Artillerie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. September 2016 um 19:20 Uhr durch Miltrak (Diskussion | Beiträge) (Weblinks: weblink). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Artilleriebeschuss der Stadt Falludscha
Deutsche Artillerie (ca. 1900)
Taktisches Zeichen der NATO für die Artillerietruppe (Rohrartillerie)

Im Militär ist die Artillerie der Sammelbegriff für großkalibrige Geschütze und Raketen, und auch der Name der Truppengattung, die diese Waffen einsetzt. Ihre Angehörige werden als Artilleristen bezeichnet.

Begriffe

Abgrenzung

Der Name Artillerie, entlehnt im 17. Jahrhundert aus dem Französischen, geht auf das Altfranzösische artill(i)er (mit Gerätschaft ausrüsten) zurück, wahrscheinlich einer Ableitung vom altfranzösischen tire (Ordnung, Reihe).

Die Artillerie ist in vielen Streitkräften, insbesondere in der Teilstreitkraft Heer, eine Waffengattung. Die Abgrenzung anhand der Waffenart – großkalibrige Rohrwaffe – ist nach dem Aufkommen von Raketenartillerie nicht mehr eindeutig.

Die Truppengattungsdefinition ist weitgehend durch eine funktionelle Sichtweise ersetzt. Im Allgemeinen werden im Heer nur Bodentruppen zur Artillerie gezählt, die feindliche Bodenziele mittels großkalibriger Geschütze und Raketenwerfer durch Steilfeuer bekämpfen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) definiert den Begriff „Artillerie“ im Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) von November 1990 in Artikel II wie folgt: „Artillerie“ bezeichnet großkalibrige Systeme, die Bodenziele in erster Linie durch Schießen im indirekten Richten bekämpfen können. Solche Artilleriesysteme bieten Truppenteilen der verbundenen Waffen die unerlässliche Unterstützung durch Feuer im indirekten Richten. Großkalibrige Artilleriesysteme sind Kanonen, Haubitzen sowie Artilleriewaffen, die Eigenschaften von Kanonen und Haubitzen miteinander verbinden, und Mörser sowie Mehrfachraketenwerfersysteme mit einem Kaliber von 100 Millimetern und darüber. Außerdem fallen alle künftigen großkalibrigen Systeme zum Schießen im direkten Richten, wenn sie sekundär zum Schießen im indirekten Richten geeignet sind, unter die Artillerieobergrenzen.[1]

Die Flugziele bekämpfende Flakartillerie zählt in vielen Heeren als eigene Truppengattung oder ist Teil der Luftstreitkräfte, wo zumeist keine Truppengattungen eingeteilt sind. Die Marineartillerie ist eine Laufbahnverwendung jedoch keine Truppengattung, da die Marine diese meist nicht definiert. Unterteilt wird in Schiffsartillerie, die als organischer Teil einer Schiffsklasse angesehen wird und in früheren Zeiten in die Küstenartillerie.

Unterteilung

Historisch wird die Artillerie der Landstreitkräfte unterschieden nach:

  • Wurfmaschinen, die von der Antike bis zum 16. Jahrhundert verwendet wurden.
  • Die Rohrartillerie wird seit dem 15. Jahrhundert benutzt. Sie ist mit Geschützen ausgestattet und bildete im Laufe der Geschichte verschiedene Untergruppen heraus:
    • Festungs- und Belagerungsartillerie,
    • Feldartillerie als historischer Truppengattungsverbund mit
      • Fußartillerie (die Geschütze waren bespannt, also von Pferden gezogen; die Artilleristen gingen zu Fuß und waren in Deutschland um 1900 mit Bajonett und Gewehr bewaffnet) – Infanteriegroßverbänden unterstellt
      • Fahrende Artillerie (die Bedienmannschaft hatte auf Protze und Lafette eigene Sitze; bewaffnet mit Bajonett und Pistole, jedoch kein Gewehr) – Infanteriegroßverbänden unterstellt
      • Berittene Artillerie (umgangssprachlich auch Fliegende Artillerie; schneller manövrierbar als die Fahrende Artillerie, Artilleristen gänzlich beritten; bewaffnet mit Kavalleriesäbel) – Kavalleriegroßverbänden unterstellt
  • Raketenartillerie (in China entwickelt, in Indien gegen die Briten eingesetzt und von diesen übernommen).

bei der Marine

bei der Luftwaffe

  • Flakartillerie mit Flak kurzer und mittlerer Reichweite
  • FlaRak-Fliegerabwehrverbände mit Raktensystemen kurzer und mittlerer Reichweite

Modern wird die Artillerie des Heeres unterschieden in

Bedeutung haben in modernen Streitkräften überwiegend nur noch die Panzerartillerie, die Raketenartillerie mit Mittleren Artillerieraketensystemen bis mittlere Reichweite, die aufklärende Artillerie, sowie in kleinerem Maße die fahrende Feldartillerie insbesondere als Luftlandeartillerie. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Infanterie noch unmittelbar durch Infanteriegeschütze von den Regimentern unterstellten Einheiten unterstützt. Diese wurden durch Mörser in Mörserkompanien der Bataillone und Feldkanonen für die unmittelbare Feuerunterstützung abgelöst.

Munition

Je nach Ziel können unterschiedliche Munitionssorten bzw. Zünder verwendet werden:

