Borretsch

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Borretsch

Borretsch (Borago officinalis)

Systematik
Euasteriden I
Familie: Raublattgewächse (Boraginaceae)
Unterfamilie: Boraginoideae
Tribus: Boragineae
Gattung: Borretsch (Borago)
Art: Borretsch
Wissenschaftlicher Name
Borago officinalis
L.

Borretsch (Borago officinalis), auch Boretsch geschrieben, auch als Gurkenkraut[1] oder Kukumerkraut bezeichnet, ist eine zur Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae) gehörige Pflanze. Sie wird als Gewürz- und Heilpflanze verwendet und trägt daher das Artepithetonofficinalis“. Sie ist ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet und wird seit dem späten Mittelalter in Mitteleuropa kultiviert.

Behaarte runzelige Laubblätter
Ausschnitt eines Blütenstandes und blaue Blüte
Zwei Borretschblüten, die zunächst rosafarbene Blüte färbt sich später blau
Borretsch, Illustration
Honigbiene auf einer Borretschpflanze mit offenen und geschlossenen Blüten
Blütenstand und Blüte
Ein Cultivar mit weißen Blüten

Namensherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die gebräuchliche Bezeichnung Borretsch oder Boretsch (von mittelhochdeutsch boretsch; Synonym: lateinisch borago, geschrieben häufig auch Borrago[2]) gibt es eine Reihe unterschiedlicher Erklärungen. Einige Autoren leiten Borretsch vom lateinischen Wort borra, „Gewebe aus rauer Wolle“, ab und vermuten eine Beziehung zu den behaarten Stängeln und Blättern. Andere Autoren sind der Meinung, der Name stamme vom arabischen abu r-rach, „Vater des Schweißes“, und verweisen auf die in der Volksmedizin genutzte schweißtreibende Wirkung des Borretsch. Gelegentlich wird Borretsch auch auf das keltische Wort borrach (= Mut) zurückgeführt.

Der im Volksmund gelegentlich verwendete Name Gurkenkraut leitet sich vom charakteristischen Gurkengeschmack der Blätter ab. Weitere volkstümliche Bezeichnungen für die Art sind Blauhimmelstern, Herzfreude, Liebäuglein und Wohlgemutsblume. Weitere Trivialnamen: Augenzier, Barasie (mittelniederdeutsch) Barasien (mittelniederdeutsch), Baratze (mittelniederdeutsch), Beragä (Pinzgau), Bernarga (mittelhochdeutsch), Bernarghe (mittelhochdeutsch), Borach (mittelhochdeutsch), Borahe (mittelhochdeutsch), Borets (mittelhochdeutsch), Boretsch (mittelhochdeutsch), Borrasie (mittelhochdeutsch), Borrassye (mittelhochdeutsch), Burrase (mittelhochdeutsch), Burrasie (mittelhochdeutsch), Burres, Burretsch, Gegenstrass, Guckunnerkraut (Augsburg), Herzblümlein, Porrasie (mittelhochdeutsch) Porich, Porrist, Porstasie (mittelhochdeutsch), Puretsch (mittelhochdeutsch) und Wohlgemuth (Ostpreußen).[3]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vegetative Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Borretsch ist eine einjährige krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von bis zu 70 Zentimetern. Stängel und Laubblätter sind borstig behaart. Die derben, dunkelgrünen Laubblätter sind bei einer Länge von 10 bis 15 Zentimetern lanzettlich bis eiförmig. Die unteren Stängelblätter sind rosettig gehäuft, die oberen sind wechselständig.[4] Sie haben einen 2 bis 8 Zentimeter langen Stiel, der bei den oberen Blättern oft undeutlich ist.[4] Die Blattspreite ist etwa 3 bis 10 Zentimeter lang und (0,5-) 2 bis 5 (-8) Zentimeter breit.[4] Sie ist oft wellig und etwas runzelig und beiderseits behaart.[4]

