Drachenblut (Harz)

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Drachenblut gemahlen und als Räuchermittel (Daemomorops draco)
Sokotrisches Drachenblut (Dracaena cinnabari)

Drachenblut (lateinisch Sanguis draconis) ist ein rotbraunes Naturharz verschiedener Pflanzen, das als Phytopharmakon (pflanzliches Heilmittel) und als Beschichtungswerkstoff und Farbstoff verwendet wird.

Der Name Drachenblut für das Harz von Dracaena cinnabari, dem Drachenblutbaum, kommt erstmals bei Dioscorides, Plinius dem Älteren und anderen antiken Dichtern vor. Plinius zufolge beruht der Name Drachenblut (lateinisch Sanguis Draconis) auf einer Schlacht zwischen einem Elefanten und einer Drachen-ähnlichen Kreatur. Der Kampf führte dazu, dass sich das Blut der beiden Tiere vermischte. Dem Harz wurde eine magische Wirkung nachgesagt und es wurde für seine angeblich medizinische Wirkung von den Griechen, Römern und Arabern sehr geschätzt.

Während der Zeit des römischen Reiches wurde das Harz von den Arabern nach Europa über Bombay oder manchmal über Sansibar transportiert, was zu den Namen „Zanzibar Drachenblut“ führte. Im Arabischen ist sowohl دم التنين (dam at-tinin, Drachenblut) als auch دم الاخوين (dam al-akhwain, Blut der zwei Brüder) gebräuchlich.

Ursprünglich bezeichnete Drachenblut (im Mittelhochdeutschen auch trachenbluot und ähnliche Formen; lateinisch sanguis draconis[1]) ein Harz (Dracaena cinnabari) von der Insel Sokotra im Golf von Aden, Dracaena ombet, an der somalischen Küste, sowie – in Europa jedoch wohl erst ab dem 18. Jahrhundert[2] – die Harze der Fruchtschuppen der Palme Daemonorops draco (synonym mit Calamus draco Willd.)[3] in Südostasien. Der Name dehnte sich auf andere ähnliche Harze aus, die aus Pflanzen der Gattungen Daemonorops, Dracaena (Drachenbäume), Croton (eine Gattung der Wolfsmilchgewächse) und Pterocarpus (eine Gattung der Hülsenfrüchtler) gewonnen werden.[4] Daneben ist in der historischen Literatur (Sanguis Draconis, chinesisch 血竭 – „abgezapftes Blut“) der Name auch für Zinnober (Cinnabarit) und andere rote Essenzen üblich.

Socotrisches Drachenblut ist im Periplus Maris Erythraei, einem Seehandelsregister des 1. Jahrhunderts für den Wirtschaftsraum Rotes MeerIndischer Ozean, als Handelsgut auf der Weihrauchstraße erwähnt.[5] Kanarisches Drachenblut von Dracaena draco wurde seit Anfang des 15. Jahrhunderts über Spanien nach Europa importiert.

Beschaffenheit und Zusammensetzung

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Drachenblut ist ein Harz, das zur Gruppe der Oleoresine gezählt wird. Es besteht zu etwa 60 % aus Dracoresin, einem roten Esterharz, sowie ca. 14 % Dracorresen und 2,5 % Dracoalban. Hauptfarbstoff ist aber das Dracorubin C32H24O5[6], das unter 1 %[4] enthalten ist.[7]

Drachenblut ist unlöslich in Wasser, Petroleum, Terpentin und Ether. In Alkoholen, Aceton, Essigsäure und Glycerin sowie in anderen Lösungsmitteln löst es sich unterschiedlich gut.[4] Es schmilzt, je nach Reinheit und Herkunft, zwischen 60 °C und 100 °C und gibt beim Erhitzen rote, stark reizende Gase ab.

Die Handelsware des Harzes ist undurchsichtig rotbraun bis braunrot, mit glänzendem Bruch und bis zu einem Viertel mit Pflanzenresten und anderem durchsetzt. Der Geschmack des Harzes ist süßlich, teils kratzend.

