Benutzer:Ataraxis1492/Vertreibung und Ermordung von Deutschen von 1944 bis 1950

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Flüchtlingszug in Danzig (Februar 1945)
Evakuierung von Deutschen in Pillau (26 Januar 1945)
Flüchtlinge aus Ostpreußen (1945)
Evakuierung von Deutschen in Windau (19 Oktober 1944)

Flucht und Vertreibung Deutscher von 1944 bis 1950 fand im Zuge der Umstürze und Neuordnungen nach dem Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen Europas statt. Die zusammenfassende Bezeichnung dieser Ereignisse als Völkermord an den Deutschen ist weniger verbreitet. Insgesamt wurden 12 bis 15 Millionen Deutsche vertrieben und weitere etwa 2 Millionen ermordet. Hunderdtausende wurden zur Zwangsarbeit deportiert. Die genaue Zahl der Opfer ist jedoch strittig. →Zahlen

Die Ereignisse umfassen Einzeltaten, Pogrome, Todesmärsche und Massaker. Manche Taten sind Teil von „wilden Vertreibungen“ als unmittelbare Racheakte nach dem Krieg, andere sind großangelegte staatlich organisierte Aktionen. Dabei kam es auch zu anderen Verbrechen wie Plünderungen und Vergewalltigungen. Zeitweise wurden Deutsche in Lagern interniert, mitunter in ehemaligen deutschen Konzentrationslagern. Nach der Vertreibung wurden in den annektierten Gebieten Maßnahmen zur Auslöschung der Erinnerung an die vormaligen Bewohner getroffen (z.B. Unbenennung von deutschen Ortsnamen). Als Legitimation für diese Taten wurden die vom Deutschen Reich in seinem Herrschaftsbereich verübten Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus angesehen.

Gründe & Beschlüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Flucht und der Vertreibung von Deutschen aus den Ländern östlich von Oder und Lausitzer Neiße ging die Massendeportation und die Ermordung von Juden, Polen und Russen in den im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht eroberten Gebieten voraus. Millionen von Menschen wurden zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich verbracht. Volksdeutsche aus Südtirol und Russlanddeutsche wurden in den eroberten Gebieten im Osten der Reichsgrenze neu angesiedelt und sollten dort neue „deutsche Siedlungsinseln“ bilden.

Bereits ab Sommer 1941 forderten die polnische und die tschechoslowakische Exilregierung in London Grenzkorrekturen nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland. Dies sollte ausdrücklich die Entfernung der deutschen Bevölkerung aus diesen Gebieten wie auch aus dem restlichen Staatsgebiet einschließen. Die Motive für diese Forderung waren vielfältig: Außer Macht- und Besitzstreben sollten die geforderten Gebiete eine Entschädigung für die Verluste an Gütern und Menschen während der Besatzungszeit bieten, wie es vor allem die polnische Exilregierung in London forderte, im Hinblick auf die Verbrechen der Nationalsozialisten im Generalgouvernement. Zum anderen zielte insbesondere die Sowjetunion auf eine Verkürzung ihrer Westgrenze, um sie – im Falle eines neuerlichen Angriffs – leichter gegen das nationalsozialistische Deutschland verteidigen zu können. Neben diesem militärstrategischen Argument konnte die Sowjetunion darauf hoffen, mit der Vertreibung und Enteignung von Millionen Deutschen gegenüber Polen und der Tschechoslowakei dauerhaft als Garantiemacht eines neuen Status quo auftreten zu können. Mit diesem Kalkül hatten das zaristische Russland und später die Sowjetunion bereits im Nordkaukasus Vertreibungen als Mittel der Politik angewandt.

Die geforderte Vertreibung der Deutschen wurde mit einem Verweis auf das Verhalten der deutschen Besatzer zu legitimieren versucht. Hinzu kamen, insbesondere in Polen, sozioökonomische Ziele. Weite Gebiete Ostmitteleuropas galten damals als überbevölkert.

Motive der Vertreibung aus dem Osten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden deutsche Volksgruppen in diesen Staaten teilweise im Interesse des Deutschen Reiches instrumentalisiert. Die Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins etwa betrieb separatistische Politik; außerdem erhielten Sudetendeutsche 1938 die Reichsbürgerschaft.
  2. Die nationalsozialistische Expansions-, Raub- und Ausrottungspolitik während des Zweiten Weltkrieges zerstörte die Beziehungen zwischen den deutschen Volksgruppen und der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung in Mittel- und Osteuropa massiv. In den von deutschen „Herrenmenschen“ teilweise als „Untermenschen“ beziehungsweise als Menschen minderen Ranges angesehenen und behandelten Völkern begannen bald Partisanengruppen gegen die deutschen Besatzer zu agieren; der NS-Machtapparat reagierte darauf mit brutalster Härte, oft gegen völlig Unbeteiligte. Die tschechoslowakische Exilregierung beispielsweise erhielt daher von den Alliierten schon während des Krieges die Zustimmung zur Entfernung der Deutschen aus der Tschechoslowakei.
  3. Die Vertreibung von Deutschen aus den heutigen polnischen Westgebieten steht in Zusammenhang mit der so genannten Westverschiebung Polens, der von Stalin angeordneten Vertreibung der Polen aus den von der Sowjetunion 1945 annektierten Gebieten Ostpolens, die 43 Prozent des altpolnischen Staatsgebiets ausmachten. (Diese Gebiete waren teilweise erst als Resultat des Polnisch-Sowjetischen Krieges an das 1918 wiedergegründete Polen gefallen.) Die neuen polnischen Westgebiete wurden als Kompensation für diesen Gebietsverlust verstanden.
  4. Für einige der ost- und mitteleuropäischen Regierungen, die oft im Rahmen eines „Nationale Front“ oder „Volksfront“ genannten Parteienbündnisses regierten, in dem die Kommunisten auch ohne Mehrheit den Ton angeben konnten, war die Vertreibung der Deutschen ein stabilisierender und motivierender Faktor. Der Antikommunismus deutscher Wähler hätte es wesentlich schwieriger gemacht, die „Volksdemokratie“ nach Moskauer Planung durchzusetzen. Die sowjetische Schutzmacht wurde nun auch dazu benötigt, sich vor Revanchismus der vertriebenen Deutschen zu schützen.
  5. Der Besitz von Vertriebenen wurde zumeist „spontan“ geplündert und/oder letztlich entschädigungslos konfisziert. Politiker, die über die Verteilung dieses Vermögens entschieden, konnten für ihre Parteien, wie das Beispiel Tschechoslowakei zeigt, Wettbewerbsvorteile lukrieren.
  6. Mit der Vertreibung der Deutschen schufen einige Nachkriegsregierungen außerdem – in Anknüpfung an ältere, keineswegs nur kommunistische Vorstellungen von ethnischer Homogenität – national weitgehend homogene Staatswesen. Das Ziel war, sich möglichst vieler Konflikte der Vorkriegszeit, die auf dem multinationalen Charakter dieser Staaten als Vielvölkerstaaten beruhten, zu entledigen.