  • historisch:
    • Kanonenkugel, meistens ein Volleisengeschoss
    • Ketten und durch Ketten verbundene Kugeln (gegen die Takelage von Segelschiffen)
    • Kartätsche, eine Art Schrotladung
    • Schrapnell, mit Kugeln gefülltes Geschoss, die vor dem Ziel durch eine dahinterliegende Treibladung aus Schwarzpulver ausgestoßen werden. Wird gegen Menschen und Tiere eingesetzt. Gebräuchlich bis etwa 1916, Vorläufer eines Splittersprenggeschosses
    • Einheitsgeschoss (in Deutschland), ein Zwitter aus Schrapnell und Sprenggranate
    • Karkasse (Geschoss), ein Käfig aus Bandstahl, gefüllt mit glühenden Kohlen (Brandgeschoss).
  • Sprenggeschoss, wirkt durch Spreng- und Splitterwirkung; je nach Zünder kann das Geschoss über dem Ziel, im Moment des Aufschlages oder mittels Verzögerung nach Eindringen in das Ziel zur Detonation gebracht werden. Bei geringem Aufschlagwinkel[2] und hartem Boden können mit auf "Verzögerung" eingestellten Aufschlagzündern (AZmV) auch Abpraller erzielt werden.
  • Panzerbrechendes Geschoss, ursprünglich als Vollkugel, hat heute einen massiven Kern mit weicher Spitze zum Durchschlagen von Panzerungen. Panzerbrechende- oder Sprenggeschosse werden auch verwendet, um im Ausnahmefall gepanzerte Fahrzeuge unmittelbar zu bekämpfen (direktes Richten). Feld- und Panzerhaubitzen verfügen hierzu meist über ein separates Panzerzielfernrohr: Das Ziel wird durch einen direkten Treffer zerstört.
  • Cargogeschosse:
    • Bombletgeschoss, stößt über dem Ziel eine Wolke von kleinen Hohlladungs-Sprengkörpern aus, die – von oben auftreffend – auch leichte Panzerungen durchschlagen. Hinter Deckungen und in Schützengräben fallend wirken sie gegen weiche Ziele ähnlich wie Handgranaten.
    • SMArt (Suchzündermunition Artillerie) Munition, dient zur gezielten Bekämpfung einzelner, gepanzerter Fahrzeuge. Ein Geschoss enthält zwei Subgeschosse die autonom fungieren und getrennte Ziele bekämpfen können. Ein Problem liegt allerdings darin, dass
      • nur bis zum Ausstoß der 1. Submunition die Ballistik genau bestimmt werden kann,
      • der Ausstoßpunkt der 2. Submunition nicht genau bestimmt werden kann,
      • die Windrichtung und Windgeschwindigkeit im Ziel (ggf. > 30 km entfernt) ziemlich genau bekannt sein muss. Diese Daten können der „Zielmeldung“ beigefügt werden (siehe auch „ADLER“) oder auch durch ein Wettermodell (z. B. „WeModArt“ der Bundeswehr) errechnet werden und
      • die Ziele sich nach dem Ausstoß der Submunition im „Footprint“, der mit dem Sinken des an einer Art Fallschirm hängenden Geschosses immer kleiner wird (Radius ca. 150 Meter), befinden müssen.
    • STRIX Selbstzielsuchende Munition 12 cm Fest Mw
  • Nukleargeschoss,- Gefechtskopf (Die Bundeswehr verfügte nie über atomare Waffen. Allerdings waren in Zeiten des Kalten Krieges Einheiten bzw. Teileinheiten (ArtSpezZüge) aufgestellt, die Nuklearwaffen der US-Streitkräfte durch Artilleriewaffensysteme im Rahmen der Nuklearen Teilhabe transportieren und verschießen konnten. Besitz und Freigabe blieb jedoch stets unter US-Hoheit.)
  • Nebelgeschoss: Nebelgeschosse können (je nach verwendetem Nebel) dem Gegner nicht nur die optische Sicht nehmen und Bewegungen verschleiern, sondern auch die Sicht durch Sichtverstärker (Wärmebild etc.) beeinträchtigen bzw. ganz stören.
  • Leuchtgeschoss: Das Leuchtgeschoss dient zur Beleuchtung des Gefechtsfeldes. Da technische Unterstützungsgeräte wie Restlichtverstärker etc. immer mehr auf dem Vormarsch sind, wird dieses Geschoss über kurz oder lang aussterben. Es werden derzeit bei der Bundeswehr auch nur noch Restbestände verschossen.
  • Spezielle Munition, die beispielsweise Flugblätter enthält. Während des Kalten Kriegs wurden auch Geschosse auf beiden Seiten entwickelt, die Giftköder oder mit Erregern von Seuchen behaftete Köder enthielten, um über den Umweg der Tiere bzw. Nutztiere die Bevölkerung zu infizieren.
  • Spezielle Minen werden mittels Artillerieraketen verschossen.
  • Für Ausbildungszwecke existieren Exerzier- und Übungsgeschosse. Exerziergeschosse (Schweiz: Manipuliermunition) dienen nur dem Üben am Gerät (Ansetzvorgang simulieren), bei der neuen Panzerhaubitze 2000 kann damit im Simulator ein Schießen simuliert werden und das Geschoss wird nur mit Pressluft durch das Rohr gedrückt und fällt am Ende in eine Auffangvorrichtung. Übungsgeschosse (Schweiz: Übungsmunition) werden tatsächlich verschossen und sind mit Gips gefüllt. Der Aufschlag wird durch den Gipsstaub ortbar.
  • reichweitengesteigerte Geschosse wie z. B. das Base-Bleed-Geschoss

Einsatz

Im modernen Kampf

Indirektes Feuer wurde in praktisch allen militärischen Konflikten seit 1990 eingesetzt. Es ist ein Element des Gefechts der verbundenen Waffen, bei dem es darum geht, Feuer und Bewegung von eigenen Kampfverbänden so zu koordinieren, dass die Aufklärungs- Wirkungs- und Bewegungsmöglichkeiten des Gegners minimiert werden. Direkt schiessende Waffensysteme (wie z. B. Kampfpanzer, Panzerabwehrwaffen, Gewehre) wirken eng mit indirektem Feuer von Bogenschusswaffen (Mörser, Artilleriegeschütze) und Mitteln der Luftwaffe (Kampfhelikopter und Erdkampfflugzeuge) zusammen.

Mit indirektem Feuer werden die eigenen Kampftruppen unterstützt, indem ein Gegner in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und damit in seiner Kampftätigkeit behindert wird. Artilleriefeuer leistet auch einen wesentlichen Beitrag bei Sperren, Hindernissen und im Flankenschutz. Neben ihrer Funktion als Unterstützungswaffe vermag eine moderne Artillerie bis zu einem gewissen Grad auch einen reduzierten Truppenbestand wettzumachen, indem sie mit rasch verlegbarem Feuer in Räume wirken kann, in denen sich keine eigenen Truppen befinden.

