Elastizität (Wirtschaft)
In den Wirtschaftswissenschaften ist eine Elastizität ein Maß, das die relative Änderung einer abhängigen Variablen im Verhältnis zu einer relativen Änderung einer ihrer unabhängigen Variablen angibt.[1][2] Anschaulich gibt eine Elastizität eine Antwort auf die Frage: Um wie viel Prozent verändert sich eine Variable als Reaktion auf die einprozentige Änderung der anderen Variable ? Man nennt diese relative Änderung die Elastizität von bezüglich oder die -Elastizität von . Betrachtet man beispielsweise die relative Änderung der Nachfrage bei einer relativen Änderung des Preises, ist das die Nachfrageelastizität bezüglich des Preises oder die Preiselastizität der Nachfrage, auch kurz Nachfrageelastizität genannt.
In theoretischen Untersuchungen wird in der Regel von der Punktelastizität ausgegangen, bei der die Änderungen unendlich klein sind; in der Praxis bzw. Empirie wird hingegen oft nur die Bogenelastizität mit endlichen Änderungen genutzt.[3]
Motivation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Motivation für die Verwendung von Elastizitäten ergibt sich daraus, dass die absolute Änderung der abhängigen Variablen nur unzureichend über die Stärke einer Reaktion informiert.
Es wird beispielsweise ein Produkt betrachtet, dessen Preis um 1 € erhöht wird, worauf der Absatz um 10.000 Stück sinkt. Anhand der absoluten Größen lässt sich nur wenig über die Stärke der Nachfrageänderung erkennen. Es fehlt der Vergleichsmaßstab: Betrug der Preis im Ausgangspunkt 10 € oder 100 €? Ist der Absatz von 50.000 auf 40.000 oder von 1.000.000 auf 990.000 Stück gesunken? Ein sinnvolles Maß für die Wirkung eines Instruments ist dagegen die Elastizität, die von relativen Änderungen ausgeht. Da die Elastizität keine Dimension (wie „€“ oder „Stück“) enthält, ermöglicht sie die Vergleichbarkeit von gleichartigen Werten.
Mathematische Darstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bogenelastizität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zur mathematischen Formalisierung des Konzepts der Elastizität wird eine Funktion betrachtet, welche die Beziehung zwischen zwei (ökonomischen) Größen beschreibt. Ausgehend von einem Punkt betrachtet man eine absolute Änderung , welche aufgrund der Abhängigkeit mit einer absoluten Änderung einhergeht. Bezieht man die absoluten Änderungen jeweils auf die Ausgangswerte, so erhält man die relativen Änderungen und . Die Bogenelastizität (auch Streckenelastizität) von bezüglich im Intervall ist definiert als das Verhältnis zwischen der relativen Änderung von und der relativen Änderung von :
- .
Bei dieser Definition beziehen sich die relativen Änderungen auf den Ausgangspunkt . Man könnte sie jedoch auch auf den „neuen“ Punkt beziehen, da aus mathematischer Sicht keiner der beiden Punkte bevorzugt ist. Bei geringen Änderungen ist es gleichgültig, auf welche der beiden Weisen die Elastizität berechnet wird; aber bei größeren kann sich ein erheblicher Unterschied ergeben und keine der beiden Antworten kann zur eindeutig richtigen erklärt werden.[4] Um einen gewissen Ausgleich zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu schaffen, wird die Bogenelastizität gelegentlich in der Literatur so definiert, dass sich die Änderungen von und auf die jeweiligen Mitten der Intervalle und beziehen (Mittelwertmethode):[5]
- .
Elastizität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lässt man in einem der beiden rechts stehenden Ausdrücke gehen, so erhält man im Punkt die Elastizität
- ,
falls an der Stelle differenzierbar ist und sowie gilt. Zur Abgrenzung von der Bogenelastizität bezeichnet man diese Elastizität auch als Punktelastizität. Die Zuordnung definiert eine Elastizitätsfunktion, die für eine differenzierbare Funktion überall dort definiert ist, wo und ist.
