Benutzer:Rabe!/Kaiser Wilhelm II. als Student

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Wilhelm als Student in Bonn 1877

Die Zeit, die der spätere deutsche Kaiser Wilhelm II. als Student an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn verbrachte, erstreckte sich vom Anfang Wintersemester 1877/78 bis zum Ende Sommersemester 1879. Dieser Zeitraum von vier Semestern stellte einen prägenden und in der historischen Literatur unterschiedlich bewerteten Lebensabschnitt des Monarchen dar. Wilhelm besuchte Vorlesungen in den Rechts- und Staatswissenschaften sowie weiteren Fächern und trat als Conkneipant der Studentenverbindung Corps Borussia Bonn im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV, „Kösener Corps“) bei.

Wilhelms Studium in Bonn und seine Mitgliedschaft im Corps Borussia wurden im ganzen Deutschen Reich und darüber hinaus wahrgenommen und trug zur Steigerung der Reputation der Universität Bonn bei sowie zur Etablierung der Studentenverbindungen und besonders der Corps als staatstragende Einrichtungen zur außerfachlichen Ausbildung der akademischen Elite des Kaiserreichs.

Nach seiner Studentenzeit und auch nach seiner Thronbesteigung besuchte Wilhelm die Universität Bonn und die Bonner Corps (zusammengeschlossen im Senioren-Convent (SC) zu Bonn) mehrfach und hielt dabei programmatische Reden zur akademischen Ausbildung. Wilhelm verfolgte auch mit Interesse das Studium seiner Söhne in Bonn und deren Mitgliedschaft im Corps Borussia.

Während seiner Regierungszeit traf Wilhelm weitreichende Entscheidungen zur Gymnasial- und Hochschulausbildung, die bis heute Auswirkungen haben. Wilhelm berief sich dabei auf seine eigenen Erfahrungen beim Duchlaufen einer regulären Schul- und Universitätsausbildung.

Aristokraten an Universitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm II. war nach seinem Vater Friedrich III. erst der zweite preußische Thronfolger, der im Rahmen seiner Ausbildung eine Universität besuchte. In früheren Jahrhunderten war es üblich, dass die Söhne herrschender Familien eine militärische Ausbildung durchliefen. Lediglich nachgeborene Söhne, für die ein geistliches Amt z.B. als Bischof vorgesehen war, mussten zumindest kurz eine oder mehrere Universitäten besucht haben. Im 19. Jahrhundert wurde es auch für Thronfolger üblich, in Begleitung eines kleinen Hofstaates unter der Leitung eines Hofmeisters und eines Adjutanten zumindest für einige Semester an eine angesehene Universität, meist die eigene Landesuniversität, zu gehen und dort gezielt bei ausgewählten Professoren Lehrveranstaltungen zu besuchen, oft als Privatissimum. Das Ablegen universitärer Prüfungen oder gar Examina war im gesamten 19. Jahrhundert für diesen Personenkreis nicht vorgesehen.

Friedrich Karl von Preußen (1828–1885), ein Neffe von Kaiser Wilhelm I., studierte seit Ostern 1846 in Bonn und wurde Conkneipant beim Corps Borussia Bonn. Ihm wurde per Beschluss des Corpsburschen-Conventes vom 1. Dezember 1847 (vor Gründung des Kösener Senioren-Convents-Verbandes mit seinen einschlägigen Bestimmungen) das Corpsband verliehen. Friedrich Karl war der erste Hohenzoller im Corps Borussia Bonn.[1]


Voruniversitäre Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis zum siebten Lebensjahr wurde Wihelm hauptsächlich von seinem Kindermädchen Emma Hobbs und der Obergouvernante Sophie Freiin von Dobeneck erzogen [2]. Nach Ansicht vieler Biographen spielten vor allem in der frühkindlichen Erziehung die Behinderung, die sich Wilhelm aufgrund von Geburtskomplikationen am linken Arm zugezogen hatte, und die teilweise sehr schmerzhaften, aber weitgehend vergeblichen Behandlungsmethoden eine große Rolle bei der Charakterentwicklung des jungen Prinzen[3].