Indirektes Feuer mit Bogenschusswaffen wird nicht nur von staatlichen Streitkräften eingesetzt, sondern auch von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, beispielsweise mittels ungelenkten Raketen, Mörsern oder einzelnen Artilleriegeschützen.[3]

Indirekte Feuerunterstützung auf kurze Distanz

Kampfverbände der taktischen Stufe (Bataillone) bekämpfen Ziele auf kurze Distanz (bis 10 Kilometer) mit Mörsersystemen. Aufgrund der steilen Flugbahn eignen sich diese besonders gut für den Einsatz in überbautem Gelände. Sie erlauben es, rasch Feuerschwergewichte (z. B. auf Truppenansammlungen oder Fahrzeuge) zu legen. Mit intelligenter Munition können auch Einzelziele punktgenau bekämpft werden.[3]

Indirekte Feuerunterstützung auf mittlere Distanz (bis ca. 50 km)

Die Schwergewichtswaffe für den Feuerkampf auf mittlere Distanz, d. h. innerhalb des Einsatzraumes einer Brigade, ist die Artillerie. Sie soll den Gegner in Deckung zwingen oder seine Kampfkraft so stark herabsetzen, dass er den Kampf nicht mehr weiterführen kann. Indem sie es ermöglicht, gegnerisches Feuer wirkungsvoll zu erwidern und gegnerische Mittel auszuschalten, trägt die Artillerie wesentlich zum Schutz der eigenen Kräfte bei. Verbände, die mit indirektem Feuer unterstützt werden, können sich zudem besser von gegnerischen Kräften lösen.

Gegen militärisch organisierte Streitkräfte wird die Artillerie eingesetzt, um gegnerische Einrichtungen, Bereitstellungen und Massierungen in Stauräumen zu bekämpfen sowie gegnerische Führungs-, Kommunikations- und Aufklärungsmittel und stehende, oftmals ungedeckte Schlüsselfahrzeuge auszuschalten. Durch Artilleriefeuer kann überdies das Heranführen von Reserven unterbunden werden. Oft ist die Artillerie das einzige permanent verfügbare weitreichende Mittel, das es erlaubt, gegnerische Artillerieverbände zu bekämpfen (Konterbatteriefeuer). Die Artillerie eignet sich auch dazu, das Gefecht der Kampfverbände in deren Einsatzräumen direkt zu unterstützen.

Kampfhandlungen spielen sich heute häufig in sehr hohem Tempo und in großen Einsatzräumen ab. Moderne Artillerieverbände sind darauf ausgerichtet: Ihre Einsatzverfahren erlauben es, fast aus der Fahrt heraus zu schießen (halten – schießen – weiterfahren) und sofort nach der Schussabgabe neue Feuerstellungen zu beziehen. Mit autonomer Fahrzeugnavigation und auf jedem Geschütz vorhandenen Flugbahnrechnern ist es überdies möglich, mit dem Feuer eines Verbandes mehrere Ziele gleichzeitig zu bekämpfen.

Im gesamten Spektrum militärischer Bedrohungen wird die Artillerie auch bei der Gefechtsfeldbeleuchtung eingesetzt. Mit Nebelgeschossen kann die Artillerie zudem zur Einschränkung der Sicht und zur Verschleierung eigener Bewegungen auf dem Gefechtsfeld eingesetzt werden.[3]

Indirekte Feuerunterstützung auf große Distanz

Auf große Distanzen (über 50 km) werden entweder weitreichende Boden-Boden-Systeme (moderne Rohrartillerie oder Raketenwerfer) oder Mittel der Luftwaffe (Kampfflugzeuge, Kampfhelikopter und bewaffnete Drohnen) eingesetzt. In modernen Armeen oder Koalitionen werden diese Mittel auf operativer Stufe integriert: Die für die Zielbekämpfung zuständige Stelle soll die jeweils am besten geeignete und im Einsatzraum verfügbare Waffe rasch nach Erkennen eines Zieles einsetzen können, unabhängig davon, welcher Teilstreitkraft (Heer, Luftwaffe oder Marine) sie unterstellt ist.

Bei Bogenschusswaffen wird mit zunehmender Einsatzdistanz aus physikalischen und meteorologischen Gründen die Streuung immer größer. Viele Streitkräfte streben jedoch danach, Ziele auch auf Distanzen bis zu 50 km mit Boden-Boden-Systemen präzise zu bekämpfen. Über diese Fähigkeit verfügen – dank sogenannter intelligenter Artilleriegeschosse – im Jahr 2016 allerdings nur die Streitkräfte der USA, Australiens, Kanadas, Schwedens und Russlands. In Deutschland, Italien, Israel sind entsprechende Entwicklungen im Gange.[3]

Entwicklung

In Europa gibt es im Jahr 2016 keine Armee, die auf indirektes Feuer – und damit auch auf die Artillerie – verzichtet. Die Fähigkeit, Kampftruppen mit Feuer auf unterschiedliche Distanzen zu unterstützen, wird praktisch überall weiterentwickelt, auch wenn die Anzahl der Geschütze in vielen Ländern reduziert wurde. Dabei geht die Tendenz dahin, das Leistungsvermögen des Gesamtsystems der Artillerie zu steigern. Verbesserte Aufklärung, Feuerführung, Mobilität, Schusskadenz, Reichweite und Präzision erlauben es, mit zahlenmäßig weniger Mitteln gleiche oder größere Wirkung zu erzielen.[3]

Einzelthemen

Aufstellung

Festung Königstein, Sachsen: Kartaune auf Wandlafette

Artilleriegeschütze wurden ursprünglich offen aufgestellt und direkt gerichtet (mit Sicht auf das Ziel) und feuerten in der Regel auf Kernschussweite. Mit fortschreitender Entwicklung der Geschütze, was zu höherer Reichweite und Zielgenauigkeit führte, wurden offene Artilleriestellungen einfache Ziele für die feindliche Artillerie. Aus diesem Grunde stellten während des Russisch-Japanischen Krieges 1904/05 erstmals die Japaner ihre Artillerie in gedeckten Positionen auf (z. B. hinter einem Berg oder Hügel), von denen sie das Gefechtsfeld und den Zielsektor nicht mehr direkt beobachten konnten. Die europäischen Armeen folgten dieser Vorgehensweise des indirekten Richtens rasch.

Deshalb wird die Rohrartillerie spätestens seit den ersten Monaten des Ersten Weltkrieges ausschließlich in gedeckter Stellung eingesetzt, das heißt aus der Feuerstellung ist das Ziel nicht zu sehen. Trotz der zurückgezogenen Aufstellung kann der Standort der Artillerie geortet werden, wie früher akustisch durch Schallmessverfahren mit Triangulation, durch Radarerfassung der Flugbahn der Geschosse oder durch bildgebende Aufklärung wie früher CL289. Daher mussten und müssen die Feuerstellungen oft gewechselt werden, so dass sich die Form der Selbstfahrlafette (Panzerhaubitze) durchgesetzt hat.

