Clemens Thaer

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Gedenktafel für Clemens Thaer am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium in Greifswald

Clemens Adolf Thaer (* 8. Dezember 1883 in Berlin; † 2. Januar 1974 in Detmold) war ein deutscher Mathematikhistoriker, Hochschullehrer und Gymnasiallehrer. Von 1919 bis 1921 war er Abgeordneter der Preußischen Landesversammlung. Er leistete nach der Machtergreifung 1933 Widerstand gegen die Ausgrenzung von Juden und Andersdenkenden[1][2].

Jugend und Studium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thaer wurde als zweitältestes von fünf Kindern der Eheleute Albrecht Wilhelm Thaer (1855–1921) und Emilie, geb. Fuhr (1857–1918) in Berlin geboren. Sein Ururgroßvater war Albrecht Daniel Thaer. Die Schulzeit verbrachte Thaer in Berlin, Halle (Saale) und Hamburg. Sein Vater war in Hamburg Mathematiklehrer und Direktor der Oberrealschule Holstentor[3]. 1901 bestand Thaer in Hamburg sein Abitur.

Er begann mit dem Studium der Mathematik und Physik an der Universität in Gießen. Dort wurde der Mathematiker und damalige Rektor Moritz Pasch auf ihn aufmerksam. Sie fingen an, zusammenzuarbeiten, und erstellten ein Lehrbuch über Analysis. Während seines Studiums wurde er in Gießen 1901/02 Mitglied der Studentenverbindung Akademische Gesellschaft Das Kloster.[4] Im Herbst 1906 bestand Thaer sein Doktorexamen, 1907 folgte eine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent an der Universität in Jena. Dort habilitierte er sich 1909 mit einer Arbeit zur Gleichungstheorie von Galois (Algebra).

Professor und Lehrer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1913 wurde er Dozent an der Universität in Greifswald. Er meldete sich 1916 als Kriegsfreiwilliger, wurde aus gesundheitlichen Gründen aber bald zurückgestellt. Während des Krieges wurde er zum Professor ernannt.

Nach dem Krieg kandidierte er als Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP) und wurde am 26. Januar 1919 in die bis 1921 tagende verfassungsgebende preußische Landesversammlung, den Vorläufer des Preußischen Landtags, gewählt. 1920 erfolgte der von ihm gewünschte Wechsel von der Universitätslaufbahn in den Schuldienst. Neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter trat er als Referendar in ein Berliner Gymnasium ein und legte dort im September 1920 die Assessorprüfung ab. Später wurde er als Studienrat am heutigen Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium in Greifswald angestellt. Der Lehrerberuf (Mathematik, Chemie und Astronomie) erfüllte ihn. Er hielt aber auch weiterhin Vorlesungen an der Greifswalder Universität.

1931 begann er mit der Übersetzung der „Die Elemente von Euklid“, für die (und weitergehende Forschungen) er auch die arabische Sprache erlernte und die ihn 9 Jahre beschäftigen sollte. Sie wurde in fünf Bänden der Reihe „Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften“ verlegt.

Kissenstein in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof Ohlsdorf

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bekam er wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber der NSDAP zunehmend Probleme im Schuldienst. Er verweigerte den Eintritt in den NS-Lehrerbund, setzte sich öffentlich für Juden ein und unterstützte den Schuldirektor Karl Friedrich Wilhelm Schmidt (1873–1951), der 1935 wegen seiner Haltung gegenüber der Hitlerjugend versetzt und dann entlassen wurde. Als Folge[5] wurde auch Thaer zum 1. November 1935 an die Domschule in Cammin (Hinterpommern) strafversetzt. Bereits ab dem 1. Februar 1936 wurde er der Aufbauschule für Jungen in Cammin zugeteilt. Im Juli 1936 veranlasste der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust die endgültige Streichung Thaers' aus dem Vorlesungsverzeichnis der Universität[6]. Damit endete seine 22-jährige Lehrtätigkeit an der Greifswalder Universität.

1939 musste er als 56-Jähriger aus dem Schuldienst ausscheiden, selbst für die Erteilung von Nachhilfestunden in Mathematik erhielt er keine Erlaubnis. Erst nach Kriegsende konnte er wieder unterrichten; er war zunächst in Spiekeroog und danach noch einmal für fünf Jahre in Hohenwerda als Lehrer tätig. Auch veröffentlichte er zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten.

