Verruf

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Ein Verruf oder Verschiss ist in Zusammenhang mit Studentenverbindungen des 18. und 19. Jahrhunderts eine Ehrenstrafe mit Zwangsmittelcharakter, die von den Landsmannschaften verhängt wurde.[1] Die Verrufe trafen meist einzelne Studenten. Sie wurden aber auch gegen Personen außerhalb der Universität oder sogar gegen eine ganze Universität ausgesprochen.

Göttinger Studenten im Rathe des Verrufs (1818)

Ein Verruf gegen eine Universität führte zu einem Auszug der Studentenschaft aus der jeweiligen Universitätsstadt. Dies geschah zum Beispiel 1809 in Göttingen nach der Gendarmen-Affäre, in deren Folge insgesamt 418 von 615 Studenten die Universität nach Eintragung in ausliegende Verrufslisten zum Wintersemester verließen.[2]

Anfang des 19. Jahrhunderts übernahmen die Corps den Verruf als Strafe in die SC-Comments, die das Zusammenleben der Studenten an der Universität regelten. Daher wird der Verruf insoweit bis heute auch SC-Verruf genannt. Ab 1818 wurde er von Seiten der Corps insbesondere in den Auseinandersetzungen mit den neu aufkommenden Burschenschaften angewandt, später auch in den Auseinandersetzungen mit der Progressbewegung.

Als Ehrenstrafe bedeutet der Verruf, dass sich die den Verruf aussprechende Gruppe verpflichtet, jeglichen Umgang mit dem- oder denjenigen zu unterlassen, über den oder die der Verruf verhängt wurde. Von der Wirkung her ist der Verruf also am ehesten mit dem modernen Boykott zu vergleichen, einer angelsächsischen Begriffsbildung aus der Zeit nach 1880. Die besondere Effizienz des Verrufs liegt heute noch, ähnlich wie beim Boykott, darin, dass Rechtsverletzungen und Verfahrensfehler erst nach Verhängung der Sanktion in einem (meist schiedsgerichtlichen) Verfahren oder (bei Fehlen entsprechender Vereinbarungen) gar nicht geprüft werden können.

Während der Verruf bei den Studenten des frühen 19. Jahrhunderts sehr ernst genommen wurde, entwickelte sich nach 1848 auch eine parodistische Variante für den Biertisch. Hier konnte nach dem Bier-Comment auch der Bier-Verschiß (B.V.) oder die Bier-Acht verhängt werden. Auf alten Bildern von studentischen Kneipen kann man teilweise mit kunstvollen Schnitzereien verzierte B.V.-Tafeln sehen, auf denen mit Kreide die verhängten Bier-Verschisse notiert und nach Vollzug der entsprechenden Sanktionen wieder gelöscht wurden.

In der modernen Sprache überlebt hat der Ausdruck „Verruf“ in Begriffen wie „verrufene Spelunke“ u. ä. Bekannt ist ebenfalls noch der Ausdruck „Der hat bei mir verschissen“.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Zum Sprachgebrauch siehe auch den Lexikoneintrag bei Krünitz zu „Verruf“: Nach den Brüdern Grimm (Deutsches Wörterbuch) in der Studentensprache seit 1515 als „Verschiß“ nachweisbar, ab 1818/20 Aufkommen des feiner klingenden Begriffes „Verruf“
  2. Franz Stadtmüller: Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809–1959. S. 34 ff.