Ritterschaftsrat
Der Ritterschaftsrat war ein einflussreicher Wahlbeamter eines Ritterschaftlichen Kredininstituts im ostelbischen Raum.
Zuständigkeiten
Der Zuständigkeitsbereich des Ritterschaftrates galt für zwei preußische Landkreise, in Einzelfall bis zu drei Verwaltungseinheiten und weiteren Exklaven, zusammengefasst Department genannt. Er war in der Funktion eingebunden in einer gesonderten Verwaltungsstruktur seines Kreditinstituts, mit Rechenschaft gegenüber dem Hauptritterschaftsdirektor, dessen Stellung[1] wiederum über die eines Landesdirektors[2] war und dem Königlichen Kommissarius unterstand, in der Person des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.[3]
Dem Ritterschaftsrat oblag innerhalb seines Departments die finale Entscheidung zur Kreditvergabe des Antragstellers, also des Besitzers oder gar Eigentümers eines landwirtschaftlichen Betriebes, natürlich auch eines reinen Forstgutes; unabhängig ob dieser von Adel oder bürgerlicher Herkunft war. Es gab bei der Pfandbriefvergabe keinen Statusbezug bezüglich Eigenbetrieb, konventionellem Allodgut oder Familienfideikommiss,[4] später bei Großbetrieben oftmals nach 1928 in einen Schutzforst umbestimmt. Die Wahl und damit der Bestimmung eines Ritterschaftsrates oblag den Gutsbesitzern der jeweiligen Region. Mehrfach haben Vater und Sohn die Aufgabe wahrgenommen. Auch sind Wiederwahlen nach der zumindest in der Kur- und Neumark festgelegten Laufzeit von sechs Jahren konstatierbar. Vereinzelt wurden Departments über eine Wahlperiode durch mehrere Räte vertreten.[5] Zuweilen erscheint in den 1920er Jahren die Begrifflichkeit eines Ritterschaftskommissars und in der NS-Zeit für Brandenburg die eines Landschaftsrates.[6] In Schlesien galt mit der frühen Gründung der Schlesischen Landschaft durchweg diese Anrede. Der Rat in Mecklenburg nannte sich Kreisdirektor.[7]
In den Fällen von Anträgen aus dem eigenen Familienkreis, sofern im Department des Ritterschaftsrates gelegen, übernahmen nach Beispielen aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv die beim Institut festangestellten Mitarbeiter des Kreditinstituts die Unterschriftsbefugnis.[8]
Ritterschaftsräte waren zumeist ausgebildete Land- oder Forstwirte, Juristen mit Grundbesitz, wie Achatz von Waldow oder regionale Politiker wie Ernst von Wangenheim, der im Preußischen Landtag saß. Fritz von Rochow-Plessow stand einem brandenburgischen Department mit vier Landkreisen vor.“[9] Der Ritterschaftsrat Sebastian George von Wedel wurde auch zum Landrat gewählt.[10] Der Rat Karl Freiherr von und zu Hertefeld, mit Gutsbesitz in Brandenburg und Westfalen ausgestattet, war Mitglied[11] des Preußischen Herrenhauses.
Literatur
- Helmut Gehlich: 200 Jahre Kur- und Neumärkisches Ritterschaftliches Kredit-Institut – später Märkische Landschaft – 1777–1977, Hrsg. Märkische Landschaft mit Sitz in Berlin, Geschäftsleitung in Kiel, Selbstverlag, Druck Rolf Sänger Bad Homburg v. d. H., Berlin/Kiel 1977.
- Walther v. Altrock: Der landwirtschaftliche Kredit in Preußen, II. Kur- und Neumärkisches Ritterschaftsliches Kreditinstitut und Neues Brandenburgisches Kreditinstitut, in: Veröffentlichungen des Königl. Preußischen Landes – Ökonomie – Kollegiums, Heft 17, Paul Parey, Berlin 1915.
Weblinks
- Märkische Landschaft (Kur- und Neumärkisches Ritterschaftliches Kreditinstitut) 1713-1958., in: BLHA Mit Auflistung der Mitglieder der General-Versammlung für die Mittelmark und der gewählten Räte bis 1928.
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Struktur, in: H. Lorenz: Rathgeber für Reichs-, Staats u. Kommunalbeamte 13. Auflage. Verlag O. Nahmmacher, Berlin 1901, S. 69. Reprint Fb&c. Limited, London 2018. ISBN 1391328566.
- ↑ Georg Strutz: Die Kommunalverbände in Preußen. Eine Darstellung. Julius Springer, Berlin 1888, S. 267 f.
- ↑ Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat für das Jahr 1911, R. v. Decker (G. Schenck), Berlin 1910, S. 190 f.
- ↑ Die „Bindungen” von Grundbesitz bei der Auflösung der Familiengüter in Preußen, in: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). Neue Folge, 128. Band, Heft 1, Hrsg. Arthur Nussbaum u. a., J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1928, S. 88-104. Reprint, Hrsg. u. a. Marietta Auer, Mohr Siebeck GmbH & Co. KG, Tübingen (o. J.). ISSN 0003-8997
- ↑ Ernst Seyfert: Landwirtschaftliches Güter-Adreßbuch der Provinz Brandenburg 1914, 2. Auflage, in: Niekammer`s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Band VII, Reichenbach`sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, S. XIX.
- ↑ Für Hans von Rochow-Stülpe und Alexander Graf von Schwerin-Wolfshagen, in: Anschriftenbuch der Deutschen Adelsgenossenschaft 1940, Landesabteilung Brandenburg. Abt. 1, Schlieffen-Verlag, Berlin 1940, S. 121.
- ↑ Ernst Seyfert, Hans Wehner, W. Baarck (Einleitung): Landwirtschaftliches Adreßbuch der Rittergüter, Güter und Höfe von Mecklenburg-Schwerin und Strelitz 1928, 4. Auflage, in: Niekammer`s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Band IV, Verlag von Niekammer`s Adreßbüchern GmbH, Leipzig 1928, S. XXIV.
- ↑ Werner Heegewaldt: Die Gutsarchive von Stülpe und Plessow - ein gemeinsames Erschließungsprojekt von Landeshauptarchiv und Kreisarchiv Teltow-Fläming. in: Brandenburgische Archive. Mitteilungen aus dem Archivwesen des Landes Brandenburg, Heft 30, Selbstverlag, Potsdam 2013, S. 54–57. ISSN 2190-6351
- ↑ Landwirtschaftliches Güter-Adreßbuch der Provinz Brandenburg 1907, 1. Auflage, in: Niekammer`s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Band VII, Selbstverlag Paul Niekammer, Stettin 1907, Reprint, Klaus D. Becker, Potsdam 2022, S. XXII. ISBN 978-3-88372-376-1.
- ↑ Rolf Straubel: Adlige und bürgerliche Beamte in der friderizianischen Justiz-und Finanzverwaltung. Ausgewählte Aspekte eines sozialen Umschichtungsprozesses und seiner Hintergünde (1740–1806), BVW, Berlin 2010, S. 192. ISBN 978-3-8305-1842-6.
- ↑ Philipp Graf zu Eulenburg-Hertefeld: Erinnerungen an ein Clevesches Rittergeschlecht. Historische Studie, 1, V. Stammfolge des Hertefeld'schen Geschlechtes. Als Manuscript gedruckt, Liebenberg 1899, S. 119.