Carl Gustav Jochmann

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Carl Gustav Jochmann (* 9. Februarjul. / 20. Februar 1789greg.[1] in Pernau/Livland; † 24. Juli 1830 in Naumburg (Saale)) war ein deutschbaltischer Publizist.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Carl Gustav Jochmann besuchte die Domschule in Riga. Von 1807 bis 1809 studierte er Rechtswissenschaften in Leipzig, Göttingen und Heidelberg. Von 1810 bis 1819 arbeitete er als Rechtsanwalt in Riga, unterbrochen durch einen Aufenthalt in England, wohin er sich angesichts der im Juli 1812 auf Riga vorrückenden napoleonischen Truppen geflüchtet hatte. Von 1819 bis 1822 bereiste er die deutschen Staaten, die Schweiz und Frankreich und hielt sich vor allem in Berlin, Dresden und Paris auf. 1822 ließ er sich in Karlsruhe nieder.

Jochmann war ein bedeutender politischer Publizist des Vormärz. Die meisten seiner Schriften mussten infolge des „Preßgesetzes“ der Karlsbader Beschlüsse anonym erscheinen. In seinen Essays, Glossen, Aphorismen und Briefen analysierte und kommentierte Jochmann die politischen und sozialen Verhältnisse in den deutschen Staaten. Wortgewandt und scharf kritisierte er deren Rückständigkeit im Vergleich mit dem revolutionären Frankreich und dem evolutionären England. Beide seien auf dem Weg zu bürgerlichen Freiheiten wesentlich weiter fortgeschritten als die im Spätabsolutismus verharrenden deutschen Staaten.[2]

In seinem anonym erscheinenden Hauptwerk Über die Sprache (1828) bindet er die Analyse der politischen Zustände an den Zustand der Sprache, genauer an das Fehlen einer politischen Debattenkultur, wie er sie in den publizistisch (und eben deshalb politisch) fortgeschrittenen Staaten Frankreich und vor allem England verwirklicht sieht. Demgegenüber sieht er in Deutschland eine Dominanz der poetischen Sprache, die er als ursächlich für die Rückständigkeit der deutschen Verhältnisse ansieht. Mit diesem Werk fand Jochmann zur Zeit des Nationalsozialismus bei Werner Kraft und Walter Benjamin Aufmerksamkeit.

Im Jahr 1830 erschien in Carl von Rottecks Zeitschrift Allgemeine politische Annalen unter der Verfasserangabe X der Aufsatz „Über die Öffentlichkeit“. Darin setzt sich Jochmann für die Öffentlichkeit der Verwaltung ein (Verwaltungstransparenz), d. h. die Überwindung des Amtsgeheimnisses. Der Essay wurde 1833 von Heinrich Zschokke im dritten Teil der Zeitschrift Prometheus veröffentlicht.

Carl Gustav Jochmann wurde in Naumburg beigesetzt. Testamentarisch hatte er verfügt, dass nach seinem Tod sein Herz entnommen und seinem Freund, dem Kaufmann Konrad Heinrich von Sengbusch in Riga, geschickt werde.[3] Seit 2015 wird die restaurierte Vase mit der Aufschrift „Cor Jochmanni“ (Jochmanns Herz) im Kreuzgang des Doms zu Riga aufbewahrt.[4]

Werke (in chronologischer Reihenfolge)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Briefe eines homöopathisch Geheilten an die zukünftigen Widersacher der Homöopathie. Christian Friedrich Winter, Heidelberg 1829 (Digitalisat).
  • Die Hierarchie und ihre Bundesgenossen in Frankreich. Beiträge zur neuern Kirchengeschichte. Heinrich Remigius Sauerländer, Aarau 1823 (Digitalisat).
  • Betrachtungen über den Protestantismus. Christian Friedrich Winter, Heidelberg 1826 (Digitalisat).
  • Über die Sprache. Christian Friedrich Winter, Heidelberg 1828 (Digitalisat).
    • Christian Johannes Wagenknecht (Hrsg.): Über die Sprache. Faksimile nach der Originalausgabe mit Schlabrendorfs Bemerkungen über Sprache und der Jochmann-Biographie von Julius Eckardt. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1968.
  • Carl Gustav Jochmann's, von Pernau, Reliquien. Aus seinen nachgelassenen Papieren. Gesammelt von Heinrich Zschokke. Ribler, Hechingen 1836–1838 (3 Bände) (Digitalisat).
  • Die Rückschritte der Poesie. Mit Einleitung und ergänzenden Quellentexten von C. G. Jochmann, G. Vico und W. Jones, Bibliographie und Register herausgegeben von Ulrich Kronauer. Hamburg 1982.
  • Die unzeitige Wahrheit. Aphorismen, Glossen und der Essay „Über die Öffentlichkeit“. Herausgegeben, erläutert und mit einer Lebenschronik und einem Register versehen von Eberhard Haufe. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar, 3. Auflage, 1990.
  • Peter König (Hrsg.): Gesammelte Schriften.
    • Band I: Über die Sprache. Winter, Heidelberg 1998, ISBN 978-3-8253-0818-6.
    • Band VI-I: Briefe eines Homöopathischgeheilten an die zukünftigen Widersacher der Homöopathie. Winter, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8253-5821-1.
  • Robespierre. Winter, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8253-2009-6.

