Christina von Stommeln

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Statue der Christina von Stommeln von Olaf Höhnen auf einem Grünstreifen im Stommeler Zentrum
Christina von Stommeln, Nordportal, Kölner Dom.
Schrein der Christina von Stommeln in der Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt, Jülich

Christina von Stommeln, auch Christina Bruso (* 1242 in Stommeln, heute zu Pulheim; † 6. November 1312 ebenda), war eine Begine, Mystikerin und Stigmatisierte des 13. Jahrhunderts. Die Überlieferung ihrer Lebensgeschichte durch den Dominikaner Petrus von Dacien (* um 1235; † 1289) und eine Wunderheilung des Grafen Dietrich IX. von Kleve sorgten für eine lokale Verehrung, aufgrund derer sie 1908 seliggesprochen wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christina wurde 1242 als Tochter des freien Bauern Heinrich Bruso und seiner Frau Hilla in Stommeln, heute ein Ortsteil von Pulheim, geboren. Sie hatte vier Geschwister: Hilla, Gertrud, Heinrich und Sigwin. Die Familie war recht wohlhabend.

Im Alter von zehn Jahren hatte sie eine Vision von Jesus Christus, in der dieser sie aufgefordert habe, ihr Leben allein ihm zu widmen, und ihr geweissagt habe, dass sie bei den Beginen leben werde. Im Alter von 13 Jahren ging Christina ohne Erlaubnis der Eltern nach Köln, um einem Beginenkonvent beizutreten. Um welchen der zahlreichen Konvente es sich handelte, ist umstritten.[1] Von ihren Mitschwestern im Konvent wurde Christina aufgrund ihrer rigiden Askese und Entrückungszustände während ihrer Visionen abgelehnt.[2]

Christus überreicht Christina einen Ring. Die gestickten Figuren auf den Seidenhandschuhen aus dem Schrein der seligen Christina von Stommeln sind die ältesten Darstellungen von Christina (Museum Zitadelle Jülich).

1259 kehrte sie nach Stommeln zurück, wo sie in wechselnden Haushalten bis an ihr Lebensende blieb. Im Jahr 1267 lernte sie den schwedischen Dominikaner Petrus von Dacien kennen, der sich seit 1266 zum Studium generale im Dominikanerkonvent in Köln aufhielt.[3] Diese Begegnung sollte ihr Leben prägen, da der Mönch zu ihrem spirituellen Mentor, lebenslangen Freund und Biographen wurde. Er besuchte sie bis zu seinem Tod 1289 noch 15 Mal. Mehrfach schlug Christina Einladungen aus, nach Schweden zu gehen.

Nach dem Tod des Vaters 1278 bewirtschaftete sie gemeinsam mit ihrem Bruder Sigwin den elterlichen Hof, der in den 1270er Jahren in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Nach dem Ruin des Hofes im Jahr 1280 war Christina auf die Unterstützung durch ihr persönliches Umfeld in Stommeln angewiesen. Ihr Bruder fand nach Fürsprache Petrus’ von Dacien Aufnahme im Dominikanerkloster in Västerås in Schweden. Nach 1288 gibt es keine weiteren Informationen über ihr Leben, gesichert aber ist ihr Tod am 6. November 1312 in Stommeln.[4]

Visionen, Ekstasen und Stigmata[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Faszination von Zeitgenossen und Nachwelt auf Christina von Stommeln erklärt sich aufgrund ihrer Visionen, ekstatischen Entrückungszustände und dokumentierten Stigmatisation. Seit ihrer Jugend wurde sie von Visionen und Dämonenerscheinungen heimgesucht. Die Quellen beschreiben, dass sie u. a. durch die Luft geschleudert wurde, Verbrennungen und Verletzungen[5] erlitt, dass sie und ihr Umfeld von Dämonen mit Exkrementen beschmutzt wurden, Kröten, Schlangen und Spinnen in ihrem Essen auftauchten u. a. m.

Dabei plagten sie bis zu 200.000 Teufel, so etwa zu Ostern 1283.[6] Besonders ab den 1270er Jahren intensivierten sich die Berichte über ihre Dämonenerscheinungen drastisch.

Christina von Stommeln unterscheidet sich in ihrer mystischen Erfahrung von anderen deutschen Mystikerinnen, da bei ihr passions- und brautmystische Vision deutlich hinter Teufels- und Dämonenerscheinungen zurücktreten.[7] Seit ihrem 15. Lebensjahr sollen sich vor allem in der Karwoche die Wundmale Christi an Christina von Stommeln manifestiert haben. Kreuzförmige Stigmata an ihren Händen sollen auch außerhalb der Osterzeit aufgetreten sein. Damit ist Christina von Stommeln eine der frühesten bezeugten weiblichen Stigmatisierten der Christenheit.[8] Ab 1288 sind keine weiteren Visionen und Dämonenerscheinungen mehr von Christina von Stommeln bezeugt.