Durch die hohe Reichweite kann aus mehreren Artilleriestellungen auf das gleiche Ziel geschossen, und der Schwerpunkt des Feuerkampfes rasch verlegt werden. (Die Reichweite der Panzerhaubitze 2000 liegt mit dem 155-mm-NATO-Standard-Geschoss bei 30 km und mit dem reichweitengesteigerten Geschoss 40 km.) Da Artilleriestellungen nach Aufklärung durch den Feind nach Möglichkeit sofort von der feindlichen Artillerie bekämpft werden, sind die meisten Artilleriesysteme heute Panzerhaubitzen. Diese sind jedoch nur wie Panzer im Landmarsch über längere Strecken nur mit Schwerlasttransportern, im Luftmarsch nur bedingt und ansonsten nur im Schienentransport oder per Schiff verlegbar. Neuerer Ansatz sind sich selbstvermessende geschützte, selbstfahrende Artilleriesysteme auf einem LKW-Fahrgestell, die auch lufttransportfähig sind, da durch die häufige, auch prophylaktischen Feuerstellungswechsel die Gefahr durch Gegenartilleriefeuer geringer ist und die früher geforderte Kampffähigkeit im direkten Richten gegen feindliche Panzerfahrzeuge durch die hohe Reichweite nicht mehr erforderlich ist. Diese ist für moderne Panzerhaubitzen im Verhältnis zu Kampf- und Schützenpanzern ebenfalls nicht mehr gegeben.

Die Stellungen der Rohrartillerie der Bundeswehr werden nach dem Ein-Drittel-Zwei-Drittel-Prinzip erkundet. Damit sollten die Stellungsräume ein Drittel der mittleren Kampfentfernung hinter der Front liegen. Dadurch verbleiben zwei Drittel der mittleren Kampfentfernung für Feueraufträge.

Zielaufklärung

Kanadische 25-Pfund-Schnellfeuer-Feldartillerie (87,6 mm), Zweiter Weltkrieg

Durch den Übergang von der offenen in die verdeckte Stellung musste indirekt gerichtet werden, das heißt die Zielaufklärung erfolgt bei der Rohrartillerie meist durch vorgeschobene Beobachter (heute: Artilleriebeobachter) oder mit technischem Hilfsmittel, dem Artilleriebeobachtungsradar (M113 ABRA), welche die Position der Ziele ermitteln und das Schießergebnis korrigieren.[4]

Diese Beobachter verfügen heutzutage meist über technische Mittel zur Entfernungs- und Richtungsmessung (Laserortung), teilweise können diese Geräte per Datenstrecke die Zielkoordinaten direkt an die Feuerleitrechner übertragen. Die Feuerleitrechner ermitteln anhand der Zielkoordinaten und der Stellungskoordinaten die Schussrichtung, Rohrerhöhung sowie die zu verwendende Treibladung eines Geschützzuges. Je nach Zielgröße wird das Feuer verschiedener Geschützzüge zusammengefasst, dabei kann das Feuer so koordiniert werden, dass die ersten Geschosse der verschiedenen Stellungen gleichzeitig im Ziel eintreffen. Weiterhin werden Ziele auch durch technischen Mittel der aufklärenden Artillerie oder durch Meldungen der Kampftruppe aufgeklärt.[4]

Wird nur nach Karte geschossen, so spricht man von Planschießen.

Durch die Verbesserung der technischen Aufklärung ist es teilweise möglich, ein Geschoss im Fluge zu vermessen und die Koordinaten der Feuerstellung zu errechnen. Durch die dadurch auftretende höhere Gefährdung werden die Geschütze in den Feuerstellungen in großen Abständen (aufgelockerte Feuerstellung) aufgestellt und eine Feuerstellung wird nach Erfüllung eines Feuerauftrages rasch gewechselt (Stellungswechsel).

Durch den Zwang zu hoher Beweglichkeit werden fast nur noch Geschütze auf Selbstfahrlafetten, nach Möglichkeit unter Panzerschutz (Panzerhaubitze), eingesetzt. Aus Gewichtsgründen kommen für Spezialaufgaben noch leichte Feldgeschütze zum Einsatz (Luftverlastbarkeit) wie die amerikanische M119 oder in der Bundeswehr früher die Gebirgshaubitze Modell 56 in der Luftlande-Artilleriebatterie 9.

Neuerdings denkt man wieder an „leichte“ Artilleriegeschütze, die aufgrund der vermehrten Auslandseinsätze der Bundeswehr luftverlastbar sein müssen. Die grundlegende Technik soll der PzH 2000 entsprechen; allerdings sind wegen der erforderlichen Gewichtseinschränkungen (nur ca. 50 % des Gewichts der PzH 2000) bestimmte Einschränkungen hinzunehmen. Diesen Forderungen entspricht die schwedische geschützte Selbstfahrlafette Artilleriesystem ARCHER, mit dem die Bedarfslücke für Brigadeartillerie in den Infanteriebrigaden gedeckt werden könnte.

Leichte Mörser (Granatwerfer) sind organisatorisch meist direkt der Kampftruppe, insbesondere der Infanterie, zugeordnet.

Feuerleitung

Rakete von Kazimieras Simonavičius, Artis Magnae Artilleriae

Die Feuerleitung erfolgt in schießenden Batterien mit herkömmlichen Waffensystemen durch die Feuerleitstelle. (Mit Einführung autonomer Waffensysteme wie MLRS/MARS und PzH 2000 entfällt die Vermessung der Feuerstellung und die Ermittlung der Schusswerte in der Feuerleitstelle, da diese Systeme über Navigationsanlagen und interne Feuerleitrechner verfügen.) Die Feuerleitung erfolgt hier durch Umsetzung von Feueraufträgen bzw. Feuerbefehlen in Feuerkommandos. Das beinhaltet die Zuordnung der Ziele zu den Geschützen bzw. Raketenwerfern und die Festlegung der Art der Zielbekämpfung: Da die Waffensysteme beim indirekten Richten keine Sicht zum Ziel haben, ermittelt die Feuerleitstelle die Schusswerte (Richtung und Erhöhung des Geschützes bzw. Werfers) und übermittelt diese im standardisierten Feuerkommando zusammen mit den weiteren Angaben[5] an das Waffensystem. Heutzutage werden in den Feuerleitstellen zur Ermittlung der Schusswerte Feuerleitrechner genutzt; im Hilfsverfahren kann dies aber auch mittels Feuerleitplan oder Kommandogeber, Schusstafel und Rechenzettel manuell erfolgen.

