Drei-Sektoren-Hypothese

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. März 2007 um 00:04 Uhr durch 80.121.30.97 (Diskussion) (→‎4 Fehlprognosen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Drei-Sektoren-Hypothese ist eine volkswirtschaftliche Theorie welche die Volkswirtschaft in Produktionsgewinnung, Produktionsverarbeitung und Dienstleistung differenziert, sie wurde von C. Clark und Jean Fourastié entwickelt.

Sie beschreibt, dass sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit zunächst vom primären Wirtschaftssektor (Produktionsgewinnung), auf den sekundären (Produktionsverarbeitung) und anschließend auf den tertiären Sektor (Dienstleistung) verlagert. Fourastié sieht die Entwicklung überaus optimistisch und spricht in einem seiner Bücher ("Die große Hoffnung des Zwanzigsten Jahrhunderts") über den steigenden Wohlstand, soziale Sicherheit, Aufblühen von Bildung und Kultur, höherem Qualifikationsniveau, Humanisierung der Arbeit und der Vermeidung von Arbeitslosigkeit.

Entwicklung der drei Wirtschaftssektoren nach Fourastié.

Länder mit einem geringen Pro-Kopf-Einkommen weisen einen niedrigen Entwicklungsstand auf. Der Hauptanteil des Volkseinkommens wird durch Produktion im Primärsektor erzielt. Fortschrittlich entwickelte Länder mit durchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen erwirtschaften ihr Einkommen vorwiegend im Sekundärsektor. In hoch entwickelten Ländern mit hohem Einkommen hat der Tertiärsektor einen dominierenden Erwerbsanteil am Gesamteinkommen.

Mit Hilfe der Anzahl der Erwerbstätigen oder dem Anteil am BSP (Bruttosozialprodukt) kann man sehen, dass Deutschland bis Ende des 19. Jahrhundert eine Agrargesellschaft, bis in die 70er des 20. Jahrhunderts eine Industriegesellschaft war. Der expansive tertiäre Sektor überholte dann in den 70ern den sekundären Sektor und man kann seitdem in der BRD von einer Dienstleistungsgesellschaft sprechen.

4 Fehlprognosen

Verschiedene empirische Untersuchungen scheinen die Drei-Sektoren-Hypothese zu bestätigen, allerdings sind 4 Fehlprognosen in Fourastiés Buch "Die große Hoffnung des Zwanzigsten Jahrhunderts" zu erkennen:

  1. Fourastié sagte, dass der Übergang vom sekundären in den tertiären Sektor das Problem der Arbeitslosigkeit beseitigen würde, da dieser Sektor seiner Meinung nach nicht rationalisierbar sei. Als er in den 30er Jahren seine Theorie aufstellte, ahnte er jedoch nicht den enormen technischen Fortschritt im Dienstleistungssektor, den zum Beispiel die Erfindung des Computers mit sich brachte.
  2. Fehlprognose Fourastiés besagt, dass es keinen Staat geben wird, in dem der sekundäre Sektor noch sehr stark vertreten wird, obwohl es sich um einen hochentwickelten Staat in der dritten Phase handelt. Bestes Gegenbeispiel ist die Bundesrepublik Deutschland. In Deutschland ist der Sekundäre Sektor zwar seit den 50er Jahren stark zurückgegangen, allerdings nicht auf das Niveau, das Fourastié vorausgesagt hat. Gründe hierfür liegen in den extrem hohen Exporten Deutschlands.
  3. Fehlprognose Fourastiés besagt, dass der tertiäre Sektor immer einen enorm hohen Bildungsanspruch an die Arbeitnehmer stellen würde. Dies ist allerdings nicht der Fall. Da der tertiäre Sektor oft mit dem Dienstleistungssektor gleichgesetzt wird, zählen zu ihm auch Berufe wie Schuhputzer, Strassenkehrer, Liftboys. Die Theorie des enorm hohen Bildungsniveaus, das erreicht werden muss, um im Dienstleistungssektor arbeiten zu können, ist mit diesen Berufen ebenfalls widerlegt.
  4. Fehlprognose: Die von Fourastié prophezeite Einkommensangleichung auf hohem Niveau ist nicht eingetreten, eher ist eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten: die Ungleichheit der Einkommensverteilung nimmt in den meisten der OECDStaaten eher immer stärker zu.