Potsdamer Beschlüsse – Grenzfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außenministerium der Vereinigten Staaten, Potsdamer Konferenz: das mögliche Vertreibungsgebiet mit Bevölkerung

Auf der Potsdamer Konferenz 1945 wurden die neuen Staatsgrenzen in Ostmitteleuropa von den Alliierten der Form nach erst vorläufig festgeschrieben, als die deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße polnischer und sowjetischer Verwaltung unterstellt wurden. Von einer „endgültigen Übergabe“ – an die Sowjetunion – „vorbehaltlich der endgültigen Bestimmung der territorialen Fragen bei der Friedensregelung“ ist explizit nur für die „(Abschnitt VI.) Stadt Königsberg und das anliegende Gebiet“ die Rede. Laut Protokoll erklärten die Regierungen der USA und Großbritanniens, bei einer kommenden Friedenskonferenz den sowjetischen Anspruch auf das Gebiet um Königsberg (nördliches Ostpreußen) unterstützen zu wollen, während eine derartige Erklärung zugunsten Polens nicht dokumentiert ist.
In Abschnitt IX.b (Polen) wird bestimmt, dass „die früher deutschen Gebiete […] einschließlich des Teiles Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken […] gestellt wird, und einschließlich des Gebietes der früheren Freien Stadt Danzig unter die Verwaltung des polnischen Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen“, wobei „die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zu der Friedenskonferenz zurückgestellt werden soll“.
Bereits einige Wochen zuvor hatte die Sowjetunion die Verwaltungshoheit dieser Gebiete an Polen übertragen.
Sie sind in der „Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin“ deutlich von den vier Besatzungszonen unterschieden, die in Abschnitt III. als „ganz Deutschland“ bezeichnet werden, das (III.B.14.) „als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten“ sei. III.A.2.: „Soweit dieses praktisch durchführbar ist, muß die Behandlung der deutschen Bevölkerung in ganz Deutschland gleich sein.“ Dazu gehört auch in Abschnitt „XIII. Ordnungsmäßige Überführung deutscher Bevölkerungsteile“, dass die „Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind“, vorübergehend unterbrochen werden soll und „der alliierte Kontrollrat in Deutschland zunächst das Problem unter besonderer Berücksichtigung der Frage einer gerechten Verteilung dieser Deutschen auf die einzelnen Besatzungszonen prüfen soll“.

Die Knappheit der Formulierungen wurde ab dem Frühjahr 1946 zu der Behauptung genutzt, die Abtrennung sei nicht endgültig gemeint gewesen, da die Regelung von Gebietsfragen, wie der „final delimitation of the western frontier of Poland“ einer Friedensregelung vorbehalten wurde.[1] Versuchen der Sowjetunion, die Potsdamer Beschlüsse insoweit als endgültige Entscheidung zu werten, waren die Vereinigten Staaten entgegengetreten[2] und die bereits laufende Vertreibung ist nicht durch das Abkommen akzeptiert worden.

Potsdamer Beschlüsse – Umsiedlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu Beginn der Potsdam-Konferenz: Winston Churchill, Harry S. Truman und Josef Stalin.

Die Umsiedlungen sollten in einer „humanen Art“ geschehen; tatsächlich führte die internationale Kontrolle dazu, dass die Zwangsaussiedlung ab Anfang 1946 in wesentlich geordneterer Form vor sich ging als in den wilden Vertreibungen in den Wochen und Monaten vor und noch unmittelbar nach der Konferenz. Dennoch kam es auch danach noch zu zahlreichen Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung und sehr vielen Todesfällen in den Internierungslagern und Gefängnissen.