Ab dem Jahre 1866 übernahmen Gustav von Schrötter als Militär-Erzieher und Dr. Georg Ernst Hinzpeter als Zivil-Erzieher die weitere Ausbildung [4]. Der Militärerzieher von Schrötter wurde jedoch schon bald ersetzt durch den Premier-Lieutenant O'Danne vom Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm IV. (1. Pommersches) No. 2, der sich gegen Hinzpeter nur schwer behaupten konnte, sodass Hinzpeter als wesentliche Persönlichkeit in dieser Ausbildungsphase betrachtet werden kann [5].

Auf Betreiben seiner liberal gesinnten Eltern, des damaligen Kronprinzenpaares, besuchte Prinz Wilhelm ab 1874 gegen den Widerstand des Preußischen Hofs[6] eine bürgerliche, öffentliche Schule, das Friedrichsgymnasium in Kassel, wo er Ostern 1877 die Reifeprüfung ablegte.[7][8][9] Auch während seiner Gymnasialzeit stand er unter der Aufsicht von Hinzpeter, mit dem er in Kassel zusammen ein Haus in unmittelbarer Schulnähe bewohnte.

Danach leistete Wilhelm für sechs Monate seinen Militärdienst beim 1. Garderegiment zu Fuß in Berlin und Potsdam ab, wo er auch an Manövern teilnahm. Das Regiment war seit 1806 das traditionelle Leibregiment der Könige von Preußen.

Verlauf des Studiums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm verließ am 22. Oktober 1877 Berlin in Richtung Bonn, wo er sich am 24. Oktober [10] in der juristischen Fakultät immatrikulierte. Er bezog zusammen mit seiner Begleitung, dem Major Eduard von Liebenau und seiner Frau sowie seinem Adjutanten Leutnant Albano von Jacobi, die Villa Frank, die nur einen kurzen Fußweg von der Universität entfernt lag.[11]

Universitäre Veranstaltungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm begann im Wintersemester 1877/78 seine für vier Semester angesetzte Studienzeit an der Universität Bonn. Er sollte hier vor allem Lehrveranstaltungen in den Rechts- und Staatswissenschaften, aber auch in anderen Fächern besuchen. Dazu belegte er teilweise öffentliche Vorlesungen, teilweise erhielt er Einzelunterricht durch den jeweiligen Professor („Privatissimum“). [12]

Professoren und Fächer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sommersemester 1878
    • Wilhelm Wilmanns (Germanistik, Neuere deutsche Literaturgeschichte, speziell die des 18. Jahrhunderts, öffentliche Vorlesung montags, dienstags, donnerstags und freitags)
    • Hugo Loersch (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte mit Übersicht über das sogenannte gemeine deutsche Privatrecht und die moderne Kodifikation, Privatunterricht täglich von 9.00 bis 10.00 Uhr)
    • Erwin Nasse (Nationalökonomie, drei Wochenstunden Privatunterricht)
    • Reinhard Kekulé (Geschichte der antiken Kunst, drei Wochenstunden Privatunterricht)
  • Wintersemester 1878/79
    • Wilhelm Maurenbrecher (Geschichte des Reformationszeitalters, öffentliche Vorlesung)
    • Hugo Loersch (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, eine Ergänzungsstunde)
    • Carl Justi (Mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte Italiens, drei Wochenstunden Privatunterricht)
    • Hugo Haelschner (Staatsrecht, Privatunterricht)
    • Adolf Held (Finanzwissenschaft, vier Wochenstunden Privatunterricht) (Staatsschuldenwesen, öffentliche Vorlesung)
  • Sommersemester 1879

Neben den Universitätsveranstaltungen erhielt Wilhelm ab Anfang 1878 jeden Morgen um 7.30 Uhr Französischunterricht.

In seinen Lebenserinnerungen bezeichnete Wilhelm den Staatsrechtler Hugo Loersch als den anregendsten seiner Bonner Universitätslehrer. Auch für den Finanzwissenschaftler Adolf Held konnte er sich begeistern. Weitere Begeisterung zeigte Wilhelm wohl weiterhin hauptsächlich für die Nebenfächer Naturwissenschaften, Geschichte, Archäologie und Kunst, die vom Physiker Rudolf Clausius, vom Chemiker August Kekulé, vom Archäologen und Kunsthistoriker Carl Justi sowie vom Historiker Wilhelm Maurenbrecher unterrichtet wurden.

