Bundeskanzleramt (Deutschland)
Das Bundeskanzleramt in Berlin und Bonn ist eine Behörde, die den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in seinen Aufgaben unterstützt.
Gebäude
Heutiges Gebäude
Das ausdrucksstarke Gebäudeensemble des neuen Bundeskanzleramtes im Berliner Spreebogen wurde vom Berliner Architekten Axel Schultes geplant und konnte 2001 bezogen werden. Es ist Teil der „Band des Bundes“ genannten Gebäudegruppe am Spreebogenpark. Mit einer Gesamtfläche von 12.000 m² und einer Höhe von 36 m übertrifft es die Berliner Traufhöhe von 22 m und ist eines der größten Regierungshauptquartiere der Welt (8-mal so groß wie das Weiße Haus in Washington). Da der Bundeskanzler Verfassungsorgan ist, sollte sein Gebäude jedoch nicht weniger hoch als das gegenüberliegende Reichstagsgebäude sein, der Sitz des Bundestags. Das Gebäude ist sehr modern, mit weitgehend verglasten Außenflächen. Die jeweils großflächig benutzten Farben sollen jeweils eine eigene, genau festgelegte Symbolwirkung haben. Absichtlich arbeiten die politischen Beamten und der Stab des Bundeskanzler räumlich über der Verwaltung. Kritisiert werden im neuen Bundeskanzleramt die z. T. langen Wege. Es gibt jedoch nicht nur eine sehr gute elektronische Kommunikation, sondern auch ein Rohrpostsystem für den Aktenversand. Es werden Besuchergruppen vorgelassen, wenngleich unter äußerst hohen Sicherheitsstandards (Eingangskontrolle wie am Flughafen, Ausweiskontrolle, zuvor angefertige Namenslisten, Begleitung jeder Besuchergruppe durch BKA-Beamte). In der siebenten Etage befindet sich das Kanzlerbüro. Das Gebäude verfügt über keine Wohnräume für den Kanzler (auch wenn Gerhard Schröder hier einen provisorischen Schlafraum hatte). Eigentlicher Wohnsitz des Bundeskanzlers ist eine Villa im Stadtteil Berlin-Dahlem, die jedoch zur Zeit vom Bundestagspräsidenten bewohnt wird.
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Das Bundeskanzleramt in Berlin vom Dach des Reichstagsgebäudes aus gesehen
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Bundeskanzleramt, von Süden
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Bundeskanzleramt, von Norden
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Bundeskanzleramt, von Westen
Das Gebäude hat eine hocheffiziente Energieversorgung, durch welche das Gebäude bei Bedarf sogar autark versorgt werden kann. Im Keller des Bundeskanzleramts ist ein modernes Blockheizkraftwerk, welches mit Biodiesel betrieben wird, installiert. Zudem verfügt das Blockheizkraftwerk über eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, so dass damit im Sommer auch das Kanzleramt klimatisiert werden kann. Überschüssige Wärme des Blockheizkraftwerkes wird in einem Salzstock in 300 m Tiefe zwischengespeichert.
Auf dem Dach des Kanzleramtes ist eine Solarmodulfläche von circa 1.300 m² installiert. Die Module der Photovoltaikanlage liefern derzeit eine elektrische Leistung von ungefähr 150 kWpeak. Insgesamt 90 Wechselrichter sind erforderlich, um die erzeugte Energie in Wechselstrom umzuwandeln. Die Wechselrichter speisen den Sonnenstrom dezentral in das Hausnetz des Bundeskanzleramtes ein. Zusätzlich bezogener Strom ist ausschließlich Ökostrom von der Bewag und wird aus einem Mix von Wasserkraft, Biomasse und Solarenergie hergestellt.
Der Berliner Volksmund nennt das Gebäude despektierlich auch „Elefantenklo“ oder „Waschmaschine“.
- Commons: Bundeskanzleramt (Berlin) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Frühere Kanzleramtsgebäude
Als erstes Kanzleramt der Bundesrepublik diente ab 1949 das Palais Schaumburg in Bonn. Abgelöst wurde es 1976 von einem architektonisch schlichten Neubau der Planungsgruppe Stieldorf. Hausherr Helmut Schmidt ließ 1979 den Vorplatz umgestalten und dort die Skulptur Two Large Forms von Henry Moore aufstellen. Mit dem Regierungsumzug 1999 wurde das Gebäude dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übergeben.
Hierzu wurde im Zeitraum von 1999 bis 2006 eine umfangreiche Generalinstandsetzung durchgeführt, in deren Gesamtumfang eine der in Deutschland größten Spritzasbest-Sanierungsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt wurde. Seither ist der Bonner Dienstsitz des Bundeskanzlers wieder das Palais Schaumburg, in dem sich verschiedene Abteilungen befinden.