Die Punktelastizität gibt in guter Näherung das Verhältnis der relativen Änderung zur relativen Änderung von an, wenn die Änderung klein ist. In der Praxis liefert sie meist eine gute Näherung für die prozentuale Änderung von bei einer einprozentigen Änderung von , das heißt für .[A 1]
Symbolisch wird die Punktelastizität auch geschrieben als[6]
- .
Sie lässt sich mithilfe des natürlichen Logarithmus darstellen als[7]
- .
Denn der natürliche Logarithmus hat die Ableitung und somit das Differential . Entsprechend gilt auch . Somit lassen sich in der Darstellung Divisor und Dividend durch die beiden Differentiale und ersetzen. Diese Beziehung gilt sogar für Logarithmen beliebiger Basis.
Partielle Elastizität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Größe hänge von mehreren Einflussgrößen ab. Diese Abhängigkeit werde durch eine Funktion mit den unabhängigen Variablen beschrieben. Ändert sich nun eine Variable um einen Betrag und bleiben alle anderen Variablen unverändert (Ceteris-paribus-Betrachtung), so bewirkt dies eine Änderung der abhängigen Variablen. Die partielle Elastizität gibt das Verhältnis der relativen Änderung zur relativen Änderung an. Damit ergibt sich für die Bogenelastizität
- .
Ist partiell differenzierbar, so erhält man hieraus durch den Grenzübergang die Punktelastizität
- ,
wobei die partielle Ableitung von nach bezeichnet.[8]
Mathematische Eigenschaften der Elastizität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Elastizität ist dimensionslos. Ihr Wertebereich ist die Menge der reellen Zahlen.
Ökonomische Eigenschaften der Elastizität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Elastizität ist ein Maß für die Reagibilität einer Funktion bezüglich einer Änderung der unabhängigen Variable. Eine negative Elastizität bedeutet, dass die Funktion in dem betreffenden Bereich fällt.
Es lassen sich bezüglich der Elastizität folgende Erkenntnisse ableiten:
| Wert von | Bezeichnung | Auswirkung |
| ist vollkommen unelastisch. | reagiert nicht auf eine Änderung von . | |
| ist unelastisch. | ändert sich relativ weniger stark als . | |
| ist proportional elastisch. | Die relative Änderung von ist gleich der relativen Änderung von . | |
| ist elastisch. | ändert sich relativ stärker als . | |
| ist vollkommen elastisch. | Die relative Änderung von ist unendlich hoch, selbst bei der kleinsten Änderung von . |
Alternative Bezeichnungsweisen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Elastizität mit dem Wert 1 wird als proportional elastisch oder fließend bezeichnet. In der Literatur, wie z. B. in dem weitverbreiteten Lehrbuch von Varian Grundzüge der Mikroökonomik findet sich aber auch die Bezeichnung „einheitselastisch“ für eine Elastizität mit dem Absolutwert 1. Werte darunter werden als unterproportional elastisch bzw. unelastisch bezeichnet, während Werte darüber als überproportional elastisch bzw. elastisch bezeichnet werden.
Besonderheiten der Elastizität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vollkommen unelastisch und vollkommen elastisch sind spezielle idealisierte Fälle.
Eine lineare Funktion, wie sie in den Wirtschaftswissenschaften häufig eingesetzt wird, hat in der Regel wie die meisten Funktionen an jedem Punkt eine andere Elastizität (Ausnahme: Ursprungsgeraden). Funktionen, die über ihren gesamten Definitionsbereich die gleiche Elastizität aufweisen, werden als isoelastische Funktionen bezeichnet.
Beispiel für eine isoelastische Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Elastizitätsfunktion von ist isoelastisch, denn es ist
- .
könnte als Modell einer Preis-Absatz-Funktion interpretiert werden. In diesem Zusammenhang könnte man etwas salopp sagen, dass in allen Bereichen der Preis-Absatz-Funktion die Nachfrage um 1 % fällt, wenn der Preis um 1 % steigt. Des Weiteren kann man in diesem Fall auch davon sprechen, dass die Funktion sowohl isoelastisch als auch einheitselastisch ist.
Ein weiteres Beispiel für Isoelastizität ist eine Ursprungsgerade mit der Elastizität . Eine sinnvolle Anwendung wäre die Umsatzfunktion eines Polypolisten, der seine Produkte zum Marktpreis verkauft.
