Diskussion:Dapagliflozin

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Dapagliflozin ist für die Behandlung von Erwachsenen mit chronischer Niereninsuffizienz zugelassen[Quelltext bearbeiten]

Meine Änderung "Das dritte Anwendungsgebiet von Forxiga ist die chronische Niereninsuffizienz bei Erwachsenen" wurde rückgängig gemacht mit der Begründung "kein etabliertes Anwendungsgebiet, da Nutzen strittig". Ich würde dies gerne zur Diskussion stellen. Das Medikament ist für drei Anwendungsgebiete zugelassen, eines ist die chronische Niereninsuffizienz. Meine Ergänzung war korrekt. Der Begriff "etabliertes Anwendungsgebiet" kommt in der Zulassung so nicht vor, und ich möchte auch der Behauptung "Nutzen strittig" widersprechen. Die DAPA-CKD-Studie hat den Nutzen von Dapagliflozin bei einer Vielzahl von Nierenerkrankungen mehr als eindrucksvoll nachgewiesen (nur wenige Nierenerkrankungen waren ausgenommen). Die EMPA-KIDNEY-Studie mit Empagliflozin hat die DAPA-CKD-Studie bestätigt, hier waren sogar noch weitere Diagnosen zugelassen. Ein Klasseneffekt ist anzunehmen. SGLT2-Inhibitoren gehören inzwischen zur Basistherapie in der Nephrologie. Man darf gerne anderer Meinung sein, aber das sollte dann auch als offensichtliche Minderheitsmeinung (solche habe auch ich zu manchen Fragestellungen) kenntlich gemacht werden. An der Tatsache, dass Forxiga zur Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz zugelassen ist (= Anwendungsgebiet), ändert dies jedoch nichts. Die englischsprachige Wikipedia führt die drei Anwendungsgebiete im übrigen korrekt auf. --Bovender (Diskussion) 22:29, 27. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]

Aus einer Zulassung folgt kein Anwendungsgebiet. Es folgt nur, dass nicht mehr off-label verschrieben werden muss. Ich empfehle als Lektüre die DIAMOND-Studie. Wer etwas von Studien versteht, sieht schnell, dass die DAPA-CKD-Studie hart am Rande wissenschaftlichen Fehlverhaltens operiert. Schon das Design, Patienten mit und ohne Diabetes in einen Topf zu werfen und in der Datenanalyse nicht sauber zu trennen, wäre ein Grund gewesen, der Studie die Annahme zu verweigern. Die Hauptautoren wurden übrigens von der betroffenen Industrie bezahlt. --Saidmann (Diskussion) 22:45, 27. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]
Eine Zulassung in einem bestimmten Anwendungsgebiet spricht doch dafür, dass es dieses Anwendungsgebiet auch gibt? Die Zulassung bedeutet ja nichts anderes, als dass aus Sicht der Zulassungsbehörde hinreichende Evidenz für ein positives Nutzen-Schaden-Verhältnis vorliegt, um die Anwendung des Medikaments zu rechtfertigen. Ein Anwendungsgebiet kann es zwar auch ohne Zulassung geben, aber eine Zulassung ohne Anwendungsgebiet erscheint mir widersinnig.
Die beiden Studien DIAMOND und DAPA-CKD habe ich mir angeschaut. Beide wurden von AstraZeneca (Hersteller von Forxiga) bezahlt, was ja leider ein Schönheitsfehler der meisten Studien zu Medikamenten ist, aber kein hinreichender Grund dazu, sie direkt zu verwerfen.