Durch Anpassung der Rohrerhöhung und der Treibladung lassen sich Ziele hinter Deckungen bekämpfen oder ggf. der Auftreffwinkel der Geschosse so flach gestalten, dass Abpraller erzielt werden.

Um sichere Schießgrundlagen für das indirekte Richten zu besitzen, muss das Geschütz bzw. der Werfer eine vermessene Feuerstellung beziehen. Die dazu traditionell notwendige Vermessung durch Vermessungs- oder Richtkreistrupps wird allerdings zunehmend von GPS abgelöst. Das Ausrichten des Waffensystems auf die jeweilige Schussrichtung erfolgt durch ein Rundblickfernrohr mit Hilfe von Festlegepunkten. Hierbei werden die Festlegewerte (Grundrichtung oder Nordrichtung) des Geschützes/Werfers beim Richten über die Festlegepunkte unterlegt und sind die Basis für die folgenden Feueraufträge.

Basierend auf den Feuerstellungskoordinaten und den Zielkoordinaten werden

In der Berechnung werden i. d. R. berücksichtigt[6]

a) die innenballistischen Einflüsse (nur Rohrartillerie)

  • Pulvertemperatur
  • individueller Korrekturfaktor eines jeden Rohres
  • Geschossgewicht

b) die außenballistischen Einflüsse

  • Lufttemperatur
  • Luftdruck
  • Luftfeuchtigkeit
  • Windrichtung und Stärke
  • Drall
  • Erddrehung (Corioliskraft).

Stehen die obigen Daten nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung, so wird durch Einschießen ein entsprechender Korrekturfaktor ermittelt.

Da die Berechnung von Flugbahnen ein erhebliches, zeitaufwändiges Problem darstellte, erfolgte (in der Bundeswehr bis Ende der 1960er Jahre) in der Feuerleitung die Ermittlung der Erhöhung sowie der Seitenkorrektur manuell mit Rechenzettel und Schusstafel. Mit Einführung elektronischer Feuerleitrechengeräte wie dem analogen „Artillerierechner Typ BUM“ und später dem digitalen „Artillerierechner FALKE“ konnten die Schusswerte rechnergestützt schneller ermittelt werden.

Die heutige technische und taktische, waffensystemübergreifende Feuerleitung erfolgt in der deutschen Artillerie mit dem Führungs-, Informations- und Waffeneinsatzsystem „ADLER“, das ab Mai 1995 in die deutsche Artillerie eingeführt wurde.

Bei Gefechten auf See – mit sich bewegendem Geschütz und Ziel – müssen neben den innen- und außenballistischen Einflüssen noch Korrekturen für Kurs und Geschwindigkeit des eigenen und des Zielschiffes angebracht werden. Außerdem müssen noch die Schiffsbewegungen durch Wellengang ausgeglichen werden. Die Feuerleitung der Schiffsartillerie erfolgte daher seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch „Zentrale Leitstände“, die zunächst optisch, später auch mittels Radar die Ziel- und Schussdaten ermittelten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das automatische Richten die Geschütze durch die zentrale Feuerleitung entwickelt und eingeführt.

Geschichte

Übersicht Artillerie von 1741
Schwere Feldhaubitze 18
(bis 1945 deutsches Standard-Artilleriegeschütz) Kaliber 15 cm; hier ohne Schutzschild

Als Artillerie – in unterschiedlichsten Abwandlungen: Arkeley, Artollerei, Archiley, Artellarey – wurden bereits vor der Erfindung des Schießpulvers die mittelalterlichen Kriegsmaschinen bezeichnet. Die ersten Pulvergeschütze wurden bei Belagerungen gebraucht, wo sie in den Mauern der Burgen und Städte die Ziele fanden, deren Zerstörung man mit ihrer Hilfe leichter und aus größerer Ferne zu bewerkstelligen hoffte, als dies mit den bisherigen Kriegsmaschinen möglich war. Bald indes hat sich auch der Verteidiger der Geschütze bedient und seine Mauern durch Anschüttung eines Erdwalles dahinter zu ihrer Aufstellung geeignet gemacht. Die Rohre, ohne Schildzapfen, wurden auf Holzunterlagen gelegt und ihr Rücklauf durch eine dahinter angebrachte Verpfählung aufgehoben. Diese Unbeholfenheit in ihrer Bewegung musste naturgemäß die Anwendung von schweren Geschützen sehr beschränken. Man fertigte deshalb auch leichtere Geschützrohre, legte sie auf Bockgestelle oder in Laden, diese auf Unterlagen, die ein Heben der Mündung oder des Bodenstücks mittels der seitlichen Richthörner gestatteten. Die Bockgestelle erhielten dann Räder, wurden also fahrbar, oder man transportierte die Rohre in ihren Gestellen auf besonderen Wagen und ermöglichte so ihre Verwendung in der Feldschlacht. Der erste bestimmt nachgewiesene Gebrauch der Feuerwaffen findet sich in der Chronik von Metz vom Jahr 1324. Die Engländer sollen bereits 1346 bei der Schlacht von Crécy einige (drei oder sechs) leichte Kanonen in freier Feldschlacht verwendet haben, diese Angabe wird jedoch vielfach bestritten.

