Chosrau II.

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Darstellung König Chosraus II. auf einer Münze

Chosrau II. (persisch خسرو Chosrou [xosˈroʊ̯]; griechisch Chosroes), genannt Parwez („Sieger“; persisch پرویز Parwīz [pærˈviːz]), war der Sohn von Hormizd IV. und Enkel von Chosrau I. Chosrau II. regierte von 590 bis 628 und war der letzte bedeutende Großkönig der Sassaniden. Er starb Ende Februar 628 (wahrscheinlich am 28.2.).[1]

Leben

Chosrau II. wurde nach dem Sturz seines Vaters 590, in den er vermutlich verwickelt war, zum König erhoben und wohl im Juni/Juli 590 in Ktesiphon gekrönt.[2] Schon nach kurzer Zeit wurde er aber von Rebellen unter dem Heerführer Bahram Chobin vertrieben, welcher sich 589 mit Chosraus Vater überworfen hatte. Nach einem ersten Gefecht gelang es Bahram, in Ktesiphon einzumarschieren, wo er sich zum König krönen ließ. Chosrau floh derweil ausgerechnet in das Oströmische Reich, obwohl sich dieses noch immer im Krieg mit Persien befand.

Dennoch hatte Chosrau Glück, denn Kaiser Maurikios gewährte Chosrau nach einiger Überlegung seine Unterstützung. Persische und römische Truppen unter dem Oberbefehl des kaiserlichen Generals Narses zogen (zum ersten und einzigen Mal) gemeinsam in den Kampf und besiegten Bahram Chobin, so dass Chosrau 591 wieder auf den Thron gelangte. Als Gegenleistung verzichtete Chosrau im Friedensvertrag mit Ostrom auf einige umstrittene Gebiete in Mesopotamien, Armenien (bis zur damaligen Hauptstadt Dvin) und Georgien bis hin nach Tiflis.[3] Die Beziehungen zwischen Maurikios und Chosrau, der angeblich vom Kaiser adoptiert wurde,[4] waren in den folgenden Jahren zumindest oberflächlich ausgesprochen gut. Chosrau versuchte seine Stellung in Persien zu konsolidieren und seine Onkel Bindoe und Bistam zu beseitigen. Im Fall von Bindoe gelang dies auch, doch Bistam konnte sich in die Provinz Delam absetzen, wo er sich mehrere Jahre hielt und sogar Münzen prägen ließ, bevor auch er schließlich ermordet wurde. Während dieser Phase bemühte sich Chosrau um gute Beziehungen zu den Römern.

Chosrau heiratete die Christin Schirin, deren Sohn Merdanschah er zum Nachfolger einsetzen wollte, wobei er noch andere Kinder von anderen Frauen hatte (so von der Christin Maria).[5] Chosraus Hof soll eine sagenhafte Pracht entfaltet haben, zumal der Großkönig, aufgrund des rigiden, aber effektiven Steuersystems, über gewaltige Einkommen verfügen konnte. Einen nicht geringen Anteil daran hatte Yazdin, der als eine Art „Finanzminister“ fungierte. Chosraus Verhältnis zum Christentum war kompliziert: Seine Ehefrauen Maria und Schirin waren Christinnen, ebenso wie Yazdin Christ war, doch scheint er „Miaphysiten“ und „Nestorianer“ gegeneinander ausgespielt zu haben. So favorisierte Chosrau wohl einige Zeit die „Miaphysiten“, vielleicht auch unter dem Einfluss von Schirin und dem königlichen Leibarzt Gabriel von Schiggar, die beide dieser Glaubensrichtung anhingen. Durch seine christenfreundliche Politik (die jedoch wohl realpolitisch motiviert war) machte er sich allerdings bei den zoroastrischen Priestern unbeliebt.

Nach dem Tod seines Gönners Maurikios Ende 602 gab sich Chosrau gegenüber dessen Nachfolger Phokas, der auch Maurikios' Familie hatte auslöschen lassen, als Rächer.[6] Er präsentierte auch einen Mann, der sich als Theodosios ausgab, der älteste Sohn des ermordeten oströmischen Kaisers, der das Massaker angeblich überlebt habe. Dies diente Chosrau, der anscheinend nie wirklich mit den Gebietsabtretungen von 591 glücklich gewesen war, als Anlass, um gegen Ostrom vorzugehen.

