Benutzer:Funck77/Reisläufer

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Eidgenössische Reisläufer beim Zug über die Alpen (Diebold Schilling der Jüngere)
Niklaus Manuel d. J. in der Tracht eines eidgenössischen Reisläufers, 1553
Die Schrecken des frühneuzeitlichen Schlachtfeldes aus der Sicht des Reisläufers und Künstlers Urs Graf, 1521
1515: Schlacht bei Marignano
Urs Graf: Kriegsrat auf dem Pavierzug
Hans Asper: Der Zürcher Söldnerführer Wilhelm Frölich im Jahr 1549
Zeitgenössische Kritik am Söldnerwesen: Links ein prosperierender eidgenössischer Reisläufer, rechts ein invalider Bettler, 16. Jahrhundert

Als Reisläufer (mittelhochdt. die reis louffen) wurden im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit eidgenössische Söldner, allgemein die in Fremden Diensten stehenden NN bezeichnet. Der Begriff Reisläufer erhielt im Lauf der frühen Neuzeit eine zunehmend negative Bedeutung.

Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Reisläufer aus dem Raum der Alten Eidgenossenschaft standen anfänglich im Dienst des Reichs und der oberitalienischen Städte. Niklaus von Flüe äusserte sich wiederholt negativ zum Reislauf und den damit verbundenen Pensionsgeldern.

Schon zuvor entstand in den Konflikten mit Habsburg, insbesondere auf Grund der Schlachten von Morgarten und Sempach, der Ruf, die eidgenössischen Truppen seien «unbesiegbar».

Söldner wurden seit den militärischen Erfolgen der Eidgenossen in den Burgunderkriegen im grossen Stil angeworben. Wiederholte Mandate und Strafen vermochten den Reislauf nicht aufzuhalten.

Übervölkerung vor allem in den Urkantonen, Abenteuerlust, Beute und Sold waren wichtige Gründe, den jeweiligen Aufgeboten der Obrigkeit Folge zu leisten oder auch auf eigene Faust auszuziehen.

Die Anzahl der eidgenössischen Reisläufer eines Kriegsherrn bestimmte seine Siegchancen. Das galt insbesondere in den italienischen Kriegen, als Papst, Heiliges Römisches Reich, Spanien und Frankreich in dem in Italien entstandenen Machtvakuum Fuss zu fassen suchten.

Werbung und Pensionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werbung, Zeichnung von Urs Graf, um 1521.

Als wichtigstes Mittel der Anwerbung bürgerte sich das Zahlen von Pensionen an offizielle Vertreter der Kantone oder einflussreiche Persönlichkeiten wie z. B. Kardinal Matthäus Schiner ein. Nicht selten überboten sich die künftigen Kriegsgegner gegenseitig zum Vorteil der eidgenössischen Politiker, was diese, spätestens seit der Schlacht bei Marignano, in den Ruf der Korruption auf Kosten des Volkes brachte, zumal sich Fälle häuften, in denen Schweizer gegen Schweizer kämpften.

Jakob Meyer zum Hasen, von 1516 bis 1521 Bürgermeister der Stadt Basel, wurde samt seinen Ratskollegen im «Pensionensturm» 1521 seines Amtes enthoben. Das Pensionenwesen als die wirtschaftliche Seite des Reislaufs war eine der wichtigsten Triebfedern der Reformation Zwinglis. Dem Reformator Huldrych Zwingli gelang es 1520 in Zürich, Kriegsdienste für fremde Mächte zu unterbinden.

Danach versuchten die eidg. Orte, die Anwerbung unter ihre Kontrolle zu bringen.

Bis 1515, dem Regierungsantritt von Kg. Franz I., florierte das freie Kriegertum und zahlreiche R. zeichneten sich in den Mailänder Kriegen aus.

Übergang zu stehenden Schweizertruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wortbedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Mittelalter nannte gewappnete Dienstleute oder berittene Begleitpersonen Reisige, abgeleitet von „reisen“, „Reise“ im Sinne von Kriegsfahrt. Reisige waren daher solche, die auf Geheiß ihres Herren Kriegszüge machen mussten. Im 16. Jahrhundert bezeichnete man mit diesem Begriff einen (bewaffneten) Reiter im Gegensatz zum Fußvolk; Reisläufer waren also umgekehrt Kämpfer der Infanterie. Das mittelhochdeutsche Reis bedeutet den Aufbruch, das Fortbewegen oder Reisen, in diesem Zusammenhang die Kriegsreise oder Kriegszug. Der Reisläufer verdingt sich auf eigene Faust in fremden Dienst im Gegensatz zum kapitulierten Dienst, der auf der Basis einer Militärkapitulation beruhte, das heißt einem Liefervertrag für Soldaten zwischen zwei Ländern.

