Antje Boetius

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Antje Boetius (2018)

Antje Boetius (auch Boëtius; * 5. März 1967 in Frankfurt am Main) ist eine deutsche Meeresbiologin und Professorin der Universität Bremen. Seit November 2017 leitet sie das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.

Wissenschaftlicher Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Studienjahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1986 bis 1992 absolvierte Boetius ein Diplom-Biologiestudium an der Universität Hamburg. Von 1989 bis 1991 studierte sie an der Scripps Institution of Oceanography „Biologische Ozeanographie“. Für ihre Diplomarbeit, die sie über Tiefseebakterien verfasste, verbrachte sie drei Monate auf diversen Forschungsschiffen im Pazifik und im Atlantik.

Ihre Dissertation über „mikrobielle Stoffumsätze in der Tiefsee der Arktis“ schrieb Boetius 1996 an der Universität Bremen. Von 1996 bis 1999 war sie am Institut für Ostseeforschung an einem Postdoktoranden-Projekt beteiligt, das sich mit der Tiefsee des Indischen Ozeans beschäftigte. 1999 wechselte sie zum Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen, wo die Untersuchung untermeerischer Gasquellen wie auch die Mikrobiologie des Methanumsatzes im Meer zu ihren wichtigsten Forschungsschwerpunkten wurden.

Akademische Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2001 wurde Boetius Assistenz-Professorin an der Jacobs University Bremen. Daneben erhielt sie eine Position als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Alfred-Wegener-Institut im Fachbereich Geologie und arbeitete als Leiterin von verschiedenen Verbundprojekten in Deutschland und der Europäischen Union in den Bereichen Biogeochemie und Mikrobiologie des Methans im Meer.

2003 wurde sie zur außerordentlichen Professorin an der Jacobs University Bremen ernannt. Im selben Jahr übernahm sie die Leitung der Forschungsgruppe „Mikrobielle Habitate“ am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, die sich mit der Untersuchung diverser Tiefseeökosysteme, der Methan-Biogeochemie, der In-situ-Meerestechnologie und mikrobiellen Biodiversität beschäftigt. 2006 konnte diese Forschungsgruppe eine weitere Form von methanfressenden Mikroorganismen nachweisen, nachdem Boetius im Jahre 2000 zusammen mit anderen Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie die ersten „Methanfresser“ entdeckt hatte.

2004 lehrte Antje Boetius als Gastprofessorin an der Universität Pierre und Marie Curie in Paris. Von Juni bis November 2008 war sie Professorin für Mikrobiologie an der Jacobs University.

Seit März 2009 ist sie Professorin für Geomikrobiologie im Fachbereich Geowissenschaften an der Universität Bremen.

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gespräch von Holger Klein mit Boetius über ihre Forschung[1]

Boetius hat an rund 40 meeresbiologischen Erkundungsexpeditionen teilgenommen und war Leiterin verschiedener internationaler Forschungsreisen. Die Erforschung der Tiefsee-Ökologie wurde dabei mit speziellen Tauchrobotern vorgenommen.

Im Jahr 2011 erhielt sie vom Europäischen Forschungsrat Fördergelder in Höhe von rund 3,4 Millionen Euro Projekt „ABYSS – Assessment of bacterial life and matter cycling in deep-sea surface sediments“. (Untersuchungen des Meeresbodens in der arktischen Tiefsee und seiner Bakterienwelt). Das auf fünf Jahre ausgelegte Projekt startete 2012.

Von Januar 2015 bis Dezember 2020 war Boetius Vorsitzende des Lenkungsausschusses von Wissenschaft im Dialog.[2]

In der öffentlichen Debatte um die Klimakrise setzt sich Boetius für eine deutliche Verschärfung des Klimaschutzes ein; so schrieb sie 2019 mit Blick auf die Politik: „Mutig bedeutet hier, jetzt für den Klimaschutz einen großen Schritt zu tun. Mutig heißt, dafür zu sorgen, dass der Bürger mitkommt und dabei mitmachen will und kann. Wir können uns wirklich keine Verzögerung beim Klimawandel und auch nicht das Verpassen unserer eigenen Ziele leisten.“[3]

Sie ist eine der Verfasserinnen der Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina aus dem Jahr 2019, die den Titel Klimaziele 2030: Wege zu einer nachhaltigen Reduktion der CO2-Emissionen trägt.[4] Darin wird u. a. die rasche Einführung einer CO2-Bepreisung gefordert.