DIAMOND ist mit 53 randomisierten Pat. eine recht kleine Studie und wesentlich kleiner als DAPA-CKD mit 4304. In DIAMOND wurden über einen Zeitraum von 6 Wochen Laborwerte und andere Surrogatendpunkte wie eGFR, Proteinurie und Blutdruck untersucht, jedoch keine für Pat. unmittelbar spürbaren Endpunkte wie Mortalität oder Krankheitslast. Ich finde die Studie aufgrund der kurzen Behandlungs- und Beobachtungsdauer, der gewählten Endpunkte und der kleinen Stichprobengröße ehrlich gesagt nicht sehr aussagekräftig. Unabhängig davon zeigen die Ergebnisse der Studie aus meiner Sicht nichts, was gegen den Einsatz von Dapagliflozin spricht, oder beziehst du dich auf die beobachtete eGFR-Reduktion?
DAPA-CKD ist aus meiner Sicht eine wesentlich bessere Studie. Sie ist mit 4304 Pat. wesentlich größer als DIAMOND, und die mediane Behandlungs- und Beobachtungsdauer ist mit über 2 Jahren wesentlich länger. Es stimmt zwar, dass in diese Studie auch Pat. mit Diabetes eingeschlossen wurden, allerdings erfolgte die Randomisierung stratifiziert nach Diabetesstatus, und es wurden auch entsprechende präspezifizierte Subgruppenanalysen (Pat. mit/ohne Diabetes) durchgeführt. Das ist aus meiner Sicht so in Ordnung. Etwa ein Drittel der Pat. (1398 von 4304) hatte keinen Diabetes, also noch immer eine wesentlich größere Population als die Gesamtpopulation der DIAMOND-Studie. In der Subgruppenanalyse zeigt sich für die Pat. ohne Diabetes sogar ein größerer Vorteil von Dapagliflozin als für diejenigen mit Diabetes, sowohl in Bezug auf den primären Endpunkt (kombinierter renaler Endpunkt einschließlich anhaltender eGFR-Reduktion; ohne Diabetes: HR 0,50 [0,35-0,72]; mit Diabetes: HR 0,64 [0,52-0,79], siehe Fig. 2 der Publikation zu DAPA-CKD) als auch auf die Gesamtmortalität (ohne Diabetes: HR 0.738 [0.557-0.979], p=0.035; mit Diabetes: HR 0.515 [0.287-0.925], p=0.024; also in beiden Subgruppen ein signifikanter Vorteil von Dapagliflozin gegenüber Placebo). Das Ergebnis zur Mortalität ist in der Publikation leider nicht enthalten, man findet es jedoch z.B. im Anhang zum Dossier für die Nutzenbewertung (S. 21; Achtung, Riesen-PDF mit 10000 Seiten und 72 MB). Insgesamt gab es für das Merkmal Diabetes keinerlei positive Interaktionstests in der Studie (steht im Addendum zum Bericht des IQWiG, S. 10 unten). Das bedeutet, dass die Wirkung von Dapagliflozin bei chronischer Niereninsuffizienz offenbar unabhängig vom Diabetesstatus ist.
Anhaltspunkte für gravierendes wissenschaftliches Fehlverhalten, das die Ergebnisse der Studie disqualifiziert, sehe ich bei der DAPA-CKD keine. Dies ist nicht nur meine Einschätzung, sondern auch die der EMA, die auf Grundlage dieser Studie die Empfehlung zur Zulassung von Dapagliflozin ausgesprochen hat (siehe hier, S. 7: "Recommendations: Extension of Indication to add the treatment of chronic kidney disease in adults [...] based on the results from the renal outcomes study D169AC00001 (DAPA-CKD)"). Auch das IQWiG, das ja nun wirklich nicht als pharmafreundlich gelten kann und sich Studien sehr sorgfältig anschaut, hat der Studie keine schweren Mängel bescheinigt und sie zur Bewertung von Dapagliflozin herangezogen; Urteil: "Zusammenfassend gibt es für Patientinnen und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz ohne symptomatische, chronische Herzinsuffizienz als Komorbidität einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen von Dapagliflozin + optimierte Standardtherapie gegenüber der optimierten Standardtherapie." (siehe hier, Nutzenbewertung, S. 50 unten). Auch das britische IQWiG-Äquivalent NICE empfiehlt Dapagliflozin zur Behandlung der CKD und beruft sich dabei auf die Ergebnisse der DAPA-CKD.