Ein sachlicher Unterschied zwischen Feld-, Festungs- und Belagerungsartillerie bestand anfangs nicht, man nahm mit ins Feld, was sich transportieren ließ, und zwar möglichst viel, um den Ritter mit seinem schweren Panzer zu Fall zu bringen. Die Zahl der in Feldschlachten verwendeten Geschütze hatte sich zu Anfang des 15. Jahrhunderts erheblich gesteigert, denn die Hussiten eroberten in der Schlacht bei Riesenberg 1431 bereits 150 Geschütze. Den tiefgreifendsten und nachhaltigsten Anstoß erfuhr das Geschützwesen durch die Reichsstädte, namentlich Nürnberg, die bei ihrem Emporblühen in ihrer eignen Wehrkraft die sicherste Stütze für ihre Selbständigkeit erblickten. Sie hatten ihren Stückgießer, ihren Zeugmeister und errichteten Zeughäuser zur Aufbewahrung ihrer Vorräte, die um Mitte des 15. Jahrhunderts in Nürnberg außerordentlich groß gewesen sind. 1445 ließ diese Stadt durch ihren Meister Hans von der Rosen eine 519 Zentner schwere Hauptbüchse gießen. Natürlich wollte auch jeder Stückgießer, von denen viele zur Zunft der Büchsenmeister gehörten, selbständig sein und Geschütze nach seiner Art herstellen, woraus die zahllosen Kaliber und speziellen Konstruktionen der Geschützrohre wie ihrer Lafetten entstanden. Einheitlicher war nur das Geschützwesen der Fürsten, von denen Karl der Kühne von Burgund ihm besonderes Interesse widmete; er soll zuerst Geschütze mit Schildzapfen sowie solche aus Gusseisen gehabt haben. Auch seine Lafetten waren schon verhältnismäßig leicht fahrbar, woraus sich seine bedeutende Artillerie erklärt, denn in der Schlacht bei Grandson am 3. März 1476 fielen den Schweizern 400 Geschütze in die Hände. Bei ihrer geringen Beweglichkeit und dem großen Wert, den man auf die Erhaltung der Geschütze legte, gab man ihnen eine Bedeckung aus den tapfersten Truppen. Wie damals ein Kampf nur durch das Handgemenge entschieden wurde, so konnten Geschütze nur im Kampf Mann gegen Mann gewonnen oder erobert werden, was bei deren tapferer Verteidigung dem Sieger zu besonderem Ruhm gereichte. Deshalb wurden auch die Geschütze zu den Trophäen der Schlacht gerechnet, ein Gebrauch, der heute noch nicht erloschen ist.

Um die Entwicklung der Artillerie erwarb sich Kaiser Maximilian I. großen Verdienst, indem er ein bestimmtes System in die Kaliber (6-, 12-, 24-Pfünder) brachte und die Lafettenkonstruktion (durch Martin Merz, † 1501) so vervollkommnen ließ, dass ihre Prinzipien für die ferneren Zeiten Geltung behielten. Er hatte auf seinem Zug nach Venedig 1509 schon 106 Geschütze mit Räderlafetten, die gegen Mitte dieses Jahrhunderts auch ein Marschlager erhielten, beim Schießen auf Holzbettungen abgeprotzt standen und daher Rücklauf hatten, eine bahnbrechende Erkenntnis im Gebrauch der Artillerie. Eine organisierte Artillerietruppe bestand noch nicht; sie war eine Zunft, die auf den Schultern der Büchsenmeister ruhte, sowohl in der Praxis als in der Theorie, die ein wunderbares Gemisch abergläubischer Behauptungen und Gebräuche bildete. Die Büchsenmeister unterschied man in Feuerwerker, die mit Wurfgeschützen umzugehen, Kunstfeuer anzufertigen und den Mineurdienst zu verrichten wussten, Büchsenmeister, die mit Kartaunen schossen, und die Schlangenschützen; sie luden und richteten das Geschütz, während die übrigen Verrichtungen bei der Bedienung von Handlangern, den Schanzbauern, ausgeübt wurden. Die Schanzbauern, unter dem Schanzbauerhauptmann und dem Schanzmeister, verrichteten Pionierdienste (Schanzen-, Wege- und Brückenbau) und gehörten zur Artillerie. Die Stückknechte saßen als Fahrer auf den Zugpferden der Geschütze.

Im elisabethanischen England wurde um ca. 1580 an Stelle der auf den bisherigen Kriegsschiffen bereits vorhandenen unterstützend eingesetzten Geschütze eine leistungsfähige Schiffsartillerie hoher Reichweite als Hauptbewaffnung entwickelt. Die daraus resultierende veränderte Taktik des Seegefechts revolutionierte den Seekrieg. Erstmals zeigte sich die Überlegenheit dieses Konzeptes 1588 gegenüber der Spanischen Armada: statt der bisherigen Nahkämpfe auf geenterten, im Gefecht häufig geruderten Schiffen und des Rammens - wie sie von den Römern in den Punischen Kriegen 1700 Jahre zuvor eingeführt worden war - wurden zur See von nun an Artilleriegefechte unter Segel ausgetragen.

Dem Dreißigjährigen Krieg aber blieb es vorbehalten, die Bedeutung der Feldartillerie in der ihr von Gustav Adolf gegebenen technischen Vervollkommnung, ihrer Organisation und taktischen Verwendung in außerordentlicher Weise zu heben. Gustav Adolf erleichterte die Geschütze und dadurch ihre Beweglichkeit, gab den Infanterieregimentern die Regimentskanonen und vereinigte die übrigen Geschütze zu größeren Batterien auf den Flügeln der Truppenstellungen, häufig maskiert, so dass sie den Feind mit ihrem Feuer überraschten, wie in der Schlacht bei Breitenfeld die Reiterei Isolanis. Den Übergang über den Lech erzwang er sich mit 72 Geschützen in drei Batterien, und vor Frankfurt an der Oder brachte er 200 Geschütze aller Kaliber ins Feuer. Die Franzosen waren jedoch die ersten, die ein förmlich organisiertes Artilleriekorps besaßen, das 1695 bereits aus 16 Bataillonen bestand. Wie in allen Zweigen des Kriegswesens, war Friedrich der Große auch Reorganisator der Artillerie. Die Regimentskanonen ließ er durch Infanteristen bedienen, im übrigen trennte er die Feld- von der Festungsartillerie, formierte die Artillerie zu Bataillonen, deren 1762 bereits sechs à fünf Kompanien bestanden, und errichtete 1759 die erste Batterie reitender Artillerie. Die Einteilung in Kompanien und Batterien bezog sich nicht auf eine bestimmte Anzahl Geschütze, wie heutzutage; eine solche fand erst Anfang des 19. Jahrhunderts durch den Prinzen August von Preußen nach Vorbild der Franzosen statt, bei denen sechs bis acht Geschütze eine Batterie bildeten; die Regimentsartillerie löste er auf, formierte die Artillerie zu Brigaden, ließ die Festungsartillerie darin aufgehen und die Kompanie abwechselnd Feld- und Festungsartillerie sein, eine Einrichtung, die bis 1852 bestanden hat; er errichtete die Artilleriehandwerksstätten, die Artillerieprüfungskommission, die Stellung als Artillerieoffizier vom Platz in den Festungen und führte die fahrenden Artilleristen (Fahrer) an Stelle der Stückknechte ein.