Unter Phokas (602–610) konnten sich die Römer noch einigermaßen verteidigen, wobei allerdings Armenien und Teile Mesopotamiens verloren gingen, nicht zuletzt infolge einer Revolte des kaiserlichen Feldherrn Narses. Chosrau II. ließ dabei das römische Gebiet in Nordmesopotamien systematisch Festung um Festung einnehmen, da er offenkundig plante, es dauerhaft zu annektieren. Seit der Thronbesteigung des Herakleios im Oktober 610 eilten die sassanidischen Truppen, die im Frühjahr 611 den Euphrat überschritten, dann von Sieg zu Sieg.[7] Dies war auch der Tatsache geschuldet, dass es im Oströmischen Reich zunächst zu Kämpfen zwischen herakleios- und phokastreuen Truppen kam und somit nur begrenzt organisierter Widerstand möglich war; allerdings ging auch Herakleios teils in die Offensive, wie etwa im Jahre 613. Dieser Gegenangriff scheiterte allerdings, als das kaiserliche Heer in Syrien vernichtend geschlagen wurde. Nun eroberten die persischen Truppen unter dem Befehl der Generäle Schahin und Shahrbaraz bis 619 Syrien und Ägypten, die dauerhaft in das Reich eingegliedert werden sollten; selbst Kleinasien wurde geplündert und das Heilige Kreuz 614 aus Jerusalem fortgeführt und nach Ktesiphon gebracht. Es schien so, als sei das alte Achämenidenreich wieder erwacht und das Ende von Ostrom gekommen. 626 belagerten Perser und Awaren gar gemeinsam Konstantinopel, welches sich jedoch trotz der Abwesenheit des Kaisers dank der starken römischen Flotte halten konnte (siehe: Belagerung von Konstantinopel (626)).

Darstellung des Königs Chosrau II. als Panzerreiter (Taq-e-Bostan).

Doch war der Höhepunkt bereits überschritten, denn Herakleios, der die Verteidigung zum „Heiligen Krieg“ erklärt hatte, drang tief in den persischen Herrschaftraum ein und besiegte die persischen Armeen in mehreren Schlachten. Das Ende kam mit der Niederlage der Perser in der Schlacht bei Ninive im Dezember 627, in der auch der persische General Rhazates fiel, zumal die besseren persischen Truppen nicht effektiv in die Kämpfe eingriffen. Zugleich griffen die Göktürken den Osten des Sassanidenreiches an, was Persien in einen Zweifrontenkrieg verwickelte. Chosrau ergriff panikerfüllt die Flucht aus seiner Lieblingsresidenz Dastagird und floh nach Ktesiphon. Dort konspirierte jedoch Chosraus ältester Sohn Siroe mit mehreren Adligen und Offizieren, darunter auch ein Sohn Yazdins, der bereits einige Zeit vorher im Rahmen einer Christenverfolgung (Martyrium von „Anastasios dem Perser“) von Chosrau hingerichtet worden war. Offenbar fürchteten die Adligen um ihre von den Türken bedrohten Ländereien und wollten den endlosen Krieg mit den Römern daher abbrechen; etwas, das mit Chosrau aber nicht zu machen war.

Chosrau wurde daher abgesetzt und ins Gefängnis geworfen, wo er nach vier Tagen ermordet wurde.[8] Siroe leitete nun ein Blutbad unter seinen Geschwistern ein, um seine Macht zu festigen, und bestieg als Kavadh II. Siroe den Thron. Er leitete sogleich Friedensverhandlungen mit Herakleios ein. Nach dem frühen Tod Kavadh Siroes im September 628 versank Persien jedoch im Chaos und konnte sich erst unter Yazdegerd III. wieder einigermaßen stabilisieren. Die Sassaniden verloren im Friedensvertrag von 629/30 alle eroberten Gebiete wieder an die Oströmer und waren aufgrund der folgenden inneren Wirren derart geschwächt, dass die Araber bei ihrer bald darauf folgenden Eroberung des Reiches recht leichtes Spiel hatten (siehe dazu Islamische Expansion). Dabei erwies sich auch die Beseitigung des Pufferstaates der Lachmiden zu Beginn des 7. Jahrhunderts, die bis dahin die Grenzsicherung in diesem Raum für Persien übernommen hatten, als ein schwerer Fehler Chosraus II.

