Anleinpflicht

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Als Anleinpflicht, Leinenpflicht oder auch Leinenzwang wird die Pflicht bezeichnet, einen Hund an einer reißfesten und ausreichend kurzen, allgemein einer geeigneten, Leine zu führen. Einerseits entspricht diese in bestimmten Fällen geltendem Recht, beispielsweise bei gefährlichen Hunden oder in Naturschutzgebieten. Andererseits wird ein Mangel an freiem Auslauf ohne Leine und in freiem Kontakt zu Artgenossen aus verhaltensbiologischer Sicht abgelehnt, da dies als nicht artgerecht eingestuft wird und es die Entwicklung von Verhaltensproblemen beim Hund begünstigt.

Verhaltensbiologische Bewertung und Tierschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Generelle oder überwiegende Leinenführung behindern artgemäßen Sozialkontakt, Geruchskommunikation und Erkundungsverhalten eines Hundes. Indem das artgemäße Sozialverhalten behindert wird, hemmt die überwiegende Leinenführung die Entwicklung eines artgemäßen Sozialverhaltens und begünstigt die Entwicklung von Verhaltensproblemen (siehe Verhaltensbiologie). Fehlender Auslauf ohne Leine und in freiem Kontakt zu Artgenossen verstößt gegen den Tierschutz und wird als nicht artgerecht abgelehnt. Dies wird auch von Tierschutzgesetzen in EU, Deutschland und vielen deutschen Bundesländern so bewertet.[1]

Junger Feldhase mit inneren Verletzungen und Speichelspuren eines wildernden Hundes
Fährte eines Hundes beim Erbeuten eines Hasen in einem Karottenfeld

Rechtliche Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland kann sich eine Anleinpflicht dennoch aus entsprechenden Landesnormen (Hundegesetze), kommunalen Anordnungen oder Auflagen an individuelle Hundehalter ergeben. Auch das Wohnungseigentumsgesetz begründet nach Auffassung mehrerer Gerichte[2] Anleinpflichten im gemeinsam genutzten Wohneigentum. Die Anleinpflicht war Gegenstand zahlreicher Normenkontrollen und Gerichtsverfahren einzelner Halter.

Eine ausnahmslose Anleinpflicht (im Sinne einer Anleinpflicht für alle Hunde immer und überall) besteht nicht und wäre nach Auffassung des OLG Hamm aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht zulässig.[3] In größeren zusammenhängenden Siedlungsbereichen gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in ausreichendem Maße geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang auszunehmen, um dem Bewegungsbedürfnis der Hunde Rechnung zu tragen.[4] Bundesländer haben hierzu mitunter eigene gesetzliche Regelungen: Beispielsweise fordert das bayerische Recht, dem Bewegungsbedürfnis der Hunde ausreichend Rechnung zu tragen.[5]

Grundsätzlich lassen sich zwei Regelungsebenen unterscheiden: Landesrecht und kommunales Recht.

Im Landesrecht findet sich eine allgemeine Leinenpflicht nur für Berlin (seit Anfang 2019). Im Übrigen sind mögliche Anknüpfungspunkte für eine Anleinpflicht insbesondere:

Hinweisschild in der Samtgemeinde Harpstedt, 2021

Die folgende Tabelle nennt Rechtsgrundlagen in den Bundesländern und beispielhaft in deren jeweils größten Städten:

Land allgemein gefährliche Hunde innerorts außerorts zeitbezogen
BW BW § 4 HundeV
 

S: § 6 StrAnlPolVO
BY BY (Art. 18 LStVG)a
M: § 3 HundeVa
BE BE § 28 HundeG § 23 HundeG
BB BB § 3 Ⅰ 3 HundehV
 
§ 3 Ⅰ 1 HundehV
P: § 8 StadtO
§ 15 LWaldG
 
HB HB § 3 HundeG
 
§ 5 HundeGb
HB: § 6 OGöO
§ 7 FeldOG
15. März–15. Juli
HH HH § 17 HundeG § 8 HundeGb § 11 LWaldG
HE HE § 9 Ⅰ HundeVO

 
§ 9 Ⅱ HundeVO
F: § 5 GefAbwVO,
     § 4 GrünanlS
(§ 27 HAGBNatSchG)

 
MV MV § 3 HundehVO M-V
 
§ 1 HundehVO M-V
HRO: § 1 HundeVO
§ 29 LWaldG
 
NI NI §§ 9, 14 NHundG
 

H: § 4 HundeVO
(§ 33 Ⅱ NWaldLG)
 
