Benutzer:Gewa13/Ägyptische Pflanzenheilkunde

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Pflanzenheilkunde im Alten Ägypten

Die Pflanzenheilkunde im Alten Ägypten befaßt sich mit der Anwendung und Wirkung von Heilpflanzen als Arzneimittel im alten Ägypten. Die altägyptischen Arzneimittel enthielten jedoch nicht nur pflanzliche sondern teilweise auch mineralische[1] und tierische Bestandteile.

Fundquellen für Anwendungen von Heilpflanzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis heute ist noch kein Grab eines Arztes mit einer Arzneimittelsammlung für das Jenseits gefunden worden, so daß wir auf Überlieferungen angewiesen sind. Aus dem alten Ägypten sind uns heute etwa 2000 Rezepturen überliefert [2]. Von den in diesen Rezepturen verwendeten ca. 700 [3]altägyptischen Drogenbezeichnungen - Drogen im pharmazeutischen Sinne - sind bis heute nur ca. 180 identifiziert worden[4], davon 31 Heilpflanzen [5]. Rezepturen finden sich z.B. in den Ramesseum-Papyri, Medizinischen Papyri aus Lahun oder im Papyrus Edwin Smith. Die umfangreichste Quelle für die altägyptische Pflanzenheilkunde befindet sich in Leipzig: der ca. 20m lange Papyrus Ebers. Er enthält etwa 876[6] verschiedene Arzneimittelrezepturen. Der Papyrus Hearst enthält 260 Rezepturen, von denen über 90 auch im Papyrus Ebers parallel vorkommen.[7] Weitere Rezepturen findet man auf Ostraka und auf Heilstatuen (hier aber erst gegen Ende des Neuen Reiches)[8].

Liste von Heilpflanzen, die im alten Ägypten nachweisbar sind[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im folgenden werden nur die wichtigsten Heilpflanzen und deren Verwendung aufgelistet soweit sie inzwischen identifiziert werden konnten[9].

Nilakazie (Acacia nilotica)

- Nilakazie oder auch Arabischer Gummibaum Acacia nilotica, die Blätter äußerlich zur Wundbehandlung, das Akaziengummi als neutrale Arneimittelgrundlage.

- Küchenzwiebel Allium cepa, zur Wundbehandlung und äußerlich bei Schlangenbissen.

- Porree Allium porrum, zur Wundbehandlung.

- Dill Anethum graveolens, überwiegend äußerlich verwendet.

- Wilder Sellerie Apium graveolens, wassertreibende, Magen/Darm-beruhigende Wirkung.

- Weihrauchbaum diverse Boswellia Arten, im alten Ägypten nur als Handelsprodukt bekannt und als Herz eines der am häufigsten verwendeten Heilmittel sowohl äußerlich als auch innerlich. Später im Neuen Reich wurde es zunehmend durch Therebintenharz der Terpentin-Pistazie und anderer Pistazienarten ersetzt. Um vom Import unabhängig zu sein versuchten die Ägypter die Pistazienbäume zu Hause heimisch zu machen.

Terpentin-Pistazie
Beladen der Schiffe in Punt mit Antui-Bäumen (Pistazienbäumen), Darstellung im Totentempel der Königin Hatschepsut in Deir al Bahari

- Johannisbrotbaum Ceratonia siliqua, die Hülsen werden sehr oft äußerlich und innerlich verwendet.

- Myrrhebaum diverse Commiphora Arten, als Myrrheharz sehr häufig benutzt.

- Koniferen diverse Conifera Arten, das Holz und das Harz wurde verwendet.

- Kreuzkümmel Cuminum cyminum, oft zur Behandlung des Bauches. Die in den Früchten enthaltenen etherischen Öle, Flavonoide, Salicylate, Cholin und Cumin wirken antibakteriell, schmerzlindernd und krampflösend.

- Erdmandel Cyperus esculentus, das Öl als Arzneimittelgrundlage.