Bei den Vertreibungsgebieten handelte es sich um:

  • an Polen durch die Alliierten zuerkannte Teile des Deutschen Reiches wie das südliche Ostpreußen, Danzig-Westpreußen, Pommern und die Neumark Brandenburg sowie Schlesien;
  • den nördlichen Teil Ostpreußens, der entsprechend dem Potsdamer Abkommen der Sowjetunion zugeschlagen und in die russische Teilrepublik (RSFSR) eingegliedert worden war;
  • das zwischen Deutschland und Litauen lange umstrittene Memelland;
  • Gebiete, die seit 1919 dem Deutschen Reich abgesprochen wurden, in denen aber nach wie vor viele Deutsche lebten (beispielsweise Westpreußen und das östliche Oberschlesien);
  • weitere deutsche Siedlungsgebiete in den baltischen Staaten (bereits 1939/40 mit der Sowjetunion vertraglich vereinbart);
  • das Sudetenland sowie Südböhmen und Südmähren, also die nördlichen, südlichen und westlichen Randgebiete der Tschechoslowakei;
  • Prag und die deutschen Sprachinseln in Zentral-Böhmen und -Mähren;
  • Gebiete der Sowjetunion, neben einer weitläufigen Streubesiedlung vor allem die von deutschstämmigen Staatsangehörigen besiedelte „Wolga-Republik“ (Vertreibung 1941 nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion);
  • mehrere Regionen in Südosteuropa, vor allem in Ungarn, Rumänien (Siebenbürgen, Banat), Kroatien (Slawonien), Serbien (Wojwodina) und Slowenien (Sloweniendeutsche in Maribor/Marburg a. d. Drau, Ljubljana/Laibach, Celje/Cilli, Gottschee, siehe auch Jugoslawien).

Ablauf in den verschiedenen Regionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tschechei und Slowakei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vertriebene Sudetendeutsche warten mit Handgepäck auf ihren Abtransport in Viehwaggons.

Odsun (wörtlich: Abschiebung, auch Abtransport) ist die tschechische Bezeichnung für die durch die Beneš-Dekrete veranlasste Vertreibung von bis zu drei Millionen Sudetendeutscher und kollaboranter Tschechen in den Jahren 1945 und 1946. Der Vorgang richtete sich in geringerer Intensität auch gegen die Ungarn in der Südslowakei. Hierbei kam es zu zahlreichen Mordaktionen, siehe z.B.: Massaker von Aussig, Blutgericht von Lanškroun, Brünner Todesmarsch, Vertreibung aus Znaim; Durch eine Generalamnestie ist jede strafrechtliche Belangung der Täter ausgeschlossen. Die Beneš-Dekrete sind nach wie vor in Kraft und eine Restitution von geraubten Eigentum wird seitens der Regierungen generell ausgeschlossen. Die Verbrechen gelten offiziell als „gerechte Vergeltung für die Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer“.[3]

Neubesiedlung der Vertreibungsgebiete in der Tschechoslowakei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sudetengebiet wurden vor allem Tschechen aus dem Landesinneren sowie Roma und Sinti angesiedelt. Hinzu kamen als „Repatrianten“ bezeichnete Tschechen, die aus Familien stammten, die früher nach Frankreich, die USA oder in andere Länder ausgewandert waren.

Deutsche Ostgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ermordete Deutsche des Massakers von Nemmersdorf (Ostpreußen)
Diese deutschen Kinder sind soeben mit einem Transport aus den polnisch besetzten Gebieten in einem kleinen Ort Westdeutschlands angekommen (August 1948).

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 setzte die Sowjetunion die Abtrennung der bereits 1939 bis 1941 sowjetisch besetzten polnischen Ostgebiete an die Sowjetunion durch, die ihrerseits im Ergebnis des polnisch-sowjetischen Krieges 1920–1921 von Polen annektiert worden waren. Mit dem polnisch-sowjetischen Geheimvertrag vom 27. Juli 1944 hatte die sowjetische Regierung anerkannt, dass „die Grenze zwischen Polen und Deutschland auf einer Linie westlich von Swinemünde zur Oder, wobei Stettin auf polnischer Seite bleibt, weiter den Lauf der Oder aufwärts zur Mündung der Neiße und von hier an der Neiße bis zur tschechoslowakischen Grenze festgelegt werden soll“; auch der zweite Grenzvertrag vom 16. August 1945 mit der Regierung der nationalen Einheit enthielt diese Festlegung. Eine verbreitete Annahme lautet, die Übergabe der Ostgebiete des Deutschen Reiches an Polen sei von Anfang an als ein Ausgleich für den Verlust im Osten gedacht gewesen. Doch diese Erklärung wurde erst später Teil der sowjetischen Begründung. Die polnischen Ostgebiete waren – ähnlich beachtlichen Teilen der deutschen Ostgebiete, jedoch mit geringerem Anteil des Staatsvolkes – ethnisch heterogen, wobei in den Großstädten wie Lwów (Lemberg) und Wilna (Vilnius) die Polen dominierten, auf dem Land außer in der Gegend um Wilna Weißrussen, Ukrainer oder Litauer. Polen, Weißrussen und Ukrainer stellten die größten Volksgruppen, wobei um Wilna die Polen, zwischen Njemen (Memel) und Pripjet die Weißrussen, südlich des Pripjet die Ukrainer die Mehrheit stellten.[4]

Tatsächlich forderten seit 1939 nicht nur die polnischen Kommunisten erhebliche deutsche Gebiete ohne ihre angestammte Bevölkerung, sondern auch die bürgerlich-polnische Exilregierung in London, wenn auch zunächst in wesentlich geringerem Umfang (es ging um Teile Ostpreußens und Schlesiens). Die Forderung einer Oder-Neiße-Linie hatte eine bis 1917 zurückreichende Geschichte[5] und erhielt Nahrung durch das Versprechen Stalins von 1941 gegenüber Władysław Sikorski, dass die künftige Westgrenze Polens die Oder sein werde.[6] In der polnischen Westforschung waren diese Vorstellungen in Entgegnung auf die deutsche Ostforschung auf eine bis ins 10. Jahrhundert zurückreichende Argumentationsbasis gestellt worden. Daraus ergab sich bei Kriegsende die Einrichtung des bis 1949 bestehenden „Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete“.[7]

Die zuvor nach Polen umgesiedelten Bessarabiendeutschen flohen vor dem Anrücken der roten Armee.

