Ady Claude

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Ady Claude

Ady[1] Jean Pierre Claude (* 8. Juni 1913 in Oberkorn; † 12. Februar 1942 in Köln) war ein luxemburgischer Arbeiter und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Herkunft und Vorleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Vater aus Hobscheid und die Mutter aus einem strengkatholischen Elternhaus in Garnich besaßen ein eigenes Haus in Oberkorn, später auch in Garnich und in Differdingen. Er wuchs auf als zweites Kind zweier Schwestern und zweier Brüder, zunächst in Oberkorn, ab 1921 in Garnich, zuletzt in Differdingen; Muttersprache Lëtzebuergisch, katholisch erzogen und selbst sehr religiös eingestellt; arbeitete ab 1929 auf der Differdinger Hütte; ab 1932 aktives und enthusiatisches Mitglied und später auch Leiter der katholischen Scouttruppe in Differdingen. Aus dieser Pfadfindertätigkeit erwuchs später sein christlich-patriotisch motivierter Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Widerstand und Verhaftung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Besetzung Luxemburgs am 20. Mai 1940 trat er offen gegen die Eingliederung in das Deutsche Reich ein, schrieb an den Chef der Zivilverwaltung, Gauleiter Gustav Simon einen Brief, in dem er gegen den Zwang zum Reichsarbeitsdienst, am 23. Mai 1941 durch Simon verordnet, protestierte. Trotz Drucks seiner Umgebung, seiner deutschen Freundin und seines Arbeitergebers, Androhung des Arbeitsplatzverlusts, lehnte er konsequent den Eintritt in die Volksdeutsche Bewegung (VdB) ab. Er war somit der Zivilverwaltung und der Geheimpolizei kein unbeschriebenes Blatt mehr, als er die illegale Widerstandsgruppe Lëtzeburger Freihétskämpfer, L.F.K., gründete, hervorgegangen aus dem vom Gauleiter 1940 verbotenen Pfadfinderverein in Differdingen. Die Gruppe wurde verraten. Die Gestapo verhaftete ihn am 1. Oktober 1941 um 2 Uhr nachts, Schichtwechsel, am Personaleingang der Hütte Differdingen, weitere 30 Mitglieder der Freiheitskämpfer am 5. November 1941. Sie wurden alle zum Verhör in das KZ Hinzert gebracht.

Anklage und Prozess[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 19. Januar 1942 begann vor dem Sondergericht, dem Volksgerichtshof Luxemburg, der Sammelprozess gegen 13 Angeklagte der Gruppe, darunter auch Claude. Die Anklage, vertreten durch den Staatsanwalt Leonhard Drach[2], warf ihnen hochverräterische Planungen und Tätigkeiten vor; dazu Waffenbesitz, Flugblattaktivitäten, Abhören und Verbreiten von Funk- und Radionachrichten.

Klingelpützpark, Gedenkstein für die Hingerichteten auf den zu einem Hügel aufgeworfenen Schuttresten des Gefängnisses.

Für Claude und den mitangeklagten Dominik Dondelinger (* 12. Oktober 1897 in Zolwer) aus Rümelingen beantragte Drach die Todesstrafe. Am 23. Januar 1942 um 0.15 wurden beide zum Tode verurteilt[3] und überstellt in die Zentrale Hinrichtungsstätte im Gefängnis Köln-Klingelpütz, 1969 abgerissen, heute Klingelpützpark mit Gedenkstein für die NS-Opfer. Die Mitangeklagten erhielten Zuchthausstrafen.

Letzter Brief und Hinrichtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Tag vor der Hinrichtung, am 11. Februar 1942, schrieb er seinen letzten Brief, Abschied und Rückblick auf seinen Lebensweg.[4] Dies gelang durch die Unterstützung des Wachtmeisters Adam Pehl.[5] Die Hinrichtung erfolgte auf der Guillotine am 12. Februar 1942, morgens um 5.20 Uhr. Der erste Staatsanwalt (ESta) für den Strafvollzug Otto Schulz[6] leitete die Hinrichtung, Staatsanwalt Drach wohnte ihr bei und verkündete das Todesurteil, unmittelbar danach ausgeführt von dem aus Hannover angereisten Scharfrichter Friedrich Hehr.[7]

Seine Leiche wurde wie alle der in Köln hingerichteten Luxemburger, insgesamt 21, in eines der anatomischen Institute in Köln, Bonn oder Münster gebracht, dort in Formol eingelegt und in einem Betonkübel konserviert. Die Leichen wurden nach dem Krieg gefunden, seine sterblichen Überreste konnten nicht identifiziert werden, bei anderen gelang es.[8]

Die Eltern und eine Schwester wurden im Herbst des gleichen Jahres nach Leubus (Schlesien) umgesiedelt; ein Bruder überlebte im Untergrund.