- Papyrus Cyperus papyrus, als gekochtes Papyrusblatt zum Wundverschluß.

- Afrikanisches Ebenholz Dalbergia melanoxylon, die Sägespäne bei Augenleiden.

- Feige Ficus carica, die Frucht als leichtes Abführmittel.

- Sykomorenfeige Ficus sycomorus, die Frucht als leichtes Abführmittel, die Blätter und der Milchsaft zur Wundversorgung.

- Zederwacholder Juniperus oxycedrus, die Beerenzapfen bei Blasen und Nierenerkrankungen, als Genitalzäpfchen zum "Lösen des Kindes aus dem Bauch".

- Dattelpalme Phoenix dactylifera, vielseitige Verwendung.

- Granatapfelbaum Punica granatum, die Wurzelrinde als Wurmmittel.

- Rizinusbaum Ricinus communis, die Samen als drastisches Abführmittel, das Öl zum Behandeln von Hauterkrankungen, das Blatt zum Wundverschluß.

- Ägyptische Weide Salix mucronata, Kätzchen, Blätter und Holz äußerlich zur Behandlung von Entzündungen.

Salix mucronata - Ägyptische Weide

- Emmer Triticum turgidum, äußerlich zur Behandlung von entzündeten Wunden und Gschwüren.

Wild-Emmer

- Weinrebe Vitis vinifera, Wein diente als Lösungsmittel in medizinischen Rezepten.

Es gibt viele weitere Heilpflanzen, bei denen es sehr wahrscheinlich ist, daß die alten Ägypter sie kannten und verwendeten, deren altägyptishe Namen wir in den Papyri aber noch nicht übersetzen konnten. Auch für in Gräbern gefundene oder z.B. in der Kräuterkammer des Karnak-Tempels abgebildete Pflanzen sind die altägyptischen Bezeichnungen meistens nicht bekannt.

Herstellung pflanzlicher Arzneimittel im alten Ägypten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rezepturvorschriften bestanden aus Indikationen, Bestandteilen samt Maßangaben[10] (Hohlmaßangaben in roter Schrift), Herstellungsvorschriften und Anwendungshinweisen. Man kann den Ägyptern bereits eine hochentwickelte Kunstfertigkeit bei der Herstellung von Arzneimitteln bescheinigen, beispielsweise das "Ruhenlassen einer Arzneimittelmischung über Nacht", - heute würde man das als Extraktion bezeichnen -, Aufkochen, Quellenlassen oder Eindicken. Als Arzneimittelgrundlagen wurden Wein, Bier, Milch, Wasser und pflanzliche Öle verwendet. Festere Konsistenz hatten Getreidebreie und tierische Fette.

Beispiele altägyptischer Arzneimittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

- Rizinussamen als Abführmitte:[11] "ein anderes Heilmittel für das Entleeren des Bauches und das Beseitigen von Krankheitserscheinungen im Bauch des Mannes: Samen der Rizinuspflanze; werde gekaut, werde heruntergespült mit Bier, bis dass alles herauskommt, das in seinem Bauch ist"[12].

- Kreuzkümmel zur Behandlung des Bauches: "ein anderes (Heilmittel) für den Bauch, wenn der krank ist: Kreuzkümmel 1/64 ro, Gänsefett 1/8 ro, Milch 20 ro, werde gekocht, werde durchpresst, werde getrunken"[13].

- Wurzel des Granatapfelbaumes als Wurmmittel: "Töten des Hefat-Wurmes. Wurzel des Granatapfelbaumes 5 ro, Wasser 10 ro werde nachts dem Tau ausgesetzt, werde durchpresst, werde getrunken einen Tag lang[14]. Tatsächlich enthält die Wurzelrinde des Grantapfelbaumes hochwirksame Pyridin-Alkaloide gegen Bandwürmer.

