Anularius

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Römischer Goldring im Museo Nazionale G. A. Sanna, Kaiserzeit

Der Anularius war in der römischen Antike ein spezialisierter Goldschmied, der mit der Herstellung von Ringen betraut war.

Das Tragen von Ringen war im Römischen Reich weit verbreitet, wobei das verwendete Material zunächst streng an soziale Klassen gebunden war. So durften Goldringe anfangs nur von Senatoren getragen werden. Im Jahr 23 n. Chr. wurde das Recht auch den equites, der römischen Ritterschaft, zugestanden,[1] schließlich wurde in Ausnahmefällen auch Freigelassenen gestattet, Goldringe zu tragen. Darüber hinaus gab es Ringe auch aus Silber und Bronze, vor allem aber auch aus Eisen, die als Zeichen militärischer Tugend galten.[2] Laut Herodian gewährte Septimius Severus im Jahr 197 allen Soldaten das Privileg, goldene Ringe zu tragen.[3]

Ringe wurden als Eheringe, als Siegelringe und als Zeichen besonderer Auszeichnung – wie der eiserne Ring als Teil der römischen Triumphinsignien, der sowohl vom Triumphator als auch vom ihn begleitenden Sklaven getragen wurde[4] – genutzt. Sie wurden sowohl von Männern als auch von Frauen getragen, und zwar an mehreren Fingern bevorzugt der linken Hand.[5] Man unterschied gar zwischen Sommer- und Winterringen, wie Juvenal spöttisch bemerkte, da die Sommerringe leichter waren.[6] Die Ringmode war häufiger Gegenstand satirischer, etwa bei Martial und Iuvenal,[7] oder moralischer Betrachtungen, wie bei Seneca und Quintilian.[8]

Der Anularius war daher ein Handwerker, der zwar einzig auf eine Objektkategorie spezialisiert war, hierbei aber verschiedene Techniken der Verarbeitung beherrschen musste. So konnte das Schneiden von Gemmen zu seinen Aufgaben gehören, in jedem Fall das Einsetzen von Gemmen und Edelsteinen in den Ring. Anularii waren im ganzen römischen Reich zu finden. Inschriftlich sind sie außer aus Rom auch aus dem übrigen Italien,[9] aus Gallien[10] und Germanien[11] bekannt, zudem aus Kleinasien, wo in einer metrischen Inschrift aus dem lydischen Philadelphia ein Ringmacher Doros δακτυλοκοιλογλύϕος daktylokoiloglýphos, deutsch ‚Ziseleur von Ringen‘ genannt wird.[12]

Es handelt sich hierbei um eine poetische Variante des griechischen δακτυλιογλύφος daktylioglýphos für den Ringmacher, wie er literarisch als Berufsbezeichnung überliefert ist,[13] So soll der Vater des Pythagoras ein Daktylioglyphos gewesen sein.[14] In einer attischen Inschrift des 4./3. Jahrhunderts v. Chr. wird der Begriff ebenfalls genannt.[15] Iulius Pollux überliefert den Begriff δακτυλιουργός daktyliurgós für den Ringmacher und stützt sich hierbei auf Pherekrates[16] und Philyllios,[17] beides Dichter der Alten Komödie aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.

In Rom gab es ein collegium der Ringmacher.[18] Ob die bei Sueton genannten scalae anulariae[19] am Forum Romanum mit den Ringmachern zu verbinden sind, ist ungewiss. Nevio Degrassi verband den Namen dieser Treppe mit den Läden der anularii, da Schmuckläden auch sonst nahe der dortigen Via Sacra zu lokalisieren sind.[20] Er sieht sie wie die meisten Forscher am Fuße des Palatin[21] und verbindet sie mit der fragmentarischen Nennung eines stadtrömischen vicus in der 10. Region der Stadt. Die Nennung gehört zu einer im Jahr 26 n. Chr. gesetzten Inschrift.[22] Den Namen des vicus ergänzt er zu vicus anularius.[23] Ihm folgt beispielsweise Jörg Rüpke in seiner prosopographischen Darstellung zu den Priesterschaften Roms.[24]