Eine neue Epoche begann für die Artillerie mit der Einführung der gezogenen Geschütze. Angeregt durch die Versuche Martin von Wahrendorffs mit einem Verschluss für Hinterladung 1840 und Cavallis, der damit ein Zugsystem und Langgeschosse verband, begannen in Preußen die Versuche mit gezogenen Hinterladekanonen und gepresster Geschossführung auf Anregung des Prinzen Adalbert von Preußen schon 1851, die aber erst zehn Jahre später zur Einführung kamen. Inzwischen hatte Frankreich sich beeilt, seine Feldartillerie mit gezogenen Vorderladekanonen nachdem System La Hitte zu bewaffnen, um ihr dadurch im Feldzug 1859 in Oberitalien die Überlegenheit über die österreichische Armee zu sichern, was auch erreicht wurde. Infolgedessen kamen in Österreich 1863 gezogene Vorderladekanonen nach Lenks Bogenzugsystem zur Einführung. Hier entstanden, um schnellere Bewegungen der Feldartillerie zu ermöglichen, die Kavallerie- oder fahrenden Batterien, bei denen die Bedienungsmannschaften auf wurstähnlichen Reitsitzen der Lafetten und Munitionswagen (Wurstwagen) saßen; in Preußen, wo sie auf den Handpferden und dem Protzkasten saßen, wurde mit dem System C/64 mit seinen Gussstahlachsen, Gussstahlrohr, Rädern mit Bronzenaben und den Achssitzen etc. ein solches Maß von Beweglichkeit erreicht, dass diese Geschütze nicht nur das Fahren in den schnellsten Gangarten der Pferde gestatteten, in der sie der Kavallerie zu folgen vermochten, die Biegsamkeit zwischen Protze und Lafette ermöglichte auch ein Anpassen an so erhebliche Unebenheiten des Terrains, dass die Artillerie im Allgemeinen mit ihren Geschützen dahin zu kommen vermochte, wo sich Kavallerie bewegen konnte. Diese technische Vervollkommnung des Artilleriematerials gestattete eine taktische Verwendung der Feldartillerie, die sie den beiden Hauptwaffen kämpfender Armeen, der Infanterie und Kavallerie, als dritte Hauptwaffe ebenbürtig zur Seite stellte.

Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden Brisanzgranaten konnten die meisten der damals vorhandenen Befestigungsanlagen durchschlagen und machten diese damit praktisch wertlos – es kam zur so genannten Brisanzgranatenkrise.

75 modèle 1897, ausgestellt im „musée de l’Armée“ (Hôtel des Invalides, Paris)

Im Jahr 1897 stellte Frankreich die Canon de 75 Modèle 1897 in Dienst (siehe Foto). Durch konsequente Nutzung verschiedener, wenn auch teilweise schon existierender Erfindungen wie dem rauchschwachen Pulver, Patronenmunition oder einem leistungsfähigen Rohrrücklauf entstand das erste wirkliche Schnellfeuergeschütz der Welt.

„Höhepunkt“ der Rohrartillerie war der Erste Weltkrieg (1914–1918). Hier kamen alle Gattungen der Artillerie zum Einsatz. Dadurch änderte sich das Gesicht des Krieges nachhaltig: der jetzt besonders wirksame Einsatz von Granaten machte Bewegung in offenem Gelände sehr risikoreich und erzwang den Bau von Grabensystemen. Trotzdem gingen ca. 3/4 der Verluste der Kriegsparteien auf die Artillerie zurück, da auch neue Artillerie-Techniken und Taktiken, (etwa die „Feuerwalze“), sowie der verstärkte Einsatz von Sprenggeschossen erprobt und eingeführt wurden.

Im Ersten Weltkrieg verschoss die Artillerie der Kriegsparteien zusammen etwa 850 Millionen Schuss. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch eine höhere Mobilität der Infanterie und Ausbau der Panzertruppen die Wirksamkeit der Artillerie beschränkt und die mobile Kriegsführung wieder ermöglicht. Dementsprechend wurden auch die Mobilität und der Panzerschutz der Artillerie ständig erhöht.

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurde neben der bis dahin eingesetzten Rohrartillerie die Raketenartillerie weiter entwickelt. Bei den Verbänden des deutschen Heeres tauchte im Jahr 1940 erstmals der „Nebelwerfer“ (sechs kreisförmig angeordnete Rohre, die auf einer Lafette montiert waren) auf. Ähnliche Entwicklungen fanden zeitgleich auch bei den japanischen Streitkräften und den Alliierten statt. Die Rote Armee setzte das Katjuscha Raketenartilleriesystem, das bei den deutschen Truppen gefürchtet war, bereits ab Beginn des Krieges ein.

Von 1952 bis 1963 waren die Vereinigten Staaten auch im Besitz von Geschützen mit Nukleargeschossen. Das 280-mm-Geschütz M65, auch „Atomic Annie“ genannt, wurde bei Übungen 1953 in der Wüste von Nevada getestet.

Im Laufe der Truppenreduzierung der 1990er-Jahre war die Artillerie als Waffengattung, obwohl ihre aufklärende Komponente gerade in den Auslandseinsätzen wertvolle Dienste zur Informationsbeschaffung leistet, besonders stark betroffen.