Die Ausführungen des Rechtswissenschaftlers Hugo Haelschner waren dem Prinzen zu trocken. Wenig erwärmen konnte er sich auch für die „Einführung in das Studium der Rechtswissenschaft“ des Juristen Roderich von Stintzing und die nationalökonomischen Vorträge von Erwin Nasse. Aus späterer Sicht fühlte er sich damals dafür noch zu jung. Wenig Anregung erhielt Wilhelm auch durch den Literaturhistoriker Wilhelm Wilmanns.

Das philosophische Kolleg von Jürgen Bona Meyer hat Wilhelm nach eigenen Erinnerungen bald abgebrochen, weil ihn das Thema wohl gar nicht interessierte. Er hat sich auch wohl nur auf Anraten seiner Mutter dafür angemeldet.[13]

Als Wilhelm von der Universität abging, wurde allen seinen zwölf Universitätslehrern der Rote Adlerorden in verschiedenen Abstufungen verliehen. Wilhelm selbst bekam zum Abschied ein Album mit photographischen Abbildungen seiner Lehrer. [14]

Gesellschaftliches Umfeld[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm traf in Bonn auf ein aristokratisches Umfeld. Sein Wohnhaus, die Villa Frank, befand sich in unmittelbarer Umgebung zweier luxuriöser Hotels, dem Hotel Bellevue und dem Hotel Royal. Hier logierten viele Mitglieder der aristokratischen Familien. Gleich zu Beginn des Studiums wurde er Mitglied in der Studentenverbindung Corps Borussia Bonn, in der damals bereits ausschließlich Söhne hochadliger und landadliger Familien Mitglieder waren. Sein Vater hatte bereits Kontakt zu dem Corps gehalten, der erste Hohenzoller war diesem Corps bereits Ostern 1846 beigetreten.

Seit 1852 war in Bonn das Husaren-Regiment „König Wilhelm I.“ (1. Rheinisches) No. 7 stationiert, die sogenannten „Königshusaren“. Hier absolvierten viele adlige Bonner Studenten ihren Militärdienst als Einjährig-Freiwillige parallel zum Studium. Es gab dabei zahlreiche Kontakte zu den Bonner Corps. Zeitweilig sprach man scherzhaft von dem Regiment als „Corps Husaria“. [15]

Wilhelm wurde beim Corps Borussia Bonn zunächst Conkneipant, bis er am 27. Juli 1879 Inhaber der Corpsschleife (IdC) wurde. Am Ende des Sommersemesters im August 1879 verließ er die Universität Bonn, und der SC zu Bonn, damals bestehend aus den Corps Borussia, Palatia und Hansea, bereitete ihm ein "solennes Komitat", mit einem Zug durch die festlich geschmückten Straßen und einem Kommers im Hotel Kley.

Der amerikanische Journalist und Schriftsteller Mark Twain verbrachte im Sommer 1878, also mitten in der Studienzeit Wilhelms in Bonn, mehrere Monate in Heidelberg und schenkte den dortigen Corps große Aufmerksamkeit[16]. Besonders engen Umgang hatte er mit dem Corps Saxo-Borussia Heidelberg, das in einem engen Verhältnis zum Corps Borussia Bonn stand. Diese beiden Corps hatten mehrere gemeinsame Mitglieder, auch aus dieser Zeit. Zum gesellschaftlichen Auftreten der Mitglieder der Saxo-Borussia Heidelberg schrieb Mark Twain:

“They were finely and fashionably dressed, their manners were quite superb, and they led an easy, careless, comfortable life. If a dozen of them sat together and a lady or a gentleman passed whom one of them knew and saluted, they all rose to their feet and took off their caps. The members of a corps always received a fellow-member in this way, too; but they paid no attention to members of other corps; they did not seem to see them. This was not a discourtesy; it was only a part of the elaborate and rigid corps etiquette.”

Der Wilhelm-Biograph Röhl ist sich nicht sicher, wie der Einfluss der Kneip- und Paukerlebnisse auf die Lebensanschauungen Wilhelms einzuschätzen sei.