§ 33 Ⅰ NWaldLG
1. April–15. Juli
NW NW §§ 5, 11 LHundGc
 
§ 2 LHundG
K: § 27 KSO
§ 2 LFoG
 
RP RP § 5 LHundG
 

MZ: § 2 GefAbwVO
SL SL § 5 Ⅲ HundeVO
 
§ 5 Ⅵ HundeVO
SB: § 15 PolVO
§ 33 SJG
1. März–30. Juni
SN SN § 6 HundeG
 

L: § 16 PolVO
ST ST § 5 HundeG
 

HAL: § 11 GefAbwVO
§ 28 LWaldG
1. März–15. Juli
SH SH § 14 HundeG
 
§ 3 HundeG
KI: § 3 GrünanlS
§ 17 LWaldG
 
TH TH § 12 ThürTierGefG
 

EF: § 6 StadtO
§ 6 ThürWaldG
 

() Verordnungsermächtigung

a 
betrifft auch große Hunde (ab 50 cm Schulterhöhe, vgl. VollzBekLStVG, Rn. 18.1)
b 
betrifft auch läufige Hündinnen
c 
betrifft auch große Hunde (ab 40 cm Widerristhöhe bzw. 20 kg Gewicht)

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hinweisschild in Berndorf (NÖ), 1997

Österreichisches Landesrecht im Überblick:

Land Gesetze (Verordnungsermächtigungen)
Burgenland Burgenland (§ 20 Bgld. LSG) → Bsp. Eisenstadt
Karnten Kärnten § 8 Abs. 1 und 2 K-LSiG
(§ 69 Abs. 4 K-JG) → Bsp. Klagenfurt
Niederosterreich Niederösterreich § 8 Abs. 3 bis 5, (§§ 9 und 9a) NÖ Hundehaltegesetz
→ Bsp. Wiener Neustadt (Hundeauslaufzone)
Oberosterreich Oberösterreich § 6 Abs. 1, 2 (und 4) Oö. Hundehaltegesetz 2002
Salzburg Salzburg (§ 17 S.LSG) → Bsp. Salzburg; § 19 Abs. 7 S.LSG
(§ 101 Abs. 3 Jagdgesetz 1993)
Steiermark Steiermark § 3b Abs. 3 und 4 StLSG
Tirol Tirol § 6a Abs. 2 (und 2a) Landes-Polizeigesetz
Vorarlberg Vorarlberg § 6 Landes-Sicherheitsgesetz
Wien Wien § 5 Abs. 1 und 2 und § 5a Abs. 12 Wiener Tierhaltegesetz
§ 92 Abs. 1 (und 5) Wiener Jagdgesetz

Siehe auch: Leben in der Gemeinde (Informationen zu „Maulkorb- bzw. Leinenzwang“ je Gemeinde)[6]

Situation in Städten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da in Städten normalerweise keine artgerechten Haltungsstrukturen vorhanden sind, müssen aus Tierschutzgründen ausreichend viele und ausreichend große Freilaufflächen zur Verfügung gestellt werden. Um für Hundebesitzer und andere Menschen Klarheit zu schaffen, legen immer mehr Städte Freilaufflächen fest, fassen diese in einer Übersichtskarte zusammen und schildern diese aus.

Beispiele für die Festlegung von Freilaufgebieten in Städten:

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dorothea Döring, Angela Mittmann, Barbara M. Schneider, Michael H. Erhard: Genereller Leinenzwang für Hunde – ein Tierschutzproblem? Über den Zwiespalt zwischen Gefahrenabwehr und tiergerechter Haltung. In: Deutsches Tierärzteblatt. 1. Dezember 2008, abgerufen am 19. September 2019.
  2. Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 02. Juni 2008 zu Az. 14 Wx 22/08
  3. Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm, 5. Senat für Bußgeldsachen, Az. 5 Ss OWi 1225/00
  4. Staatsministerium des Innern: Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes vom 8. August 1986 (MABl. S. 361), Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (VollzBekLStVG). 2. Juli 1992. Rn. 18.2
  5. Bayerische Staatskanzlei: Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG), Art. 18 Halten von Hunden. 13. Dezember 1982, abgerufen am 18. September 2019.
  6. Leben in der Gemeinde. In: oesterreich.gv.at. Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, abgerufen am 28. März 2020.
  7. Stadt Köln: Freilaufflächen für Hunde. Abgerufen am 18. September 2019.
  8. Stadt Nürnberg: Hunde in der Stadt. Kleine Regeln - große Wirkung. Für ein besseres Miteinander. Servicebetrieb Öffentlicher Raum Nürnberg, 1. August 2016, abgerufen am 18. September 2019.
  9. Stadt Paderborn: Hundefreilaufflächen in Paderborn. Abgerufen am 18. September 2019.