Anton Schmid (Gerechter unter den Völkern)

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Anton Schmid (* 9. Januar 1900 in Wien, Österreich-Ungarn; † 13. April 1942 in Wilna) war ein österreichischer Installateur und Unternehmer sowie von 1940 bis 1942 Feldwebel in der Wehrmacht. Schmid rettete hunderte Juden im Wilnaer Ghetto vor dem sicheren Tod. Er sah das als seine christliche Pflicht an. Er wurde von der Wehrmacht dafür verurteilt und hingerichtet.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der gläubige Katholik und parteilose, sozialdemokratisch orientierte Schmid wuchs im 2. Wiener Bezirk auf, in einem jüdische geprägten Stadtteil, der „Mazzesinsel“. Ab dem 14. Lebensjahr arbeitete er bei Wiener Post. Als 18-Jähriger wurde er in der Endphase des Ersten Weltkriegs eingezogen und war zwei Monate an der Piavefront in einem Schützenregiment. Danach orientiert er sich beruflich zum Elektriker oder Installateur. 1921 heiratete er seine Frau Stefanie, mit der er die Tochter Gertrude bekam. 1936 macht er sich in der Brigittenau (20. Bezirk) mit einem Elektrogeschäft selbstständig und verkaufte und reparierte Radios. Seine Frau übernahm die Buchhaltung im Geschäft, seine Tochter arbeitete ebenso mit. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen im März 1938 verteilte Schmid Watschen an einen Buben, der in einem benachbarten, jüdisch geführten Knabenmodengeschäft die Auslagenscheiben einschlug. Im Wachzimmer Pappenheimgasse der Polizei wurde er daraufhin geschlagen und einige Stunden festgehalten. 1938 verhalf er einigen jüdischen Bekannten zur Flucht ins Ausland. Am 25. August 1939, wenige Tage vor Hitlers Überfall auf Polen (nach anderer Quelle erst 1940) wurde er zur Wehrmacht eingezogen und in verschiedenen Teilen Polens eingesetzt. Nach einer Unteroffiziersausbildung wurde er zum Feldwebel befördert. Nach Beginn des Russlandfeldzugs am 22. Juni 1941 befand sich Schmidt unter den Truppenteilen, die über Weißrussland nach Litauen vordrangen und in Wilna teils begeistert begrüßt wurden. Wilna mit 60.000 Juden als größter Bevölkerungsgruppe war ein geistiges Zentrum des Judentums in Osteuropa.[1]

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Eroberung Wilnas am 24. Juni 1941 wurde Schmid im September 1941 dort Leiter einer „Versprengten-Sammelstelle“. Zudem war er Leiter von einigen für die Wehrmacht arbeitenden Werkstätten, in denen er bis zu 150 Juden beschäftigte. Ihm waren 15 Arbeitsgenehmigungen zugestanden. Diese so genannten „Gelben Scheine“ waren für diese Juden samt ihren Familien lebensrettend und schützten vor dem Zugriff der Einsatzgruppen. Bis zum Januar 1942 hatte Schmid etwa 90 Arbeitsbescheinigungen ausgestellt.[2] Mehrmals rettete er einige seiner Arbeiter aus dem Lukiszki-Gefängnis, mindestens zwei Personen verschaffte er gefälschte Papiere und Anstellungen.

Bis zum Januar 1942 transportierte er mit selbst ausgefertigten Marschbefehlen über dreihundert Juden aus dem Ghetto von Wilna nach Polen und Weißrussland in damals als sicher geltende Ghettos, wo sie nicht vom Holocaust in Litauen bedroht waren.

Schmids Beitrag zum Aufbau einer jüdischen Widerstandsbewegung gilt als „historisch bedeutend“.[3] Er ließ Mitglieder der jüdischen Widerstandsbewegung in seinem Haus versteckt übernachten, um sie vor möglichen Verhaftungen zu schützen. Schmid war auch an der Vorbereitung des Aufstandes im Warschauer Ghetto beteiligt, indem er eine Delegation des jüdischen Widerstands mit einem Lastwagen nach Warschau brachte. Der jüdische Schriftsteller Hermann Adler, der mit seiner Frau Anita mehrere Monate versteckt in Schmids Dienstwohnung gelebt hatte, charakterisierte später Schmid so: Er war ein Anti-Nazi, aber wahrscheinlich nicht in erster Linie aus politischen Erwägungen heraus, sondern eher gefühlsmäßig, weil er … die Judenverfolgung … ablehnte.[4]

Verurteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im späten Januar 1942 wurde Schmid bei einer Rettungsaktion verhaftet. Am 25. Februar 1942 wurde in Wilna ein Kriegsgerichtsverfahren gegen ihn eröffnet. Ihm wurde zur Last gelegt, Juden aus dem Ghetto fortgeschafft zu haben. Anton Schmid wurde nach § 90 des Militär-Strafgesetzbuches und § 32 des Reichsstrafgesetzbuches zum Tode verurteilt und am 13. April 1942 erschossen. Er wurde am Rande des Soldatenfriedhofs Wilna-Antokol begraben.