Das Verhältnis Christina von Stommeln – Petrus von Dacien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christina von Stommeln verband ein enges Verhältnis zu dem etwa gleichaltrigen schwedischen Mönch Petrus von Dacien. Petrus sah in Christina einen Menschen, in dem Gott direkt wirkte. Christina fand in ihm einen Freund, der sich nicht nur für ihre Erfahrungen interessierte, sondern diese in einen theologischen Kontext stellte und ihr verständlich machte. Trotz der räumlichen Distanz unterhielten die beiden ein enges Verhältnis bis zu Petrus’ Tod 1289. Ihr Briefwechsel hat sich im Codex Iuliacensis erhalten. Aufgrund der in den Briefen beschworenen Liebe zueinander wurde immer wieder eine erotische Komponente des Verhältnisses angenommen, die heute verneint wird. Petrus von Dacien legte ausdrücklich Wert darauf, seine Liebe zu Christina als Ausdruck seiner Liebe zu Gott zu werten.

Grabmal der Christina von Stommeln mit Sarkophag und Reliquienschrein. Kupferstich nach einer Zeichnung von Peter Steinfünder aus dem Jahr 1692. Der schmiedeeiserne Aufbau wurde 1783 durch einen Gewölbeeinbruch in der Jülicher Propsteikirche zerstört.

Nachleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach ihrem Tod am 6. November 1312 wurde Christina von Stommeln neben dem Turm der Stommelner Ortskirche beigesetzt. Die Wundertätigkeit am Grab ist durch die angebliche Heilung des Klever Grafen Dietrich IX. von der Gicht bezeugt. 1327 wurde ihr zu Ehren ein Stift gegründet. Am 1. Mai 1342 wurde das Stift mitsamt den Gebeinen nach Nideggen, die damalige Residenz Markgraf Wilhelms V., umgesiedelt. Unter Herzog Wilhelm V. wurde das Stift 1569 in die neue Residenzstadt Jülich verlegt. Die Gebeine folgten 1592 und ruhen heute in der Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt. Die Verehrung wurde 1908 von der katholischen Kirche bestätigt und Christina von Stommeln durch Papst Pius X. seliggesprochen. Ihr Gedenktag ist ihr Todestag, der 6. November.