Auf jeden Fall muß festgehalten werden, daß es sich hier um ein gegenseitiges, fast symbiotisches Verhältnis gehandelt hat. Nicht nur hat das Bonner Verbindungsleben einen nachhaltigen Eindruck auf den Thronfolger gemacht; auch Prinz Wilhelms Mitgliedschaft beim Corps Borussia übte einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die Entwicklung des Korporationswesens in Deutschland aus. [18]

Röhl berichtet von einer starken demokratischen Reformbewegung unter den Studenten in den 1870er Jahren. Die Bewegung stellte sich gegen die alten Traditionen des deutschen Verbindungsstudententums (Satisfaktion, Mensur, Biercomment, Kneipe, Couleur) und sah sie als „Überreste aus der Vergangenheit“ an. Die deutschen Studentenverbindungen hätten damals unter Druck gestanden und der Nachwuchs sei ausgeblieben. Viele der Bonner Korporationen hätten suspendieren, also den Aktivenbetrieb einstellen müssen. Seit 1871 habe auch das Corps Borussia nur noch ein Schattendasein „mit zeitweise lediglich drei aktiven Mitgliedern“[19]. Das habe sich erst geändert, als der Hohenzollernprinz Wilhelm im Jahre 1877 dem Corps beigetreten sei.

„Der blaublütige Zugang führte zu einer beträchtlichen Steigerung im Ansehen des Bonner S.C. [...] Der prominente Nachwuchs der Borussia hielt in den kommenden Jahrzehnten an und förderte damit gleichzeitig das Exklusivitätsgefühl der anderen Bonner Corps.“[20]

Ablenkungen vom Studium: Repräsentative Verpflichtungen, Reisen, Krankheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm wurde während seines Studiums von seiner Familie fortwährend zur Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben aus Bonn abgerufen und musste dazu längere Reisen unternehmen. In der zweiten Hälfte seiner Studienzeit verschlechterte sich sein Gesundheitszustand.

Bereits Weihnachten 1877 kehrte Wilhelm wieder nach Berlin zurück und nahm an der dortigen „Saison“ teil. Er unternahm Jagden mit seinem Vater und seinem Bruder Heinrich in Spandau und bei Paretz. Am 6. Januar 1878 kehrte er wieder nach Bonn zurück.[21]

Von Bonn reiste er Anfang Februar 1878 zum Kölner Karneval und kurz danach zur Hochzeit seiner Schwester Charlotte mit Bernhard Erbprinz zu Sachsen-Meiningen wieder nach Berlin. Vom 3.-7. März 1878 weilte Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn zu einem offiziellen Besuch in Berlin, was die Anwesenheit von Wilhelm erforderlich machte.

Die Osterferien verbrachte Wilhelm mit der Schnepfenjagd in Spandau, Lazarettbesuchen in Tempelhof und weiteren Verpflichtungen.

Im April 1878 besuchte Wilhelm zweimal seine Cousinen in Darmstadt. Bei einem der Aufenthalte in Darmstadt hörte er im Mai 1878 vom Attentat des Klempnergesellen Hödel auf seinen Großvater Kaiser Wilhelm I.

Im Sommer 1878 zogen seine Eltern, das Kronprinzenpaar, nach Wiesbaden, wo Wilhelm kurz darauf mit seiner Familie zusammentraf. Im August 1878 schickte ihn sein Vater zu seinem Onkel Leopold nach Brüssel.

Anfang September 1878 trat Wilhelm eine Erholungsreise an. Die Fahrt führte ihn nach Ilfracombe an der Küste Norddevons, von wo er nach Balmoral in Schottland weiterreiste. Von dort fuhr er nach Paris, wo er die Weltausstellung besuchte. Da sein Bruder Heinrich zu einer zweijährigen Weltreise mit einem Marineschiff aufbrechen sollte, reiste er von Paris nach Kiel, um den Bruder zu verabschieden. Danach verbrachte er weitere ereignisreiche Tage in Berlin und brach am 26. Oktober 1878 zu seinem dritten Semester nach Bonn auf.[22]

Während der restlichen Zeit seines Studiums war sein Privatleben durch eine schwere Erkrankung geprägt, die sich bereits im Januar und im Mai des Jahres 1878 gezeigt hatte. Die Literatur spricht von einer Neuralgie, die sich in Ohr-, Zahn- und Kopfschmerzen äußerte, wozu noch Knieverletzungen kamen, die einem gestörten Gleichgewichtssinn angelastet wurden. Sein Aufenthalt in Großbritannien und der Besuch in Paris hatten offensichtlich nicht zu einer Besserung beigetragen. Weihnachten 1878 verbrachte Wilhelm mit Ohrenschmerzen in Berlin. Im Februar 1879 ging es seinem Ohr wieder besser, allerdings musste er aufgrund einer erneuten Knieverletzung für vier Wochen im Hause bleiben. Seine Mutter, die auf dem Weg nach England war, besuchte ihn Mitte Februar 1879 in Bonn, während er noch bettlägerig war.

