Aripiprazol

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Strukturformel
Allgemeines
Freiname Aripiprazol
Andere Namen

7-{4-[4-(2,3-Dichlorphenyl)piperazin-1-yl]-butoxy}-3,4-dihydro-1H-chinolin-2-on (IUPAC)

Summenformel C23H27Cl2N3O2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 129722-12-9
EG-Nummer (Listennummer) 603-355-5
ECHA-InfoCard 100.112.532
PubChem 60795
ChemSpider 54790
DrugBank DB01238
Wikidata Q411188
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05AX12

Wirkstoffklasse
Wirkmechanismus
  • D2-Rezeptor-Partialagonist
  • 5HT1A-Rezeptor-Partialagonist
  • 5HT2A-Rezeptor-Antagonist
Eigenschaften
Molare Masse 448,39 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

139,0–139,5 °C[1]

Löslichkeit

0,02 mg·l−1 in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 264​‐​270​‐​301+312+330​‐​501[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Aripiprazol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der atypischen Neuroleptika und angezeigt zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 15 Jahren, zur Behandlung von mäßigen bis schweren manischen Phasen der Bipolar-I-Störung bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 13 Jahren und zur Vorbeugung vor neuen manischen Episoden bei Erwachsenen.[5] Unter dem Handelsnamen Abilify wurde es 2004 in Form von Tabletten, Schmelztabletten, Injektionslösung und Lösung zum Einnehmen europaweit zugelassen. Zulassungsinhaber ist Ōtsuka Pharmaceutical Co., Ltd. Abilify gehört zu den „Blockbuster-Medikamenten“ (Umsatz 2010 über 7 Mrd. Dollar).

Pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aripiprazol ist ein funktionell selektiver Ligand am Dopamin-D2-Rezeptor. Es wirkt an diesem Rezeptor als Partialagonist über das G-Protein Gαi/o, während es über den Gβγ-Signalweg als robuster Antagonist fungiert.[6] Am 5-HT2A-Rezeptor wirkt Aripiprazol als reiner Antagonist.[7] Zusätzlich aktiviert es den 5-HT1A-Rezeptor wiederum als Partialagonist.[8][9]

Aripiprazol besitzt eine Halbwertszeit von 60–80 Stunden. Eine maximale Plasmakonzentration wird nach etwa drei bis fünf Stunden erreicht.[7]

Die agonistische Wirkung nützt bei relativem Dopaminmangel im ZNS: Der etwa 30%ige Agonismus soll beispielsweise im Frontalhirn zum Tragen kommen.

Bei erhöhter Neurotransmission an D2-Rezeptoren, wie sie für Schizophrenie angenommen wird (Hypothese: Überangebot von Dopamin im limbischen System, u. a. für das Entstehen von Emotionen zuständig), nutzt man den antagonistischen Effekt an diesem Rezeptor („Dopaminhypothese“).

Aripiprazol wird auf Grund seines partiellen Agonismus auch als Vertreter der dritten Neuroleptika-Generation bezeichnet.

Klinische Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz des neuartigen Wirkmechanismus wirkt Aripiprazol bei Schizophrenie nicht besser als bisherige Neuroleptika, und nur wenige Daten aus klinischen Studien sind der öffentlichen Beurteilung zugänglich.[10]

Unerwünschte Wirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den unerwünschten Wirkungen zählen extrapyramidal-motorische Störungen, die allerdings nur halb so häufig wie unter einer Haloperidol-Behandlung auftreten.[11] Die Häufigkeit von Spätdyskinesien lässt sich noch nicht beurteilen. Es wird vermutet, dass bei Atypika im Vergleich zu älteren Präparaten ein geringeres Risiko besteht, was allerdings nicht belegt ist.

In Einzelfällen wurde von einer Verschlimmerung psychotischer Symptome berichtet. Diese Störwirkung wird ebenfalls mit dem besonderen Wirkmechanismus von Aripiprazol in Verbindung gebracht.[12][13]

Weiterhin können folgende Nebenwirkungen auftreten:

Bei älteren Patienten mit Demenz führt Aripiprazol zu erhöhter Sterblichkeit; deshalb soll es diesen Patienten nicht verschrieben werden.[23]

