Unter orthogonalen Polynomen versteht man in der Mathematik eine unendliche Folge von Polynomen
,
die orthogonal bezüglich eines
-Skalarproduktes sind.
Definition
Sei
ein Borel-Maß auf
und betrachte man den Hilbertraum
der bezüglich
quadratintegrierbaren Funktionen mit dem Skalarprodukt
.
Weiter sei
für alle
. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Maß einen kompakten Träger besitzt. Insbesondere ist das Maß endlich und man kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit
fordern.
Im einfachsten Fall ist das Maß durch eine nicht-negative Gewichtsfunktion
gegeben:
.
Eine Folge von Polynomen
,
, heißt Folge orthogonaler Polynome, falls
Grad
hat und verschiedene Polynome paarweise orthogonal sind:

Konstruktion
Ist das Maß gegeben, so können die zugehörigen Polynome eindeutig mit Hilfe des Gram-Schmidt'schen Orthogonalisierungsverfahrens aus den Monomen
,
, konstruiert werden. Dafür genügt es offensichtlich, die Momente

zu kennen. Die Umkehrung ist als Stieltjes'sches Momentenproblem bekannt.
Normierung
Es sind verschiedene Möglichkeiten der Normierung in Verwendung. Um diese zu beschreiben, führen wir folgende Konstanten ein:

und
.
Dann bezeichnet man die Polynome als orthonormal, falls
, und als monisch, falls
.
Rekursionsrelation
Orthogonale Polynome erfüllen eine dreistufige Rekursionsrelation

(wobei
im Fall
zu setzen ist) mit

und den Konstanten
aus dem vorherigen Abschnitt.
Die Rekursionsrelation kann auch äquivalent in der Form

mit

geschrieben werden.
Speziell im Fall von orthonormalen Polynomen,
, erhält man eine symmetrische Rekursionsrelation
und die orthonormalen Polynome erfüllen genau die verallgemeinerte Eigenvektorgleichung des zugehörigen Jacobi-Operators. Das Maß
ist das Spektralmaß des Jacobi-Operators zum ersten Basisvektor
.
Es gilt

und im Fall
erhält man durch Grenzwertbildung

Nullstellen
Das Polynom
hat genau
Nullstellen, die alle einfach sind und im Träger des Maßes liegen. Die Nullstellen von
liegen strikt zwischen den Nullstellen von
.
Liste von Folgen orthogonaler Polynome
Asymptotische Analysis
Weiterführende Polynom-Begriffe
Orthogonale Polynome auf dem Einheitskreis
Eine Verallgemeinerung der reellen orthogonalen Polynome sind die orthogonalen Polynome auf Kurven in der komplexen Ebene. In der Regel betrachtet man orthogonale Polynome auf dem Einheitskreis und ein Maß auf einer Teilmenge von
.
Diskrete orthogonale Polynome
Multivariable orthogonale Polynome
Multivariable oder multivariate orthogonale Polynome sind orthogonale Polynome in mehreren Variablen
. Ein Beispiel hierfür sind die Macdonald-Polynome.
Mehrfach orthogonale Polynome
Quantenpolynome
Die
-orthogonalen Polynome oder Quantenpolynome sind
-Analoga der orthogonalen Polynome.
Orthogonale Polynome mit Matrizen
Dies sind orthogonale Polynome, die Matrizen beinhalten. Die Matrizen können entweder die Koeffizienten
oder die Unbestimmte
sein:
- Variante 1:
, wobei die
-Matrizen sind.
- Variante 2:
, wobei
eine
-Matrix und
die Einheitsmatrix ist.
Sobolevsche orthogonale Polynome
Dies sind orthogonale Polynome bezüglich ein sobolevschen inneren Produktes, das heißt ein inneres Produkt mit Ableitungen. Die Polynome verlieren dadurch im Allgemeinen einige attraktive Eigenschaften der klassischen orthogonalen Polynome.
Literatur
- Milton Abramowitz und Irene A. Stegun (Herausg.), Handbook of Mathematical Functions with Formulas, Graphs, and Mathematical Tables, New York, Dover (1965), ISBN 978-0486612720 (Kapitel 22)
- Gábor Szegő, Orthogonal Polynomials, Colloquium Publications - American Mathematical Society, 1939. ISBN 0-8218-1023-5.
- Theodore S. Chihara, An Introduction to Orthogonal Polynomials, Gordon and Breach, 1978. ISBN 978-0677041506.
Weblinks