Soldaten, die sich aufgrund einer Kapitulation in fremde Dienste begaben, als R. zu bezeichnen, ist rechtlich gesehen falsch. Sobald die institutionellen Rahmenbedingungen der fremden Dienste und v.a. deren diplomat. Bedeutung, z.B. im System der Allianzen berücksichtigt werden, erscheint der Ausdruck Reisläuferei inadäquat. In der Historiografie wurde die Abhängigkeit der Eidgenossenschaft von Frankreich kaum thematisiert, weil dies dem aufkeimenden Nationalstolz des 19. Jh. zuwiderlief. Der auf Kapitulationen beruhende Solddienst wurde zum Reislaufen herabgemindert, als er in der Restauration und v.a. der Regeneration den schweiz. Interessen nicht mehr direkt diente. In der Folge übernahmen die meisten Historiker den praktischen, aber unscharfen Begriff des Reislaufens, um damit die Solddienstauswanderung vor 1848 zu bezeichnen.

Der Neuenburger Emer de Vattel unterschied Mitte des 18. Jh. zwischen dem R. und dem Söldner. Der Söldner verpflichtete sich zu einem obrigkeitlich bewilligten Solddienst, während der individuelle militär. Einsatz der R. von der Obrigkeit nicht gewollt war. Das Reislaufen war im Gegensatz zum Solddienst durch keine offiziellen Verträge oder Kapitulationen reglementiert. R. konnten sich als Einzelpersonen oder in Gruppen, sog. Freikompanien, engagieren. Sie stellten sich freiwillig und mittels Privatvertrag unter die Autorität und Rechtshoheit eines fremden Herrschers oder waren einem selbstständigen Hauptmann unterstellt, der mit einem fremden Herrscher eine Privatkapitulation abgeschlossen hatte.

Taktik und Kriegsführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Taktik der Reisläufer bestand darin, die gegnerischen Truppen mit Gewalthaufen zu überfallen, bevor diese richtig zur Aufstellung gekommen waren. Ein Gewalthaufen oder Kader war eine bis zu 50 Glieder tiefe Kampfformation. Vorne standen die Pikeniere mit ihren fünf Meter langen Spiessen, dahinter kamen die Hellebardenträger und Schwertkämpfer mit langen Zweihändern. Das erste und oft auch das letzte Glied bildeten gepanzerte Doppelsöldner, diese trugen einen Eisenhelm (Morion) und waren mit Handrohren und Hakenbüsen bewaffnet. Wenn die Spiesse und Hellebarden im Gedränge nicht mehr benutzt werden konnten, kämpfte man mit Schweizerdegen und Dolche.

Oft standen den Reisläufern deutsche Landsknechte gegenüber, mit welchen es immer wieder zu blutigen Schlachten um die Gunst des Goldes der Fürsten und Kriegsherren gekommen war. Die Landsknechte selbst orientierten sich in ihrer Aufstellung stark an den Schweizer Söldnerheeren und entwickelten diese später weiter. Anfangs galten Landsknechte als die schlechteren Schweizer und erhielten geringeren Sold und weniger Beute. Durch verschiedene politische Ereignisse und militärische Niederlagen der Reisläufer schwand jedoch ihr Ansehen und ihre Verfügbarkeit, wodurch die deutschen Landsknechte in den folgenden Kriegen Europas die dominierenden Söldnertruppen wurden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jost Auf der Maur: Söldner für Europa. Mehr als eine Schwyzer Familiengeschichte., 2011 ISBN 978-3-905800-52-4
  • Henri Ganter: Histoire des Régiments Suisses aux Service d'Angleterre, de Naples et de Rome, 1890.
  • Valentin Groebner: Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit. Universitätsverlag, Konstanz, 2000 Siehe besonders: Pensionen in Basel, September 1501 bis Oktober 1521 und für Zwinglis Kampf gegen Reislauf und Pensionen: Postskript 1: Die Reformation der gefährlichen Geschenke und die Körper der Frauen
  • Werner Meyer: Eidgenössischer Solddienst und Wirtschaftsverhältnisse im schweizerischen Alpenraum um 1500, in: Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, hgg. von S. Kroll, K. Krüger, (Herrschaft und soziale Systeme in der frühen Neuzeit Band 1), Münster-Hamburg-London 2000.
  • Christian Padrutt: Staat und Krieg im alten Bünden, in: Geist und Werk der Zeiten, Heft 11, Fretz und Wasmuth Verlag AG, Zürich, 1965
  • Johann J. Romang: Die Engl. Schweizerlegion und ihr Aufenthalt im Orient, 1857.
  • Walter Schaufelberger: Der alte Schweizer und sein Krieg. Studien zur Kriegsführung vornehmlich im 15. Jahrhundert. Europa Verlag, Zürich 1952

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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