporiges Langstiel-Samthäubchen Conocybe pubescens var. macrospora (G.F.Atkinson 1918) E. Ludwig 2007
Bereiftstieliges Samthäubchen Conocybe pulchella (Velenovský 1921) Hausknecht & Svrcek 1999
Rostgoldenes Samthäubchen Conocybe rickeniana Singer 1951 ex P.D. Orton 1960
Rötlichbraunes Samthäubchen Conocybe robertii Singer & Hausknecht 1992
Rosafuß-Samthäubchen Conocybe roseipes Hausknecht 1995
Sand-Samthäubchen Conocybe sabulicola Hausknecht & Enderle 1992
Halbkugeliges Samthäubchen Conocybe semiglobata Kühner 1935 ex Kühner & Watling 1980
Sienablättriges Samthäubchen Conocybe siennophylla (Berkeley & Broome 1871) Singer 1955
Tonblasses Samthäubchen Conocybe siliginea (Fries 1818 : Fries 1821) Kühner 1935
Dungliebendes Samthäubchen Conocybe siliginea f. rickenii (Jul. Schäffer 1930) Arnolds 2003
Großes Mist-Samthäubchen Conocybe singeriana Hausknecht in Hausknecht & Krisai-Greilhuber 1998
Subalpines Samthäubchen Conocybe subalpina (Singer 1989) Singer & Hausknecht 1992
Gerandetknolliges Samthäubchen Conocybe subovalis Kühner & Watling 1980
Bleiches Samthäubchen Conocybe subpallida Enderle 1991
Langstieliges Samthäubchen Conocybe subpubescens P.D. Orton 1960
Trockenrasen-Samthäubchen Conocybe subxerophytica Singer & Hausknecht 1992
Dunkles Trockenrasen-Samthäubchen Conocybe subxerophytica var. brunnea Hausknecht 2002
Roststieliges Samthäubchen Conocybe tenera (Schaeffer 1774 : Fries 1821) Fayod 1889
Gebirgs-Samthäubchen Conocybe velutipes (Velenovský 1939) Hausknecht & Svrcek 1999
Grünbraunes Samthäubchen Conocybe viridibrunnescens E. Ludwig 2007
Runzelhütiges Samthäubchen Conocybe zuccherellii Hausknecht 2003

Bedeutung

Speisewert

Samthäubchen gelten als ungenießbar, einige Arten sind giftig: Conocybe velutipes syn. C. kuehneriana, das Gebirgs-Samthäubchen, enthält psychoaktive Alkaloide. Auch der aus Mexiko stammende und von R. Heim beschriebene Samthäubling Conocybe siligineoides steht im Verdacht psychoaktive Substanzen zu enthalten, ein entsprechender Nachweis steht aber noch aus.[12]

Inhaltsstoffe

Bei einzelnen Arten wurden größere Mengen der Indolalkaloide Psilocybin, teilweise Psilocin[13] und später Baeocystin nachgewiesen, die denen der verwandten Gattung der Kahlköpfe (Psilocybe) ähneln (vgl. Psilocybe semilanceata). Phytochemische Analysen ergaben Einzelwerte (Blaufuß-Samthäubchen; Conocybe cyanopus) im Bereich von 0,15 bis 0,23 % Baeocystin und 0,73 bis 1,01 % Psilocybin.[14]

Einzelnachweise

  1. H. E. Hallen, R. Watling, G. C. Adams: Taxonomy and Toxicity of Conocybe lactea and Related Species. In: Mycological Research. Vol.: 107 (8), 2003, S. 969–979.
  2. Genus Conocybe. In: mycobank.org. Abgerufen am 5. März 2012: „Conocybe tenera“
  3. a b c Conocybe. In: mycokey.org. Abgerufen am 6. März 2012.
  4. a b Ian Gibson: CONOCYBE in the Pacific Northwest. In: svims.ca. Abgerufen am 6. März 2012.
  5. a b Svengunnar Ryman, Ingmar Holmåsen: Pilze. Bernhard Thalacker, Braunschweig 1992, ISBN 3-87815-043-1.
  6. German Josef Krieglsteiner (Hrsg.), Andreas Gminder: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 4: Ständerpilze. Blätterpilze II. Ulmer, Stuttgart 2003, ISBN 3-8001-3281-8, S. 306.
  7. Weißstieliger Glockenschüppling, Büscheliger Glockenschüppling (Pholiotina striipes). In: natur-in-nrw.de. Abgerufen am 5. März 2012.
  8. Pilzarten der Gattung Conocybe, Samthäubchen. In: pilze.ch. 2011, abgerufen am 6. März 2012: „Samthäubchen, Conocybe“
  9. Anton Hausknecht: Beiträge zur Kenntnis der Bolbitiaceae 5. Die Conocybe rickeniana- und G magnicapitata-Gruppe in Europa. In: Österreichische Mykologische Gesellschaft (Hrsg.): Österreichische Zeitschrift für Pilzkunde. Vol. 8, 1999, S. 35–61 (biologiezentrum.at [PDF; 9,6 MB]).
  10. Eric Strittmatter: Die Gattung Conocybe. Auf: fungiworld.com. Pilz-Taxa-Datenbank. 6. August 2008. Abgerufen am 5. März 2012.
  11. Datenbank der Pilze Österreichs. Abgerufen am 5. März 2012.
  12. Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. AT-Verlag, 2007, ISBN 978-3-03800-352-6.
  13. R. G. Benedict, L. R. Brady, A. H. Smith, V. E. Tyler: Occurence of Psilocybin and Psilocin in certain Conocybe and Psilocybe Species. In: Lloydia. 30 (1962)
  14. Jochen Gartz: Narrenschwämme. Psychoaktive Pilze rund um die Welt. Nachtschattenverlag, Solothurn 1999, ISBN 3-907080-54-8.
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