Durch den Regierungsumzug nach Berlin wurde 1999 wiederum ein neuer Amtssitz nötig. Als Übergangslösung bis zur Fertigstellung des Neubaus (2001) diente vorerst das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR am Berliner Schloßplatz.
Aufgaben und Struktur
Das Bundeskanzleramt zählt nach einer Meinung zu den obersten Bundesbehörden; eine andere Meinung sieht es jedoch als obere Bundesbehörde an, da es sich dabei um eine dem Bundeskanzler nachgeordnete Dienststelle handelt. Aufgabe des Bundeskanzleramtes ist es, die für die Arbeit des Bundeskanzlers erforderlichen Informationen zu beschaffen und bereitzuhalten. Dies geschieht vor allem durch engen Kontakt zu den Bundesministerien, die ihrerseits über die ressortspezifischen Informationen verfügen. Die innere Struktur des Bundeskanzleramts entspricht daher auch den jeweiligen Ministerien – man spricht hier auch von Spiegelreferaten. Dem Auswärtigen Amt entspricht beispielsweise die Abteilung II (Außen- und Sicherheitspolitik) mit Bernd Mützelburg an der Spitze.
Das Bundeskanzleramt koordiniert die Bundesministerien, zum Beispiel bei Großen Anfragen. Des Weiteren nimmt es die administrativen Aufgaben der Bundesregierung wahr.
Chef des Bundeskanzleramtes
Die Behörde wird vom Chef des Bundeskanzleramtes (abgekürzt ChBK oder ChefBK) geleitet, der entweder den Rang eines (beamteten) Staatssekretärs bekleidet oder Bundesminister für besondere Aufgaben ist - daher auch die inoffizielle, aber in den Medien gebräuchliche Bezeichnung "Kanzleramtsminister".
Er fungiert als zentrale Koordinierungsstelle für die gesamte Regierungspolitik des Bundes und besitzt dadurch eine herausragende Bedeutung, die jedoch meist im Hintergrund, ohne öffentliche Aufmerksamkeit, stattfindet.
Sofern die Bundeskanzlerin nicht selbst entscheidet, legt der ChefBK die Sitzungstermine des Bundeskabinetts und die jeweilige Tagesordnung fest. Er veranlasst die Einladung zu den Sitzungen. Er leitet außerdem die Runden der beamteten Staatssekretäre aller Bundesministerien, die regelmäßig zwei Tage vor der Kabinettssitzung stattfinden. An der Sitzungen des Bundeskabinetts und aller seiner Ausschüsse nimmt der ChefBK ebenfalls teil - hat er den Rang eines Bundesministers, so besitzt er auch Stimmrecht.
Da dem Bundeskanzleramt auch der Bundesnachrichtendienst direkt untergeordnet ist, sitzt er dem "Staatssekretärsausschuss für das geheime Nachrichtenwesen und Sicherheit" vor und fungiert gleichzeitig auch als der Beauftragte der Bundesregierung für die Nachrichtendienste - nicht zu verwechseln mit dem Geheimdienstkoordinator.
Chefs des Bundeskanzleramtes
- 1950–1951 Walter Hallstein (CDU), als (beamteter) Staatssekretär
- 1951–1953 Otto Lenz (CDU), als (beamteter) Staatssekretär
- 1953–1963 Hans Globke (CDU), als (beamteter) Staatssekretär
- 1963–1966 Ludger Westrick (CDU), erst als (beamteter) Staatssekretär, ab 1964 als Bundesminister für Sonderaufgaben und den Verteidigungsrat
- 1966–1967 Werner Knieper, als (beamteter) Staatssekretär
- 1967–1969 Karl Carstens (CDU), als (beamteter) Staatssekretär
- 1969–1972 Horst Ehmke (SPD), als Bundesminister für besondere Aufgaben
- 1972–1974 Horst Grabert (SPD), als (beamteter) Staatssekretär
- 1974–1980 Manfred Schüler, als (beamteter) Staatssekretär
- 1980–1982 Manfred Lahnstein (SPD), als (beamteter) Staatssekretär
- 1982 (27. April – 4. Oktober) Gerhard Konow (parteilos), als (beamteter) Staatssekretär
- 1982–1984 Waldemar Schreckenberger (parteilos), als (beamteter) Staatssekretär
- 1984–1989 Wolfgang Schäuble (CDU), als Bundesminister für besondere Aufgaben
- 1989–1991 Rudolf Seiters (CDU), als Bundesminister für besondere Aufgaben
- 1991–1998 Friedrich Bohl (CDU), als Bundesminister für besondere Aufgaben
- 1998–1999 Bodo Hombach (SPD), als Bundesminister für besondere Aufgaben
- 1999–2005 Frank-Walter Steinmeier (SPD), als (beamteter) Staatssekretär
- seit November 2005 Thomas de Maizière (CDU), als Bundesminister für besondere Aufgaben