Generative Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Der Blütenstiel ist 0,5 bis 2 Zentimeter lang.[4] Sie sind abstehend bis nickend in etwas beblätterten, ziemlich armblütigen Wickeln, die aber oft zu umfangreichen Doldenrispen zusammengesetzt sind.[4] Die zwittrigen Blüten sind fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf Kelchblätter sind verwachsen, die Kelchzipfel sind linealisch, dicht rauhaarig sowie während der Anthese sternförmig zurückgeschlagen. Die Kronblätter sind anfangs rosafarben und färben sich erst später während der Anthese durch die Änderung des pH-Werts leuchtend blau. Die Kronzipfel sind lanzettlich und spitz, die Kroneröhre ist sehr kurz.[4] Die fünf blauen Kronblätter tragen in der Blütenmitte Schlundschuppen. Die blaulila Staubblätter stehen so eng aneinander, dass sie einen Streukegel bilden. Die Staubbeutel sind etwa 7 Millimeter lang.[4] Der Fruchtknoten ist oberständig und befindet sich ebenso wie der Griffel im Inneren dieses Streukegels. Die Klausenfrucht zerfällt in Klausen, die ausgereift etwa 5 Millimeter lang und dunkelbraun sind. Sie tragen eine halbkugelig vorgewölbte als weißer Ölkörper ausgebildete Pseudostrophiole.[4]

Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 8; es liegt Diploidie vor mit einer Chromosomenzahl von 2n = 16.[5][1]

Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lebensform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Borretsch handelt es sich um einen mesomorphen Therophyten und eine Halbrosettenpflanze.[1]

Bestäubung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Blüten sind protandrisch (= vormännlich).[1] Das bedeutet, dass zuerst die Staubblätter reifen und den Pollen freigeben, und anschließend nach Verwelken der Staubblätter die Narbe reift und mitgebrachten Pollen bestäubender Insekten aufnehmen kann. Mit diesem Mechanismus wird die Wahrscheinlichkeit von Selbstbestäubung verringert.

Der in den Blüten enthaltene Farbstoff wirkt als Indikator. Wie Lackmus verfärbt er sich rot, wenn er in saure Lösungen kommt. Bei älteren Blüten ist eine leichte Rotfärbung zu beobachten.

Die blauen Blüten verfügen über leuchtende Strichsaftmale, die für bestäubende Insekten sichtbar, für den Menschen jedoch ohne Hilfsmittel nicht erkennbar sind. Neben Bienen suchen vor allem Hummeln die Blüten auf. Die bestäubenden Insekten fliegen die nickenden Blüten von unten an und halten sich dabei an den Schlundschuppen fest. Berühren sie die Außenseite des Streukegels einer im vormännlichen Stadium befindlichen Blüte, öffnet sich der Streukegel, und Pollen rieselt auf das Insekt herab. Bei Blüten, die im weiblichen Stadium sind, ist der Griffel aus dem Staubblattkegel herausgewachsen. Insekten, die pollenbestäubt eine solche Blüte besuchen, drücken dort den Pollen auf die Narbe des Griffels.

Fruchtbildung und Ausbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klausen, deutlich ist das weiße Elaiosom zu erkennen

Bei bestäubten Blüten bildet sich in den vier Fruchtfächern des Fruchtknotens jeweils ein hartes, einsamiges Nüsschen. An der Basis der Klausen befindet sich ein sogenanntes Elaiosom, ein Eiweißkörper. Durch dieses Elaiosom sind die reifen Samen für Ameisen als Nahrung interessant. Herabfallende Klausen, es sind die Diasporen, werden durch Ameisen eingesammelt und in die oft weit entfernten Baue verschleppt. Das Elaiosom wird dort von den Ameisen abgelöst und der unbeschädigte Samen wieder aus dem Bau heraustransportiert. Diese Ausbreitungsstrategie wird als Myrmechorie bezeichnet.