Insgesamt ist damit aus meiner Sicht die DAPA-CKD eine ordentliche Studie, die hinreichende Evidenz für einen Nutzen von Dapagliflozin bei chronischer Niereninsuffizienz darstellt, um dessen Einsatz bei dieser Erkrankung unabhängig vom Diabetesstatus zu rechtfertigen und somit ein "Anwendungsgebiet" zu begründen. --Shinryuu (Diskussion) 12:18, 29. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]
  • Die DIAMOND-Studie zeigte keine Verbesserung in der Proteinurie, eine signifikante Verschlechterung der Filtrationsrate, und einen signifikanten Rückgang des Körpergewichts.
  • Die DAPA-CKD-Studie rekrutierte nur Patienten, die bereits in ACE oder ARB-Therapy waren, also Patienten, bei denen Bluthochdruck ein schwerwiegender Faktor für ihre chronische Niereninsuffizienz war. Das ist eine einseitige Auswahl besonders gefährdeter, multimorbider Patienten, bei denen die beobachteten Endpunkte mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auftreten.
  • Re "es wurden auch entsprechende präspezifizierte Subgruppenanalysen (Pat. mit/ohne Diabetes) durchgeführt". Von all den vielen detaillierten Datenanalysen wurde nur bei einer einzigen Analyse die Gruppe der Nicht-Diabetiker getrennt analysiert (Fig.2). Insbesondere fehlt die Aufschlüsselung mit/ohne Diabetes in Fig.3. Dieses Fehlen halte ich für unentschuldbar, weil es ja gerade um die Erweiterung der Zulassung für Nicht-Diabetiker ging.
  • Was nun war der Nutzen der Behandlung? Aus Fig.1 ist ersichtlich, dass durch die Behandlung alle Endpunkte statistisch etwa 8 Monate später eintrafen als in der Placebo-Gruppe. Die behandelten Patienten hatten also einen relativen Zeitgewinn von 8 Monaten bis zum Eintritt einer massiven Verschlechterung. Gleichzeitig zeigt jedoch Fig.3, dass statistisch erst nach etwa 16 Monaten seit Behandlungsbeginn wieder die anfängliche Filtrationsrate erreicht wurde. Die behandelten Patienten hatten also einen Zeitgewinn von 8 Monaten, in denen gleichzeitig ihre Lebensqualität durch die verminderte Filtrationsrate verschlechtert war. Solchen "Nutzen" kann man doch wohl kritisch sehen. Dazu kommt noch, dass über den Wirkmechanismus bei Nicht-Diabetikern nichts bekannt ist. Das hält viele Ärzte davon ab, es für diese Patientengruppe zu verschreiben.
  • Fazit: Es gibt eine Erweiterung der Zulassung für nicht-diabetische Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Inwiefern die Erweiterung in der Praxis genutzt wird ist eine empirische Frage, auf die es meines Wissens noch keine Antwort gibt. Es gibt also ein zugelassenes Anwendungsgebiet, aber nicht mehr. Ich gehe davon aus, dass die Erweiterung demnächst wieder zurückgezogen wird, ähnlich wie bei der Erweiterung für Diabetes-Typ-1-Patienten.