Im März 1879 konnte Wilhelm zur Hochzeit seines Onkels Arthur, 1. Duke of Connaught and Strathearn mit Luise Margareta von Preußen nach England reisen, wo sein Knie besser wurde. Aber bereits im Winter 1879, nach seinem Abgang von der Universität, verletzte er sich erneut beim Tanzen am anderen Kniegelenk. Wegen seiner andauernden Erkrankung des rechten Ohres war Wilhelm in den folgenden Jahren in Behandlung der besten Otologen Deutschlands. [23]

Bewertung von Wilhelms Studienzeit in der Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Biograph John C.G. Röhl berichtet in seinem Werk über die Jugend des späteren Kaisers, dass viele, besonders frühe Autoren der Studienzeit Wilhelms die Schuld für sein religiös durchdrungenes, anachronistisches Verständnis von der Monarchie und vom Gottesgnadentum gaben. Während der Erzieher Hinzpeter als Mann gegolten habe, der von den Eltern einen Erziehungsauftrag zu liberalem und modernem Denken gehabt habe, seien diese Bemühungen durch die Studienzeit zunichte gemacht worden.

Zahlreiche Beobachter haben die Studentenzeit als diejenige hervorgehoben, in der sich der Prinz die hochmütigen Allüren aneignete, die in seinem Erwachsenenleben eine so prominente Rolle spielen sollten. das Bonner Universitätsstudium wird von ihnen geradezu zum Schlüsselerlebnis in der Entwicklung der Persönlichkeit Wilhelms hochstilisiert.[24]

Röhl erwähnt in diesem Zusammenhang den amerikanisch-britischen Autor Harold Frederic (Veröffentlichung 1891)[25], den Schotten Joseph McCabe (Veröffentlichung 1915)[26], und den Franzosen Maurice Muret (Veröffentlichung 1940)[27].

McCabe habe, so Röhl, drei Elemente der Studienzeit Wilhelms hervorgehoben, die er für die Wende in den Ansichten des Prinzen verantwortlich machte: die Mitgliedschaft im Corps Borussia, den Umgang mit den in Bonn stationierten Königshusaren und den Einfluss des Geschichtsprofessors Maurenbrecher.

Röhl schließt sich den negativen Bewertungen über die Charaktereigenschaften des späteren Kaisers an, lehnt aber eine monokausale Erklärung ab. Er hält den frühen Biographen zugute, dass sie damals von Wilhelms Behinderung am linken Arm und den die Kindheit belastenden vergeblichen Behandlungsversuchen nichts wussten. Röhl sieht den Charakter Wilhelms bereits früher angelegt und nicht erst im Studium entstanden.[28]

Besuche als „Alter Herr“ in Bonn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen (1897) mit Band und Mütze des Corps Borussia Bonn

In den Jahren nach seinem Studium hat Wilhelm auch als Kronprinz und Kaiser weiterhin Interesse an den Corps gezeigt. So unterstützte er im Jahre 1881 die durch den Intendanturrat Leonhard Zander beim Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) zur Verhandlung auf dem Kösener Congress eingereichte „Denkschrift gegen Luxus und Protzentum“ mit dem Ziel einer Reform des Corpsstudentums, die u. a. von ihm und dem Reichskanzler Otto von Bismarck (als Mitglied des Corps Hannovera Göttingen) unterzeichnet wurde; diese beiden Voten gaben der Denkschrift für die Kaiserzeit ein erhebliches politisches Gewicht.[29] Die Zandersche Bewegung mündete schließlich in die von Paul Salvisberg 1887 angeregte Gründung des Verbandes Alter Corpsstudenten.

Am 8. Februar 1886 überbrachte eine Delegation von Aktiven dem Kronprinzen Wihelm das Band des Corps Borussia Bonn, was nur aufgrund eines Ausnahmebeschlusses des Kösener Congresses möglich war.

Am 60jährigen Stiftungsfest der Borussia nahm er 1887 teil.

Im Juni 1888 Thronbesteigung als König von Preußen und Deutscher Kaiser.