Gewinnung und Handel

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Socotrischer Drachenbaum
Kanarischer Drachenbaum, ca. 1819

Daemonorops-Drachenblut (Ostindisches Drachenblut)[8] kommt vornehmlich aus Südindien, Borneo, Sumatra und von den Molukken. Das Harz befindet sich in spröden Schichten, die dachziegelartig an der Oberfläche der unreifen Früchte angeordnet sind. Die unreifen Früchte, die etwa der Größe einer Kirsche entsprechen, werden gesammelt und getrocknet. Man verwendet nur die unreifen Früchte, da die Früchte beim Reifeprozess Risse bekommen und somit das Harz austritt. Nach dem Trocken der Früchte wird das harzhaltige Pulver durch Hitze weich gemacht und kann anschließend in stockförmige Stücke oder kiloschwere Kuchen geformt werden.

Andererseits kommt Drachenblut aus China von den Arten Dracaena cambodiana und Dracanea cochinchinensis.

Um an das Harz von Croton spp. und Dracaena spp. zu gelangen, muss man den Baum fällen oder zumindest verwunden. Anschließend kann man das saftige, dunkelrote Harz gewinnen.

Socotrisches Drachenblut[4] wird aus Dracaena cinnabari (Socotrischer Drachenbaum) gewonnen. Das Harz schwitzt aus dem Stamm aus und wird ähnlich wie Naturgummi geerntet, indem die natürlichen Sickerrisse vergrößert werden. Das eintrocknende Harz wird dann vom Baum gekratzt. Ähnlich ist Kanarisches Drachenblut[8] aus Dracaena draco. Aufgrund der Seltenheit wildwachsender Drachenbäume auf den Kanarischen Inseln wird hier schon lange kein Drachenblut mehr gewonnen.

Amerikanisches Drachenblut[8] kommt von in Westindien heimischen Pflanzen (Pterocarpus).

Nutzpflanzen für Drachenblut sind:

In den Handel kommt Drachenblut in Bruchstücken, kiloschweren Kuchen oder Schellack-ähnlich in Plättchen,[4] früher auch in mit Schilf umwickelten Stangen und rosenkranzähnlich gefädelten Körnern.[8]

Heutzutage wird das meiste Drachenblutharz für den kommerziellen Gebrauch aus den unreifen Früchten bzw. den Fruchtschuppen der Rattanpalmen der Gattung Daemonorops gewonnen.[9]

Das karminrote Harz wurde bereits in der Antike hoch geschätzt und dort als Färbemittel für Lacke, Zahnpasten, Pflaster und Tinkturen eingesetzt. In China wurden Möbelstücke, Papier und Plakate gefärbt.

Verwendet wurde Drachenblut äußerlich bei Skorbut und in der Wundbehandlung als Antiseptikum, innerlich bei Durchfall und Atemwegserkrankungen sowie als Räucherwerk und in der Einbalsamierung. Auch als Salbenzutat, beispielsweise zur Therapie der Syphilis, wurde das Harz des Drachenblutbaums verwendet.[10] Seine medizinische Bedeutung hat es verloren, in der chinesischen Medizin findet es noch Verwendung. Im Mittelalter, beschrieben im Circa instans, wurde sanguis draconis im Sinne einer Medikamentenfälschung durch Gartenkümmelpulver[11] ersetzt. Neuere Forschungen zeigen, dass Drachenblut bei Ratten Strahlenschäden in der Leber reduziert. Daher erwägt man in China, es zum Schutz der Raumfahrer bei bemannten Mondmissionen einzusetzen, wo die Strahlenbelastung wesentlich höher ist als im erdnahen Raum.[12]

Im Geigenbau und der Tischlerei sowie der Restaurierung verwendet man Drachenblut für Lacke, getönte Firnisse und Farbmischungen. Feinstes Drachenblut ähnelt Krapplack.[4]

Dracorubinpapier ist ein Indikatorpapier zur Unterscheidung von Benzol (Rotfärbung) und Motorenbenzin (Braunfärbung).[4]

In der Chemigrafie (amerikanische Zinkätzung) der Fototechnik verwendet man es als Ätz­grund.[4]

Als traditionelles Räuchermittel wird Drachenblut beim Stamm der Quiché in Guatemala in deren Opferzeremonien eingesetzt, um so die Götter zu besänftigen.[13]