Ausgewählte Elastizitäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Wirtschaftswissenschaften spielen unter anderem folgende Elastizitäten eine Rolle:
Elastizitäten in Bezug auf die unabhängige Variable
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Preiselastizitäten: Welchen Einfluss haben Preisänderungen auf Angebot und Nachfrage?
- Kreuzpreiselastizitäten: Welchen Einfluss haben Preisänderungen bei einem Gut auf Angebot und Nachfrage bei anderen Gütern?
- dynamische Preiselastizitäten: Welchen Einfluss hat eine gegenwärtige Preisänderung auf den zukünftigen Absatz?
- Einkommenselastizitäten: Welchen Einfluss haben Einkommensänderungen auf die Nachfrage nach einem Gut?
- Absatzwertelastizitäten: Welchen Einfluss haben Marketingaufwände auf die Nachfrage nach einem Gut?
Man unterscheidet beispielsweise bei der Preis- und Kreuzpreiselastizität noch zwischen Angebot und Nachfrage als abhängiger Variablen.
Verknüpfung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]| Angebot als abhängige Variable | Nachfrage als abhängige Variable | |
|---|---|---|
| Preis als unabhängige Variable | (direkte) Preiselastizität des Angebots: gibt an, wie stark das Angebot an einem Gut auf Veränderungen des eigenen Preises reagiert. |
(direkte) Preiselastizität der Nachfrage: gibt an, wie stark die Nachfrage nach einem Gut auf Veränderungen des eigenen Preises reagiert. |
| Kreuzpreis als unabhängige Variable | Kreuzpreiselastizität des Angebots: gibt an, wie stark das Angebot an einem Gut auf Veränderungen des Preises bei einem Konkurrenzprodukt reagiert. |
Kreuzpreiselastizität der Nachfrage: gibt an, wie stark die Nachfrage nach einem Gut auf Veränderungen des Preises eines anderen Produktes reagiert. |
| Einkommen als unabhängige Variable | Einkommenselastizität der Nachfrage: gibt an, wie stark die Nachfrage nach einem Gut auf Veränderungen des Einkommens reagiert. |
Das mikroökonomische Konzept der Preiselastizität der Nachfrage und/oder des Angebots lässt sich betriebswirtschaftlich nicht nur immer dort vorzüglich nutzen, wo entsprechendes betriebsinternes Datenmaterial anfällt, sondern auch auf andere unabhängige Variablen als Preise übertragen. Vor allem Handelsbetrieben mit eigenem Warenwirtschaftssystem und Scannerkassen erschließen sich vielfältige Möglichkeiten der Erfolgsanalyse mittels Elastizitätskennzahlen. Beispielsweise kann die Nachfrage- bzw. Absatzänderung – sogar für eine einzelne Sorte – als abhängige Variable auf unabhängige Variablen wie Werbemitteleinsatz, Werbeintensität, Änderung der Preisoptik, Änderung der Platzierung, Einführung einer Doppelplatzierung oder sonstige handelspsychologische Maßnahmen bezogen werden. Prinzipiell ist für Handelsbetriebe „die Elastizitätsmessung auf alle Instrumente des Handelsmarketings und alle Marktpartner anwendbar: Serviceelastizität, Verkaufsflächenelastizität, Frontstreckenelastizität bzw. Platzierungselastizität der Lieferanten, Konkurrenten und Kunden usw. mit entsprechenden Kreuzelastizitäten.“[9]
Weitere ökonomische Elastizitäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Substitutionselastizität gibt an, wie „leicht“ man bei einer gegebenen Produktionsfunktion und konstant gehaltenem Output einen Produktionsfaktor (z. B. Arbeit) durch einen anderen (z. B. Kapital) ersetzen kann. (Vergleiche beispielsweise die CES-Produktionsfunktion)
- Skalenelastizität gibt an, wie stark der Output gesteigert werden kann, wenn die Einsatzmengen der Inputs ausgedehnt werden.
- Steuerbetragselastizität misst die Reaktion des Steueraufkommens bei einer Veränderung der Bemessungsgrundlage.
- Zinselastizität gibt an, wie eine Zinsposition bei einer relativen Änderung des Zinssatzes reagiert.
