Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge

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Ölgemälde von einer jungen Frau im linken Profil, die den Betrachter anschaut. Sie trägt einen blauen Turban mit gelb-weißem Tuch, das hinter ihre Schulter fällt. An ihrem linken Ohr hängt ein großer Perlenohrring. Ihre hellbraune Jacke mit weißem Kragen ist nur bis zu den Schultern zu sehen. Der Hintergrund ist schwarz.
Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge
Jan Vermeer, 1665
Öl auf Leinwand
45 × 40 cm
Mauritshuis
Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge (niederländisch: Meisje met de parel) ist das populärste Gemälde Jan Vermeers. Die Bekanntheit des um 1665 entstandenen, 45 Zentimeter hohen und 40 Zentimeter breiten, mit Öl auf Leinwand gemalten Porträts beruht vor allem auf der modernen Rezeption und darauf, dass dieses Werk 1995 und 1996 der Aufhänger einer erfolgreichen Vermeer-Ausstellung im Mauritshuis in Den Haag war.[1] Das nicht datierte Bild ist signiert mit IVMeer[2] und ist Bestandteil der Schausammlung des Mauritshuis.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gemälde Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge zeigt ein Mädchen, ohne es mit Attributen in einen erzählerischen Kontext zu stellen. Wer die Abgebildete ist, ist nicht bekannt. Es könnte ein bezahltes Modell gewesen sein, ein Tronie, oder aber das Bild war eine Auftragsarbeit. Das Porträt ist als Schulterstück ausgeführt, sodass das Gesicht und die Schulteransätze zu sehen sind; das Bild endet also auf der Höhe der Achseln. Das Mädchen trägt eine beigefarbene Jacke, von der sich der weiße Kragen deutlich absetzt.

Zudem bildet die Jacke einen Kontrast zum blauen Turban mit dem gelben herabfallenden Tuch. Er ist ein Zeichen für das in der damaligen Zeit vorhandene Interesse an der morgenländischen Kultur infolge der Türkenkriege. Im 17. Jahrhundert waren Turbane deshalb ein beliebtes und weit verbreitetes Accessoire in Europa. Besonders auffällig ist das Gehänge am Ohr des Mädchens, das aus der Schattenzone des Halses hervorsticht und im Licht funkelt. Das Mädchen interagiert mit dem Betrachter, indem es ihn direkt anblickt und den Mund leicht geöffnet hält, was in der niederländischen Malerei häufig die Andeutung einer Ansprache des Bildbetrachters darstellt.

Der Bildhintergrund ist neutral und sehr dunkel, aber aufgrund seiner Vielfarbigkeit nicht schwarz. Er verstärkt die Helligkeit des Mädchens, insbesondere die seiner Haut. Die Kleidung des Mädchens wurde von Vermeer mit annähernd reinen Farben gemalt.[3]

Restaurierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Restaurierung des Gemäldes 1994 wurde der alte Firnis abgetragen und durch einen neuen ersetzt, sodass die Farben leuchtender wirken. Dabei kam auch ein kleiner Punkt weißer Farbe auf der rechten Seite der Unterlippe zutage. Zudem zeigte sich, dass auf der Perle eine Reflexion zu viel zu sehen war, die nicht von Vermeer stammte.[4]

Provenienz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Farbfotografie von einem zweigeschossigen Gebäude im klassizistischen Stil. An seiner rechten Seite ist ein langes Banner mit der Frau aus „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ und den nachgemalten Fenstern aus dem Gebäude zu sehen. Über der Frau steht „Mauritshuis“.
Mauritshuis

Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge wurde 1881 auf einer Auktion in Den Haag versteigert. Bei der Besichtigung fiel das Bild Victor de Stuers auf, einem mit Kunst befassten Referenten im königlich niederländischen Ministerium des Innern,[5] der es dem befreundeten Kunstsammler Arnoldus Andries des Tombe († um 1903)[6] empfahl. Von dieser Begebenheit existieren zwei Berichte. In einem wird behauptet, Stuers habe trotz des schlechten Zustandes das Bild als einen Vermeer erkannt, im anderen wird nahegelegt, dass die Urheberschaft Vermeers erst nach der Reinigung mit der Freilegung der Signatur ersichtlich wurde. Stuers beschloss, nicht gegen des Tombe zu bieten, der es für zwei Gulden[6] und eine Prämie von 30 Cent ersteigerte.[7]

Das Porträt war, wie die gesamte Sammlung des Tombes, in seinem Haus der Öffentlichkeit zugänglich, wo es 1885 Abraham Bredius erstmals als ein Werk Vermeers lobte. Nach dem Tod des Tombes 1902 ging das Bild, wie es in seinem geheimen Testament verfügt war, mit 15 weiteren Werken in den Besitz des Mauritshuis über.[7]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursprünglich trug das Gemälde den Titel Meisje met tulband (Das Mädchen mit dem Turban). Später bekam es in Holland den Namen Meisje met de parel. Der deutsche Name des Bildes stammt aus der Übersetzung von Girl with a Pearl Earring, was ursprünglich mit Porträt einer jungen Frau mit Perlenohrringen übersetzt wurde.[8] Weitere Übersetzungen sind Mädchenbildnis[9] und Mädchenporträt. Zur 1995 in Den Haag stattgefundenen großen Vermeer-Retrospektive wurde das Gemälde im Katalog erstmals als Mädchen mit dem Perlenohrgehänge bezeichnet und ist seither unter diesem Titel bekannt.[10]