Artillerie im Spätmittelalter

Artillerie im Ersten Weltkrieg

Artillerie in der Wehrmacht

Artillerie in der Bundeswehr

Kulturelle und gesellschaftliche Aspekte

Museale Rezeption

Haubitze M1916 im Heeresgeschichtlichen Museum

Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien verfügt über eine der größten Artillerie- und Geschützrohrsammlungen der Welt. Sie umfasst rund 550 Geschütze und Rohre und zählt damit zu den bedeutendsten Sammlungen dieser Art. Der Bogen spannt sich dabei vom schmiedeeisernen Geschütz des Mittelalters, darunter auch der weltberühmte „Pumhart von Steyr“, bis hin zur Haubitze M 1916 aus dem Ersten Weltkrieg.[7]

Schlachtruf

Deutsche Geschützmannschaft im Ersten Weltkrieg, 1914

Jede deutsche Waffengattung hat ihren eigenen Schlachtruf – so auch die Artilleristen: „Zu–Gleich!“ Er dient in Deutschland gleichzeitig zur Erkennung, Verbrüderung und Motivation. Er erklärt sich aus der zeitlichen Koordinierung der teilweise auch heute noch notwendigen gemeinsamen körperlichen Anstrengung der Geschützbesatzung bei verschiedenen Arbeiten. So beim Laden, wenn das Geschoss (manchmal – bei Kaliber 155 mm – über 50 kg schwer) mit dem Ansetzer in den Übergangskegel des Rohres gedrückt wird, oder beim Reinigen des Rohres nach dem Schießen, wobei eine Stange mit Bürstenkopf durch das Rohr gezogen wird. Auch gab es Geschütze, bei denen das Rohr auf dem Transport um einige Meter zurückgezogen und zum Schießen wieder nach vorn gezogen werden musste, was per Hand erfolgte. All dies ist nur unter der gemeinsamen und gleichzeitigen Anstrengung der Bedienungsmannschaft möglich.

Der Ruf kam ursprüngliche aus der Zeit, in der die Geschütze noch von Pferden gezogen wurden. Wenn deren Kraft nicht ausreichte, mussten die Kanoniere in die Speichen greifen und die Zugkraft der Pferde verstärken. Das koordinierende „Zu Gleich“ entsprach dem bekannten „Hau–ruck“.

Schutzpatronin

Die Heilige Barbara von Nikomedien ist die Schutzheilige der Bergleute und u. a. auch Schutzpatronin der Artilleristen.

Ihr Namenstag am 4. Dezember wird traditionell mit einer Barbarafeier begangen. Dabei tritt der jüngste Offizier des Verbandes als Barbara verkleidet auf und führt in der Regel durch den Abend. Auf der Feier werden ernste und nicht so ernstzunehmende Vorfälle des letzten Jahres in der Einheit, dem Verband oder sonstige Einrichtung (z. B. Artillerieschule) auf humorvolle Art und Weise aufgearbeitet und insbesondere die Vorgesetzten aufs Korn genommen.[8] Wenn dabei die Artilleristen Alkohol zu sich nehmen, spricht man davon „der heiligen Barbara zu huldigen“.

Berühmte Artilleristen

Bedeutende Militärs begannen ihre Laufbahn bei der Artillerie, so z. B.

Siehe auch

Literatur

  • M. Christian Ortner: Die österreichisch-ungarische Artillerie von 1867 bis 1918. Technik, Organisation und Kampfverfahren. Verlag Militaria, Wien 2007, ISBN 978-3-902526-12-0.
  • Patrick d’Arcy: Versuch einer Theorie der Artillerie. Dresden 1766 (Digitalisat)
  • Franz Kosar: Artillerie im 20. Jahrhundert. Bernard und Graefe, Bonn 2004, ISBN 3-7637-6249-3.
  • Hans Mehl: Schiffs- und Küstenartillerie: Marinegeschütze aus 500 Jahren. Verlag Mittler, Hamburg 2001, ISBN 3-8132-0774-9.
  • Martin Guddat: Kanoniere, Bombardiere, Pontoniere: die Artillerie Friedrichs des Grossen. Mittler Verlag, Bonn 2001, ISBN 3-8132-0383-2.
  • Terry Gander, Hans Joachim Zurek: Artillerie heute. Podzun-Pallas-Verlag, Friedberg 1990, ISBN 3-7909-0405-8.
  • Carl von Decker: Versuch einer Geschichte des Geschützwesens und der Artillerie in Europa, von ihrem Ursprunge bis auf die gegenwärtigen Zeiten. LTR-Verlag, Wiesbaden 1981, ISBN 3-88706-027-X.
  • Georg Ortenburg: Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Einigungskriege. Bernard und Graefe Verlag, Koblenz 1990, ISBN 3-7637-5809-7.
  • Hans-Georg Krause: 50 Jahre (1958-2008) Panzerartilleriebataillon 215. Verlag Augustdorfer-Militaerliteratur, Augustdorf 2009, ISBN 978-3-00-027808-2.
  • Hans-Georg Krause: Die Beobachtungsabteilung 6 : 1936 - 1945 ; vom Anfang in Lemgo bis zum Ende im Nirgendwo an der Weichsel Verlag Augustdorfer-Militaerliteratur, Augustdorf 2009, ISBN 978-3-00-029231-6.
  • Karl Windthorst: Das Mindensche Feldartillerie-Regiment Nr. 58 im Weltkriege 1914–1918. Dortmund, 1930.
  • Reinhard Scholzen: Heeresaufklärung. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2012. ISBN 978-3-613-03408-2.
Wiktionary: Artillerie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Artillerie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. VERTRAG ÜBER KONVENTIONELLE STREITKRÄFTE IN EUROPA (Memento vom 10. Juni 2007 im Internet Archive)
  2. Oberst W. Speisebecher Taschenbuch für Artilleristen 2. Folge, S. 20, 1974 Verlag WEHR UND WISSEN, ISBN §-8033-0231-5
  3. a b c d e Der Text dieses Abschnittes entstammt ganz oder teilweise dem Bericht „Zukunft der Artillerie“ des Schweizerischen Bundesrates vom 20. Januar 2016. Dieser Text untersteht nach Art. 5 Abs. 1 Bst. c des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes als Bericht einer Behörde nicht dem Urheberrechtsschutz.
  4. a b Reinhard Scholzen: Aufklärende Artillerie. In: Truppendienst 2, 2014, S. 146-150.
  5. Bsp.: „Feuerkommando! 4. Ladung, Aufschlag, HE, ganze Batterie, Teilring 08-7-4, 465 Strich, 1 Gruppe, Feuerbereitschaft melden!“
  6. Oberst W. Speisebecher Taschenbuch für Artilleristen 2. Folge, S. 95, 1974 Verlag WEHR UND WISSEN, ISBN §-8033-0231-5
  7. Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000, S. 93–95.
  8. Hansgeorg Leidreiter, Oberstleutnant Gedanken zur sozialpsychologischen Bedeutung des Festes der heiligen Barbara für das Offizierkorps der Artillerie, TRUPPENPRAXIS 10/1983, S. 737f