Judikative
Der Rechtsbegriff der Judikative (lateinisch iudicare ‚Recht sprechen‘; auch Jurisdiktion genannt) bezeichnet die „richterliche Gewalt“ im Staat, ausgehend von der klassischen dreigliedrigen Gewaltenteilung in Legislative (Parlament als gesetzgebende Gewalt), Exekutive (Regierung und Verwaltung als vollziehende Gewalt) und rechtsprechende Gewalt.
Definition
In Rechtsstaaten wird die Judikative durch unabhängige Richter ausgeübt. Die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden. Die Unabhängigkeit der Justiz ist teilweise positivrechtlich verankert (so zum Beispiel für die schweizerische Militärjustiz in dem Artikel 1 des Militärstrafprozesses).
Der Begriff Judikative ist nicht identisch mit den Begriffen Gerichtsbarkeit, Justiz oder Rechtspflege, die staatsrechtlich betrachtet zum Teil auch der vollziehenden Gewalt (Exekutive) zuzuordnen sind.
Nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist die rechtsprechende Gewalt im Sinne des Art. 92 Grundgesetz (GG) nicht in einem formellen, sondern in einem materiellen Sinn zu verstehen.
Sinn und Zweck des Art. 92 GG sei es, „eine besondere Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Willensbildung im System der Gewaltenteilung [zu] gewährleisten.“[1] Rechtsprechende Gewalt liege daher nicht schon dann vor, „wenn ein staatliches Gremium mit unabhängigen Richtern im Sinne der Art. 92 ff. GG besetzt“ sei.[1]
Rechtsprechung in funktioneller Hinsicht liege vor, wenn der Gesetzgeber ein gerichtsförmiges Verfahren hoheitlicher Streitbeilegung vorsehe und den dort zu treffenden Entscheidungen eine Rechtswirkung verleihe, die nur unabhängige Gerichte herbeiführen könnten. Wesentliche Merkmale der Rechtsprechung (Judikatur) seien „das Element der Entscheidung, der letztverbindlichen, der Rechtskraft fähigen Feststellung und des Ausspruchs dessen, was im konkreten Fall rechtens ist.“[1] „Kennzeichen rechtsprechender Tätigkeit ist daher typischerweise die letztverbindliche Klärung der Rechtslage in einem Streitfall im Rahmen besonders geregelter Verfahren.“[1]
Die rechtsprechende Gewalt in Deutschland
Nach Art. 92 GG gilt: „Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.“
Der erste Halbsatz des Art. 92 GG bedeutet einen Gerichtsvorbehalt: „Der Gesetzgeber, auch der Landesgesetzgeber, darf deshalb eine Angelegenheit, die Rechtsprechung im Sinne von Art. 92 erster Halbsatz GG ist, nicht anderen Stellen als Gerichten zuweisen.“[1]
Die Staatsanwaltschaft in Deutschland hingegen ist als dortige Besonderheit sowohl Teil der Exekutive als auch dieser weisungsabhängig unterworfen.[2]
Literatur
- André Brodocz: Die Macht der Judikative, VS Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16758-9. (Verfassung und Politik)
- Axel Hopfauf, Vorb. vor Art. 92 und Art. 92 GG, In: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, Köln 2011, ISBN 978-3-452-27076-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001; Az. 2 BvF 1/00; BVerfGE 103, 111 – Wahlprüfung Hessen, Rn 95 ff.
- ↑ Jannika Thomas: Die deutsche Staatsanwaltschaft -„objektivste Behörde der Welt“ oder doch nur ein Handlanger der Politik? In: Gunnar Duttge, Bernd Heinrich, Anja Schiemann (Hrsg.): KriPoZ – Kriminalpolitische Zeitschrift. Band 8, Nr. 2. Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht, Universität zu Köln, 2023, ISSN 2509-6826, S. 84–90 (kripoz.de ( vom 27. Mai 2022 im Internet Archive) [PDF; 344 kB; abgerufen am 15. April 2023]): „Der EuGH […] schreibt ihr aufgrund deren Eingliederung in das System der Exekutive und des gegenüber ihr bestehenden Weisungsrechts, externe Beeinflussbarkeit zu. Die deutsche Staatsanwaltschaft habe zwar eine wesentliche Rolle im Ablauf der Strafverfahren inne und sei damit eine an der Strafrechtspflege beteiligte Behörde, sie sei aber im Gegensatz zu den meisten Staatsanwaltschaften der EU aufgrund des Weisungsrechts nicht unabhängig organisiert“