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Borretsch kommt ursprünglich in Nordafrika, Süd- und Osteuropa und in Westasien vor und ist in Nord- und Südamerika, in Australien, Neuseeland und auf den Azoren und Kanaren ein Neophyt.[6] Er ist im Mittelmeergebiet beheimatet und kommt dort vor allem auf Brachflächen vor. Die Pflanze wird in fast ganz Europa und Nordamerika kultiviert. Aufgrund dieser gezielten Einführung zählt man sie zu den ethelochoren Pflanzen. Als Gartenflüchtling ist sie an einigen Orten verwildert. Verwildert wurde sie noch im Inntal bei Samedan in 1400 bis 1700 Meter Meereshöhe beobachtet.[4]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 4+ (warm-kollin), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[7]

Nach Mitteleuropa gelangte der Borretsch im späten Mittelalter. Er wurde zuerst in Frankreich kultiviert und gelangte von dort aus nach Deutschland. Im 16. Jahrhundert wurde die Pflanze in Bauerngärten häufig angebaut. Angepflanzt wird er auch heute noch in Kräutergärten. Es existiert eine Kulturform mit weißen Blüten.

Inhaltsstoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Borretsch enthält kleine Mengen (etwa 2–10 mg pro Kilogramm getrocknete Pflanze)[8] verschiedener Pyrrolizidinalkaloide (Amabilin, Intermedin, Lycopsamin, Supinin, Thesinin). Amabilin, Intermedin, Lycopsamin und Supinin gelten als toxisch für die Leber. Daher ist nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung[9] ein regelmäßiger Genuss von Borretsch nicht zu empfehlen. Ein gelegentlicher Verzehr gilt als unbedenklich, ebenso ein Verzehr der Blüten und Samen sowie des aus den Samen gepressten Borretschöls, da diese die erwähnten Alkaloide nicht oder nur in Spuren enthalten.

Borretsch enthält außerdem Schleimstoffe, Gerbstoffe, Harz, Saponin, Kaliumnitrat, Kieselsäure, diverse Fettsäuren sowie ätherisches Öl. Der Vitamin-C-Gehalt der frischen Pflanze beträgt 149,3 mg pro 100 g Frischegewicht.

Borretschsamen enthalten zwischen 26 % und 38 % Öl. Dieses hat mit 17 % bis 28 % den höchsten bekannten Anteil an Gamma-Linolensäure[10] und enthält außerdem 35–38 % Linolsäure, 16–20 % Ölsäure, 10–11 % Palmitinsäure, 3,5–5,5 % Gadoleinsäure (11Z-Eicosensäure), 3,5–4,5 % Stearinsäure, 1,5–3,5 % Erucasäure, etwa 1,5 % Nervonsäure, sowie unter einem Prozent von Arachinsäure, Behensäure, Palmitoleinsäure, Vaccensäure, Myristinsäure, Eicosadiensäure und Alpha-Linolensäure[11].

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Borretsch in der Pflanzenheilkunde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Heilpflanzen werden verwendet:

  • Borretschblüten (Boraginis flos, Flores boraginis)
Sie enthalten Bornesit, Allantoin, Schleimstoffe, Kaliumsalze (bis zu 17 %).
In der Volksheilkunde wird die Arzneidroge angewendet bei Harnverhaltung, Fieber, Verschleimung der Atemwege, Durchfall sowie ferner bei Entzündungen, Rheumatismus, klimakterischen Beschwerden und zur Blutreinigung.
  • Borretschkraut, auch Gurkenkraut genannt (Boraginis herba)
Die Arzneidroge enthält Gerbstoffe (ca. 3 %), Kieselsäure (1,5–2,2 %), Schleimstoffe (bis zu 11 %) und Pyrrolizidinalkaloide.
Wegen des hohen Pyrrolizidin-Gehalts sollte die Arzneidroge nicht mehr pharmazeutisch angewendet werden, da diese Verbindungen genotoxisch und cancerogen wirken. Auch bei der Verwendung als Küchengewürz ist Vorsicht angezeigt.
Es enthält Fettsäureglyceride mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, insbesondere Gamma-Linolensäure. Es wird bei atopischen Ekzemen (Neurodermitis) eingesetzt.

Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass ein Extrakt aus Borretsch Amoebozoa abtötet[12].

Borretsch in der Heilkunde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Borretsch symbolisierte Fröhlichkeit und Lauterkeit im Denken. Plinius schrieb: „ich, Borretsch, bringe immer Freude“. Borretsch hatte den Ruf, die Lebensgeister zu wecken. So hieß es bei John Gerard in The Herball, or Generall Historie of Plantes (1597):

„Heute tun die Menschen die Blüten in den Salat, um sich fröhlich zu stimmen und die Laune zu verbessern. Vieles kann man aus der Pflanze machen, was das Herz erleichtert, die Sorgen vertreibt und den Geist erhebt. Die Blätter des Borretsch, im Wein zu sich genommen, machen Männer und Frauen froh und glücklich, vertreiben Trauer, Langeweile und Melancholie, das haben bereits Dioskorides und Plinius bestätigt. Sirup aus Borretschblüten ist gut für das Herz, lässt die Melancholie vergehen und beruhigt die Verrückten.“

Diese positiven Eigenschaften sind aus pharmakologischer Sicht nicht nachvollziehbar; die potentielle Toxizität der Pflanze lässt einen sorglosen Umgang mit ihr als bedenklich erscheinen.[13]

Verwendung in der Küche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Borretsch gekocht im aragonesischen Stil mit Knoblauch und Kartoffeln.

Die Blätter des Borretschs werden in Salaten gegessen oder in Suppen gekocht, auch eine Zubereitung als Gemüse ähnlich dem Spinat ist möglich. Aus den etwa drei Millimeter großen, dunklen Samen wird Borretschsamenöl gewonnen. Borretsch ist ein Bestandteil der Grünen Soße, die im Raum Frankfurt am Main (als Frankfurter Grüne Soße), in Mittelhessen und im Raum Kassel nach unterschiedlichen Rezepten als typisches Gericht der hessischen Regionalküche zubereitet wird. Borretsch wird dort auf regionalen Wochenmärkten, aber auch beim Lebensmittelhandel verkauft.

Blüten und Blätter haben einen gurkenähnlichen, erfrischenden Geschmack. Sie eignen sich sehr gut zum Aromatisieren von kalten Getränken. Feingehackt benutzt man die jungen Blätter als Würze für Obstsalate und Gemüse.

Die blauen Blüten sind essbar (sie enthalten deutlich weniger Alkaloide als die Blätter), haben einen süßlichen Geschmack und werden gerne als Salatdekoration verwendet. Essig lässt die Farbe der Blüten in rot umschlagen. Die Blüten können kandiert werden und so Süßspeisen dekorieren. Die Blüten werden dazu mit Eischnee bestrichen, mit Puderzucker bestreut und anschließend getrocknet.

In Ligurien wird Borretsch zur Füllung von Ravioli und Pansoti verarbeitet. In Großbritannien wird Borretsch vorwiegend mit dem Likör Pimm’s genossen und ist geschmacksgebender Bestandteil von Gilpin's Westmorland Extra Dry Gin.

Nicht zu verwechseln ist Borretsch mit persischem Borretschkraut (persisch گل گاوزبان Gol-e Gāw-Zabān, ‚Kuhzungenblume‘) einem Raublattgewächs (Echium amoenum), dessen getrocknete Blüten im Iran vor allem als Tee Verwendung finden, ebenso wenig mit Borschtsch, der früher Wiesen-Bärenklau enthielt.