Neubesiedlung der Vertreibungsgebiete im Nachkriegspolen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den von Deutschen verlassenen Gebieten des Nachkriegs-Polens wurden unter anderem ebenfalls umgesiedelte Polen aus dem ehemaligen, im Polnisch-Sowjetischen Krieg (1920–1921) annektierten Ostpolen (der seit 1945 wieder litauischen Region Vilnius, dem westlichen Drittel des heutigen Weißrussland und der westlichen Ukraine (Wolhynien und Galizien) angesiedelt. Viele dieser nun vertriebenen ca. 1,2 Millionen Polen hatten sich dort ihrerseits erst im Ergebnis des Kriegs und nach der Vertreibung eingesessener Bewohner niedergelassen. Die Zuzügler in die nun an Polen gefallenen Gebiete konnten allerdings die Verluste an polnischer Bevölkerung nicht ausgleichen, die die nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik dort bewirkt hatte.

Den größten Teil der Neusiedler in den Oder-Neiße-Gebieten bildeten Polen aus den traditionell polnischen Gebieten („Zentralpolen“). Hinzu kamen rund 400.000 Ukrainer und eine etwas kleinere Zahl Weißrussen. Die Ursache dafür ist, dass auch westlich der heutigen polnischen Ostgrenze von jeher eine bedeutende weißrussische und ukrainische Minderheit lebte und lebt, insbesondere in den Regionen Białystok (Weißrussen) und Przemysl (Ukrainer). Diese Gruppen galten der polnischen Regierung nach 1945 als potenziell unzuverlässig beziehungsweise als mögliche Argumente für neue sowjetische Forderungen an Polen. Deswegen wurde ein Teil von ihnen in Richtung Osten vertrieben (also aus dem heute polnischen Gebiet in die in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörenden Gebiete östlich des Flusses Bug), ein anderer Teil jedoch nach Westen, vor allem nach Niederschlesien und Hinterpommern. Diese innerpolnische Vertreibung dauerte von Ende April bis Ende Juli 1947, die verantwortlichen Politiker und Militärs nannten sie „Aktion Weichsel“.

Zu den polnischen, ukrainischen und weißrussischen Neusiedlern kamen einige Zehntausend aus Ostpolen stammende polnische Zwangsarbeiter in Deutschland, die nach 1944/45 durch die Westverschiebung ihres Heimatlandes heimatlos geworden waren und nun in für sie fremden Regionen sesshaft werden mussten.

Heute wohnen in diesen etwas dünner besiedelten Gebieten nach dem Völkermord an der jüdischen Bevölkerung und der Vertreibung der meisten Polen, die dort oft die Oberschicht stellten, fast ausschließlich Weißrussen, Litauer, Ukrainer und Russen. Eine größere polnische Minderheit lebt bis heute in der Umgebung von Wilna.

Neubesiedlung Ostpreußens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der an die Russische Sowjetrepublik gefallenen Oblast Kaliningrad (bis 1945 das nördliche Ostpreußen mit Königsberg) wurden ebenfalls umgesiedelte Russen, Weißrussen und Ukrainer angesiedelt. Auch einige ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter strandeten auf dem Weg aus Deutschland nach Russland im ehemaligen Nordostpreußen.

Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vertreibung bis 1948 (der Ungarndeutschen)

Siehe auch: Banater Schwaben

Jugoslawien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch: Donauschwaben oder Jugoslawiendeutsche oder AVNOJ-Beschlüsse

Slowenien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sloweniendeutsche

Deutsche Slowenen wurden unter anderem im Lager Sterntal inhaftiert.

Zahlen zu Vertriebenen und Ermordeten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etwa 12 bis 14 Millionen Deutsche und deutschstämmige Angehörige verschiedener Staaten zwischen 1944/45 und 1950 waren von Flucht und Vertreibung betroffen.[8][9] Mehrere hunderttausend Menschen wurden in Lagern inhaftiert oder mussten – teilweise jahrelang – Zwangsarbeit leisten.

Gebiet Flüchtlinge und Vertriebene Tote und Vermisste in der Heimat Verbliebene
Ostgebiete des Deutschen Reiches 6.944.000 1.225.000 1.101.000
Tschechoslowakei 2.921.000 267.000 250.000
andere Länder 1.865.000 619.000 1.294.000
Insgesamt 11.730.000 2.111.000 2.645.000

Flucht und Vertreibung der Deutschen.[10]
(Andere Länder, geordnet nach Gesamtzahl der deutschen Bevölkerung bei Kriegsende: Polen (Posen, Westpreußen), Rumänien (Siebenbürgen), Ungarn, Jugoslawien (Banat), Baltische Staaten und Memellland.)

