Dis Manibus

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Abkürzung "D M" auf einem antiken Grabstein (Rom, 3. Jahrhundert)

Dis Manibus (lateinisch, den Totengeistern), abgekürzt D•M oder DD•MM, ist eine epigraphische Formel, die in Grabinschriften der Römischen Antike erscheint. Sie tritt häufig auch mit dem Zusatz Sacrum auf, abgekürzt dann D•M•S oder S•D•M, „den Totengeistern geweiht“.

Nach dem Ergebnis der Untersuchungen von Santoro trat sie nicht vor der Zeit des Augustus auf und wurde erst in nachaugusteischer Zeit, dann auch in abgekürzter Form, allgemein gebräuchlich.[1]

Die Formel kann als Inschrift ohne weiteren Zusatz erscheinen und kennzeichnet dann einen Ort allgemein als Grabstätte, in der Regel bildet sie jedoch nur einen Bestandteil einer Grabinschrift mit Nennung eines Verstorbenen, zuallermeist steht sie dort dann am Anfang, manchmal auch dem Namen des Verstorbenen nachgesetzt oder an das Ende der Inschrift gestellt, und in Einzelfällen erscheinen die Buchstaben D und M getrennt voneinander links und rechts oberhalb der Namensinschrift.[2]

Sprachliche Deutung

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Der Dativ Di(i)s Manibus wird so verstanden, dass mit dieser Formel die Grabstätte den di manes, den durch manes als ‚gut, gnädig‘ gekennzeichneten Toten- oder Ahnengeistern, geweiht wird, wobei der dedizierende Charakter der Inschrift auch durch noch eindeutigere Formulierungen zum Ausdruck gebracht werden kann.[3] Ist sie mit dem Namen eines Verstorbenen verbunden, so steht dieser entweder im Genitiv, im Dativ oder im Nominativ. Die Formel DM + Genitiv wird hierbei so verstanden, dass die Widmung nicht an die Totengeister allgemein, sondern speziell an die Ahnengeister des Verstorbenen erfolgt,[4] oder aber dass trotz der (bei Abkürzung nur mutmaßlichen) Pluralform mit den Manen des Verstorbenen der Geist dieses Verstorbenen, dessen Seele, als Empfänger der Widmung gemeint sei.[5] Die Konstruktion DM + Dativ gilt demgegenüber als Dedikation an die Toten- oder Ahnengeister und den Verstorbenen selbst,[5] wie es auch noch deutlicher angezeigt sein kann, wenn zusätzlich zu den Manen und unterschieden von ihnen der Geist des Verstorbenen als genius (bei Frauen als Iuno) und Empfänger der Widmung genannt ist.[6] In der Konstruktion DM + Nominativ schließlich gilt DM als eine bloße Einleitungsformel, die die Widmung an die Manen dem Namen des Verstorbenen syntaktisch unverbunden voranstellt.[5]

DM in jüdischen und christlichen Grabinschriften

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Die ihrem Ursprung nach heidnische Formel tritt in abgekürzter Form auch in Inschriften für jüdische und christliche Verstorbene auf, wobei diejenigen für christliche Verstorbene zum Teil auch christliches Formelgut oder christliche Symbole aufweisen,[7] während bei mutmaßlich jüdischen DM-Inschriften zumeist nur aus dem Namen oder Fundort und nur in vergleichsweise wenigen Fällen auch aus einem Namenszusatz wie Iudea[8] Rückschlüsse auf die Religionszugehörigkeit möglich sind. Man hat diesen Befund so zu erklären versucht,[9] dass die Formel in ihrem Sinn unverständlich geworden, synkretistisch angeeignet oder zu Deo Magno oder Deo Maximo umgedeutet worden sein könnte, oder dass es sich um Grabsteine bzw. Grabplatten mit einer vorgefertigten Inschrift gehandelt haben könnte. In einigen Fällen konnte von Rutgers anhand der Platzierung der Formel auf der Rückseite der Platte oder anhand von Bearbeitungsspuren auch plausibel gemacht werden, dass eine zuvor heidnisch verwendete Platte für einen jüdischen Verstorbenen wiederverwendet wurde.

Einzelnachweise

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  1. Bis heute grundlegend, wenn auch in Einzelheiten vielfach überholt, ist Beniamino Santoro, Il concetto dei Dii Manes nell'antichità romana, in: Rivista di filologia e di istruzione classica 17 (1889), S. 1–62; als ältester Beleg gilt meist die Inschrift CIL I² 1273, deren Datierung jedoch sehr unsicher ist, vgl. Maria Letizia Caldelli, Nota su D(is) M(anibus) e D(is) M(anibus) s(acrum) nelle iscrizioni cristiane di Roma, in: Ivan DiStefano Manzella (Hrsg.), Le iscrizioni dei cristiani in Vaticano. Materiali e contributi scientifici per una mostra epigrafica, Quasar, Città del Vaticano 1997 (= Inscriptiones sanctae sedis, 2), S. 185–187, S. 339–341, hier S. 339 ff.
  2. Ferdinand Becker, Die heidnische Weiheformel D.M (DIIS MANIBUS sc. SACRUM) auf altchristlichen Grabsteinen. Ein Beitrag zur Kenntniß des christlichen Altherthums, A. Reisewitz, Gera 1881, S. 9; Steuding, Art. Manes, Sp. 2317 f.
  3. Z. B. „hunc locum monumentumque dis manibus do legoque“ (CIL V 2915.2), zitiert von Sandys 1927, S. 62; weitere Beispiele bei Steuding, Art. Manes, Sp. 2318
  4. Steuding, Art. Manes, Sp. 2318
  5. a b c Sandys 1971 (1927), S. 62 f.; Keppie 1991, S. 107; vgl. auch Lothar Wierschowski, Fremde in Gallien, „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001 (= Historia, 159), S. 9
  6. „Manibus et genio P. Vatri Severi“ (CIL V 246); „D.M. M. Antoni M. f. Earini et genio eius“ (CIL IX 5794); zitiert von Steuding, Art. Manes, Sp. 2319; weiteres bei Laura Chioffi, ‚Genius‘ e ‚iuno‘ a Roma. Dediche onorarie e sepolcrali, in: Miscellanea greca e romana 15 (1990), S. 165–234
  7. Becker 1881, S. 13, S. 48, S. 52 u. ö.
  8. Ross. S. Kraemer, Jewish Tuna and Christian Fish: Identifying Religious Affiliation in Epigraphic Sources, in: Harvard Theological Review 84 (1991), S. 141–162, S. 156 f.; vgl. auch David Noy, Jewish Inscriptions in Western Europe, Bd. 2, Cambridge University Press, Cambridge 1995, S. 489 ff. (Appendix 2: Dis manibs in possibly Jewish Inscriptions), hier S. 495 (Nr. 612)
  9. Übersicht und kritische Diskussion der Erklärungsversuche bei Leonard Victor Rutgers, The Jews in Late Ancient Rome: Evidence of Cultural Interaction in the Roman Diaspora, Brill, Leiden [u. a.] 1995 (= Religions in the Graeco-Roman World, 126), S. 269–272 (Appendix: Dis Manibus in Jewish Inscriptions from Rome), und Joseph S. Park, Conceptions of Afterlife in Jewish Inscriptions, Mohr, Tübingen 2000 (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, II, 121), S. 16 ff. (The D. M. Inscriptions)