Cantorsches Produkt

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Als cantorsches Produkt bezeichnet man in der Analysis ein unendliches Produkt, dessen Glieder aus rationalen Zahlen der Form bestehen, wobei die darin auftretenden Nenner stets natürliche Zahlen sind und zudem immer so beschaffen, dass der Nenner des -ten Gliedes stets mindestens so groß ist wie das Quadrat des zum vorangehenden -ten Glied gehörigen Nenners [1][2]

Die cantorschen Produkte wurden von Georg Cantor in einer Arbeit aus dem Jahre 1869 eingeführt. Wie Cantor darin zeigte, lässt sich jede beliebige reelle Zahl in Form eines cantorschen Produkts darstellen. Grundlegend für Cantors Darlegungen ist dabei die auf Leonhard Euler zurückgehende eulersche Produktgleichung

,

welche für alle reellen (und darüber hinaus sogar für alle komplexen) Zahlen des Betrags Gültigkeit hat.[3]

Cantors Satz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cantors Satz über die cantorschen Produkte lässt sich zusammengefasst wie folgt darstellen:

Sei eine reelle Zahl. Dann gilt:[3][1]
(I) Zu lässt sich eine und nur eine Zahlenfolge natürlicher Zahlen so bestimmen, dass eine Produktdarstellung der Form
hat, wobei in dieser Zahlenfolge für jeden Index die Ungleichung erfüllt ist und zudem nur endlich viele Folgenelemente sind.
(II) Jedes cantorsche Produkt, also jedes unendliche Produkt der in (I) beschriebenen Form, ist konvergent.
(III) ist genau dann eine rationale Zahl, wenn in der cantorschen Produktdarstellung gemäß (I) ab einem Index für alle nachfolgenden Indizes stets die Identität besteht.

Algorithmus zur Bestimmung der cantorschen Produktdarstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zahlenfolge lässt sich ausgehend von wie folgt induktiv festlegen:[1]

[4] und für

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für gilt stets
mit und .
Insbesondere gilt für :
[5]
  • Weitere Beispiele von Cantor:[3]
[6]

Anmerkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Im ersten Band des Lexikons der Mathematik werden auch endliche Produkte, welche ansonsten die beiden oben genannten Nebenbedingungen erfüllen, als cantorsche Produkte behandelt. Zudem wird für alle gefordert.
  • Perron erwähnt zu den cantorschen Produkten in den Irrationalzahlen, dass diese sehr rasch konvergieren.[1] Aus ihnen kann man daher mit nur wenigen Rechenschritten sehr gute Näherungsbrüche für alle reellen Zahlen > 1 gewinnen.
  • Auf Euler gehen zwei weitere bemerkenswerte eulersche Produktdarstellungen zurück, nämlich die folgenden beiden, die in der modernen Funktionentheorie auf dem Wege über Thetafunktionen hergeleitet werden:[7][8]
Für jede komplexe Zahl des Betrages gilt:
[9]
sowie
.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jonathan M. Borwein, Peter B. Borwein: Pi and the AGM. A Study in Analytic Number Theory and Computational Complexity (= Canadian Mathematical Society series of monographs and advanced texts. Band 4). John Wiley & Sons, New York 1987, ISBN 0-471-83138-7.
  • Georg Cantor: Zwei Sätze über eine gewisse Zerlegung der Zahlen in unendliche Producte. In: Zeitschrift für Mathematik und Physik. Band 14, 1869, S. 152–158 (gdz.sub.uni-goettingen.de).
  • Georg Cantor: Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1932. Springer Verlag, Berlin / New York 1980, ISBN 3-540-09849-6 (MR0616083).
  • Oskar Perron: Irrationalzahlen (= Göschens Lehrbücherei: Gruppe 1, Reine und angewandte Mathematik. Band 1). 4. durchgesehene und ergänzte Auflage. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1960 (MR0115985).
  • Adolf Hurwitz: Vorlesungen über allgemeine Funktionentheorie und elliptische Funktion. Herausgegeben und ergänzt durch einen Abschnitt über Geometrische Funktionentheorie von R. Courant. Mit einem Anhang von H. Röhrl (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band 3). 4., vermehrte und verbesserte Auflage. Springer Verlag, Berlin (u. a.) 1964.
  • Guido Walz [Red.]: Lexikon der Mathematik in sechs Bänden. Band 1. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg / Berlin 2002, ISBN 3-8274-0303-0.

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Oskar Perron: Irrationalzahlen (= Göschens Lehrbücherei: Gruppe 1, Reine und angewandte Mathematik. Band 1). 4. durchgesehene und ergänzte Auflage. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1960, S. 128 ff. (MR0115985).
  2. Lexikon der Mathematik in sechs Bänden. Band 1, S. 278.
  3. a b c Cantor: Gesammelte Abhandlungen... S. 43 ff.
  4. ist die Gaußklammerfunktion.
  5. Diese Produktdarstellung von taucht auch in der Arbeit von Cantor auf. Dabei unterlief Cantor ein Rechenfehler und anstelle des korrekten Wertes fälschlich angegeben. Perron nennt in den Irrationalzahlen hierfür den korrekten Wert.
  6. Auch bei war Cantor ein Rechenfehler unterlaufen, denn er nannte anstelle des korrekten Wertes fälschlich .
  7. Hurwitz-Courant: Funktionentheorie ( § 11). S. 207.
  8. Borwein-Borwein: Pi ...( Ch. 3.1). S. 64–65.
  9. Laut Borwein-Borwein ist dies der eulersche Pentagonalzahlsatz.