Imkerei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pollen vom Borretsch (400×)

Für Imker zählt der Borretsch zu den Bienenweiden. Sein Nektar hat einen Saccharose-Gehalt von 42 bis 53 Prozent, jede einzelne Blüte produziert in 24 Stunden durchschnittlich 1,1 bis 1,3 mg Zucker.[14] Von einem mit Borretsch bestandenen Hektar Ackerland lassen sich Honigerträge zwischen 59 und 211 kg pro Blühsaison erzielen.[15]

Nach dem Bundesinstitut für Risikobewertung enthält der Honig von Borretsch Pyrrolizidinalkaloide (Pflanzengifte), die von den Bienen über den Pollen in den Honig eingetragen werden. Die Belastung sollte durch Beimischen von anderen, geringer belasteten Rohhonigen gesenkt werden.[16]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jh. galten Zubereitungen aus Borretsch (Borago spec.) und aus Ochsenzungen (Anchusa spec.), insbesondere aus deren Blüten, als wirksame Mittel zur „Reinigung des Blutes“ von „verdorbener roter colera“ und von „überschüssiger melancolia“. Die dazugehörigen Krankheitsbilder waren Herzschwäche, Herzrasen, Ohnmacht, Traurigkeit, Manie, „dreitägliches Fieber“ und „viertägliches Fieber“. Beiden Pflanzen wurden die gleichen Wirkungen zugeschrieben.

Unter dem Namen „Manus Christi“ galten Zucker-Verreibungen mit Destillaten aus Borretsch-Blüten oder aus Ochsenzungen-Blüten als Mittel gegen stärkste Schwächezustände bei Krankheiten des Herzens und gegen „Unsinnigkeit durch die Dämpfe der Melancholie“. Adel und aufstrebendes Bürgertum der frühen Neuzeit veredelten diese „Christus-Hände“ durch die Zugabe von zerstampften Perlen und von fein verriebenem Gold. Zusammen mit Duftveilchenblüten zählten Ochsenzungen- und Borretsch-Blüten zu den „drei flores cardinales bzw. cordiales.“[17] Zeitgenössische Fallbeschreibungen des Pseudo-Arnaldus de Villanova[18] und des Straßburger Wundarztes Hieronymus Brunschwig[19] legen nahe, dass Zubereitungen aus Borretsch und Ochsenzungen auch zur Behandlung von Kranken eingesetzt wurden, die „von Sinnen kamen, dass man sie binden musste.“