--Saidmann (Diskussion) 16:28, 29. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]
PS: Dank für den Hinweis auf das Dossier zur Nutzenbewertung des Herstellers. Dort sieht man, warum in Fig.3 der Veröffentlichung (s.o.) nicht nach Diabetes/Nicht-Diabetes aufgeschlüsselt wurde. Bei Diabetikern ist die Verschlechterung der GFR ab Monat 16 in der Placebo-Gruppe größer (S.475). Bei Nicht-Diabetikern ist die Verschlechterung der GFR bis Monat 32 in der Placebo-Gruppe durchgängig geringer (!) als in der Dapa-Gruppe (S.476). Der Ausschluss dieses Ergebnisses aus der Veröffentlichung ist wissenschaftliches Fehlverhalten. Die Hauptaussage der Studie wird nämlich durch dieses Ergebnis stark in Zweifel gezogen. Wenn die Nierenfunktion sich bei Nicht-Diabetikern in der Pacebo-Gruppe weniger verschlechtert hat als in der Dapa-Gruppe, fragt sich doch, ob die beobachteten Endpunkte (Nierenversagen, Tod, etc.) überhaupt ihre Ursache in einer Funktionsverschlechterung der Niere haben. Zumal der Wirkmechnismus bei Nicht-Diabetikern überhaupt nicht bekannt ist. --Saidmann (Diskussion) 20:29, 29. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]
PPS: Die Grafiken zu den genannten Tabellen sind auf S. 506 und 507. Sie zeigen deutlich, dass Dapa bei Nicht-Diabetikern keine Verbesserung beim Verlauf der GFR bewirkt hat. --Saidmann (Diskussion) 22:39, 29. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]
Da Einigkeit besteht, dass die CKD ein behördlich zugelassenes Anwendungsgebiet ist, habe ich den Sachverhalt eingetragen. Dessen unbenommen kann noch ergänzt werden, wer die Studie kritisiert und den Nutzen bestreitet. --Benff 00:35, 7. Apr. 2023 (CEST)[Beantworten]

Bewertung durch das IQWiG[Quelltext bearbeiten]

In seiner Stellungnahme schreibt das IQWiG einerseits:

"Für die vorliegende Nutzenbewertung sind folgende Subgruppenmerkmale relevant:
 Alter (≤ 65 vs. > 65)
 Geschlecht (männlich vs. weiblich)
 Diabetes mellitus Typ 2 zum Studieneinschluss (ja vs. nein)
 Schweregrad der Niereninsuffizienz (GFR < 45 vs. ≥ 45)"

Andererseits hat es das IQWiG unterlassen, diese Subgruppenanalysen zu untersuchen und zu bewerten. Wären die Subgruppen "Diabetes mellitus Typ 2 zum Studieneinschluss (ja vs. nein)" zum Verlauf der eGFR, die im Dossier des Herstellers (dort S. 506 und 507) voll abgebildet waren, analysiert worden, hätte dies zu einem anderen Endergebnis in der Gesamtbewertung führen müssen. Ich halte dieses Versäumnis für nicht entschuldbar. --Saidmann (Diskussion) 21:19, 31. Mär. 2023 (CEST)[Beantworten]

Ich glaube nicht, dass das IQWiG hier etwas versäumt hat. Die Prüfung der Studien folgt ja einer systematischen Methodik, die auch Subgruppen immer berücksichtigt. Wenn die Ergebnisse im Bericht nicht dargestellt und bewertet wurden, waren sie vermutlich entweder nicht interpretierbar oder nicht relevant - verpennt hat man sie aber bestimmt nicht ;-) Dass die Merkmale Diabetes und GFR hier genannt wurden, zeigt aus meiner Sicht gerade, dass man diese Merkmale als relevant auf dem Schirm hatte und die Subgruppenergebnisse vermutlich auch untersucht hat. In dem Bericht steht jedoch auf S. 45 (PDF 55), dass die Subgruppenanalysen, die AstraZeneca dem IQWiG vorgelegt hatte, nicht verwertbar waren. Es gab allerdings später noch ein Addendum zu dem Bericht, nachdem dann offenbar nachträglich verwertbare Analysen vorgelegt wurden (siehe hier). Dort steht auf S. 11/12, dass für drei Merkmale ein positiver Interaktionstest vorlag, sprich, dass es für mindestens einen Endpunkt einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab. Die Ergebnisse sind aber soweit ich das beurteilen kann Kraut und Rüben; es gibt keinen klaren Trend:
"Insgesamt zeigen sich 3 relevante positive Interaktionstests in der Studie DAPA-CKD:
- Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz: Geschlecht (p = 0,002), positiver Effekt nur bei Frauen
- Auswirkung der Niereninsuffizienz auf das tägliche Leben (KDQOL-36): Geschlecht (p = 0,039), positiver Effekt nur bei Frauen
- SUE (ohne krankheitsbezogene Ereignisse): Alter (p = 0,045), positiver Effekt nur bei ≤ 65 Jahren
Die vorliegenden Subgruppenergebnisse sind insgesamt nicht fazitrelevant und haben somit keine Auswirkung auf die Ableitung des Zusatznutzens. Auf eine detaillierte Darstellung der Subgruppenergebnisse wird daher verzichtet."