Aripiprazol mit Sensor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im November 2017 erhielt Otsuka Pharmaceutical von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) für die USA die Zulassung von Aripiprazol mit einem Sensor: Abilify MyCite. Die Tabletten enthalten einen eingebetteten Sensor, der aufzeichnet, dass das Medikament eingenommen wurde und sich im Magen aufgelöst hat. Der Sensor sendet bei Verdauung eine Nachricht an ein tragbares Pflaster. Das Pflaster überträgt die Informationen beispielsweise an ein Smartphone, so dass der Patient die Einnahme auf einem digitalen Medium verfolgen kann. Die FDA betont, dass die Fähigkeit von Abilify MyCite – die Einhaltung der Behandlungsvorgaben durch die Patienten zu verbessern – nicht nachgewiesen wurde. Die Sensortechnologie stammt von Proteus Digital Health.[24]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, ISBN 0-911910-00-X, S. 129.
  2. K. Takács-Novák, M. Urac, P. Horváth, G. Völgyi, B. D. Anderson, A. Avdeef: Equilibrium solubility measurement of compounds with low dissolution rate by Higuchi’s Facilitated Dissolution Method. A validation study. In Eur. J. Pharm. Sci. 106 (2017) S. 133–144, doi:10.1016/j.ejps.2017.05.064.
  3. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von 2(1H)-Quinolinone, 7-[4-[4-(2,3-dichlorophenyl)-1-piperazinyl]butoxy]-3,4-dihydro- im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 17. Dezember 2019.
  4. Eintrag zu Aripiprazol bei TCI Europe, abgerufen am 16. Februar 2020.
  5. Abilify 5mg Tabletten. (Memento vom 8. August 2014 im Internet Archive) apotheken-umschau.de
  6. T. F. Brust, M. P.Hayes, D. L. Roman, V. J. Watts: New functional activity of aripiprazole revealed: Robust antagonism of D2 dopamine receptor-stimulated Gβγ signaling. In: Biochem. Pharmacol. Band 93, Nr. 1, 2015, S. 85–91, doi:10.1016/j.bcp.2014.10.014, PMID 25449598, PMC 4276521 (freier Volltext) – (englisch).
  7. a b O. Benkert, Hanns Hippius: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 12., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin, ISBN 978-3-662-57334-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. A. D. Stark, S. Jordan, K. A. Allers, R. L. Bertekap, R. Chen, T. Mistry Kannan, T. F. Molski, F. D. Yocca, T. Sharp, T. Kikuchi, K. D. Burris: Interaction of the novel antipsychotic aripiprazole with 5-HT1A and 5-HT 2A receptors: functional receptor-binding and in vivo electrophysiological studies. In: Psychopharmacology (Berl.). Band 190, Nr. 3, 2007, S. 373–82, doi:10.1007/s00213-006-0621-y, PMID 17242925 (englisch).
  9. A. de Bartolomeis, C. Tomasetti, F. Iasevoli: Update on the Mechanism of Action of Aripiprazole: Translational Insights into Antipsychotic Strategies Beyond Dopamine Receptor Antagonism. In: CNS Drugs. Band 29, Nr. 9, 2015, S. 773–799, doi:10.1007/s40263-015-0278-3, PMID 26346901, PMC 4602118 (freier Volltext) – (englisch).
  10. H. G. El-Sayeh et al.: Aripiprazole for schizophrenia. Systematic review. In: Br J Psychiatry, 2006, 189, S. 102–108; PMID 16880478.
  11. Schweizer Fachinformation von Aripiprazol.
  12. D. S. Fernald et al.: Aripiprazole in chronic schizophrenia: experiences in daily practice. In: Acta Psychiatr Scand., 2006, 114 (4), S. 294; PMID 16968370.
  13. S. Ramaswamy et al.: Aripiprazole possibly worsens psychosis. In: Int Clin Psychopharmacol., 2004, 19 (1), S. 45–48; PMID 15101571.
  14. Hypersexualität unter Aripiprazol (Abilify®). In: Deutsches Ärzteblatt, 25. Dezember 2006, 103, Ausgabe 51–52.
  15. A Bulbena-Cabré, A Bulbena: Aripiprazole-Induced Hypersexuality. In: Prim Care Companion CNS Disord., 29. Dezember 2016, 18(6); PMID 28033456
  16. D. J. Muzina, C. Momah, J. M. Eudicone, A. Pikalov, R. D. McQuade, R. N. Marcus, R. Sanchez, B. X. Carlson: Aripiprazole monotherapy in patients with rapid-cycling bipolar I disorder: an analysis from a long-term, double-blind, placebo-controlled study. In: Int. J. Clin. Pract. Band 62, Nr. 5, Mai 2008, S. 679–87, doi:10.1111/j.1742-1241.2008.01735.x, PMID 18373615, PMC 2324208 (freier Volltext) – (englisch).
  17. Fachinformation für Abilify® aus dem Arzneimittelkompendium der Schweiz.
  18. J. Brunelle et al.: Aripiprazole and neuroleptic malignant syndrome. In: J Clin Psychopharmacol., 2007, 27(2), S. 212–214; PMID 17414250.
  19. P. T. Tseng et al.: Atypical neuroleptic malignant syndrome in patients treated with aripiprazole and clozapine: a case-series study and short review. In: International journal of psychiatry in medicine. Band 49, Nummer 1, 2015, S. 35–43, doi:10.2190/PM.49.1.c, PMID 25838319 (Review).
  20. a b Abilify 10 mg Tabletten. (Memento vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive) apotheken-umschau.de
  21. AbZ-Pharma GmbH (Hrsg.): Gebrauchsinformation Aripiprazol 10 mg Tabletten. Ulm Mai 2018.
  22. Abilify 5 mg/-10 mg/-15 mg/30 mg Tabletten - PatientenInfo-Service. In: Rote Liste. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Juni 2020; abgerufen am 19. Juni 2020.
  23. ABILIFY – Prescription Information. (US), Stand Oktober 2006.
  24. FDA approves pill with sensor that digitally tracks if patients have ingested their medication. FDA, Pressemitteilung, 13. November 2017; abgerufen am 27. November 2017