Zu Beginn des 19. Jh. wurden beide Pflanzen aus dem offiziellen therapeutischen Arsenal verbannt.[20] 1991 veröffentlichte die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes eine (Negativ-)Monographie über Boretsch-Blüten und Boretsch-Kraut, in der insbesondere wegen der im Borretsch in wechselnden Mengen enthaltenen, toxischen Pyrrolizidinalkaloide eine therapeutische Anwendung von Blüten und Kraut als nicht vertretbar beurteilt wurde.[21]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr – Jahrhundert Autor – Titel des Buches Indikationsangaben Besonderheiten
11. Jahrhundert Constantinus africanus. De gradibus liber.[22] Text: „Borrago ist heiß und feucht im ersten Grad. Er purgiert die rote Colera, hilft den Herzkranken und denjenigen, die von schwarzer Colera bedrängt werden. In Wein eingelegt und als Trank gereicht, bewirkt er Fröhlichkeit. Seine Abkochung mit Honig oder Zucker getrunken, hilft gegen Krankheiten der Brust, der Lunge und der Kehle.“[23] Dieser Text bildete – durch geringe Zusätze erweitert – die Grundlage für die „Borrago-Kapitel“ der Kräuterbücher bis zur frühen Neuzeit.
12. Jahrhundert Circa instans.[24] Borago. Heiß und feucht im erste Grad. Erzeugt gutes Blut. Ist gut gegen Kummer, Ohnmacht, Herzerkrankung, Melancholie, Herzstolpern, Epilepsie, und Gelbsucht.
13. Jahrhundert Deutsche Macer.[25] Borago heißt scharlei. Der weitere Text wurde wörtlich von Constantinus übernommen. Der Deutsche Macer gab dem „borrago“ den deutschen Namen „scharlei“.
13./14. Jahrhundert Pseudo-Arnaldus de Villanova. Bewahrung und Bereitung der Wein.[26] Borragen Wein. Herzerkrankung, Toben, Melancholie, Herz-Zittern, Blut-Reinigung, „böse Fantasie“, Räude und Aussatz. Bringt Freude und lindert den Leib. Stärkt das Sehvermögen.
15. Jahrhundert Büchlein von den ausgebrannten Wässern.[27] Porragen wasser. Indikationen wie Rosmarin. Lähmung und Flüsse vom Haupt.
1484 Herbarius moguntinus.[28] Borago boriß. Beginn mit dem Text des Circa instans. Zusätzlich: Verstopfung der Milz und Melancholie bzw. Viertage-Fieber.[29]
1485 Gart der Gesundheit.[30] Borago Porrich. Macht gutes Blut. Schwindel. Herz-Zittern. Große Fantasie und starke Melancolie mit Gefahr der Epilepsie. Gelbsucht. Porrich und Ochsenzungen zur Kräftigung.
1491 Hortus sanitatis.[31] Borago. A Bewirkt Fröhlichkeit und bekommt dem Herz wohl – B Reinigt die Wege der Lunge und des Halses – C Gut zur Erholung nach Trübsinn, Schwäche und Herzerkrankung – D Erzeugt gutes Blut – E Purgiert die colera rubea, bekommt den Herzkranken und nutzt den an colera nigra Leidenden – F Erzeugt Fröhlichkeit – G Gut für Lunge und Brust – H wie C – wie E.
1500 Hieronymus Brunschwig. Kleines Destillierbuch.[32] Burretsch. Kraut: A Entzündung nach Insektenstich – B Bauchgrimmen – C Bauchanschwellung – D Blutiger Durchfall – E Atemnot – F Dunkle Augen – G Ohrensausen – H Kräftigt das Herz – I Stärkt das Hirn – K Manie – L Herz-Fieber – M Erfreut Herz und Gemüt. Blumen: A Blutreinigung – B Melancholie – C Herz-Stechen – D Vorbeugung gegen Aussatz – E Lähmung – F Flüsse vom Haupt – G Fieberhafte Erkrankungen – H Gelbsucht – I Hitze der Leber – K Blutreinigung anstelle von Aderlass – L Öffnet Adern und Organe. Brunschwig unterschied zwischen einem „zahmen borrago“, das er als Borretsch (Borago officinalis), und einem „wilden borrago“, das er als Ochsenzunge (Anchusa spec.) deutete.
1532 Otto Brunfels. Contrafeyt Kreüterbuch.[33] Burretsch. Übernahme der Indikationen von Brunschwig 1500. Unter Berufung auf italienische Humanisten deutete Brunfels das „buglossum“ der „Alten“ als die Pflanze, die zu seiner Zeit als „borago“ angesehen wurde (Borago officinalis)[34]
1539 Hieronymus Bock. Kreüterbuch.[35] Burres. Kräftigung in der Rekonvaleszenz nach Depression, Drei- und Viertagefieber, Entzündung und braune Verfärbung im Mund- und Rachenraum.
1543 Leonhart Fuchs. New Kreüterbuch.[36] Burretsch. Wie Bock 1539.