Gebiet Flüchtlinge und Vertriebene Anteil an der Gesamtbevölkerung
Sowjetische Besatzungszone 4.379.000 24,3 %
Amerikanische Besatzungszone 2.957.000 17,7 %
Britische Besatzungszone 3.320.000 14,5 %
Französische Besatzungszone 60.000 1,0 %

Aufnahme in den Besatzungszonen in Deutschland, Stand: Dezember 1947.[11]

Ob nicht nur die Menschen als Vertreibungsopfer anzusehen sind, die Verbrechen zum Opfer fielen, sondern auch diejenigen, die die Vertreibung aus vielfältigen Gründen nicht oder nur ein paar Jahre lang überlebten, ist umstritten. Man ging unter dem Einfluss der Vertriebenenverbände und nicht zuletzt, um Rückgabeansprüche besser begründen zu können, lange von rund 2,1 Millionen Todesfällen aus. Dabei wurden alle unaufgeklärten Fälle als Todesfälle und alle Todesfälle als vertreibungsbedingt gedeutet. Da die Grundlage die rechnerische Differenz zwischen den statistischen Angaben von 1939 und Angaben von 1948 bildete, enthielt diese Differenz auch die in den Vernichtungslagern getöteten ostdeutschen Juden.[12] Einige neuere Schätzungen sprechen lediglich von bis zu 600.000 Todesopfern zwischen 1944 und 1947[13], während der Bund der Vertriebenen weiterhin von etwa zwei Millionen ausgeht.[14] Eine große Zahl von Frauen aller Altersgruppen wurde vergewaltigt (Schätzungen beziffern die Zahl auf ca. zwei Millionen), es gab etwa 240.000 Todesopfer in Folge von Vergewaltigungen.[15] Das gesamte private Eigentum der Ost- und Sudetendeutschen wurde entschädigungslos konfisziert, auch das öffentliche und kirchliche deutsche Eigentum in diesen Gebieten wurde enteignet. Zu den 14 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen kamen vor allem ab Ende der 1950er-Jahre über vier Millionen deutsche oder deutschstämmige Aussiedler.

Das Statistische Bundesamt ermittelte 1950 eine Gesamtzahl von etwa 12 Millionen Vertriebenen in den beiden deutschen Staaten. Aufgrund der Differenz zwischen der Wohnbevölkerung der Vertreibungsgebiete Ende 1944 und den 1950 erfassten Vertriebenen ermittelte das Statistische Bundesamt 2,2 Millionen „ungeklärte Fälle“, die als „Vertreibungsverluste“ oft mit Todesopfern gleichgesetzt werden. Das Bundesarchiv berichtete 1974 von mindestens 600.000 Todesopfern in unmittelbarer Folge der Verbrechen im Zusammenhang mit der Vertreibung.[16] Problematisch ist dabei, dass z. B. für die Tschechoslowakei 130.000 Todesopfer angegeben werden, wohingegen die Deutsch-Tschechische Historikerkommission „nur“ 15-30.000 Vertreibungsopfer anführt.[17] Bei den genannten Zahlen wurden jedoch die Menschen nicht mitgezählt, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf den Fluchtwanderungen oder in den Notunterkünften in Deutschland oder bei Deportationen in die Sowjetunion aufgrund von Erschöpfung und Entkräftung, mangelnder Hygiene, unzureichender Ernährung oder mangelndem Heizmaterial starben. Die Frage, inwieweit diese Todesopfer in der Gesamtzahl der Vertreibungsopfer berücksichtigt werden soll, ist umstritten. Während z. B. der Berliner Historiker Ingo Haar[18] dem Bund der Vertriebenen[19] vorwirft, bewusst mit überhöhten Opferzahlen zu argumentieren, bemängelt der Freiburger Historiker Rüdiger Overmans[20] einerseits eine politische Instrumentalisierung der Zahlen und andererseits, dass die Fachwissenschaftler bisher der Zahlendiskussion aus dem Weg gegangen seien.

Situation der Vertriebenen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen im Westen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grenzdurchgangslager Friedland, an den Wänden befinen sich Suchmeldungen vermisster Personen (1953)

Etwa 12 Millionen Ost- und Sudetendeutsche wurden bis 1950 in der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und Österreich aufgenommen. Sowohl im Westen als auch im Osten verlangte dies von allen Beteiligten in den 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahren eine große Integrationsleistung. Durch die Bevölkerungsverschiebungen im großen Maßstab verdoppelten einige Länder, zum Beispiel Mecklenburg ihre Einwohnerzahl, vormals konfessionell homogene Regionen mit starken eigenen Traditionen, zum Beispiel Oberbayern und die Lüneburger Heide, besaßen nun große Bevölkerungsgruppen mit einem anderen Lebensstil und fremder konfessioneller Prägung. Zuweilen kam es zu ganzen Stadt- und Ortsneugründungen wie Espelkamp, Waldkraiburg, Traunreut, Geretsried oder Kaufbeuren-Neugablonz.

Bewältigung der Vertreibung der Deutschen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Flüchtlinge errichtete Wohnhäuser in Bleidenstadt (1952)
Flüchtlingsfamilie im bayerischen Lager Moschendorf (1945)

Die Aufnahme von rund 12 Millionen Vertriebenen stellte alle Beteiligten im Nachkriegsdeutschland sowie ab 1949 in der Bundesrepublik und in der DDR vor enorme Probleme. Sämtliche Bereiche in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur waren davon betroffen. Zunächst ging es darum, das Überleben der Vertriebenen angesichts des schweren Mangels an Nahrung, Wohnraum und Kleidung zu sichern. Dies ist weitgehend gelungen, obwohl es in den Jahren bis ca. 1950 eine deutlich erhöhte Sterblichkeit infolge von Unterernährung und Infektionskrankheiten gab. Überschlägige Rechnungen gehen von einer zusätzlichen Sterblichkeitrate von 3 bis 3,5 Prozent im Laufe von fünf Jahren aus; sie betraf vor allem ältere, Kleinkinder und gesundheitlich vorbelastete Menschen.