- Wacholderbeeren als harntreibendes Mittel: "ein anderes (Heilmittel für das Beseitigen von Harn, wenn er zu viel ist): Wurzel der ķ3d.t-Pflanze 1/4, Weintrauben 1/8, Honig 1/4, Wacholderbeeren 1/32, süßes Bier 7 1/2 ro , werde gekocht, werde durchpresst, werde getrunken an einem Tage."[15]

- Wacholderbeeren in uteruskontrahierenden Zäpfchen: "Ein anderes (Heilmittel zum Lösen eines Kindes aus dem Bauch der Frau): Wacholderbeeren 1, ní3í3-Pflanze 1, Koniferenharz 1, werde zu Zäpfchen gemacht, werde in die Scheide gegeben."[16]

- Heilmittel für das Beseitigen von vielem Kindergeschrei: "špnn (Frucht/Körner) der špn-Pflanze(- ob damit möglicherweise Mohn gemeint sein könnte wissen wir bis heute noch nicht -); Kot von Fliegen, der an derMauer ist; werde zu einer Masse gemacht, werde durchgepresst, werde getrunken vier Tage lang. (Es) hört schnell auf."[17]

Im Mainzer Institut für Ägyptologie und Altorientalistik wurden einige Arzneimittel nach alten ägyptischen Originalrezpten aus dem Papyrus Ebers nachgemacht[18].

Arzneimittelanwendung und Magie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die altägyptischen Texte haben einen standardisierten Aufbau bestehend aus Rezept (Herstellungsvorschrift), Prognose, Lehrtext und Zauberspruch. Über die Ausgangsmaterialien wurden Beschwörungen gesprochen, und die Anwendung der Arzneimittel war mit heilkundlichen Zaubersprüchen[19] und Ritualen eng verwoben. Der Gebrauch eines Heilmittels oder einer Beschwörung wurde immer auf die Welt der Götter zurückgeführt, um die Wirksamkeit durch einen - heute würde man sagen Placebo-Effekt - zu verstärken. Beispiele: "Anfang von den Heilmitteln die Re gemacht hat für sich selbst"[20], "ein zweites Heilmittel, das Schu gemacht hat für sich selbst"[21] oder "ein drittes Heilmittel, das Schu gemacht hat für Re selbst"[22]. die Arzneimittel wurden oral, vaginal, anal, über Salbungen, Verbände, Umschläge, Trank- und Räuchermittel verabreicht[23].

Bedeutung der altägyptischen Pflanzenheilkunde für nachfolgende Kulturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die altägyptische Medizin hatte bei den Griechen einen ausgesprochen guten Ruf[24]. Man kann die Bedeutung der altägyptischen Pflanzenheilkunde für nachfolgende Kulturen nur sehr schwierig erfassen, da viele Heilpflanzen bis jetzt noch nicht eindeutig identifiziert werden konnten. Andererseits ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, daß der Erfahrungsschatz der alten Ägypter mit dem Ende der Pharaonenzeit abrupt verloren ging.
Der griechische Arzt Pedanios Dioskurides hat versucht das Wissen seiner Zeit in einer von ihm verfassten Materia medica zusammenzutragen. Den Beschreibungen der vielen Pflanzen hat er Synonyma (d.h. Namen der Pflanzen bei anderen Völkern) vorangestellt. In 105 Fällen auch ägyptische Namen[25]. Ein großer Teil dieser Pflanzen war jedoch im alten Ägypten nicht heimisch. Nur von 4 Pflanzen ist der Altägyptisch Name bekannt: Rizinus, Zederwacholder, Dill und Lattich, wobei letzterer in keinem medizinischen Papyrus genannt wird.
Für einige wenige Pflanzen läßt sich erkennen, daß ihr koptischer Name altägyptische Wurzeln enthält. Im koptischen Papyrus Chassinat (6.- 9. Jahrhundert n. Chr.) mit 237 Rezepturen lassen sich für ca 46 Pflanzen Verbindungen zur altägyptischen Medizin herstellen, ohne bis jetzt den jeweiligen altägyptischen Namen zu kennen.[26].