Die Verbindung 4'-Demethyl-3,9-dihydroeucomin (DMDHE), die aus dem Harz von Daemonorops draco gewonnen wird, ist eine natürliche bittermaskierende Substanz. Diese Verbindung, die den bitteren Geschmack überdeckt, weist auf eine Bedeutung für die Lebensmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie hin, um den Geschmack und die Akzeptanz von Lebensmitteln und Medikamenten zu verbessern.[14][15]

Wiktionary: Drachenblut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Vgl. auch Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 167 und 179.
  2. Dieter Martinetz, Karlheinz Lohs, Jörg Janzen: Weihrauch und Myrrhe. Kulturgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung. Botanik, Chemie, Medizin. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, ISBN 978-3-8047-1019-1, S. 35 f.
  3. Vgl. auch Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 154 (Sanguis Draconis: Gummiharz von Daemonorops Draco Bl.), und Otto Beßler: Prinzipien der Drogenkunde im Mittelalter. Aussage und Inhalt des Circa instans und Mainzer Gart. Mathematisch-naturwissenschaftliche Habilitationsschrift, Halle an der Saale 1959, S. 143, Anm. 1.
  4. a b c d e f g h Georg Kremer: 37000, 37011 Drachenblut. Hrsg.: Farbmühle Kremer Pigmente. (kremerpigmente.com [abgerufen am 2. Oktober 2016]).
  5. Anonymos: Periplus Maris Erythraei 30: 10. 17.
  6. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Dracorubin: CAS-Nr.: 6219-63-2, PubChem: 160270, ChemSpider: 140866, Wikidata: Q27106444.
  7. Paul Heinz List, Ludwig Hörhammer: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. 4. Auflage, Springer, 1979, ISBN 978-3-642-66378-9, S. 60 ff.
  8. a b c d Justus von Liebig, Johann Christian Poggendorff, Friedrich Wöhler: Dracenin. – Drachenblut. In: Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie. 1862, S. 486 f. (books.google.de).
  9. Joanna Jura-Morawie, Mirela Tulik: Dragon’s blood secretion and its ecological significance. In: Chemoecology. 26, 2016, S. 101–105, doi:10.1007/s00049-016-0212-2.
  10. Volker Zimmermann: Die beiden Harburger Syphilis-Traktate. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 7, 1989, S. 71–81; hier: S. 72 f. Königshausen & Neumann, Würzburg, ISSN 0177-5227
  11. Konrad Goehl: Beobachtungen und Ergänzungen zum ‘Circa instans’. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 69–77, hier: S. 70.
  12. Li Bo et al.: Potential of Dragon’s Blood as a Space Radiation Protectant Especially on Brain-Liver Bystander Effect. In: spj.sciencemag.org. 13. Juni 2022, abgerufen am 20. Juni 2022 (englisch).
  13. Drachenblut (Harz). Abgerufen am 14. April 2016.
  14. S. Sterneder, J. Seitz, J. Kiefl, E. Rottmann, K. Lamottke, Jp. Ley, V. Somoza: Identifizierung von 4'‐Demethyl‐3,9‐dihydroeucomin, einer bitter‐maskierenden Verbindung aus dem Harz von Daemonorops draco. In: Lebensmittelchemie. Band 78, S3, September 2024, ISSN 0937-1478, doi:10.1002/lemi.202459078 (wiley.com [abgerufen am 28. September 2024]).
  15. Sonja Sterneder, Joachim Seitz, Johannes Kiefl, Eric Rottmann, Margit Liebig, Maria Blings, Stephan Seilwind, Yijun Zhou, Jianbing Wei, Haifeng Guan, Qianjin Zhu, Johanna Kreißl, Kai Lamottke, Jakob P. Ley, Veronika Somoza: Identification of 4′-Demethyl-3,9-dihydroeucomin as a Bitter-Masking Compound from the Resin of Daemonorops draco. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 72, Nr. 38, 25. September 2024, ISSN 0021-8561, S. 20991–20999, doi:10.1021/acs.jafc.4c04583 (acs.org [abgerufen am 29. September 2024]).