Von Anton Schmid sind nur zwei Briefe als schriftliche Selbstzeugnisse überliefert. In einem Brief vom 9. April 1942 schrieb er kurz vor der Hinrichtung an seine Frau:[5] Will Dir noch mitteilen, wie das ganze kam: hier waren sehr viele Juden, die vom litauischen Militär zusammengetrieben und auf einer Wiese außerhalb der Stadt erschossen wurden, immer so 2000 – 3000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege gleich an die Bäume angeschlagen. Kannst Dir ja denken. In diesem Brief bat er seine Familie um Verzeihung: Ich habe nur als Mensch gehandelt und wollte ja niemandem weh tun.[6] Auch schrieb er seiner Frau: Wenn jeder anständige Christ auch nur einen einzigen Juden zu retten versuchte, kämen unsere Parteiheinis mit ihrer Lösung der Judenfrage in verdammte Schwierigkeiten. Unsere Parteiheinis könnten ganz bestimmt nicht alle anständigen Christen aus dem Verkehr ziehen und in ein Loch stecken.[7]

Die Verurteilung wurde in Wien bekannt. Mehrere Nachbarn bedrohten Frau Schmid, einmal wurde ihr die Fensterscheibe eingeschlagen.[8]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktion Allee der GerechtenA Letter To The Stars in Wien (2011)
  • 1961 berichtete Abba Kovner, führender Kopf des jüdischen Widerstandes in Wilna, beim Eichmann-Prozess in Jerusalem über Anton Schmid.[9] Hannah Arendt erwähnte dies 1963 in ihrem Bericht Eichmann in Jerusalem.[10]
  • Im Mai 1967 zeichnete Yad Vashem ihn postum als Gerechten unter den Völkern aus. Der israelische Botschafter in Österreich überreichte die dazugehörige Medaille samt Ehrendiplom an die in Wien lebende Witwe Schmids.
  • Der englische Lyriker Thom Gunn würdigte Schmid 1967 in einem Gedicht.
  • Am 22. März 1968 wurde im ZDF erstmals der Spielfilm „Feldwebel Schmid“ gesendet.[11]
  • Die kommunale Wohnhausanlage „Anton-Schmid-Hof“ in der Brigittenau wurde vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk nach Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Kultur am 11. Dezember 1990 so benannt; zudem wurde dort eine Gedenktafel enthüllt. Seit 2002 besteht parallel zur Brigittenauer Lände die Anton-Schmid-Promenade am linken Ufer des Wiener Donaukanals.
  • Am 8. Mai des Jahres 2000 wurde die Kaserne der Heeresflugabwehrschule der deutschen Bundeswehr in Rendsburg in Feldwebel-Schmid-Kaserne umbenannt. Ende März 2011 wurde Rendsburg „militärfrei“; somit erlosch der öffentliche Traditionsname „Feldwebel Schmid“. Das Lehrsaalgebäude in Todendorf trägt seit dem 13. April 2012, seinem 70. Todestag, den Namen „Feldwebel-Schmid-Haus“, im Andenken an den früheren Standort der Heeresflugabwehrschule in der Feldwebel-Schmid-Kaserne in Rendsburg.
  • In Haifa, Israel, ist die Verkehrsfläche bei der Südeinfahrt in die Stadt als Anton-Schmid-Platz benannt.
  • Der Historiker, Unternehmer und Auschwitz-Überlebende Arno Lustiger widmete sein Buch Rettungswiderstand den „Helden des Rettungswiderstandes in Europa“ und nannte dabei an erster Stelle Anton Schmid.[12]
  • An der Heeresunteroffiziersakademie in Enns, Oberösterreich, wurde 2012 ein Lehrsaal nach Anton Schmid benannt.[13]
  • Am 10. Juli 2013 überreichte der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer beim jährlichen Gedenkdienst-Empfang den Gedenkdienern 50 von der Stadt Wien angekaufte Exemplare des Buches Feldwebel Anton Schmid: Ein Held der Humanität von Wolfram Wette. Die Gedenkdiener wurden gebeten, das Buch jeweils an ihre Einsatzstelle weiterzugeben. Auf Einladung des damaligen bundesdeutschen Verteidigungsministers Rudolf Scharping hatte Fischer als Präsident des Nationalrates am 8. Mai 2000 an der Kasernen-Benennung in Rendsburg teilgenommen.