Die Ergebnisse wurden also bewusst nicht gezeigt bzw. bei der Bewertung nicht berücksichtigt, da man sie nicht für relevant hielt. Bei negativem Interaktionstest (wie beim Merkmal Diabetes ja/nein) ist das aus meiner Sicht nachvollziehbar und kein Fehler.
Die eGFR ging aber in die Bewertung ein, und zwar in Form einer bestätigten anhaltenden eGFR von < 15 (Bericht S. 38). Hier zeigt sich interessanterweise ein Vorteil von Dapa gegenüber Placebo, und der besteht auch in der Subgruppe ohne Diabetes (Anhang zum Dossier S. 273). Mit der Reduktion der eGFR ist es bei dieser Studie insgesamt etwas seltsam: Einerseits hast du recht, dass sich ein Vorteil bei den Verlaufswerten der mittleren eGFR nur bei Patienten mit Diabetes zeigt; bei denen ohne Diabetes (S. 476) würde ich jedoch nicht von einer Verschlechterung sprechen - es tut sich doch eher gar nichts? Andererseits kam es aber auch bei Patienten ohne Diabetes seltener zu einer anhaltenden schwerwiegenden Verschlechterung der eGFR (um >=50% oder auf unter 15; Anhang S. 273, 353). Wie das zusammenpasst, erschließt sich mir nicht, doch falls du eine Erklärung dafür hast, würde sie mich interessieren.
Die eGFR wird für sich genommen aus Sicht des IQWiG nicht als patientenrelevanter Endpunkt betrachtet, da sie zunächst "nur" einen Laborwert darstellt, der für die Patienten nicht unmittelbar spürbar ist. Darüber mag man sich streiten. Ich bin kein Arzt und stecke im Thema Niereninsuffizienz nicht tief genug drin, um zu beurteilen, ab welchem Wert sich eine verringerte eGFR üblicherweise wann und wie bemerkbar macht. Du hattest oben geschrieben, dass eine verminderte Filtrationsrate mutmaßlich die Lebensqualität der Patienten verschlechtert. Die Lebensqualität wurde in der DAPA-CKD als eigenständiger Endpunkt mittels eines Fragebogens erhoben (KDQOL-36). In der Publikation zur DAPA-CKD beim NEJM fehlen diese Ergebnisse leider (mal wieder), doch man findet sie im Addendum zu dem IQWiG-Bericht (S. 7). Dort wurde bezogen auf die "Auswirkungen der Niereninsuffizienz auf das tägliche Leben" sogar eine geringfügige Verbesserung unter Dapa festgestellt und bezogen auf andere Punkte wie Krankheitslast oder Symptome und Probleme der Niereninsuffizienz kein signifikanter Unterschied; der Punktschätzer geht aber auch hier in Richtung eines (sehr geringen) Vorteils von Dapagliflozin. Auf einen Nachteil deutet aus meiner Sicht jedenfalls nichts hin. Wie dies zu der verringerten eGFR passt, kann ich nicht beurteilen.