Quellen und Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quelleneditionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Acta Sanctorum Iunii. T.4: Complexus diem mensis vigesimum et quatuor sequentes, Antwerpen 1707 (Ndr. Brüssel 1969).
  • Monika Asztalos (Hrsg.): Petrus de Dacia. De gratia naturam ditante sive de virtutibus Christinae Stumbelensis (Acta Universitatis Stockholmiensis 28), Stockholm 1982.
  • Isak Collijn (Hrsg.): Vita B. Christinae Stumbelensis ex manuscriptis Petri de Dacia et Johannis capellani in Stumbel. Efter Cod. Einsidlensis 470 med understöd av Humanistica Fonden, (= Samlingar utg. Av Svenska Fornskriftsällskapet; 2,2), Uppsala 1936.
  • Johannes Paulson: Petri de Dacia Vita Christinae Stumbelensis. Fasc. II secundum de vita Christinae librum contines, (= Scriptores latini medii aevi suecani; 1), Göteborg 1896 (Ndr. Frankfurt a. M. 1985).
  • Monumenta Germaniae Historica Legum Sectio 4. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum. Tomus 3. Inde ab a. 1273 usque ad a. 1298. Edidit Iacobus Schwalm. Hannover und Leipzig 1904-6.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Günther Bers: Die Verehrung der seligen Christina von Stommeln in Jülich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Zur Kulturgeschichte einer Volksheiligen, (= Veröffentlichungen des Jülicher Geschichtsvereins; Band 9), Jülich 1986, ISBN 3-9800914-8-1.
  • Guido von Büren (Hrsg.): Gottesschau & Gottesliebe, die Mystikerin Christina von Stommeln 1242 - 1312, Katalog zur Ausstellung im Museum Zitadelle Jülich, Schnell + Steiner, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7954-2691-0.
  • John Coakley: A marriage and its observer: Christine of Stommeln, the Heavenly Bridegroom, and Friar Peter of Dacia. In: Mooney, Catherine M. (Hrsg.), Gendered voices, Medieval saints and their interpreters, Philadelphia 1999, S. 99–117; 229–235
  • Peter Dinzelbacher: Christina (die kölnische) v. Stommeln. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München 1983, S. 1919f.
  • Gottesschau & Gottesliebe. Die Mystikerin Christina von Stommeln 1242-1312, Ausstellungskatalog Jülich, Museum Zitadelle, 24. Oktober 2012 – 13. Januar 2013, (= Führer des Museums Zitadelle Jülich; Band 24), Regensburg 2012.
  • Aviad M. Kleinberg: Prophets in their own country. Living saints and the making of sainthood in the later Middle Ages, Chicago 1992.
  • Anna J. Martin: Christina von Stommeln. In: Mediaevistik 4 (1991), S. 179–263.[9]
  • Peter Nieveler: Codex Iuliacensis. Christina von Stommeln und Petrus von Dacien. Ihr Leben und Nachleben in Geschichte, Kunst und Literatur, (= Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen. Nr. 34). Kühlen, Mönchengladbach 1975, ISBN 3-87448-079-8.
  • Christine Ruhrberg: Der literarische Körper der Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242–1312), (= Bibliotheca Germanica. Nr. 35). Francke, Tübingen und Basel 1995, ISBN 3-7720-2026-7.[10]
  • Arnold Steffens: Die selige Christina von Stommeln, Fulda 1912.
  • Theodor Wollersheim: Das Leben der ekstatischen und stigmatischen Jungfrau Christina von Stommeln, wie solches von dem Augenzeugen Petrus von Dacien und Anderen beschrieben ist, nach authentischen Quellen verfasst. Mit der Abbildung des früheren Grabmals der seligen Christina zu Jülich. Köln: J. M. Heberle 1859. (Digitalisat beim Münchener Digitalisierungszentrum)[11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Christina von Stommeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christine Ruhrberg: Der literarische Körper der Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312) (= Bibliotheca Germanica 35). Tübingen/Basel 1995, ISBN 3-7720-2026-7, S. 55.
  2. Johannes Paulson: Vita Christinae Stumbelensis / Petrus de Dacia, Neudruck der Ausgabe Göteborg 1896, hrsg. V. Alf Önnerfors (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 20), Frankfurt a. M. 1985, S. 114.
  3. Peter Nieveler: Codex Iuliacensis. Christina von Stommeln und Petrus von Dacien. Ihr Leben und Nachleben in Geschichte, Kunst und Literatur, (Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen 34), Mönchengladbach 1975, S. 60. ISBN 3-87448-079-8
  4. Wollersheim, Theodor, Das Leben der ekstatischen und stigmatischen Jungfrau Christina von Stommeln wie welches von dem Augenzeugen Petrus von Dacien und anderen beschrieben ist. Nach authentischen Quellen verfasst, Köln 1859, S. 498.
  5. Andreas Fasel: Christina von Stommeln: Die rätselhafte Mystikerin aus dem Rheinland. 27. Januar 2013 (welt.de [abgerufen am 10. Mai 2019]).
  6. Anna J. Martin: Christina von Stommeln, in Mediävistik 4, 1991, S. 228
  7. Peter Dinzelbacher: Persönliches und Zeittypisches im religiösen Erleben der Christina Bruso, in: Gottesschau & Gottesliebe, S. 142.
  8. Günther Bers: Die Verehrung der seligen Christina von Stommeln in Jülich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Zur Kulturgeschichte einer Volksheiligen, (Veröffentlichungen des Jülicher Geschichtsvereins 9), Jülich 1986, ISBN 3-9800914-8-1
  9. Mit einer Einführung des Herausgebers, Peter Dinzelbacher, auf den Seiten 179–180, einem Überblick über die Quelleneditionen auf den Seiten 181–182 und einem Überblick über die Literatur bis 1991 mit weiteren Literaturhinweisen auf den Seiten 182–183.
  10. Besprochen u. a. von Susanne Bürkle: Rezension von Christine Ruhrberg: Der literarische Körper der Heiligen. Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312), Tübingen, Basel 1995. (Bibliotheca Germanica 35). In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 120 (1998), S. 504–510.
  11. Auf dem Deckblatt seiner Monografie ist bei Theodor Wollersheim vermerkt, dass er „Pastor zu Jüchen“ gewesen ist. Sein Werk widmete er Andreas Johann Hennes mit den Worten „Seiner Hochwürden, dem Herrn Dechanten und Oberpfarrer Andreas Johann Hennes, dem treuen Wächter an Christinens Grabe, in Liebe gewidmet“. Martin 1991 führt seine Abhandlung als Literatur.