In den Quellen wird Chosrau – vielleicht zu Unrecht – zumeist als Despot reinsten Wassers beschrieben, wenngleich ihn etwa Tabari durchaus auch positiv beschreibt.[9] Sein Leben fand einen Widerhall in zahlreichen persischen Epen wie Chosrau und Schirin von Nizami, das seine Liebe zu der Christin Schirin beschreibt.

Zum Perserkrieg siehe Herakleios sowie Römisch-Persische Kriege.

Literatur

  • Geoffrey B. Greatrex: Khusro II and the Christians of his empire. In: Journal of the Canadian Society for Syriac Studies 3, 2003, S. 78–88. ISSN 1499-6367
  • James Howard-Johnston: Pride and Fall: Khusro II and his regime. In: Ders., East Rome, Sasanian Persia and the End of Antiquity: Historiographical and Historical Studies (Collected Studies). Ashgate Variorum, Aldershot u.a. 2006, (Variorum collected studies series. 848), ISBN 978-0-86078-992-5, Kapitel 9 und weitere Beiträge im Sammelband [alle Beiträge stammen von Howard-Johnston, wobei nur die ursprüngliche Seitenzahl der Aufsätze angegeben wird].
  • James Howard-Johnston: Witnesses to a World Crisis. Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century. Oxford 2010.
  • John Martindale: The Prosopography of the Later Roman Empire. Bd. 3a: 527–641 (Abandanes – Iyad ibn Ghanm). Cambridge University Press, Cambridge 1992, ISBN 978-0-521-07233-5, S. 306–308.
  • Peter Riedlberger: Die Restauration von Chosroes II. In: Electrum 2, 1998, S. 161–175. ISSN 1897-3426
  • Klaus Schippmann: Grundzüge der Geschichte des sasanidischen Reiches. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990.
  • Susan Tyler-Smith: Calendars and coronations: the literary and numismatic evidence for the accession of Khusrau II. In: Byzantine and Modern Greek Studies 28, 2004, S. 33–65. ISSN 0307-0131

Weblinks

Commons: Chosrau II. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Howard-Johnston, Pride and Fall, S. 97, in: Howard-Johnston (2006).
  2. Die ältere Forschung ging von der Krönung Chosraus am 15. Februar 590 aus, zur Korrektur dieser Annahme vgl. Tyler-Smith (2004).
  3. Die Gebietsabtretungen waren insgesamt recht moderat, wenn man etwa die Teilung Armeniens 387 bedenkt, bei der Persien 4/5 erhalten hatte (siehe Persarmenien). Dennoch betonen manche Forscher (etwa Irfan Shahid), dass die römischen Gewinne von persischer Seite wohl als Prestigeverlust angesehen wurden.
  4. Theophylaktos Simokates 5,3,11; Theophanes AM 6081.
  5. Zum Verhältnis zu Schirin siehe Wilhelm Baum: Schirin. Christin, Königin, Liebesmythos. Klagenfurt 2003. Dass Maria eine Tochter des Maurikios gewesen sein soll, muss als eine Fiktion angesehen werden.
  6. In syrischen Chroniken etwa wird berichtet, dass Chosrau um Maurikios geweint haben und Trauerkleidung angezogen haben soll. Schließlich habe er sich an den Römern für den Mord rächen wollen: Andrew Palmer, Sebastian P. Brock, Robert G. Hoyland: The Seventh Century in the West Syrian Chronicles. Liverpool 1993, S. 121ff.
  7. Vgl. dazu Walter E. Kaegi: Heraclius. Cambridge 2003.
  8. Siehe dazu etwa Howard-Johnston, Pride and Fall, S. 93ff., in: Howard-Johnston (2006).
  9. Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der arabischen Chronik des Tabari. Übersetzt und mit ausführlichen Erläuterungen und Ergänzungen versehen von Theodor Nöldeke. Leiden 1879, S. 275ff.
VorgängerAmtNachfolger
Bahram VI.König des neupersischen Reichs
590–628
Kavadh II.