- Produktionselastizität gibt näherungsweise an, um wie viel Prozent sich der Output (die Produktion) eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft verändert, wenn der Einsatz eines Produktionsfaktors um ein Prozent erhöht wird.
- Die Kostenelastizität gibt näherungsweise an, um wie viel Prozent sich die Kosten eines Unternehmens verändern, wenn die Ausbringungsmenge um ein Prozent erhöht wird.[10]
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beispiel für eine lineare Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Gerade, die nicht vom Koordinatenursprung ausgeht, hat an jeder Stelle eine andere Elastizität, wie das folgende Beispiel zeigt.
Gegeben ist die lineare Funktion . Es soll die Elastizität am Punkt untersucht werden, d. h. die prozentuale Änderung von , wenn um ein Prozent erhöht wird.
Zu gehört der Funktionswert .
wird um 1 % erhöht: . Also erhält man für .
Nach der 1%igen Erhöhung von ist der -Wert von 200 auf 201 angewachsen. Er hat sich absolut um 1 erhöht, was einer prozentualen Änderung von 0,5 % entspricht.
Unter Verwendung der Elastizitätsfunktion für eine Gerade , die angegeben werden kann als
- ,
würde sich für das Beispiel ergeben
- ,
wobei zu bemerken ist, dass die Elastizitätsfunktion bei positiver Steigung der Geraden und positivem Absolutglied mit wachsendem steigt. Bei fällt sie streng monoton von an von und strebt mit wachsendem gegen 1.
Es wird nun die Elastizität für den Punkt berechnet, der dem Funktionswert entspricht. wird um 1 % erhöht, also absolut um 2. Es folgt . Die prozentuale Änderung ist dabei , also 0,667 %.
Die Ermittlung mit der Elastizitätsfunktion ergibt hier
- .
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Mathematisch präziser gibt sie die Elastizität bei einer infinitesimalen Änderung der unabhängigen Variable an.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Paul Samuelson, William Nordhaus: Volkswirtschaftslehre 1. 8. Auflage. Bund-Verlag, Köln 1987, ISBN 978-3-7663-0985-3, S. 585–593.
- Knut Sydsæter et al.: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. 5. Auflage. Pearson, Hallbergmoos 2018, ISBN 978-3-86894-306-1, S. 292–296.
- Alpha C. Chiang: Fundamental Methods of Mathematical Economics. 3. Auflage. McGraw-Hill, 1984, S. 191–193 und 304–305.
- Jochen Schwarze: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Band 2. 12. Auflage. Verlag Neue Wirtschaftsbriefe, Herne 2005, ISBN 978-3-482-51572-9, S. 102–116.
- Karen Gedenk, Bernd Skiera: Marketing-Planung auf der Basis von Reaktionsfunktionen (I) – Elastizitäten und Absatzreaktionsfunktionen. 1993/94.
- Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel. 2. Auflage. Oldenbourg Verlag, München / Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Anton Frantzke: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre. Mikroökonomische Theorie und Aufgaben des Staates in der Marktwirtschaft. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1999, S. 80
- ↑ Susanne Wied-Nebbeling, Hartmut Schott: Grundlagen der Mikroökonomik. 3. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2005, ISBN 3-540-22683-4, S. 49.
- ↑ Elastizität – Definition im Gabler Wirtschaftslexikon
- ↑ Samuelson, Nordhaus: Volkswirtschaftslehre 1. 1987, S. 589.
- ↑ Schwarze: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Band 2, 2005, S. 103.
- ↑ Schwarze: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Band 2, 2005, S. 109.
- ↑ Schwarze: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler. Band 2, 2005, S. 109.
- ↑ Bernd Luderer, Uwe Würker: Einstieg in die Wirtschaftsmathematik. 10. Auflage. Springer, Wiesbaden 2024, ISBN 978-3-658-43299-7, S. 345.
- ↑ Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel. 2. Auflage. München/Wien 2007, S. 270, ISBN 978-3-486-58379-3.
- ↑ Michael Reichhardt: Kosten- und Leistungsrechnung. 2. Auflage. Springer Gabler, Wiesbaden 2023, ISBN 978-3-658-42233-2, S. 17.