In allen Besatzungszonen unternahmen Vertriebene Versuche, eigene Organisationen zur Artikulation ihrer Interessen zu gründen. In der SBZ/DDR wurden diese Organisationen von der Polizei unterdrückt. Bis in die 1960er-Jahre hinein fanden jedoch, informell organisiert (Mundpropaganda), auch in der DDR Vertriebenentreffen statt.[21] In den Westzonen und ab 1949 in der Bundesrepublik organisierten sich zahlreiche Vertriebene in Landsmannschaften, die sich 1957/58 im Bund der Vertriebenen (BdV) zusammenschlossen.[22] In den 1950er- und frühen 1960er-Jahren bildeten die Vertriebenen eine vergleichsweise einflussreiche Interessengruppe, aber ab Mitte der 1960er-Jahre nahm der politische Einfluss der Vertriebenenverbände deutlich ab. Es gelang ihnen insbesondere nicht, die faktische Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze im Jahre 1970 zu verhindern. Als politische Kraft spielt in Deutschland seit den 1990er-Jahren fast nur noch die von Bayern und der CSU unterstützte Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) eine Rolle.

In der bundesdeutschen Politik waren Flüchtlinge und Vertriebene in sämtlichen Parteien vertreten. Eine Art besondere Vertriebenenpartei bestand in der Zeit von 1950 bis 1961 im Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). Der BHE erreichte 1953 bei den Bundestagswahlen 5,9 Prozent der Zweitstimmen. Er war im zweiten Kabinett Adenauers bis 1957 mit zwei Ministern vertreten. Ab Mitte der 1960er-Jahre nahm der Einfluss der Vertriebenenverbände auf die Bundespolitik deutlich ab.

Die wirtschaftliche und soziale Integration der Vertriebenen in die Bundesrepublik und in die DDR vollzog sich in einem langen Prozess. Es ist umstritten, welche Faktoren für die Integration letztendlich ausschlaggebend waren. Bis in die 1980er-Jahre wurde vor allem die Bedeutung des Lastenausgleichs in der Bundesrepublik und der Bodenreform in der DDR betont. Neuere Forschungen, u. a. von Michael Schwartz, zeigen hingegen, dass die allgemeinen wirtschaftlichen Aufwärtsbewegungen während der 1950er-Jahre durch Wirtschaftswunder im Westen und Ausbau der Industrie im Osten einen erheblich größeren Effekt auf die wirtschaftliche Eingliederung der Vertriebenen hatten.[23]

Die kulturelle Integration und die Erinnerung an Flucht und Vertreibung stellen ebenso wie die wirtschaftliche Integration sehr komplexe Phänomene dar, die auch in der Forschungsliteratur anhaltend diskutiert werden. Zur kulturellen Integration zählen Bereiche wie die Durchmischung von Katholiken und Protestanten an einem Wohnort und die daraus entstehenden Probleme oder das Heiratsverhalten zwischen Einheimischen und Vertriebenen.

Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung schlägt sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nieder – von der Benennung von Straßen nach Orten in den deutschen Ostgebieten (z. B. Breslauer Straße) über die Pflege von Dialekten, Sitten und Gebräuchen in Vereinen und Landsmannschaften bis hin zu Denkmälern und Museen. Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik und in der DDR sowie nach 1990 im vereinten Deutschland mehrfach gewandelt. Die Entwicklungen und Phasen der Erinnerung werden in der Geschichtswissenschaft lebhaft diskutiert. Michael Grottendieck und einige weitere Autoren behaupten, dass das Thema Flucht und Vertreibung ein „Tabu“ in DDR waren.[24][21] Auch für die Geschichte der Bundesrepublik wird stellenweise die These vertreten, dass Flucht und Vertreibung spätestens seit den 1970er-Jahren tabuisiert oder marginalisiert wurden.[25]

Diesen Thesen vom „Tabu“ ist vielfach widersprochen worden. Beispielsweise zeigen die zahlreichen literarischen Werke, etwa von Christa Wolf in der DDR oder von Siegfried Lenz in der Bundesrepublik, dass das Thema Flucht und Vertreibung sehr wohl behandelt wurde.[26] Karl Schlögel verwies 2003 außerdem auf die zahlreichen Museen und Heimatstuben der Vertriebenenverbände, die kontinuierlich das Thema bearbeitet hätten.[27] Christian Lotz zeigte 2007, wie stark die Erinnerungen an Flucht und Vertreibung politisch aufgeladen wurden durch den Streit um die Oder-Neiße-Grenze und wie intensiv die Diskussionen in der DDR und in der Bundesrepublik miteinander verflochten waren. Er spricht daher von einem „erinnerungspolitischen Sog“, in den die Erinnerungen an Flucht und Vertreibung gerieten.[28] Jutta Faehndrich griff diese These vom „erinnerungspolitischen Sog“ Anfang 2011 auf und zeigte in einer Untersuchung von Heimatbüchern von Vertriebenen die politische Formierung von Erinnerungen.[29]

Die unterschiedlichen politischen und wissenschaftlichen Positionen zur Erinnerung an Flucht und Vertreibung spiegeln sich seit dem Jahr 2000 im Streit um ein Zentrum gegen Vertreibungen. Die Absicht, ein solches Museum zu errichten, stellt außerdem einen wesentlichen Konfliktpunkt zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn, insbesondere Polen und Tschechien, dar. Unter dem Namen Sichtbares Zeichen plant die Bundesregierung eine Gendenkstätte zur Erinnerung an die Vertreibung von 60–80 Millionen Menschen, nicht nur der Deutschen, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die Beneš-Dekrete, rechtliche Grundlage für die Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen, wurden explizit vom Anwendungsbereich des Lissabonvertrages ausgenommen, um sich die Zustimmung Tschechiens zu sichern. Grund dafür waren Befürchtungen, vertriebene Sudetendeutsche könnten vor internationalen Gerichten Rückgabe- und Entschädigungsforderungen stellen. Die Bemühungen um eine deutsch-tschechische Annäherung in der Vertriebenenfrage schreiten dennoch voran: Am 3. Juni 2010 wurde auf dem Friedhof von Postoloprty/Postelberg eine Gedenktafel für das Massaker an der deutschen Bevölkerung im Juni 1945 enthüllt. Horst Seehofer kündigte seinerseits an, im Herbst 2010 als erster bayerischer Ministerpräsident seit 1945 zu einem offiziellen Besuch nach Tschechien zu reisen.

