Bethsaida
Bethsaida („Haus des (Fisch-)Fanges“ oder „Haus der Jagd“) ist eine Ortschaft in der antiken Gaulanitis (Golan) am See Genezareth. Bekannt ist der Ort als Geburtsort der Apostel Petrus, Andreas und Philippus (Joh 1,44 EU). In späteren Schriften um das Jahr 400, u. a. von Chrysostomos und Hieronymus, werden auch die Apostel Jakobus und Johannes als aus Bethsaida stammend genannt.[1] Nach dem Evangelisten Matthäus nennt Jesus Bethsaida als einen der (von ihm als bekehrungsunwillig gerügten) galliläischen Orte - zusammen mit dem 8 km entfernten Chorazin -, an denen er die meisten Wunder getan habe (Mt 11,20-22 EU). In der Nähe von Bethsaida wird die Heilung eines Blinden lokalisiert (Mk 8,22-26 EU).
Die Ruinen der antiken Ortschaft wurden von Bargil Pixner bei Ausgrabungen des Jahres 1987 auf dem Hügel et-Tell entdeckt.
Lage
Et-Tell liegt nördlich des Sees Genezareth östlich der Mündung des Jordan in den See. Er liegt an der Straße 886 ca. 1,5 km vom jetzigen Ufer des Sees entfernt. Der Tell bedeckt eine Fläche von annähernd 80.000 Quadratmetern.
Siedlungsperioden
Bereits die ersten Grabungen unter dem Archäologen der Universität Haifa R. Arav in den Jahren 1987 und 1989 machten deutlich, dass der Ort in der Antike in folgenden Perioden besiedelt war: In der frühen Bronzezeit (ca. 3300–2300 v. Chr.), der Eisenzeit (ca. 1000 – 587 v. Chr.) und der hellenistisch-römischen Zeit (336 – 30 v. Chr.).
Eisenzeit
Die Archäologen gehen bisher davon aus, dass Bethsaida ca. 1000 v. Chr. gegründet wurde. Aufgrund der Größe und Bedeutung der Funde aus dieser Zeit könnte der Ort die Hauptstadt des Königreiches von Geshur gewesen sein. So fand man Reste einer bis zu 6 Meter starken Mauer, teilweise eine innere und eine äußere Stadtmauer.
Am bedeutendsten aber ist der Fund der Toranlage, die aus einem äußeren und einem inneren Tor (letzteres mit vier Kammern) bestand, sowie ein Toraltar (Bima) vor dem inneren Tor.
Zum Altar gehört eine Basaltstele mit dem Bild eines Stieres mit einem Dolch, der wohl den aramäischen Gott Hadad darstellen soll. Weiterhin wurden am Opferplatz Fragmente eines Beckens, eines Hörneraltars und Knochen von geopferten Tieren gefunden.
Die Stadt wurde von dem assyrischen König Tiglat-Pileser III. im Jahr 734 v. Chr. erobert (2 Könige 15, 29).
Hellenistisch-römische Zeit
Über die Bedeutung Bethsaidas erfahren wir etwas durch Flavius Josephus. Er berichtet, dass König Philippus das Dorf Bethsaida in den Rang einer Stadt (Polis) erhob, „ihr Einwohner und Einnahmequellen“ verschaffte und er den Namen der Stadt zu Ehren der Gattin des Kaisers Augustus im Jahre 30 in Julia-Livia änderte. Vier Jahre später starb Philippus, Sohn Herodes des Großen und Tetrarch von Gaulanitis. Er wurde in Julias (Bethsaida) - laut Flavius Josephus - „mit großem Prunk beigesetzt“.[2] Aus dieser Zeit (3. Jh. v. Chr. bis 1. Jh.) wurden mehrere Häuser freigelegt, insbesondere ein Fischer- und ein Weinbauernhaus. Das sogenannte Fischerhaus erhielt seinen Namen, weil hier zahlreiche Geräte, die der Fischerei dienten, gefunden wurden. Im sogenannten Weinbauernhaus wurden vier Weinkrüge im Weinkeller und eine Scherbe mit eingraviertem Kreuz im Wohnbereich in der Nähe des Torwegs zum Innenhof gefunden.
Diese Funde weisen auf die Bedeutung des Fischfanges und des Weinbaus für die Wirtschaft des Ortes hin. Überreste eines aus Kalksteinen bestehenden Gebäudes und der Fund von Weihrauchschaufeln in dessen Ruinen werden von den Wissenschaftlern als Reste des Tempels gedeutet, den König Philippus zu Ehren der Julia-Livia errichtete.
Byzantinische Zeit
Funde aus dem Jahr 2017 geben Hinweise auf eine "bedeutende, kostbar ausgeschmückte" byzantinische Kirche.[3]
Einzelnachweise
- ↑ Heinz-Wolfgang Kuhn: Betsaida/Bethsaida - Julias (et-Tell). Die ersten 25 Jahre der Ausgrabung (1987-2011). Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015, ISBN 978-3-525-54025-1, S. 154.
- ↑ Rainer Metzner: Die Prominenten im Neuen Testament. Ein prosopographischer Kommentar. Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015, ISBN 978-3-525-53967-5, S. 233.
- ↑ Markus Springer: Das Dorf des Petrus - ist das "richtige" Bethsaida jetzt gefunden? In: Sonntagsblatt (Bayern). 8. August 2017 (sonntagsblatt.de).
Literatur
- Georg Beer: Iulias 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band X,1, Stuttgart 1918, Sp. 97.
- Immanuel Benzinger: Bethsaida 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 365.
- Rami Arav, Richard Freund (Hrsg.): Bethsaida. A City by the North Shore of the Sea of Galilee 1–4. Truman State University Press 1995–2009.
- Monika Bernett, Othmar Keel: Mond, Stier und Kult am Stadttor: Die Stele von Betsaida (et-Tell) (= Orbis biblicus et orientalis 161). Fribourg, Göttingen 1998. ISBN 3-7278-1176-5
- Gabriele Faßbeck, Sandra Fortner, Andrea Rottloff, Jürgen Zangenberg (Hrsg.): Leben am See Gennesaret: Kulturgeschichtliche Entdeckungen in einer biblischen Region. Zaberns Bildbände zur Archäologie/Sonderbände der antiken Welt. Mainz, Philipp von Zabern 2003. ISBN 3-8053-2914-8
- Sandra Ann Fortner: Die Keramik und Kleinfunde von Bethsaida-Iulias am See Genezareth, Israel, Diss. 2005, München 2008. [1]
Weblinks
- Offizielle Grabungsberichte
- Friedrich Schipper: Bethsaida / Iulias. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
- In der Jewish Encyclopedia
Koordinaten: 32° 54′ 35,8″ N, 35° 37′ 49,9″ O