Umstritten ist, ob es sich bei dem titelgebenden Schmuckstück tatsächlich um eine Perle handelt. Die auf dem Gemälde abgebildete Perle ist größer als der Augapfel des Mädchens. Eine Perle solcher Größe wäre weder für das Mädchen noch für Vermeer erschwinglich gewesen. Wissenschaftler des Mauritshuis gehen daher davon aus, dass es sich um eine silberne Kugel oder eine Glasperle handelt, worauf auch die Art der Reflexion hindeutet.[11]

In jüngster Zeit wurde das Bild Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge vermehrt rezipiert und avancierte zum populärsten Werk Vermeers:

  • Der 2001 erschienene Roman Das Mädchen mit dem Perlenohrring von Tracy Chevalier stellt das Mädchen fiktiv als eine Hausmagd der Vermeers dar und wurde 2003 als Das Mädchen mit dem Perlenohrring verfilmt.
  • Im Legoset 60008 „Museumsraub“ ist ein ganz ähnliches „Bild“ enthalten.
  • Schon 1986 (deutsch 1988, Piper Verlag) widmete die italienische Autorin Marta Morazzoni in der Novellensammlung Das Mädchen mit dem Turban dem Bild die Titelnovelle.
  • 1995 bildete die Erzählung Intimität oder Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge den ersten Teil des Erzähltryptichons Königswege von Jochen Schimmang.[12]
  • 2014 griff der britische Künstler Banksy das Werk auf und gestaltete eine Fassade im Bristoler Stadtteil Spike Island mit Vermeers Motiv. Statt des Perlenohrrings nutze der Künstler eine vorhandene Alarmanlage als Readymade für seine Interpretation.[13]

Anschlag auf das Gemälde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 27. Oktober 2022 wurde das Gemälde Ziel einer Aktion von Klimaaktivisten. Ein Mann versuchte seinen Kopf an dem Gemälde festzukleben, ein anderer schüttete ihm eine Dose mit einer roten Flüssigkeit über den Kopf. Die Aktivisten gehörten der Gruppe Just Stop Oil an, die bereits am 14. Oktober 2022 das Gemälde Zwölf Sonnenblumen in einer Vase von Vincent van Gogh attackiert hatte.[14] Drei Beteiligte wurden festgenommen und später zu einer Haftstrafe von zwei Monaten verurteilt.[15] Das Museum gab bekannt, dass das hinter Glas befindliche Gemälde nicht beschädigt wurde.[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arthur K. Wheelock, Ben Broos: Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge. In: Johannes Vermeer. Ausstellungskatalog. Nat. Gallery of Art, Washington, Mauritshuis, Den Haag. Waanders, Zwolle 1995, S. 166–169.
  • Arthur K. Wheelock: Vermeer. DuMont Literatur- und Kunstverlag, Köln 2003, ISBN 3-8321-7339-0.
  • Norbert Schneider: Vermeer – sämtliche Gemälde. Taschen, Köln 2004, ISBN 3-8228-6377-7.
  • Epco Runia, Peter van der Ploeg: Vermeer in the Mauritshuis. Waanders Publishers, Zwolle 2005, ISBN 90-400-9073-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Das Mädchen mit der Perle von Johannes Vermeer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Beatrix Zumbült: Johannes Vermeer. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 2005, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Oktober 2017; abgerufen am 24. Januar 2020.
  2. Wheelock, Broos 1995, S. 166.
  3. Norbert Schneider: Vermeer – sämtliche Gemälde. Taschen, Köln 2004, S. 69.
  4. Epco Runia, Peter van der Ploeg: Vermeer in the Mauritshuis. Waanders Publishers, Zwolle 2005, S. 68.
  5. Kleine Chronik. In: Wiener Zeitung, 16. Dezember 1877, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  6. a b Vom Mauritshause im Haag. In: Wiener Zeitung, 11. März 1903, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  7. a b Epco Runia, Peter van der Ploeg: Vermeer in the Mauritshuis. Waanders Publishers, Zwolle 2005, S. 68.
  8. Ein neuer Vermeer van Delft entdeckt. In: Neues Wiener Journal, 13. Dezember 1924, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwj
  9. Theater und Kunst. In: Wiener Zeitung, 11. Juli 1905, S. 19 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  10. Der Gemäldetitel Das Mädchen mit dem Perlohrgehänge wird verwendet von Roland Schacht in seiner Übersetzung aus dem Englischen von Lawrence Gowing: Vermeer. Humboldt Kunstreihe, Berlin 1960, S. 33, sowie in Norbert Schneider: Vermeer. S. 69.
  11. Vincent Icke: Meisje met geen parel, Nederlands Tijdschrift voor Natuurkunde, Volume 80, Edition 12, Seite 418–419 (Dezember 2014)
  12. Volker Hage: Dummdreist erwachsen. In: Der Spiegel. 30. Juli 1995, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 12. Juli 2023]).
  13. StreetArt Bristol: Von wegen verhaftet – Banksy und sein Mädchen mit dem Perlenohrring. In: STREETARTMAG. 20. Oktober 2014, abgerufen am 26. Juli 2023 (deutsch).
  14. Attacke auf Vermeer-Bild: Klimaaktivisten müssen für zwei Monate ins Gefängnis, HAZ, 3. November 2022
  15. Haftstrafen für Klima-Aktivisten nach Attacke auf bekanntes Gemälde. Abgerufen am 12. Januar 2023.
  16. Klimaaktivisten attackieren weltberühmtes Vermeer-Gemälde. In: DER SPIEGEL. 28. Oktober 2022, abgerufen am 2. November 2022.