Kaiser Wilhelm II. besucht die Corps in Bonn 1891 (Karikatur aus dem Schweizer Nebelspalter)

Kaiser Wilhelm II. hielt auch nach seiner Thronbesteigung Kontakt zu seinem Corps in Bonn. Er betrachtete die Corps als erprobte Ausbildungsstätte des Führungsnachwuchses im Kaiserreich. Am 6. Mai 1891 wurde anlässlich seines Besuchs in Bonn im Dreikaisersaal des Hotels Kölner Hof ein feierlicher Kommers veranstaltet, bei dem Wilhelm den Vorsitz führte und Franz Moldenhauer ihm die Rede des SC hielt.[30] Dabei sagte Wilhelm II. in seiner Rede vor den Bonner Corpsstudenten:

„Ich hoffe, daß, solange es deutsche Korpsstudenten gibt, der Geist, wie er im Korps gepflegt wird und durch den Kraft und Mut gestählt wird, erhalten bleibt, und daß Sie zu allen Zeiten freudig den Schläger führen werden. Unsere Mensuren werden im Publikum vielfach nicht verstanden. Das soll uns aber nicht irre machen. Wir, die wir Korpsstudenten gewesen sind, wie Ich, wir wissen das besser. Wie im Mittelalter durch die Turniere der Mut und die Kraft des Mannes gestählt wurden, so wird auch durch den Geist und das Leben im Korps der Grad der Festigkeit erworben, der später im großen Leben nötig ist, und der bestehen wird, solange es deutsche Universitäten gibt.“

Kaiser Wilhelm II. [31]

Die Schweizer Satirezeitschrift Nebelspalter veröffentlichte zu diesem Ereignis eine Karikatur, die Wilhelm in Studententracht zeigte, wie er eine studentische Kneipe besucht. Dieses wird von einem Polizisten beobachtet, der offensichtlich gewohnt ist, in Studenten gegen die Staatsgewalt opponierende Jugendliche zu sehen, und nun entsprechend verwirrt ist. Die Beischrift lautet:

Da Wilhelm in Bonn den Studentencommers mitgemacht, werden natürlich sofort Corps gegründet werden „Burschen imperial“. Und die Folge? Die Polizei wird keinen davon mehr vom Kaiser unterscheiden können und ihn zu fassen wagen. Also frei ist der Bursch![32]

Zehn Jahre später, am 24. April 1901, wurde der Sohn von Kaiser Wilhelm II., Kronprinz Wilhelm, in Bonn immatrikuliert. Der Vater begleitete den Sohn und blieb drei Tage in Bonn, wo er mehrere Veranstaltungen des Bonner SC und des Corps Borussia besuchte [33]. Beim Kommers des Bonner SC sagte er in der Beethovenhalle vor 600 Teilnehmern:

Es bedarf wohl für Sie [...] nicht besonderer Erwägung oder Betonung, welche Gefühle Mein Herz durchzittern, wenn ich mich im lieben Bonn wieder unter Studenten finde. Es entrollt sich vor Meines Geistes Augen das herrlich schimmernde Bild voll Sonnenscheins und glücklicher Zufriedenheit, welches die Zeit meines Hierseins damals erfüllte. Freude am Leben, Freude an den Leuten, alt wie jung, und vor allem Freude am eben erstarkenden jungen Deutschen Reiche![34]

Zum 75jährigen Stiftungsfest der Borussia am 18. Juni 1902 war Wilhelm auch dabei, jetzt in Begleitung der Kaiserin. Er selbst hielt eine Lobrede auf seine Gattin, huldigte der "Landesfürstin" mit einem „urkräftigen Salamander“ und einem dreifachen „Hurra“.

Bildungspolitische Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kaiser Wilhelm II. auf der Konferenz 1890:

„Wer selber auf dem Gymnasium gewesen ist und hinter die Kulissen gesehen hat, der weiß, wo es da fehlt. Und da fehlt es vor allem an der nationalen Basis. Wir müssen als Grundlage für das Gymnasium das Deutsche nehmen; wir sollen nationale junge Deutsche erziehen und nicht junge Griechen und Römer… Wir müssen das Deutsche zur Basis machen. Der deutsche Aufsatz muß der Mittelpunkt sein, um den sich alles dreht… Deswegen sage ich, weg mit dem lateinischen Aufsatz, er stört uns, und wir verlieren unsere Zeit für das Deutsche darüber.“[35]