2023 fungierte Boetius als wissenschaftliche Beraterin bei der Verfilmung von Frank Schätzings Der Schwarm.[5][6]

Im August 2023 wirkte sie an Bord der Polarstern an der ArcWatch Expedition mit, die durchs Nordpolarmeer bis hoch zum Nordpol ging. Hierbei entstanden erstmals Filmaufnahmen vom Meeresboden in 4000 Meter Tiefe, die in der ARD-Dokumentation Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol gezeigt wurden.

Beiratstätigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Boetius ist Mitglied in diversen internationalen Institutionen, darunter IFREMER, CNRS, DIVERSITAS und ist in Programme zur Biodiversität des Ozeans wie Census of Marine Life, Chemosynthetic Ecosystem Science (ChEss) und International Census of Marine Microbes (ICoMM) involviert.

Sie ist Redakteurin und Gutachterin für verschiedene internationale Fachjournale der Meeresforschung sowie Ausbilderin an der Graduiertenschule der Exzellenzinitiative „Global Change in the Marine Realm“ (GLOMAR) und an der Max Planck Research School of Marine Microbiology (MarMic).

Der Senat der Universität Wien hat in seiner Sitzung vom 20. Oktober 2022 Boetius als Mitglied in den Universitätsrat der Universität Wien für die Funktionsperiode vom 1. März 2023 bis zum 29. Februar 2028 bestellt.[7]

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Boetius ist Enkelin des deutschen Luftschiffers und Überlebenden der Hindenburg-Katastrophe Eduard Boëtius[8] und Tochter des Schriftstellers Henning Boëtius (1939–2022).

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März 2023 wurde Boetius als eine von sieben weiblichen MINT-Führungskräften aus aller Welt mit einer nach ihrem Vorbild gestalteten Barbie-Puppe geehrt.[9]

Auszeichnungen und Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1992: Extrazelluläre hydrolytische Enzymaktivitäten als Parameter für mikrobielle Prozesse in Tiefseesedimenten
  • 1996: Mikrobieller enzymatischer Abbau organischer Substanzen in Tiefseesedimenten
  • 2000: A marine microbial consortium apparently mediating anaerobic oxidation of methane (mit Katrin Ravenschlag, Carsten J. Schubert, Dirk Rickert, Friedrich Widdel, Armin Gieseke, Rudolf Amann, Bo Barker Jørgensen, Ursula Witte & Olaf Pfannkuche). In: Nature 407, S. 623–626 (5. Oktober 2000) doi:10.1038/35036572
  • 2004: Methane in gas hydrate bearing sediments – turnover rates and microorganisms: MUMM; report 01 January 2001 – 31 December 2003; BMBF program „Gas hydrates in the earth’s system“
  • 2005: OTEGA II: Abschlussbericht zur Forschungsreise SO174 in den Golf von Mexiko, 1.10.–12.11.2003, Balboa – Miami
  • 2011: Viren und andere Mikroben: Heil oder Plage? : zum 100. Todestag von Robert Koch
  • 2011: Das dunkle Paradies – Die Entdeckung der Tiefsee (zusammen mit Henning Boëtius), Bertelsmann Verlag ISBN 978-3-570-10052-3

