Café Josty

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Das Café Josty war eine Berliner Konditorei, deren bekannteste Filiale das Künstlercafé am Potsdamer Platz war. Eine Dependance befand sich im Ortsteil Wilmersdorf, eine weitere in Charlottenburg in der Joachimsthaler Straße 44[1] am Bahnhof Zoo. Im Jahr 2001 eröffnete im Sony Center, unweit des früheren Standorts der Hauptfiliale, ein mittlerweile wieder geschlossenes Restaurant, das den Namen Café Josty verwendete.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Paul Hoeniger: Im Café Josty

Die Gebrüder Josty wanderten Ende des 18. Jahrhunderts aus Sils in der Schweiz nach Berlin aus, wo sie 1796 die Zuckerbäckerei Johann Josty & Co. gründeten. Aus diesem Unternehmen heraus entwickelte sich das Café Josty, das ab mindestens 1812 bestand, zuerst An der Stechbahn 1 (am ehemaligen Berliner Stadtschloss) und schließlich ab 1880 am Potsdamer Platz.

Schon an den früheren Adressen verkehrten im Café Josty Künstler wie Heinrich Heine, Joseph von Eichendorff und die Brüder Grimm, im Kaiserreich auch Theodor Fontane und Adolph Menzel.

Der Schriftsteller und Dichter Heinrich Heine schrieb 1822 in seinen Briefen aus Berlin:

„Aber gerade vor uns ist die Stechbahn, eine Art Boulevard. Und hier wohnt Josty! – Ihr Götter des Olymps, wie würde ich euch euer Ambrosia verleiden, wenn ich die Süßigkeiten beschriebe, die dort aufgeschichtet stehen. Oh, kenntet ihr den Inhalt dieser Baisers! O Aphrodite, wärest du solchem Schaum entstiegen, du wärest noch viel süßer! Das Lokal ist zwar eng und dumpfig und wie eine Bierstube dekoriert, doch das Gute wird immer den Sieg über das Schöne behaupten; zusammengedrängt wie die Bücklinge sitzen hier die Enkel der Brennen und schlürfen Creme und schnalzen vor Wonne und lecken die Finger.“

Heinrich Heine: Briefe aus Berlin[2]

Um 1900 verkaufte die Familie Josty das Café an die Witwe des Gründers des Café Bauer. Das Josty wurde daraufhin modernisiert, behielt aber seinen angestammten Namen. In den 1920er und 1930er Jahre firmierte das Unternehmen unter J. Josty & Co. GmbH, Café und Konditorei.

Eine weitere Filiale bestand in der Kaiserallee 201 (seit 1950: Bundesallee) in Höhe der Trautenaustraße in Berlin-Wilmersdorf. Einer der bekanntesten Romane aus der Zeit der Weimarer Republik, das Kinderbuch Emil und die Detektive von Erich Kästner, spielt in einer wichtigen Szene in dieser Filiale des Café Josty. Kästner verfasste das Buch im Jahr 1929 auch dort, wohnte er zu dieser Zeit doch nur wenige Meter entfernt in der Prager Straße 17.

Café Josty am Potsdamer Platz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeppelin LZ 127 über dem Potsdamer Platz, um 1930. Unten im Bild das Haus mit dem Café Josty

Die Hauptfiliale befand sich im Haus Bellevuestraße 21/22 und ermöglichte vom Café und vom Vorgarten aus einen direkten Blick über den verkehrsreichen Potsdamer Platz in die Leipziger Straße.

Im 20. Jahrhundert wurde das Café Josty zu einem wichtigen Treffpunkt für Künstler, besonders des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Sie zog vor allem die Dynamik des Potsdamer Platzes und seine Modernität an. Paul Boldt verewigte den Blick aus dem Café in einem 1912 in der Zeitschrift Die Aktion veröffentlichten[3] Sonett Auf der Terrasse des Café Josty.

Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
Vergletschert alle hallenden Lawinen
Der Straßentrakte: Trams auf Eisenschienen,
Automobile und den Menschenmüll.

Die Menschen rinnen über den Asphalt,
Ameisenemsig, wie Eidechsen flink.
Stirne und Hände, von Gedanken blink,
Schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.

Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
Und lila Quallen liegen – bunte Öle;

Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen. –
Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,
Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.

Das Haus mit der Conditorei Friediger während der Reichspräsidentenwahl 1932

Das Gebäude mit dem Café Josty ist auf zahlreichen Ansichtskarten vom Potsdamer Platz zu sehen. Über dem zweiten Obergeschoss war bis 1930 der Schriftzug Josty’s Conditorei u. Café angebracht. Oberhalb des dritten Obergeschosses waren zunächst drei Zeilen mit je 15 Leuchtbuchstaben montiert, ab 1927 für wenige Jahre eine beleuchtete Wanderschriftanlage. Bis spätestens 1930 war die Wanderschriftanlage wieder abgebaut und durch eine große Reklame für Chlorodont Zahnpasta ersetzt. Direkt über dem Café Josty hatte bis 1933 der bekannte Rechtsanwalt Erich Frey seine Kanzlei.

Im März 1930 zog das Café Josty vom Potsdamer Platz in die Friedrich-Ebert-Straße 1 (seit 1947: Ebertstraße) Ecke Lennéstraße, gegenüber der Gartenseite der Grundstücke des Reichskanzler-Palais und des Auswärtigen Amtes.

Der alte Stammsitz am Potsdamer Platz wurde ab Mitte 1930 von der Conditorei Friediger weitergeführt. Bereits 1934/1935 fand ein erneuter Betreiberwechsel zum Kaffee Potsdamer Platz unter Alice Barton statt.[4]

Die Gebäude, in denen sich das Künstlercafé am Potsdamer Platz und in der Friedrich-Ebert-Straße befanden, wurden – wie fast alle Bauten in diesem Bereich – im Zweiten Weltkrieg zerstört.

In Wim Wenders Film Der Himmel über Berlin sucht in einer Szene ein alter Mann den Ort, an dem das Café Josty einst stand, kann ihn jedoch nicht wiederfinden – so umfangreich ist die Zerstörung.

Das neue Café Josty[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das neue Café Josty entstand 2001 im Sony Center, etwa 200 Meter vom früheren Standort der Hauptfiliale entfernt.[5] Dabei wurde der historische Frühstückssaal des Grand Hotels Esplanade am leicht veränderten Ort wieder aufgebaut. Dieses war ein – mittlerweile wieder geschlossenes – Restaurant und hatte außer dem Namen mit seinem Vorgänger nichts gemein.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Café Josty – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Berlin and its Environs. Baedeker, 1912, S. 11.
  2. Erster Brief, 26. Januar 1822
  3. Erstveröffentlichung: Die Aktion, Band 2, Jg. 1912, Nr. 46
  4. Kaffeehäuser. In: Berliner Adreßbuch, 1935, Teil 2, S. 277. „Kaffee Potsdamer Platz, Inh. Alice Barton“.
  5. Café Josty am Potsdamer Platz eröffnet. In: Berliner Zeitung, 28. April 2001

Koordinaten: 52° 30′ 36″ N, 13° 22′ 25″ O