Thaer starb 1974 in Detmold und wurde auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf in der Familiengrabstätte beigesetzt. Sie liegt im Planquadrat V 32 nördlich von Kapelle 10. Die Greifswalder Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule gedachte seiner langjährigen Tätigkeit mit einer Gedenktafel. Außerdem wird in der Schule der „Clemens-Thaer-Preis“ für das beste Mathematik-Abitur verliehen.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1911 heiratete Thaer in Gießen Gertrud Pasch (1882–1929), die Tochter seines Gießener Hochschullehrers. Aus der Ehe gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1929 in Greifswald Elfriede Anna Medenwald (1892–1980). 1931 gebar sie einen Sohn.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Über Invarianten, die symmetrischen Eigenschaften eines Punktsystems entsprechen, Promotionsschrift, B. G. Teubner, Leipzig 1906
  • Moritz Pasch, Grundlagen der Analysis. Ausgearbeitet unter Mitwirkung von Clemens Thaer, Teubner, Leipzig 1909
  • Eine Ausdehnung der Galoisschen Theorie auf algebraische Gleichungen mit mehrfachen Wurzeln, Habilitationsschrift, B. G. Teubner, Leipzig 1909
  • Euklid, Die Elemente, Clemens Thaer (Hrsg. und Übs.), Teil 1 (Buch I-III), Teil 2 (Buch IV-VI), Teil 3 (Buch VII-IX), Teil 4 (Buch X), Teil 5 (Buch XI), Teil 6 (Buch XII-XIII), in: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Band 235 ff., Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1933, 1935, 1936 und 1937

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Bertkau und Gerhard Oestreich (Red. Leitung): Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, 7. Ausgabe, Gruyter, Berlin 1950
  • Joachim Buhrow: Bericht über Studienrat Prof. Dr. Clemens Thaer in: Biographien von hervorragenden Lehrern und Schülern am staatlichen Gymnasium in Greifswald, Förderkreis am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium Greifswald in Vorpommern (Hrsg.), Heft 1, Greifswald 1997
  • Herrmann A. L. Degener (Hrsg.): Degeners Wer ist's ?, Degener, 1935
  • Peter Schreiber: Clemens Thaer (1883-1974) – Ein Mathematikhistoriker im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Sudhoffs Archiv, Band 80, 1996, S. 78–85
  • Philipp Stauff: Literarisches Lexikon der Schriftsteller, Dichter, Bankiers, Geldleute, Ärzte, Schauspieler ... jüdischer Rasse und Versippung, die von 1813–1913 in Deutschland tätig und bekannt waren (Semi-Kürschner), Band 1, SV, Berlin 1913
  • Rudolf Thaer: Clemens Thaer (1883–1974), in: Eberhard Willich, Martin Willich 1583–1633 und seine Nachkommen, Nachfahrentafel von Martin Willich (1583–1633), Stand: Dezember 2004, o. V., Heidelberg 2004, S. 270 f.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. gem. Peter Schreiber, Clemens Thaer (1883–1974) – ein Mathematikhistoriker im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in: Sudhoffs Archiv: Zeitschrift fur Wissenschaftsgeschichte, 80(1), 1996, S. 78–85. Abstract und Preview bei jstor.org
  2. gem. Rainer Westermann, Grusswort zum Ehrenkolloquium der Ernst-Moritz-Universität Greifswald, 30. März 2007, bei Uni-Greifswald.de (pdf; 1,5 MB)
  3. Später wurde diese Schule nach ihrem ehemaligen Schulleiter in Albrecht-Thaer-Gymnasium umbenannt
  4. Der Schwarze Ring. Mitgliederverzeichnis. Darmstadt 1930, S. 24.
  5. Der Gauleiter und Oberpräsident von Pommern, Franz Schwede-Coburg, schrieb infolgedessen am 20. August 1935 an Thaer: „In der Morgenandacht am 6  Mai 1935 in der Aula des staatlichen Gymnasiums in Greifswald haben Sie vor den Schülern und Lehrern der Anstalt an der Maßnahme des Herrn Reichs- und Preussischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung betreffend den Oberstudiendirektor Dr. Schmidt Kritik geübt, indem Sie unter Darstellung der Handlungsweise Friedrichs des Großen in dem bekannten Rechtsstreit mit Müllers Arnold zum Ausdruck brachten, daß Dr. Schmidt ebenfalls aus politischen Gründen absichtlich Unrecht geschehen sei und der verdiente Dank vorenthalten würde ... Dieses Verhalten muß geahndet werden. Mit Ermächtigung des Herrn Ministers bestrafe ich Sie daher gemäß den §§ 2, 9, 10 und 17 der Beamtendienstordnung mit einer Geldstrafe von 300,- RM, die bis zum 1. 10. des Jahres an die Regierungs-Hauptkasse zu zahlen ist. Ferner werden Sie von mir an eine andere höhere Schule versetzt werden ...“
  6. Die Universitätsleitung unter ihrem Dekan Erich Leick versuchte noch, ihn als Mitglied der Universität zu halten, beurlaubte ihn deshalb zunächst nur für das Sommersemester 1936

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]