Deutsche Definition nach dem Bundesvertriebenengesetz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) definiert den Begriff Vertriebener im § 1 wie folgt:

„Vertriebener ist, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger seinen Wohnsitz in den ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten oder in den Gebieten außerhalb [Anm. außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches“ ist der Hauptunterschied zur Definition der Heimatvertriebenen] der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember 1937 hatte und diesen im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges infolge Vertreibung, insbesondere durch Ausweisung oder Flucht, verloren hat. Bei mehrfachem Wohnsitz muss derjenige Wohnsitz verlorengegangen sein, der für die persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen bestimmend war. Als bestimmender Wohnsitz im Sinne des Satzes 2 ist insbesondere der Wohnsitz anzusehen, an welchem die Familienangehörigen gewohnt haben.

  • Vertriebener ist auch, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger
  1. nach dem 30. Januar 1933 die in Absatz 1 genannten Gebiete verlassen und seinen Wohnsitz außerhalb des Deutschen Reiches genommen hat, weil aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen gegen ihn verübt worden sind oder ihm drohten,
  2. auf Grund der während des Zweiten Weltkrieges geschlossenen zwischenstaatlichen Verträge aus außerdeutschen Gebieten oder während des gleichen Zeitraumes auf Grund von Maßnahmen deutscher Dienststellen aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten umgesiedelt worden ist (Umsiedler),
  3. nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen hat oder verlässt, es sei denn, dass er, ohne aus diesen Gebieten vertrieben und bis zum 31. März 1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 8. Mai 1945 einen Wohnsitz in diesen Gebieten begründet hat (Aussiedler),
  4. ohne einen Wohnsitz gehabt zu haben, sein Gewerbe oder seinen Beruf ständig in den in Absatz 1 genannten Gebieten ausgeübt hat und diese Tätigkeit infolge Vertreibung aufgeben musste,
  5. seinen Wohnsitz in den in Absatz 1 genannten Gebieten gemäß § 10 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Eheschließung verloren, aber seinen ständigen Aufenthalt dort beibehalten hatte und diesen infolge Vertreibung aufgeben musste,
  6. in den in Absatz 1 genannten Gebieten als Kind einer unter Nummer 5 fallenden Ehefrau gemäß § 11 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keinen Wohnsitz, aber einen ständigen Aufenthalt hatte und diesen infolge Vertreibung aufgeben musste.
  • Als Vertriebener gilt auch, wer, ohne selbst deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger zu sein, als Ehegatte eines Vertriebenen seinen Wohnsitz oder in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 5 als Ehegatte eines deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen den ständigen Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten verloren hat.
  • Wer infolge von Kriegseinwirkungen Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten genommen hat, ist nur dann Vertriebener, wenn es aus den Umständen hervorgeht, dass er sich auch nach dem Kriege in diesen Gebieten ständig niederlassen wollte oder wenn er diese Gebiete nach dem 31. Dezember 1989 verlassen hat.“

Siehe auch Heimatvertriebener zur Definition des Begriffs nach § 2 des Bundesvertriebenengesetzes.

Nachwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Demonstration von Vertriebenenverbänden in Bonn. Auf einem Transparent steht: Fort mit den Parteien de unfähig waren einen gerechten Lastenausgleich vorzubereiten (1951)

Eine juristische Aufarbeitung ist bis heute zumeist nicht erfolgt. Mitunter sind Täter durch eine Amnestie von jeder Strafverfolgung ausgeschlossen. Zu Wiedergutmachungen hat man sich bis dato nicht bemüht. Vertriebenenverbände fordern seit langem erfolglos Entschädigungen und die Restitution der geraubten Güter.[30] Es wurde gefordert die Aufnahme Tschechiens in die EU von der Annulierung der Benesch-Dekrete abhängig zu machen.

Von rechtsradikalen Gruppen wird mitunter versucht die von deutschen verübten Verbrechen zu relativieren indem die Ermordung und Vertreibung von Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg als Gegenbeispiel herangezogen und manchmal auch übertrieben dargestellt wird. Aus diesem Grund wird oft vermieden von Genozid oder Völkermord in Verbindung mit diesen Ereignissen zu sprechen um nicht - auf Grund der schärferen Sprache - ins rechte Eck gerückt zu werden. Im generellen handelt es sich nach wie vor um ein sensibles Thema , auf das die deutsche Politik nur zaghaft eingeht. Im Allgemeinen ist dieses Kapittel deutscher Geschichte weniger gut aufgearbeitet, auch in deutschen Schulbüchern wird es kaum erwähnt.