Kaiser Wilhelm II. verlieh den Technischen Hochschulen 1899 das Promotionsrecht und hielt auf den Dank der Hochschulen am 9. Januar 1900 folgende Ansprache:

„Es hat mich gefreut, die Technischen Hochschulen auszeichnen zu können. Sie wissen, daß sehr große Widerstände zu überwinden waren; die sind jetzt beseitigt. Ich wollte die Technischen Hochschulen in den Vordergrund bringen; denn sie haben größere Aufgaben zu lösen, nicht bloß technische, sondern auch große soziale Aufgaben. Sie sind bisher nicht so gelöst worden als Ich wollte. Sie können auf die sozialen Verhältnisse vielfach großen Einfluß ausüben, da ihre vielen Beziehungen zu der Arbeit und den Arbeitern und zur Industrie überhaupt eine Fülle von Anregungen und Einwirkungen ermöglichen. Sie sind deshalb auch in der kommenden Zeit zu großen Aufgaben berufen; die bisherigen Richtungen haben ja leider in sozialer Beziehung vollständig versagt. Ich rechne auf die Technischen Hochschulen. Die Sozialdemokratie betrachte ich als eine vorübergehende Erscheinung; sie wird sich austoben. Sie müssen aber Ihren Schülern die sozialen Pflichten gegen die Arbeiter klarmachen und die großen allgemeinen Aufgaben nicht außer Acht lassen. Also, ich rechne auf Sie. An Arbeit und Anerkennung wird es nicht fehlen.
Unsere technische Ausbildung hat schon große Erfolge errungen. Wir brauchen sehr viele technische Intelligenz im ganzen Lande; was brauchen schon die Kabellegungen und die Kolonien an technisch Gebildeten! Das Ansehen der deutschen Technik ist schon jetzt sehr groß. Die besten Familien, die sich sonst anscheinend ferngehalten haben, wenden ihre Söhne der Technik zu, und ich hoffe, daß das zunehmen wird. Auch im Auslande ist ihr Ansehen groß. Die Ausländer sprechen mit größter Begeisterung von der Bildung, die sie an Ihrer Hochschule erhalten haben. Es ist gut, daß Sie auch Ausländer heranziehen; das schafft Achtung vor unserer Arbeit. Auch in England habe ich überall die größte Hochachtung vor der deutschen Technik gefunden. Das habe ich jetzt wieder erfahren, weil man dort die deutsche technische Bildung und die Leistungen der deutschen Technik schätzt. Wenden Sie sich daher auch mit aller Kraft den großen wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben zu.“[36]

Söhne und Enkel an der Universität Bonn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vier der sechs Söhne von Kaiser Wilhelm II. wurden ebenfalls Mitglied beim Corps Borussia Bonn:

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilhelm Fabricius: Die Deutschen Corps. Eine historische Darstellung mit besonderer Berücksichtigung des Mensurwesens. Berlin 1898 (2. Aufl. 1926)
  • John C. G. Röhl: Wilhelm II. 3 Bände. Beck, München 1993–2008:
  • Manfred Studier: Der Corpsstudent als Idealbild der Wilhelminischen Ära – Untersuchungen zum Zeitgeist 1888 bis 1914. Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen, Bd. 3, Schernfeld 1990, ISBN 3-923621-68-X
  • Herbert Kater: Reden des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. In: Einst und Jetzt, Jahrbuch 1993 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, München und Stamsried/Opf. 1993, S. 271-273
  • Peter Hauser: Hohenzollern als Corpsstudenten in Bonn. WJK Verlag, Hilden 2014, ISBN 978-3-944052-49-6

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Wilhelm II of Germany as Corpsstudent – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Margret Lemberg: CIVIS GERMANUS SUM. Wilhelm II. und seine Zeit im Friedrichsgymnasium in Kassel, in: Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, Bd. 61, Marburg 1997, S. 987-1016 (Digitalisat)
  • Volker Ullrich: Kaiser Wilhelm II.Prinz und Bummelknabe in Zeit Campus Online Digitalisat