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Resonator-Podcast der Helmholtz-Gemeinschaft: Tiefseeforschung (Folge 83, 8. April 2016)
  2. a b Wechsel an der Spitze von Wissenschaft im Dialog: Günter M. Ziegler wird Vorsitzender des Lenkungsausschusses. 16. November 2020, abgerufen am 23. April 2021.
  3. Interview zur Klimakrise: »Wir können uns keine Verzögerung mehr leisten«. Abgerufen am 10. Oktober 2023.
  4. Detailview. Abgerufen am 10. Oktober 2023 (amerikanisches Englisch).
  5. „Was die Zukunft bringt, wird uns wirklich wie die Rache des Meeres vorkommen“. In: Focus.de. 24. Februar 2023, abgerufen am 2. März 2023.
  6. Matthias Halbig: „Der Schwarm“-Beraterin Antje Boetius: „Menschheit lebt mit dem Rücken zum Meer“. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland. 22. Februar 2023, abgerufen am 2. März 2023.
  7. Senat der Universität Wien – Aktuelles. In: Mitteilung des Senats der Universität Wien vom 21. Oktober 2022. Abgerufen am 16. November 2022.
  8. Eigene Auskunft auf Planet Wissen 10. Mai 2011 (Memento vom 9. September 2014 im Internet Archive)
  9. Neue Kollektion ehrt sieben Karrierefrauen. In: Stern, 8. März 2023. Abgerufen am 10. März 2023.
  10. Akademie der Wissenschaften und der Literatur
  11. Mitgliedseintrag von Antje Boetius (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 30. Juni 2016.
  12. siehe Lebenslauf von Boetius bei der Leopoldina (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), PDF, abgerufen am 29. Juli 2015
  13. EMBO enlarges its membership for 50th anniversary. Pressemitteilung vom 8. Mai 2014 beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online.de)
  14. Alfred-Wegener-Institut: AWI-Tiefseeforscherin Antje Boetius mit Gustav-Steinmann-Medaille ausgezeichnet (Memento vom 15. März 2015 im Internet Archive)
  15. Verleihung des Hector Wissenschaftspreises
  16. Gründungszeremonie der Hector Fellow Academy
  17. Symposiumsvortrag von Boetius
  18. Wechsel an der Spitze von Wissenschaft im Dialog: Antje Boetius wird Vorsitzende des Lenkungsausschusses. Abgerufen am 10. Oktober 2023.
  19. Biocom Ag: Medaillenregen für Tiefseeforscherin. In: transkript.de. 25. Juli 2017, abgerufen am 27. Juli 2017.
  20. EGU announces 2018 awards and medals. In: egu.eu. 9. Oktober 2017, abgerufen am 8. November 2017 (englisch).
  21. Deutscher Umweltpreis an Meeresbiologin Boetius und Leipziger Abwasser-Experten auf der Website der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, 23. August 2018, abgerufen am 23. August 2018.
  22. „maybrit illner“ vom 2. Mai 2019 (Memento vom 23. September 2019 im Internet Archive)
  23. Robert L. and Bettie P. Cody Award in Ocean Sciences | Scripps Institution of Oceanography. Abgerufen am 10. Oktober 2023 (englisch).
  24. Kai Uwe Bohn: Bundesverdienstorden für die Meeresbiologin Antje Boetius auf der Website der Universität Bremen, 4. Oktober 2019.
  25. o. V.: Leibniz-Ring: Boetius bekommt Auszeichnung, Artikel und weiterführende Informationen auf der Seite des Norddeutschen Rundfunks vom 21. Oktober 2019, zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2019
  26. Karin S. Schwarz (Red.): LeibnizRingHannover 2019 / Verleihung an Meeresbiologin Antje Boetius – Laudator Hannes Jaenicke, Presseinformation vom Presse Club Hannover vom 21. Oktober 2019
  27. Pressemitteilung: Prof. Antje Boetius erhält Urania-Medaille 2020. Urania Berlin, 2020, abgerufen am 25. August 2021.
  28. Klüh Stiftung – Engagement im Dienst der Gesundheit. In: klueh.de. Abgerufen am 1. Februar 2022.
  29. Pressemitteilung: Polar- und Tiefseeforscherin Antje Boetius mit dem GOLDENEN LOT 2022 ausgezeichnet. VDV, 2022, abgerufen am 4. Dezember 2022.
  30. Forscherin Boetius zur "Hochschullehrerin des Jahres" gekürt. In: Die Zeit, 19. Dezember 2022. Abgerufen am 24. Dezember 2022.
  31. Eduard-Rhein-Preis 2023