Generell teile ich deine Kritik daran, dass bestimmte Ergebnisse, u.a. zu den Subgruppen und hierbei gerade zum Diabetesstatus, im Rahmen der Primärpublikation nicht veröffentlicht wurden. Die Subgruppenanalysen zu Diabetes beispielsweise waren für mehrere Endpunkte einschließlich renaler Morbidität (kombinierter Endpunkt einschließlich ≥ 50%iger Reduzierung der eGFR) präspezifiert. Diese Ergebnisse hätte man also veröffentlichen können und sollen, zumindest im Appendix. Auch die Informationen zur Lebensqualität fehlen ja in der Publikation. Warum das so ist und ob hier etwas verheimlicht werden sollte, weiß ich nicht - diese Ergebnisse sind schließlich eher zum Vorteil vom Dapagliflozin, soweit ich das beurteilen kann. --Shinryuu (Diskussion) 18:43, 3. Apr. 2023 (CEST)[Beantworten]
In der NEJM gibt es wenige Grafiken. Wenn eine davon den Verlauf (slope) von eGFR über 36 Monate abbildet (Fig. 3), haben die Autoren diesem Punkt eine besondere Bedeutung zugemessen. Sie weisen im Text ausdrücklich darauf hin, dass bei DAPA der slope signifikant besser ist als bei Placebo. Dies ist eine sträfliche Irreführung, denn die Daten im Dossier S. 506 und 507 zeigen klar und deutlich, dass dieser Effekt nur bei Diabetes-Patienten auftrat.
Was das IQWiG angeht, so habe ich den Verdacht, dass dort die Daten im Dossier S. 506 und 507 überhaupt nicht gesehen wurden. Um diese Daten zu analysieren macht man übrigens keine "Interaktionstests". Hier testet man, ob die slopes der Diabetes-Patienten und der Nicht-Diabetes-Patienten signifikant unterschiedlich sind. Anhand der Tabellen zu den Daten im Dossier S. 506 und 507 (dort S. 475 und 476) hätte ein solcher Test leicht durchgeführt werden können. Aus NEJM Fig. 3 und Text dazu ist übrigens unmittelbar abzulesen, dass eine Signifikanz vorliegen muss, da der slope bei den Nicht-Diabetes-Patienten (Dossier S. 507) der gleiche ist bei Dapa wie bei Placebo.
Zu deiner Frage, "Wie das zusammenpasst, erschließt sich mir nicht, doch falls du eine Erklärung dafür hast, würde sie mich interessieren." Nun, Dapa hat viele Effekte, die mit CKD in keinem direktem Zusammenhang stehen und praktisch auch Gesunde betreffen würden, z.B. Absenkung Glucosespiegel, Gewichtsverlust, erhöhte Glucosurie, verminderter Blutdruck, etc. Diese Effekte können jedoch einen indirekten Einfluss auf CKD haben und somit die beobachteten Endpunkte in der Dapa-CKD-Studie auch bei Nicht-Diabetikern erklären. Daraus kann man aber nicht eine Empfehlung von Dapa auch für Nicht-Diabetiker ableiten. Diese Effekte können nämlich auch durch Änderung des Lebensstils, der Ernährung, oder der übrigen Medikation erreicht werden. Mit dieser Erkenntnis ginge allerdings für Astra-Zeneca ein Milliardenmarkt verloren. Hier liegt der Hase im Pfeffer, und daher die Bewertung "Wissenschaftliches Fehlverhalten". --Saidmann (Diskussion) 20:49, 3. Apr. 2023 (CEST)[Beantworten]
Was den Verlauf der eGFR angeht, hast du ohne Frage recht, hier zeigt sich für die Subgruppe ohne Diabetes kein Vorteil, und diese Information fehlt in der Publikation. Ich nehme an, dass Fig. 3 deshalb gezeigt wurde, weil Dapagliflozin anfangs einen starken Abfall der eGFR bewirkt, der ansonsten zu Verunsicherung führen könnte. Die Abbildung soll vermutlich zeigen, dass sich die Kurven später kreuzen und somit die eGFR unter Dapagliflozin langfristig besser erhalten bleibt. In der Fachinfo zu Forxiga wurde der verminderten eFGR bzw. dem erhöhten Kreatinin als Nebenwirkung ein ganzer Abschnitt gewidmet und es wird betont, dass diese Nebenwirkung nur "zu Behandlungsbeginn" auftritt (Tab. 1) bzw. "vorübergehend oder reversibel nach Behandlungsabbruch" ist (S. 6).