Drach ließ im Herbst 1944 kurz vor der Räumung Luxemburgs die als geheim eingestuften Akten des Sondergerichts im Hof des Landgerichts Trier verbrennen.[9]

Gedenkorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gedenktafel am Grab der Eltern, auf dem Friedhof Differdingen.
  • Gedenktafel am Haus der Familie Claude in Differdingen, Rue Dicks-Lentz 134, am 22. Juni 1969 angebracht von Pfadfindern und Widerstandskämpfern.
  • Inschrift (Zitat aus seinem Abschiedsbrief) und Kurzbiographie in mehreren Sprachen am Denkmal Monumento alla Resistenza europea in Como.
  • Straßenbennung in Differdingen: Rue Ady Claude.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Matthias Herbers: Organisationen im Krieg, Die Justizverwaltung im Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939–1945, Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Band 71, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2012; Darstellung der Tätigkeit Drachs und Schulz’ in Luxemburg und Köln.
  • Letzter Brief (Auszug) in Piero Malvezzi und Giovanni Pirelli: Lettere di condannati a morte della Resistenza Europea, Verlag: Giulio Einaudi, Turin 1954; deutsch: Letzte Briefe zum Tode Verurteilter, Verlag: dtv, München 1962, Seite 183–187: Chronologie des luxemburgischen Widerstands mit Kurzbiographie und Auszug aus dem Abschiedsbrief.
  • Gilbert Renault, genannt Colonel Rémy: Une épopée de la Résistance : en France, en Belgique et au Grand Duché du Luxembourg, Verlag Grange Batelière, Paris 1976; zu Claude und den Freiheitskämpfern: S. 19, 96, 157–158.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ady Claude – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Als Kurzform von Adolphe wird Ady oder Adi in Luxemburg bevorzugt, in deutschen Texten meist Adolphe oder Adolf.
  2. Claudes Prozess und Drachs Prozessführung, siehe Weblink: mahnmal-koblenz.de, Teil 3, Seite 5–6.
  3. Am 23. Januar um 0.15, also auf der Landesfürstin Geburtstag, hat man mich und Dondelinger wegen Hochverrat zum Tode verurteilt … Ich bin bereit … Soll man also zur Ausführung desselben schreiten, dann hat Deutschlands Justiz zwei Märtyrer geschaffen, die für die Heimat gefallen sind. Claudes Abschiedsbrief, siehe Literatur: Letzter Brief, S. 186.
  4. Einzeilige Maschinenabschrift des Manuskripts, 21 Seiten, siehe Website: ons-jongen-a-meedercher.lu.
  5. Adam Pehl, ein Nazigegner und nach dem Krieg der neue Gefängnisdirektor, schmuggelte den Brief hinaus, fügte ein persönliches Nachwort hinzu und leitete ihn über die luxemburgische Firma Bernard-Kaufmann an die Eltern weiter. Siehe Weblinks: ettelbruck.lu, Seite 6–19.
  6. Otto Schulz (1904–1953), Sohn eines Handwerkers, im Justizdienst nationalsozialistisch sozialisiert, machte im Krieg Karriere im Bereich des Strafvollzugs (Ausbau der Gefangenenarbeit), kam 1940 nach Köln, ab 1944 in Wittlich; siehe Literatur: Matthias Herbers, passim.
  7. Bekanntgabe der Hinrichtung zwei Tage später zur Abschreckung: Für Volksverräter den Tod: Die von dem Sondergericht verurteilten Adolf Claude, Differdingen, und Dominik Dondelinger, Rümelingen, sind hingerichtet worden. Ein Verbrechen schlimmsten Verrates hat damit seine Sühne gefunden … Hart ist die Strafe des Gerichts, nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familienangehörigen, ihre Eltern und Geschwister. Doch sie haben die Härte der Strafe selbst herausgefordert. Sie haben mit dem Köpfen anderer gespielt und haben dabei die eigenen verloren …, Luxemburger Wort 14./15. Februar 1942.
  8. Siehe Weblinks: ettelbruck.lu, Seite 3–4, 9.
  9. Siehe Weblinks: mahnmal-koblenz.de, Teil 3, Seite 10.