  • Im August 2013 wurde die Hauptzufahrtsstraße zum ehemaligen Kasernengelände in Rendsburg (Feldwebel-Schmid-Kaserne) nach Anton Schmid benannt.
  • Am 22. Juni 2016, dem 75. Jahrestag des Angriffs der Wehrmacht auf die Sowjetunion, wurde die Harz-Kaserne in Blankenburg umbenannt in „Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne“.
  • Auf Initiative des österreichischen Verteidigungsministers Thomas Starlinger erfolgte Anfang 2020 die Umbenennung des Hauptsitzes des österreichischen Verteidigungsministeriums, der Wiener Rossauer Kaserne, in Rossauer Kaserne Bernardis-Schmid, nach Robert Bernardis und Anton Schmid.[14][15][16][17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inhalt: Der aus Wien stammende österreichische Wehrmachts-Feldwebel Anton Schmid ist 1941/42 im litauischen Vilnius stationiert. Dort rettet der Unteroffizier rund 300 Juden durch seinen mutigen Einsatz das Leben und wird selbst dafür von den Nationalsozialisten hingerichtet.[18]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Anton Schmid (Unteroffizier) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Menschen & Mächte: Anton Schmid – Der gute Mensch von Wilna, Dokumentation, ORF, 2020, Regie Martin Betz
  2. Wolfram Wette (Hrsg.): Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus Wehrmacht, Polizei und SS. Fischer-Taschenbuch, Frankfurt 2004, ISBN 3-596-15852-4, S. 313 / Anzahl 140 bei Arno Lustiger: Feldwebel Anton Schmid. In: Wolfram Wette (Hrsg.): Retter in Uniform. Frankfurt am Main 2002, S. 45–67, hier S. 49
  3. Arno Lustiger: Feldwebel Anton Schmid. In: Wolfram Wette (Hrsg.): Retter in Uniform. Frankfurt am Main 2002, S. 45–67, hier S. 53f.
  4. Christian Staas: Tollkühn aus Nächstenliebe, in: Die Zeit, Nr. 27, 27. Juni 2013, S. 47
  5. Abschiedsbrief vom 9. April 1942 abgedruckt als Dokument VEJ 7/232, S. 609 / Die Erschießungen in Litauen wurden von Angehörigen des Sk 7a und Ek 9 sowie auch des Ek 3 und litauischen Polizisten vorgenommen.
  6. VEJ 7/232; Arno Lustiger: Feldwebel Anton Schmid. In: Wolfram Wette (Hrsg.): Retter in Uniform. Frankfurt am Main 2002, S. 45–67, hier S. 63.
  7. Julia Smilga: Ein Christ folgt seinem Gewissen. In: Publik-Forum, Jg. 2021, Heft 12, S. 38.
  8. Wolfram Wette: Feldwebel Anton Schmid. Ein Held der Humanität. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2013, ISBN 978-3-10-091209-1, S. 163.
  9. Christian Staas: Tollkühn aus Nächstenliebe. In: Die Zeit, Nr. 27, 27. Juni 2013, S. 47.
  10. Arendt schrieb „Schmidt“ statt Schmid; der Fehler durchzieht daher auch die darauf bezogene Sekundärliteratur.
  11. Klassiker des deutschen Fernsehspiels.
  12. Arno Lustiger: Rettungswiderstand. Judenretter in Europa während der NS-Zeit. Wallstein Verlag, Göttingen 2011, ISBN 3-8353-0990-0.
  13. Späte Ehrung für unbekannten Lebensretter. Online auf ORF.at vom 25. September 2012, abgerufen am 3. Juli 2013.
  14. Gerhard Vogl: Neue Namen für Wiener Kasernen. In: Die Presse. 26. Dezember 2019, abgerufen am 27. Januar 2020.
  15. Neue Namen für Wiener Kasernen. In: ORF.at. 27. Januar 2020, abgerufen am 27. Januar 2020.
  16. Wien: Rossauer Kaserne und Stiftskaserne bekamen neue Namen. In: DerStandard.at. 27. Januar 2020, abgerufen am 27. Januar 2020.
  17. Eine Kaserne für zwei mutige Männer. In: science.ORF.at. 29. Januar 2020, abgerufen am 29. Januar 2020.
  18. Die Produktionsfirma, bei hrb.at, über Feldwebel Schmid (Memento vom 10. März 2014 im Internet Archive). Zitat: Anton Schmid wurde auch als „österreichischer Oskar Schindler“ bezeichnet.
  19. ORF-Dokumentation „Anton Schmid – Der gute Mensch von Wilna“ in der Rossauerkaserne Bernardis-Schmid präsentiert. 28. Januar 2020, abgerufen am 29. Januar 2020.