Fourastié beschrieb den tertiären Sektor - der in der Regel mit dem Dienstleistungssektor gleichgesetzt wird - als Produktionssektor mit geringem oder gar keinem technischen Fortschritt und somit allenfalls geringen Steigerungen der Arbeitsproduktivität. Die Zuordnung des Dienstleistungssektors zu diesem tertiären Sektor ist heute nur noch in wenigen Bereichen haltbar. Unter anderem wird daher die Einfügung eines vierten Sektors "Informationssektor" propagiert und eine Entwicklung zur Informationsgesellschaft statt zur Dienstleistungsgesellschaft prognostiziert.

Häufig wird die Begrifflichkeit erster, bzw. zweiter und dritter Sektor auch für die Unterscheidung von (gewinnorientierter) Privatwirtschaft (1. Sektor), Staat (2.Sektor) und gemeinnützigen Organisationen (3. Sektor) verwendet.

Strukturwandel nach Fourastié

Die Verschiebung der Beschäftigtenquote innerhalb der einzelnen Wirtschaftssektoren in unterschiedlichen Phasen nach Jean Fourastié:

Erste Phase: Traditionelle Zivilisationen

Beschäftigtenzahlen:

  • Primärer Sektor: 70%
  • Sekundärer Sektor: 20%
  • Tertiärer Sektor: 10%

Diese Phase stellt eine Gesellschaft dar die wissenschaftlich gesehen noch nicht weit entwickelt ist, man kann kaum vom Einsatz von Maschinen sprechen. Der Entwicklungsstand entspricht dem europäischer Staaten im frühen Mittelalter oder dem eines Entwicklungslandes.

Zweite Phase: Übergangsperiode

Beschäftigtenzahlen:

  • Primärer Sektor: 20%
  • Sekundärer Sektor: 50%
  • Tertiärer Sektor: 30%

Im Primären Sektor werden zunehmend mehr Maschinen eingesetzt dies verringert den Bedarf an Arbeitsplätzen. Daraus resultierend steigt die Nachfrage für Maschinen, die vom Sekundären Sektor produziert werden. Die Übergangsphase beginnt mit einem Ereignis oder Vorgang der der Industrialisierung gleich zusetzen ist: fortschreitende Mechanisierung bzw. Automatisierung Fließbandproduktion, Manufaktur etc.

Der Tertiäre Sektor beginnt sich zu bilden, staatliche Verwaltung beginnt sich zu bilden, ebenso wie der Finanzsektor sich entwickelt.

Dritte Phase: Tertiäre Zivilisation

Beschäftigungszahlen:

  • Primärer Sektor: 10%
  • Sekundärer Sektor: 20%
  • Tertiärer Sektor: 70%

Der Primäre und Sekundäre Sektor sind mehr und mehr der Automatisierung unterworfen und der Bedarf an Arbeitskräften sinkt. Dafür steigt der Bedarf im Tertiären Sektor. Wir befinden uns hier in der heutigen Industriegesellschaft und der Gesellschaft der Zukunft, einer Dienstleistungsgesellschaft. Heutzutage ist es im Tertiären Sektor zu einem so enormen Anstieg gekommen, dass man begonnen hat diesen zu unterteilen, so hat sich der Quartäre Sektor gebildet, der sich hauptsächlich mit Informationen befasst.

Literatur

  • Bernhard Schäfers: Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland. Lucius und Lucius, Stuttgart 7. Auflage 2002
  • Rainer Geißler: Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft. In: Informationen zur politischen Bildung. Nr. 269: Sozialer Wandel in Deutschland/2000, S. 19f.
  • Jean Fourastié: Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts. Köln-Deutz 1954
  • Hans Joachim Pohl: Kritik der Drei-Sektoren-Theorie. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Heft 4/Jg. 03/1970, S. 313-325
  • Stefan Nährlich: Dritter Sektor: "Organisationen zwischen Markt und Staat.". Aus der Reihe: Theorie der Bürgergesellschaft" des Rundbriefes Aktive Bürgerschaft Aktuell 4/2003
  • Uwe Staroske: Die Drei-Sektoren-Hypothese: Darstellung und kritische Würdigung aus heutiger Sicht. Roderer Verlag, Regensburg 1995