Das deckt sich aber tatsächlich auch mit den Ergebnissen der DAPA-CKD zur anhaltenden schwerwiegenden Verschlechterung der eGFR (um >=50% oder auf unter 15), die wie oben geschrieben auch bei denjenigen Patienten ohne Diabetes unter Dapagliflozin signifikant seltener auftrat als unter Placebo (Anhang S. 273, 353). Ist nicht dieses Ergebnis, die Häufigkeit einer deutlichen und dauerhaften Verschlechterung, für die Patienten wichtiger als der mittlere Verlauf der Kurve? Und auch für viele andere "harte" Endpunkte einschließlich sogar der Gesamtmortalität zeigt sich ein Vorteil von Dapa unabhängig vom Diabetesstatus.
Interessant ist sicher auch, dass nun auch Hersteller weiterer Flozine wie Empagliflozin eine Zulassung für CKD anstreben bzw. bereits erhalten haben. Die Publikation zur der Zulassungsstudie EMPA-KIDNEY für Empagliflozin ist sehr ähnlich aufgebaut wie die zur DAPA-CKD, was sicher kein Zufall ist. Auch der Verlauf der eGFR-Kurve (Fig. 3) sieht sehr ähnlich aus. Der primäre Endpunkt der EMPA-KIDNEY ist allerdings etwas anders zusammengesetzt als bei der DAPA-CKD:
  • DAPA-CKD: end-stage kidney disease, sustained decline in the estimated glomerular filtration rate (GFR) of at least 50%, or death from renal or cardiovascular causes
  • EMPA-KIDNEY: end-stage kidney disease, a sustained decrease in eGFR to <10 ml per minute per 1.73 m2, a sustained decrease in eGFR of ≥40% from baseline, or death from renal causes) or death from cardiovascular causes
Auch hier lohnt also sicher ein Blick hinter die Kulissen, wenn man irgendwie an die Daten kommt... Aber das ist bereits ein anderes Thema. --Shinryuu (Diskussion) 17:03, 13. Apr. 2023 (CEST)[Beantworten]
Danke für den Hinweis auf die "schwerwiegende Verschlechterung der eGFR (um >=50% oder auf unter 15)", bei der auch bei No-DBT2-Patienten ein Dapa-Effekt festgestellt wurde. Das ergänzt die im NEJM veröffentlichen Ergebnisse zu den schwerwiegenden Endpunkten auch bei No-DBT2-Patienten. Ich habe daraufhin - zusätzlich zu dem oben dargestellten Fall - alle weiteren Einzelanalysen aufgelistet, bei den es einen signifikanten Dapa-Effekt bei DBT2-Patienten gab, nicht aber bei No-DBT2-Patienten. Vielleicht lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen.