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Peter Hauser: Hohenzollern als Corpsstudenten in Bonn. WJK Verlag, Hilden 2014, S. 7f., ISBN 978-3-944052-49-6
  2. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 134f.
  3. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 37ff.
  4. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 138-148
  5. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 164–165
  6. Hannah Pakula: Victoria. Tochter Queen Victorias, Gemahlin des preußischen Kronprinzen, Mutter Wilhelm II. Marion von Schröder-Verlag, München 1999, S. 391 ISBN 3-547-77360-1
  7. Adamski, Peter, M. Baum, B. Elsas u.v.a.: "Ich bin Ich" - Wilhelm II. Kassel - das Friedrichsgymnasium. Geschichtswerkstatt am Friedrichsgymnasium, 1992
  8. Digitalisat des Reifezeugnisses des Kronprinzen Wilhelm
  9. Dazu auch: Ulf Morgenstern: Lehrjahre eines neoabsoluten Monarchen. Kaiser Wilhelm II. als Kasseler Abiturient im Spiegel eines unbekannten Aufsatzheftes, Friedrichsruher Beiträge Band 41, Otto-von-Bismarck-Stiftung, Friedrichsruh
  10. Universitätsarchiv Bonn (UAB): AB 08 (1872 – 1880). Immatrikulationsverzeichnis
  11. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 299
  12. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 308f.
  13. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 309-311
  14. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 312
  15. * Peter Hauser: Hohenzollern als Corpsstudenten in Bonn. WJK Verlag, Hilden 2014, S. 38f. ISBN 978-3-944052-49-6
  16. Mark Twain: A Tramp Abroad. London 1880
  17. Sie waren adrett und modisch gekleidet, ihre Manieren waren ganz ausgezeichnet, und sie führten ein leichtes, sorgloses und angenehmes Leben. Wenn ein Dutzend von ihnen beisammensaßen und eine Dame oder ein Herr vorbeiging, die oder den einer von ihnen kannte und grüßte, standen alle auf und nahmen ihre Mützen ab. Die Mitglieder eines Corps begrüßten auch immer ein Mitglied ihres eigenen Corps auf diese Weise; aber sie schenkten den Mitgliedern der anderen Corps keine Beachtung; sie schienen sie nicht einmal zu sehen. Das war keine Unhöflichkeit; es war nur Bestandteil der komplizierten und strengen Corps-Etikette
  18. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 302.
  19. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 302
  20. Constantin von Alvensleben: Im Glanz der Hohenzollern. Bonner Verbindungsleben in der Zeit des Wilhelminismus. In: Arbeitskreis Bonner Korporationen (Hrsg.): Studentenverbindungen und Verbindungsstudenten in Bonn. Haltern 1989, S. 73 ff.
  21. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 305f.
  22. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 306f.
  23. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 320-326
  24. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 293
  25. Harold Frederic: the Young Emperor. William II of Germany. A Study in Character Development on a Throne. London 1891, S. 46f.
  26. Joseph McCabe: The Kaiser. His Personality and Career. London 1915, S. 33-37
  27. Maurice Muret: Guillaume II. Paris 1940, S. 26f.
  28. John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 294f.
  29. N.N., Academische Monatshefte, 1881
  30. Hans Gerhardt: Hundert Jahre Bonner Corps. Die korporationsgeschichtliche Entwicklung des Bonner SC von 1819 bis 1918, 1926, S. 295 ff.
  31. Kaiser Wilhelm II. beim Antrittskommers des Bonner SC im Mai 1891, zitiert nach Adolf Meyer: Neue Schule des kommentmäßigen akademischen Schlägerfechtens, Leipzig 1906 (Nachdruck herausgegeben von Peter Hauser, WJK-Verlag, Hilden 2006) ISBN 3-933892-13-9
  32. Nebelspalter, Ausgabe 17, 1891, S. 21
  33. Peter Hauser: Hohenzollern als Corpsstudenten in Bonn. WJK Verlag, Hilden 2014, S. 16ff., ISBN 978-3-944052-49-6
  34. Johannes Penzler: Die Reden Kaiser Wilhelms II. 1901-1905. Leipzig 1906, S. 20-23, zitiert nach John C. G. Röhl: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888. 1993; 3. Auflage 2009, S. 301
  35. Wilhelm II., Eröffnungsansprache zur Schulkonferenz 1890. In: G. Giese (Hg.): Quellen zur deutschen Schulgeschichte seit 1800, Göttingen 1961, S. 196f.
  36. Herbert Kater: Reden des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. In: Einst und Jetzt 38, Jahrbuch 1993 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Stamsried/Oberpfalz 1993, S. 272