Überlebende und Nachkommen der Vertriebenen sind in zahlreichen Verbänden (Landsmannschaften) organisiert. Ihre Forderungen nach Wiedergutmachungen werden in gewissen Ausmaß von der Politik mitgetragen, jedoch nehmen sie keine zentralle Rolle ein. [31]

Juristische Bewertung von Vertreibung

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin, IX.b
  2. Vgl. z. B. die Ausführungen des amerikanischen Außenministers George C. Marshall auf der Moskauer Außenministerkonferenz 1947: Documents on American Foreign Relations. Vol. IX, January 1–December 31, 1947 [1949], S. 49.
  3. http://www.news.at/articles/0223/10/75712_s4/stichwort-die-benes-dekrete
  4. Die größten drei Sprachgruppen (Polen, Ukrainer und Weißrussen) stellten zusammen zwischen 80–85 % der Population, der Rest setzte sich zusammen aus Juden (ca. 9 %), Lemken, Bojken, Huzulen, Poleschuken, Russen (unter 1 %), Litauern, Tschechen, Deutschen (bis 2 %) u. a. Nach polnischer Volkszählunng 1931 und Mały rocznik statystyczny 1941 (Kleines Statistikjahrbuch 1941), London 1941.
  5. Roland Gehrke, Der polnische Westgedanke bis zur Wiedererrichtung des polnischen Staates nach Ende des Ersten Weltkrieges. Genese und Begründung polnischer Gebietsansprüche gegenüber Deutschland im Zeitalter des Nationalismus, Herder-Institut, Marburg 2001, ISBN 3-87969-288-2, S. 139.
  6. Detlef Brandes, Der Weg zur Vertreibung 1938–1945. Pläne und Entscheidungen zum „Transfer“ der Deutschen aus der Tschechoslowakei und aus Polen, Oldenbourg, München ²2005, ISBN 3-486-56731-4, S. 177 f.
  7. Robert Brier, Der polnische „Westgedanke“ nach dem Zweiten Weltkrieg 1944–1950, Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 3 (2003), S. 25 (PDF).
  8. Bernd Faulenbach, Die Vertreibung der Deutschen aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße. Zur wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 51-52/2002; online).
  9. Vgl. dazu Statistisches Bundesamt: Die deutschen Vertreibungsverluste, Wiesbaden 1958.
  10. Gerd R. Ueberschär, Rolf-Dieter Müller: 1945. Das Ende des Krieges. Darmstadt 2005, ISBN 3-89678-266-5, S. 128.
  11. Johannes-Dieter Steinert: Die große Flucht und die Jahre danach. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau. Herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, München 1995, ISBN 3-492-12056-3, S. 561.
  12. Zur Kritik der Altangaben im Überblick: Ingo Haar, Hochgerechnetes Unglück, Die Zahl der deutschen Opfer nach dem Zweiten Weltkrieg wird übertrieben, in: Süddeutsche Zeitung, 14. November 2006
  13. Deutsches Historisches Museum: Massenflucht 1944/45
  14. Wir wollen die nicht durch uns verursachte Blockade auflösen, Bund der Vertriebenen, 4. März 2009.
  15. H. Sander, B. Johr: Befreier und Befreite. Fischer, Frankfurt 2005, ISBN 3-596-16305-6.
  16. Vertreibung und Vertreibungsverbrechen, 1945–1948. Bericht des Bundesarchivs vom 28. Mai 1974. Archivalien und ausgewählte Erlebnisberichte. Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen, Bonn 1989, ISBN 3-88557-067-X.
  17. Stellungnahme der Deutsch-Tschechischen Historikerkommission zu den Vertreibungsverlusten
  18. vgl. z. B. Interview mit Ingo Haar, Deutschlandfunk, 14. November 2006
  19. BdV: „Haar“-sträubende Zahlenklitterung des Historikers Ingo Haar
  20. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/571295/ Rüdiger Overmans: Zahl der Vertreibungsopfer ist neu zu erforschen. Historiker bezweifeln offizielle Zahlen.
  21. a b Heike Amos: Die Vertriebenenpolitik der SED 1949 bis 1990, Oldenbourg, München 2009, S. 32–41.
  22. Matthias Stickler: „Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch“. Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949–1972, Düsseldorf 2004.
  23. Michael Schwartz: Vertriebene im doppelten Deutschland. Integrations- und Erinnerungspolitik in der DDR und in der Bundesrepublik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (2008) Heft 1, S. 101–151; vgl. außerdem Dierk Hoffmann, Marita Krauss, Michael Schwartz (Hrsg.): Vertriebene in Deutschland. Interdisziplinäre Ergebnisse und Forschungsperspektiven, München 2000.
  24. Michael Grottendieck: Egalisierung ohne Differenzierung? Verhinderung von Vertriebenenorganisationen im Zeichen einer sich etablierenden Diktatur, in: Thomas Großbölting u. a. (Hrsg.): Die Errichtung der Diktatur. Transformationsprozesse in der Sowjetischen Besatzungszone und in der frühen DDR. Münster 2003, S. 191–221.
  25. Michael Schwartz: Vertreibung und Vergangenheitspolitik. Ein Versuch über geteilte deutsche Nachkriegsidentitäten, in: Deutschland Archiv (1997), S. 177–195; Herbert Czaja: Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik, Frankfurt/Main 1996.
  26. Siehe die zahlreichen Belege bei Louis Ferdinand Helbig: Der ungeheure Verlust. Flucht und Vertreibung in der deutschsprachigen Belletristik der Nachkriegszeit, Wiesbaden 1988.
  27. Karl Schlögel: Europa ist nicht nur ein Wort. Zur Debatte um ein Zentrum gegen Vertreibung, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (2003), Heft 1, S. 5–12.
  28. Christian Lotz: Die Deutung des Verlusts. Erinnerungspolitische Kontroversen im geteilten Deutschland um Flucht, Vertreibung und die Ostgebiete (1948–1972), Köln 2007.
  29. Jutta Faehndrich: Eine endliche Geschichte. Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen, Köln 2011.
  30. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,454745,00.html
  31. http://www.welt.de/print-welt/article517974/Sudetendeutsche_warten_auf_Zeichen_aus_Prag.html