Parlamentarische Staatssekretäre beim Bundeskanzler
- 1967–1969 Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CSU)
- 1969–1972 Katharina Focke (SPD)
- 1972–1974 Karl Ravens (SPD)
- 1974–1976 Marie Schlei (SPD)
Staatsminister beim Bundeskanzler
- 1976–1979 Hans-Jürgen Wischnewski (SPD)
- 1979–1982 Gunter Huonker (SPD)
- 1982 Hans-Jürgen Wischnewski (SPD), Bevollmächtigter der Bundesregierung in Berlin
- 1982–1984 Philipp Jenninger (CDU)
- 1982–1987 Friedrich Vogel (CDU)
- 1982–1987 Peter Lorenz (CDU), Bevollmächtigter der Bundesregierung in Berlin
- 1987–1991 Lutz Stavenhagen (CDU)
- 1987–1989 Lieselotte Berger (CDU), Bevollmächtigte der Bundesregierung in Berlin
- 1989–1990 Günter Straßmeir (CDU), Bevollmächtigter der Bundesregierung in Berlin
- 1990–1998 Anton Pfeifer (CDU)
- 1991–1998 Bernd Schmidbauer (CDU)
- 1998–2005 Rolf Schwanitz (SPD), als Beauftragter der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Neuen Länder
- 1998–2002 Hans Martin Bury (SPD), als Bund-Länder-Koordinator
- 1998–2001 Michael Naumann (SPD), als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien
- 2001–2002 Julian Nida-Rümelin (SPD), als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien
- 2002–2005 Christina Weiss (parteilos), als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
- seit 2005 Bernd Neumann (CDU), als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien
- seit 2005 Maria Böhmer (CDU), als Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
- seit 2005 Hildegard Müller (CDU), als Bund-Länder-Koordinatorin
Beamtete Staatssekretäre im Bundeskanzleramt
- 1949–1951 Franz-Josef Wuermeling (CDU) kommissarisch
- 1958–1965 Felix von Eckardt (CDU), Sprecher der Bundesregierung, ab 1962 Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland in Berlin
- 1962–1967 Karl-Günther von Hase, Sprecher der Bundesregierung
- 1965–1969 Carl Krautwig, Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland in Berlin
- 1968–1969 Günter Diehl, Sprecher der Bundesregierung
- 1969–1972 Conrad Ahlers (SPD), Sprecher der Bundesregierung
- 1969–1972 Egon Bahr (SPD), Sprecher der Bundesrepublik Deutschland in Berlin
- 1973–1974 Rüdiger von Wechmar (FDP), Sprecher der Bundesregierung
- 1974–1980 Klaus Bölling, Sprecher der Bundesregierung
- 1974–1982 Dietrich Spangenberg (SPD), Bevollmächtigter der Bundesregierung in Berlin
- 1973–1981 Günter Gaus (SPD), ab 1974 Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR
- 1980–1982 Kurt Becker, Sprecher der Bundesregierung
- 1981–1982 Klaus Bölling, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR, ab April 1982 Sprecher der Bundesregierung
- 1982–1989 Hans-Otto Bräutigam, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR
- 1982–1983 Diether Stolze, Sprecher der Bundesregierung
- 1983–1985 Peter Boenisch, Sprecher der Bundesregierung
- 1984–1989 Waldemar Schreckenberger
- 1985–1989 Friedhelm Ost, Sprecher der Bundesregierung
- 1989–1990 Franz Bertele, Leiter der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR
- 1990–1995 Dieter Vogel, Sprecher der Bundesregierung
- 1998–1999 Frank-Walter Steinmeier (SPD)
Literatur
- Thomas Knoll: Das Bundeskanzleramt. Organisation und Funktion von 1949-1999. Wiesbaden 2004
- Karl-Rudolf Korte: Kommt es auf die Person des Kanzlers an? Zum Regierungsstil von Helmut Kohl in der „Kanzlerdemokratie“ des deutschen „Parteienstaates“. ZParl 29, 1998, S. 387–401
- Peter Haungs: Kanzlerprinzip und Regierungstechnik im Vergleich: Adenauers Nachfolger. APuZ 39, 1989, B 1-2, S. 28–39
- Jürgen Gros: Das Kanzleramt im Machtgeflecht von Bundesregierung, Regierungsparteien und Mehrheitsfraktion. In: Karl-Rudolf Korte/Gerhard Hirscher (Hrsg.): Darstellungspolitik oder Entscheidungspolitik. Über den Wandel von Politikstilen in westlichen Demokratien. München 2000
- Katja Schlesinger: Ausbau der Hausmacht im Bundeskanzleramt. Die Systeme Schmidt, Kohl und Schröder. Köln 2000, (unver.MA, Fundstelle: http://www.karl-rudolf-korte.de/data/mag_schlesinger.pdf, 3. Mai 2006)