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. umfangreich beschrieben in: John Raymond Harris, Lexicographical Studies in Ancient Egyptian Minerals, 1961
  2. Pommerening, T., Wege zur Identifikation altägyptischer Drogennamen – eine kritische Betrachtung. In: P. Dils / L. Popko (Hgg.): Zwischen Philologie und Lexikographie des Ägyptisch-Koptischen. Akten der Leipziger Abschlusstagung des Akademienprojekts "Altägyptisches Wörterbuch". (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse; 84, H. 3) Stuttgart/Leipzig: S. Hirzel 2016, S. 82
  3. im bis lang umfangreichsten Werk zu ägyptischen Drogen: Wörterbuch der ägyptischen Drogennamen, Berlin 1959 von Hildegard von Deines u. Hermann Grapow sind 691 Drogen aufgeführt
  4. in Wolfhart Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin. 2 Bände, Handbuch der Orientalistik 36, Leiden, Boston, Köln 1998 findet sich ein Liste mit 176 identifizierten Drogennamen.
  5. Julia Budka, Heilkunst und Zauberei - Medizin im Alten Ägypten, Kemet 9, Nr. 4, 2000, S. 17.
  6. Reclams Lexikon des alten Ägypten / hrsg. von Ian Shaw und Paul Nicholson. Aus dem Engl. übers. von Ingrid Rein und Marianne Schnittger. - Stuttgart : Reclam, 1998, S.265
  7. Hans W. Fischer-Elfer, Heilkunde im Alten Ägypten in: Harald Froschauer – Cornelia Römer (Hrsg.), Zwischen Magie und Wissenschaft. Ärzte und Heilkunst in den Papyri aus Ägypten (Nilus 13) 2. korrigierte Auflage Wien 2009, S. 46.
  8. Pommerening, T., Altägyptische Rezepte - Eine diachrone Betrachtung. Geschichte der Pharmazie 64 (2012 [Heft 3]), S. 36f.
  9. entnommen aus: Renate Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Wiesbaden 2008.
  10. hierzu klärend: Pommerening, T., Die altägyptischen Hohlmaße. (Studien zur Altägyptischen Kultur. Beihefte; 10) Hamburg: Buske 2005.
  11. alle folgenden Beispiele aus: Renate Germer, Die Heilpflanzen der alten Ägypter, Winkler Verlag 2002, 240 Seiten
  12. Papyrus Ebers § 25
  13. Papyrus Ebers § 5
  14. Papyrus Ebers § 50
  15. Papyrus Ebers § 278 entspricht Papyrus Hearst § 64
  16. Papyrus Ebers § 806
  17. Papyrus Ebers § 782
  18. https://www.aegyptologie.uni-mainz.de/files/2014/08/Heilmittelherstellung.pdf
  19. hierzu: Altägyptische Zaubersprüche / Eingel., übers. u. komm. von Hans-Werner Fischer-Elfert. Mit Beitr. von Tonio Sebastian Richter, Stuttgart : Reclam, 2005
  20. Papyrus Ebers § 242.
  21. Papyrus Ebers § 243
  22. Papyrus Ebers § 244
  23. Hans-Werner Fischer-Elfert, Heilkunde im Alten Ägypten in: Harald Froschauer – Cornelia Römer (Hrsg.), Zwischen Magie und Wissenschaft. Ärzte und Heilkunst in den Papyri aus Ägypten (Nilus 13) 2. korrigierte Auflage Wien 2009
  24. Homer: Odyssee IV, 229–232, in der Übersetzung von Hampe R. Stuttgart: Reclam; 1979.Vgl. auch die Passage über die ägyptischen Ärzte in Herodot II, 84.
  25. Renate Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Wiesbaden 2008, S. 13.
  26. Renate Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Wiesbaden 2008, S. 16

Kategorie:Wissenschaft (Altes Ägypten) Kategorie:Medizin (Altertum)