Die bekannten anularii waren überwiegend Freigelassene, in Ober-Olm wird ein Einheimischer, im umbrischen Amelia wird ein Sklave genannt. Ab dem Mittelalter lebte die Berufsbezeichnung als Nachname wieder auf.[25]

Namentlich bekannte anularii
Name Fundort Stand Art Datierung
Lucius Bittius Paulinus Ober-Olm Einheimischer Votivinschrift[26] 2./3. Jahrhundert
Gaius Camonius Gratus Bologna Freigelassener unbestimmt[27] 1. Jahrhundert
Numerius Consius Dionysius Narbonne Freigelassener Grabinschrift[28] 1. Jahrhundert
Quintus Mus. Primus Piacenza Freigelassener Grabinschrift[9] 1. Jahrhundert
Trophimus Amelia Sklave Grabinschrift[29] 1. Jahrhundert (?)
Marcus Tullius Secundus Brindisi Freigelassener Grabinschrift[30] 1. Jahrhundert

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Plinius, Naturalis historia 33,32; Ségolène Demougin: L’ordre équestre sous les julio-claudiens (= Collection de l’École française de Rome. Band 108). École française de Rome, Rom 1988, S. 789–794 (online).
  2. Plinius, Naturalis historia 33,9.
  3. Herodian, Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel 3,8,5. Zum Ringschmuck römischer Truppen siehe Peter Rothenhöfer: Statussymbol – Schmuck – Geschenk – Gebrauchsgegenstand: Bemerkungen zu römischen Ringen mit Truppenbezeichnungen. In: Margret Nollé u. a. (Hrsg.): Panegyrikoi Logoi. Festschrift für Johannes Nollé zum 65. Geburtstag. Habelt, Bonn 2019, S. 399–426 (online).
  4. Plinius, Naturalis historia 33,11–12.
  5. Plinius, Naturalis historia 33,9.
  6. Juvenal 1,26.
  7. Martial 11,37.59.
  8. Seneca, Naturales quaestiones 7,37; Quintilian 11,3,142.
  9. a b CIL 11, 1235.
  10. CIL 12, 4456.
  11. CIL 13, 7249.
  12. Georges Lafaye: Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes. Band 4. Leroux, Paris 1927, Nr. 1648 (Digitalisat). Hierbei handelt es sich wohl um einen Gemmenschneider für Ringe, wie aus der Darstellung des horizontal gelagerten Fiedelbohrers auf seinem Grabstein hervorgeht, siehe Erika Zwierlein-Diehl: Antike Gemmen und ihr Nachleben. De Gruyter, Berlin/New York 2007, S. 317–318; Abbildung des Abklatschs des heute verlorenen Grabsteines bei Tobias Esch: Grabstele eines Gemmenschneiders. In: Tobias Esch (Hrsg.): »Die Ideen der Alten«. Zum Nachleben antiker Steinschneidekunst in Bayern (= Schriften des Kelten-Römer-Museums Manching. Band 14). kelten römer museum manching, Manching 2021, ISBN 978-3-9821509-1-8, S. 38–39 (dort auch weitere Literatur; Digitalisat).
  13. Philodemos von Gadara, De poematis P. Herc. 1676,5; Diogenes Laertios, vitae philosophorum 1,57; 8,1.
  14. Diogenes Laertios, vitae philosophorum 8,1; Suda, Stichwort Πυθαγόρας, Adler-Nummer: pi 3120, Suda-Online; Scholion zu Platon, Politeia 600B.
  15. SEG 18, 36A, 138–139.
  16. Pollux, Onomastikon 7,179 (Digitalisat, griechisch).
  17. Pollux, Onomastikon 7,108.
  18. CIL 06, 9144.
  19. Sueton, Augustus 72.
  20. Nevio Degrassi: La dimora di Augusto sul Palatino e la base di Sorrento. In: Rendiconto della Pontificia Accademia Romana di archeologia. Band 39, 1966–1967, S. 77–116, hier S. 82 f.; zu den in diesem Bereich zu lokalisierenden Schmuckläden siehe auch Emanuele Papi: Scalae Anulariae. In: Eva Margareta Steinby: Lexicon Topographicum Urbis Romae. Band 4. Quasar, Rom 1999, S. 238–239.