Literatur (in alphabetischer Reihenfolge)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Walter Benjamin: Die Rückschritte der Poesie. Von Carl Gustav Jochmann. [1937], In: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. II, 2, Frankfurt 1999, S. 572–598 (Digitalisat).
  • Markus Fauser: Rede, dass ich Dich sehe. Carl Gustav Jochmann und die Rhetorik im Vormärz. Olms, Hildesheim, Zürich, New York 1986.
  • Carola L. Gottzmann, Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. De Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019338-1, S. 632–635.
  • Horst Gundlach (Hrsg.): Carl Gustav Jochmann – Spuren eines Spätaufklärers im 19. und 20. Jahrhundert (= Jochmann-Studien, Band 1). Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-8253-6705-3.
  • Horst Gundlach: Carl Gustav Jochmann als Söldner, als Testator, als Stifter. Drei Studien zu seinem Leben und Nachleben (= Jochmann-Studien, Band 2). Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6943-9.
  • Uwe Japp: Rezension Blätter aus Nizza im Spätjahr 1820 und Frühjahr 1821. In: Recherches Germaniques 51 (2021), S. 258–262 (Digitalisat).
  • Werner Kraft: Carl Gustav Jochmann und sein Kreis. Zur deutschen Geistesgeschichte zwischen Aufklärung und Vormärz. C.H. Beck, München 1972.
  • Werner Kraft: Jochmann, Carl Gustav. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 448 f. (Digitalisat).
  • Ulrich Kronauer (Hrsg.): Carl Gustav Jochmann. Ein Kosmopolit aus Pernau, Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2020 (Beiträge zur Philosophie. Neue Folge), ISBN 978-3-8253-4678-2.
  • Markus Malo: Sprachkritik und (k)ein Ende (?). Zur Ausgabe von Jochmanns „Gesammelten Schriften“. in Scientia Poetica 5/2001, S. 122–142.
  • Markus Malo: Carl Gustav Jochmann als Sprachkritiker der Restauration. Universitätsbibliothek, Stuttgart 2017 (Digitalisat).
  • Uwe Pörksen: Unbestimmtheit, Unverständlichkeit und Härte. Carl Gustav Jochmanns Kritik an der Sprache des frühen 19. Jahrhunderts. In: Ders.: Wissenschaftssprache und Sprachkritik.Untersuchungen zu Geschichte und Gegenwart. Narr, Tübingen 1994, ISBN 978-3-8233-4531-2, S. 225–245 (Digitalisate: Teil I + Teil II).
  • Jürgen Schiewe: Sprache und Öffentlichkeit. Carl Gustav Jochmann und die politische Sprachkritik der Spätaufklärung. Erich Schmidt, Berlin 1989.
  • Michael Townson: Carl Gustav Jochmann. Denker zwischen zwei Revolutionen. In: Sprachreport 6 (1990), S. 11 (Digitalisat).
  • Gerhard Wagner: Jenseits von Klassik und Romantik. Die geschichtsphilosophischen, sozialen und ästhetischen Anschauungen von Carl Gustav Jochmann und ihre Stellung in der Geschichte der progressiv-bürgerlichen deutschen Ideologie von 1789 bis 1830. Dissertation, Berlin 1978.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag im Taufregister der Nikolaikirche zu Pernau (estnisch: Pärnu Nikolai kirik), Kirchenbuch 1775–1792, S. 422.
  2. Carl Gustav Jochmann: Die Bürgschaften der englischen Verfassung. In: Carl Gustav Jochmann's, von Pernau, Reliquien. Bd. 1, Ribler, Hechingen 1836, S. 296–338.
  3. Heinrich Zschokke: Karl Gustav Jochmann, von Pernau. Mittheilungen zu dessen Lebensgeschichte. In: Carl Gustav Jochmann's, von Pernau, Reliquien. Bd. 1, Ribler, Hechingen 1836, S. 1–80, hier S. 80.
  4. Udo Bongartz: Carl Gustav Jochmanns Herz im Kreuzgang des Rigaer Doms bestattet. In: Lettische Presseschau vom 11. Juli 2015.