Historische Abbildungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Angelika Lüttig, Juliane Kasten: Hagebutte & Co – Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Nottuln: Fauna Verlag 2003, ISBN 3-935980-90-6.
  • K. Hiller, M. F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. 2. Auflage. 2010, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN 978-3-8274-2053-4.
  • Avril Rodway: Kräuter und Gewürze. Die nützlichsten Pflanzen der Natur – Kultur und Verwendung. Tessloff Verlag, Hamburg 1980, ISBN 3-7886-9910-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Borretsch – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Borretsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Borretsch. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
  2. Vgl. etwa Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 137.
  3. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 61, archive.org.
  4. a b c d e f g h i j Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 1. Auflage, unveränderter Textnachdruck Band V, Teil 3. Verlag Carl Hanser, München 1966. S. 2230–2232.
  5. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 788.
  6. Borago im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 15. November 2017.
  7. Borago officinalis L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 9. Januar 2023.
  8. Michael McGuffin: Botanical Safety Handbook. CRC Press, 1997, ISBN 978-0-8493-1675-3, S. 20–21 (google.com).
  9. Volker Mrasek: Das Ende der grünen Soße?, Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 17. September 2013.
  10. National Non-Food Crops Centre. NNFCC Crop Factsheet: Borage, abgerufen im Februar 2011
  11. Sabine Krist, Gerhard Buchbauer, Carina Klausberger: Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. 2. Auflage, Springer, 2013, ISBN 978-3-7091-1004-1, S. 89 f.
  12. Leos-Rivas C., Verde-Star M.J., Torres L.O., Oranday-Cardenas A., Rivas-Morales C., Barron-Gonzalez M.P., Morales-Vallarta M.R., Cruz-Vega D.E., Verde-Star, Torres, Oranday-Cardenas, Rivas-Morales, Barron-Gonzalez, Morales-Vallarta, Cruz-Vega: In vitro amoebicidal activity of borage (Borago officinalis) extract on entamoeba histolytica. In: Journal of Medicinal Food. 14. Jahrgang, Nr. 7–8, 2011, S. 866–869, doi:10.1089/jmf.2010.0164, PMID 21476887.
  13. K. Hiller, M. F. Melzig MF: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. 2. Auflage. 2010, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN 978-3-8274-2053-4.
  14. Helmut Horn, Cord Lüllmann: Das große Honigbuch. 3. Aufl., Kosmos, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-10838-4, S. 30.
  15. Josef Lipp u. a.: Handbuch der Bienenkunde – Der Honig. 3. neubearb. Aufl., Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8001-7417-0, S. 38.
  16. Fragen und Antworten zu Pyrrolizidinalkaloiden in Lebensmitteln. (PDF) Bundesinstitut für Risikobewertung, 4. August 2014, abgerufen am 12. November 2015.
  17. Hieronymus Brunschwig: Großes Destillierbuch. Straßburg 1512, Blatt 151r-v (Digitalisat)
  18. Druck Esslingen 1478: Ochsen zungen wein. (Digitalisat)
  19. Kleines Destillierbuch. Straßburg 1500, Blatt 85r-86r (Digitalisat)
  20. Jean-Louis Alibert. Nouveuax élémens de thérapeutique et de matière médicale. 2. Auflage, Paris 1808, Band I, S. 579, Digitalisat Gallica
  21. Negativ-Monographie vom 12. Juli 1991: Boretsch-Blüten und Boretsch-Kraut (Digitalisat)
  22. Constantinus africanus. De gradibus liber. Druck Basel 1536, S. 348, (Digitalisat)
  23. Konstantin der Afrikaner. Liber pantegni. Buch I, Kapitel 25. De humoribus. … Cholera rubra … Cholera nigra … Druck Lyon 1515 (Digitalisat). Deutsche Teilübersetzung in: Lorenz Fries. Spiegel der Arznei. Straßburg 1518, Blatt XXIv (Digitalisat)
  24. Druck Venedig 1497, Blatt 191r (Digitalisat)
  25. Heidelberg. Cpg 226. Elsass 1459–1469, Blatt 202r (Digitalisat)
  26. Druck Esslingen 1478 (Digitalisat)
  27. Druck Bämler, Augsburg 1478 (Digitalisat)
  28. Kapitel 23 (Digitalisat)
  29. Lorenz Fries. Spiegel der Arznei. Blatt 172r: „Tertiana vera welches ein feber ist von luterer colera rubra. … Terciana nota … daz mit der fücht colera flegma vermischt ist …“[1] Blatt 172v: „Quartana vera kummet von fülung der natürlichen melancoly … mit herte vnd verstopffung des miltz …“[2]
  30. Kapitel 56 (Digitalisat)
  31. Teil I, Kapitel 78 (Digitalisat)
  32. Blatt 21v (Digitalisat)
  33. Contrafeyt Kreüterbuch, S. 43 (Digitalisat)
  34. Herbarum vivae eicones. 1530, S. 114 (Digitalisat)
  35. Teil I, Kapitel 78 (Digitalisat)
  36. Kapitel 51 (Digitalisat)