Wilhelm Jordan (Schriftsteller)

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Wilhelm Jordan

Carl Friedrich Wilhelm Jordan (* 8. Februar 1819 in Insterburg, Ostpreußen; † 25. Juni 1904 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Schriftsteller und Politiker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Sohn des Pfarrers Karl August Jordan besuchte Jordan die Friedrichsschule Gumbinnen und die Königliche Litthauische Provinzialschule in Tilsit. Er studierte ab 1838 an der Albertus-Universität Königsberg Evangelische Theologie und wurde im Corps Littuania aktiv.[1] Zu seinen Studienfreunden gehörten die Liberalen Rudolf Gottschall und Ferdinand Gregorovius. Bei der Huldigungsfeier für das preußische Königspaar trugen Jordan und Gregorovius die Begrüßungsgedichte im Namen der Studentenschaft vor. Von Ludwig Feuerbach und Georg Wilhelm Friedrich Hegel begeistert, gab er den Predigerberuf auf und wechselte zur Philosophie und zu den Naturwissenschaften. Bei Franz Liszts Ehrenpromotion setzte er dem überraschten Komponisten eine Kappe mit goldenem Albertus auf und widmete ihm eine Blüte deutscher Lyrik:[2]

Die Jünger selbst des Kant und Hegel
Erwärmtest Du zu lichter Glut.
Sie schmückten in der Stadt am Pregel
Dein Haupt mit einem Doktorhut
.

Nach seiner Promotion zum Dr. phil. an der Albertus-Universität (1842) ging er nach Berlin, um sich als Schriftsteller zu betätigen. 1843 wegen antichristlich-liberaler Schriften aus der Stadt ausgewiesen, übersiedelte er nach Leipzig. 1845/46 gab er die Zeitschrift Die begriffene Welt heraus. Wegen politischer Aktivitäten wurde Jordan 1846 nach dem Leipzigbesuch des Prinzen Johann im August 1845 aus Leipzig ausgewiesen. Er ging nach Bremen und arbeitete für die Bremer Zeitung. Zeitweise war er ihr Korrespondent in Berlin und Paris.

Vom 18. Mai 1848 bis zum 20. Mai 1849 war der als liberal geltende Jordan Abgeordneter für Freienwalde in der Frankfurter Nationalversammlung, die er als die „große Universität seines Lebens“ bezeichnete. Ursprünglich zur Linken gehörend, schloss er sich schließlich Heinrich von Gagern an und vertrat die Forderung nach einem kleindeutschen Reich unter preußischer Führung. Aus diesem Grund sprach er sich auch in einer Rede am 24. Juli 1848 gegen die Wiederherstellung eines unabhängigen polnischen Nationalstaates und gegen die Unterstützung des polnischen Freiheitskampfes aus. In diesem Zusammenhang plädierte er wegen der „Überlegenheit des deutschen Stammes gegen die meisten slawischen Stämme“[3] für einen „gesunden Volksegoismus“, also für eine Aufteilung Polens, ein schnell zum Schlagwort gewordener Begriff, der in Robert Blum einen Widersacher fand, aber im polnischen Nationalismus eine Reaktionsbildung in Gestalt des „nationalen Egoismus“ erfuhr und politisch am nachhaltigsten in Roman Dmowski zum Ausdruck kam.[4] Außerdem war Jordan Marinerat im Reichshandelsministerium und beschäftigte sich mit dem Aufbau einer Reichsflotte. Nach seiner Pensionierung unternahm er zahlreiche Vortragsreisen, unter anderem um sein Nibelungenlied populär zu machen. Eine davon führte ihn 1871 in die USA.