  • Table T1D_FSTS: Time to chronic dialysis by subgroup FAS (Anhang S. 393)
  • Table T1CKD4_GSPS: Proportion of patients entering CKD 4 by subgroup FAS with baseline eGFR > 40 ml/min/1.73**2 (S. 456)
  • Table T1F30_FSTS: Time to >= 30% eGFR decline by subgroup FAS (S. 527)
  • Table T1KG45_FSTS: Time to doubling of serum creatinine accompanied by eGFR <=45 ml/min/1.73m² by subgroup FAS (S. 607)
  • Table T1KG30_FSTS: Time to doubling of serum creatinine accompanied by eGFR < 30 ml/min/1.73m² by subgroup FAS (S. 647)
  • Table T1K_FSTS: Time to doubling of serum creatinine by subgroup FAS (S. 678)
Lassen sich hier Trends für die Gruppe der No-DBT2-Patienten erkennen? Was meinst du? --Saidmann (Diskussion) 20:39, 19. Apr. 2023 (CEST)[Beantworten]
Hmm. Die verschiedenen Analysen, sowohl die beiden von mir genannten als auch die sechs von dir genannten, schauen sich ja mit eGFR und Serumkreatinin überwiegend zwei eng verwandte Parameter an, und auch der Endpunkt Dialyse hängt aufgrund der Indikationsstellung vermutlich stark von den Nierenwerten ab (das weiß ich aber nicht). Es wurden für die meisten der verschiedenen Analysen nur jeweils andere Auswertungen und Schwellenwerte gewählt (Zeit bis Reduktion um >=50% oder >= 30%, Schwellenwert < 15 / < 30 / <=45...). Also würde ich ohne Kenntnis der Ergebnisse erstmal davon ausgehen, dass alle Auswertungen einen ähnlichen Trend zeigen sollten - vermutlich teils mehr und teils weniger stark ausgeprägt, teils vielleicht signifikant und teils vielleicht nicht, aber zumindest eine ähnliche Richtung und keine gegenläufigen Effekte. Dieses Ergebnis zeigt sich hier meiner Ansicht nach auch: der Punktschätzer weist bei allen acht Analysen und beiden Subgruppen (mit und ohne Diabetes) jeweils in Richtung eines Vorteils von Dapa (Signifikanz und klinische Relevanz erst mal außen vor). Dabei ist dieser Vorteil mal in der Gruppe mit und mal in der ohne Diabetes stärker ausgeprägt und / oder signifikant. Wie klinisch relevant nun Veränderungen der eGFR bzw. des Serumkreatinins um bestimmte Werte sind, weiß ich nicht, doch was aus meiner Sicht definitiv relevant sein sollte, sind die beiden folgenden Endpunkte:
  • Zeit bis zum Nierenversagen (Time to eGFR <15, S. 353): signifikanter Vorteil nur in der Subgruppe ohne Diabetes
  • Zeit bis zu chronischer Dialyse (S. 393): signifikanter Vorteil nur in der Subgruppe mit Diabetes
Wenn du mich also fragst, ob sich hier Trends für die Gruppe der No-DBT2-Patienten erkennen lassen:
  • Ich sehe einen Trend zu einem Vorteil von Dapa gegenüber Placebo in beiden Gruppen, der sich jedoch oft nicht in signifikanten Effekten niederschlägt. Das kann an fehlender Power liegen - die Subgruppen sind ja kleiner als die Gesamtpopulation - ich bin jedoch kein Statistiker und kann das nicht abschließend beurteilen. Es kann auch daran liegen, dass der Effekt vielleicht nicht sehr groß ist.
  • Ich sehe keinen Trend zu einer unterschiedlichen Wirksamkeit abhängig vom Diabetesstatus. Mal ist das Ergebnis in der einen Subgruppe signifikant und mal in der anderen, mal in beiden und mal in keiner. Bei ausnahmslos allen Subgruppenanalysen jedoch war der Interaktionstest negativ, d.h. es ist nicht hinreichend sicher, dass selbst im Fall eines signifikanten Effekts in nur einer der beiden Gruppen dieser Unterschied mehr als ein Zufall ist. Das kann sein, aber ich bin mir hier nicht sicher und sehe keine hinreichenden Belege dafür in den Ergebnissen der DAPA-CKD.
--Shinryuu (Diskussion) 14:39, 25. Apr. 2023 (CEST)[Beantworten]