  21. Siehe etwa Emanuele Papi: Scalae Anulariae. In: Eva Margareta Steinby: Lexicon Topographicum Urbis Romae. Band 4. Quasar, Rom 1999, S. 238–239; Andrea Carandini: Le case del potere nell’antica Roma. Laterza, Rom/Bari 2010, S. 85. 98. 130. Abb. 55; Filippo Coarelli: Palatium. Il Palatino dalle origini all’impero. Rom 2012, S. 357–358; anders Timothy Peter Wiseman: Where did they live (e.g. Cicero, Octavius, Augustus)? In: Journal of Roman Archaeology. Band 25, 2012, S. 657–672, hier S. 661–662, der sie am Fuße der Velia lokalisiert.
  22. CIL 06, 30743.
  23. Nevio Degrassi: La dimora di Augusto sul Palatino e la base di Sorrento. In: Rendiconto della Pontificia Accademia Romana di archeologia. Band 39, 1966–1967, S. 77–116, hier S. 82 f.
  24. Jörg Rüpke: Fasti sacerdotum. Prosopographie der stadtrömischen Priesterschaften römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch-christlicher Kulte bis 499 n. Chr. Band 2. Franz Steiner, Stuttgart 2005, S. 716 Nr. 382.
  25. Julián Santano Moreno: anularíus/anellarius en occitan et en français. In: Nouvelle revue d’onomastique. Band 19–20, 1992, S. 21–32 (online).
  26. CIL 13, 7249; Altarinschrift an Mars und Victoria; siehe Gustav Behrens: Mars-Weihungen im Mainzer Gebiet. In: Mainzer Zeitschrift. Band 36, 1941, S. 8–21 Nr. 17 Abb. 15; Leo Johann Weber: Inschriftliche Götterweihungen aus dem Bereich des römischen Mainz. Augsburg 1966, S. 99; Walburga Boppert: Römische Steindenkmäler aus dem Landkreis Mainz-Bingen (= CSIR Deutschland Band II 14). Mainz 2005, S. 125–126 Nr. 96; Andreas Kakoschke: Die Personennamen in den zwei germanischen Provinzen. Ein Katalog. Band 1: Gentilnomina Abilius − Volusius. Marie Leidorf, Rahden/Westfalen 2006, S. 110; Krešimir Matijević: Transport von Religion durch Soldaten in Obergermanien am Beispiel der Ortsfremden in Mainz/Mogontiacum und Umgebung. In: Studia Antiqua et Archaeologica. Band 15, 2009, S. 71–144, hier S. 94. 138 Abb. 25 (online).
  27. Herman Gummerus: Die römische Industrie: I) Das Goldschmied- und Juweliergewerbe. In: Klio. Band 14, 1914, S. 129–189, hier S. 183 Nr. 155; Gherardo Ghirardini in: Notizie degli scavi di antichità. 1921, S. 34 Nr. 6 (Digitalisat); Gaetano Dall'Olio: Iscrizioni sepolcrali romane. Scoperte nell’alveo del Reno presso Bologna. L. Cappelli, Bologna 1922, S. 28–31 Nr. 10 Abb. 7; AE 1976 (1980), S. 55 Nr. 205; eine gens Camonia war in Bologna beheimatet, ein Camonius Rufus mit Martial befreundet: Martial 6,85; 9,74.76; Edmund Groag: Camonius. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1433.
  28. CIL 12, 4456; Eric Dellong: Narbonne et le Narbonnais (= Carte archéologique de la Gaule. Band 11, 1). Maison des sciences de l’homme, Paris 2002, S. 264 Nr. 12, 3.
  29. CIL 11, 4420; Daniela Monacchi: Le urne a cassa di Amelia: nuove acquisizioni. In: Archelogia Classica. Band 51, 1999–2000, S. 105–156, hier S. 133–135 Nr. 10 Abb. 11; zum wenig verbreiteten Namen Trophimus siehe Heikki Solin: Die griechischen Personennamen in Rom. Ein Namenbuch. De Gruyter, Berlin/New York 1982, Band 1: S. 98–99; Band 2: S. 990–995.
  30. Giuseppe Nervegna in: Notizie degli scavi di antichità. 1892, S. 124 (Digitalisat); die Inschrift nennt ihn M. Tillius Secunus.