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sein literarisches Werk wurzelt im Historismus des 19. Jahrhunderts. Philosophische und naturwissenschaftliche Gedanken beherrschen die Gedichte, Theaterstücke und Romane. Als sein Hauptwerk gilt sein Nibelungen-Epos, das in Stabreimen verfasst ist. Dabei verwendete er die altnordische Saga und das Hildebrandslied als Hauptquellen, versucht jedoch, das Geschehen einer zeitbezogenen psychologischen Deutung zu unterziehen. Im 19. Jahrhundert wurde er vielfach als „Vorläufer Nietzsches und der Wegbereiter Darwins in Deutschland“ (Zitat nach René Simon Taube; siehe unten) bezeichnet. Heute ist sein Werk mit zwei Ausnahmen in Vergessenheit geraten: Sein Mysterium Demiurgos und seine Edda-Übersetzung werden noch heute wegen der einfühlsamen Sprache und der epischen Tiefe verwendet. Sein episches Werk Demiurgos kann nicht, wie gemeinhin behauptet wird, als „erste ernstzunehmende Biografie von Max Stirner“ angesehen werden. Es handelt sich hier eher um eine literarische Zeichnung und nicht um eine biografische Darstellung des Lebens Max Stirners, zumal dieser nur in einem Kapitel Erwähnung findet und nicht im gesamten „Mysterium“. Tief beeindruckt hat er Ludwig Klages und dessen Schulfreund Theodor Lessing.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Irdische Phantasien (Gedichte, 1842)
  • Schaum (Gedichte, 1846)
  • Demiurgos (Mysterium, 1852)
  • Die Witwe des Agis (Drama, 1857)
  • Nibelunge (Epos, 1867–68)
  • Durchs Ohr (Lustspiel, 1870)
  • Strophen und Stäbe (Gedichte, 1871)
  • Artur Arden (Drama, 1872)
  • Hildebrandts Heimkehr (Epos, 1874)
  • Epische Briefe (1876)
  • Andachten (Gedichte, 1877)
  • Sein Zwillingsbruder (Lustspiel, 1883)
  • Tausch enttäuscht (Lustspiel, 1884)
  • Die Sebalds: Roman aus der Gegenwart (Roman, 2 Bände, 1885)
  • Zwei Wiegen (Roman, 1887)
  • Feli Dora (Versnovelle, 1889)
  • Edda-Übersetzung (1889) (Neuausgabe Arun-Verlag, Engerda 2002, ISBN 3-935581-03-3)
  • Deutsche Hiebe (Gedichte, 1891)
  • Die Liebesleugner (Lustspiel, 1892)
  • Liebe, was du lieben darfst (Lustspiel, 1892)
  • Letzte Lieder (Gedichte, 1892)
  • Demiurgos. Ein Mysterium. Sechstes Buch (1854). Leipzig 1999. Stirneriana Heft 16. ISBN 3-933287-29-4

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nachruf: Academische Monatshefte, 1. August 1904
  • Josef Bendel: Zeitgenössische Dichter. Stuttgart: Metzler 1882.
  • Willibald Jansen: Wilhelm Jordan. Anregungen für das Studium seiner Werke. Berlin: Gerdes u. Hödel 1910. (= Zur Fortbildung des Lehrers; 28)
  • Ludwig Klages: Wilhelm Jordan zum 100. Geburtstag. In: Schweizer Illustrierte, Bd. 23, 1919, S. 125–133.
  • Franz Koch: Wilhelm Jordans 'Demiurgos'. Berlin 1942. (= Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wiss. Phil.-hist. Kl.; 1942,1)
  • Karl Schiffner: Wilhelm Jordan. Frankfurt am Main: Osterrieth 1889.
  • Paul Scholz: Wilhelm Jordans Reden in der Paulskirche. Studien zur parlamentarischen Beredsamkeit. Königsberg Preußen: Gräfe u. Unzer 1930
  • Max Schüler: Wilhelm Jordan. Sechs Aufsätze zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages am 8. Februar 1919. Frankfurt am Main: Diesterweg 1919
  • Maurice Reinhold von Stern: Wilhelm Jordan. Ein deutsches Dichter- und Charakterbild. Frankfurt am Main, Lüstenöder 1910.
  • René Simon Taube: Das Bild Max Stirners in der deutschen Literatur um die Mitte des 19. Jahrhunderts. (1958), hrsg. v. Kurt W. Fleming. Leipzig: Max-Stirner-Archiv 1999. (= Stirneriana; 17) – Wilhelm Jordan ist einer der ersten Autoren, die Max Stirner literarisch (episch) verarbeiteten, neben Robert Giseke: Moderne Titanen
  • Egbert Weiß: Corpsstudenten in der Paulskirche, in: Einst und Jetzt, Sonderheft 1990, München 1990, S. 25
  • Clifford Albrecht Bernd: Jordan, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 605 f. (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Carl Friedrich Wilhelm Jordan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Wilhelm Jordan – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kösener Corpslisten 1960, 86/154
  2. Hans Lippold: Ein Albertus für den Komponisten. Ostpreußenblatt, 6. Oktober 1973
  3. Götz Aly: Antisemitismus: Der Neid trieb die Deutschen zum Judenhass. In: welt.de. 14. Juni 2012, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  4. Roland Gehrke: Der polnische Westgedanke bis zur Wiedererrichtung des polnischen Staates nach Ende des Ersten Weltkrieges. Genese und Begründung polnischer Gebietsansprüche gegenüber Deutschland im Zeitalter des Nationalismus, Verlag Herder-Institut Marburg 2001, S. 74 f., 116-121; ISBN 3-87969-288-2.