Energiestrategie 2050
Die Energiestrategie 2050 ist ein Massnahmenpaket, welches am 21. Mai 2017 in einer schweizweiten Volksabstimmung angenommen worden ist. Vor dem Hintergrund des geplanten Atomausstieges soll es der langfristigen Versorgung des Landes mit elektrischer Energie dienen, es umfasst unter anderem Massnahmen zur Energieeffizienzerhöhung, zur Senkung von CO2-Emissionen und zur Förderung erneuerbarer Energien. Ein Ziel ist es, die Abhängigkeit der Schweiz von importierten fossilen Energien[1] zu reduzieren. Im Paket enthalten ist auch ein Bewilligungsverbot für neue Kernkraftwerke.[2]
Inhaltsverzeichnis
Übersicht der Massnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Das Gebäudeprogramm zur Förderung von energetischen Sanierungen wird ausgebaut und mit maximal 450 Millionen Franken pro Jahr aus dem Ertrag der CO2-Abgabe unterstützt.
- Stromgrossverbraucher können sich von der CO2-Abgabe befreien lassen, wenn sie sich zur Steigerung der Stromeffizienz sowie zur Verminderung ihrer CO2-Emissionen verpflichten.
- Emissionen von Personenwagen werden bis Ende 2020 auf durchschnittlich 95 g CO2/km begrenzt. Dies entspricht rund 4.1 Liter Benzin oder 3.6 Liter Diesel pro 100 km.[3]
- Die Effizienzvorschriften für Elektrogeräte werden auf weitere Gerätekategorien ausgeweitet und entsprechend dem Stand der Technik sukzessive verschärft.
- Der Netzzuschlag oder KEV von heute 1.5 Rappen pro kWh wird auf 2.3 Rappen erhöht.
- Das System der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) wird zugunsten einer Direktvermarktung umgebaut. In Zukunft sollen Betreiber eine höhere Vergütung erhalten, wenn sie den Strom dann einspeisen, wenn dieser auch benötigt wird.
- Kleinere Photovoltaikanlagen unter 30 kW erhalten Einmalvergütungen in Höhe von maximal 30 % der Investitionskosten.
Im April 2016 hatte der Bundesrat eine Strategie zur Weiterentwicklung des Stromnetzes des Landes beschlossen, um die Stromversorgungssicherheit dauerhaft zu gewährleisten.[4] Diese erleichtert in diversen Rahmenbedingungen die Netzentwicklung. Bereits 2013 verabschiedete das Parlament den Aktionsplan Koordinierte Energieforschung Schweiz, mit dem die Energieforschung für die Periode 2013–2016 mit 202 Millionen Franken unterstützt wurde.[5]
Die Energiestrategie 2050 wurde am 30. September 2016 sowohl vom National- als auch vom Ständerat mit deutlicher Mehrheit verabschiedet.[6]
Referendum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im August 2016 kündigte die Initiative Alliance Energie an, ein Referendum gegen das Programm in die Wege zu leiten. Die SVP schloss sich diesem Schritt im Oktober 2016 an. Unterstützt wird das Referendum unter anderem von den Verbänden Swissmem, Gastrosuisse, Astag, Swiss Plastics, Swissoil und Auto Schweiz, dem Bund der Steuerzahler, den Jungfreisinnigen sowie atomfreundlichen und windkraftkritischen Gruppierungen. Die Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Gewerbeverband lehnten das Referendum ab. Kritisiert wurden an dem Programm insbesondere massive Eingriffe in alle Lebensbereiche sowie die hohen Kosten, welche auf die Bürger zukämen.[7][8] Am 19. Januar reichte die SVP 68'500 beglaubigte Unterschriften ein. Das Schweizer Volk konnte somit am 21. Mai 2017 über die Umsetzung der Energiestrategie 2050 entscheiden.[9][10]
Meinungsumfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Institut | Auftraggeber | Datum | Ja | Eher Ja | Unentschieden Keine Antwort |
Eher Nein | Nein |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Leemann/Wasserfallen | Tamedia | 5. Mai 2017 | 48 | 5 | 2 | 4 | 41 |
gfs.Bern | SRG SSR | 29. April 2017 | 34 | 22 | 7 | 10 | 27 |
Leemann/Wasserfallen | Tamedia | 25. April 2017 | 47 | 8 | 3 | 7 | 35 |
Leemann/Wasserfallen | Tamedia | 7. April 2017 | 48 | 8 | 2 | 7 | 35 |
gfs.Bern | SRG SSR | 23. März 2017 | 33 | 28 | 9 | 11 | 19 |
Bemerkungen: Angaben in Prozent. Das Datum bezeichnet den mittleren Zeitpunkt der Umfrage, nicht den Zeitpunkt der Publikation der Umfrage.
Abstimmungsergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Energiestrategie kam am 21. Mai 2017 zur Abstimmung. Sie wurde vom Volk mit einem Ja-Anteil von 58,2 % angenommen, womit das Referendum der Gegner des Programms scheiterte.[11]
Kanton | Ja (Stimmen) | Ja (%) | Nein (Stimmen) | Nein (%) | Beteiligung (%) |
---|---|---|---|---|---|
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85'056 | 48,2 % | 91'280 | 51,8 % | 42,1 % |
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9'323 | 53,8 % | 7'991 | 46,2 % | 44,9 % |
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2'303 | 56,0 % | 1'809 | 44,0 % | 35,8 % |
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42.251 | 53,4 % | 36.891 | 46,6 % | 42,8 % |
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34'995 | 63,4 % | 20'160 | 36,6 % | 49,2 % |
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166'071 | 55,5 % | 132'930 | 44,5 % | 40,7 % |
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48'468 | 63,2 % | 28'258 | 36,8 % | 38,8 % |
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79'311 | 72,5 % | 30'013 | 27,5 % | 43,2 % |
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4'119 | 43,7 % | 5'300 | 56,3 % | 35,9 % |
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30'963 | 58,7 % | 21'748 | 41,3 % | 38,8 % |
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12'304 | 62,7 % | 7'312 | 37,3 % | 37,9 % |
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72'209 | 58,5 % | 51'319 | 41,5 % | 45,5 % |
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29'884 | 69,6 % | 13'048 | 30,4 % | 38,7 % |
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6'983 | 50,6 % | 6'826 | 49,4 % | 45,1 % |
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6'364 | 49,8 % | 6'415 | 50,2 % | 49,3 % |
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16'251 | 51,2 % | 15'506 | 48,8 % | 65,2 % |
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21'452 | 44,2 % | 27'077 | 55,8 % | 47,0 % |
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38'976 | 50,6 % | 38'072 | 49,4 % | 43,5 % |
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68'346 | 52,2 % | 62'523 | 47,8 % | 40,9 % |
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51'831 | 56,7 % | 39'515 | 43,3 % | 42,4 % |
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33'955 | 51,4 % | 32'116 | 48,6 % | 39,5 % |
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5'128 | 51,7 % | 4'787 | 48,3 % | 37,7 % |
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137'451 | 73,5 % | 49'514 | 26,5 % | 43,1 % |
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57'831 | 63,4 % | 33'414 | 36,6 % | 42,4 % |
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19'139 | 53,8 % | 16'407 | 46,2 % | 47,1 % |
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240'983 | 58,8 % | 168'938 | 41,2 % | 45,1 % |
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1'321'947 | 58,2 % | 949'169 | 41,8 % | 42,4 % |
Debatte nach der Abstimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Als Kritiker der Wirtschaftlichkeit der geplanten Energiewende äussern sich die beiden Ökonomen Borner und Schips.[12] Sie weisen insbesondere auf die witterungsabhängige Stromproduktion von Solar- und Windstromanlagen hin und bezeichnen diese Arten der Stromerzeugung als Flatterstrom, welcher weder planbar noch steuerbar sei. Für die Marktfähigkeit dieser alternativen Stromerzeugung spiele deren Anteil am Gesamtstrombedarf eine entscheidende Rolle. Je höher deren Anteil werde, desto häufiger entständen zeitweise Überproduktion und damit sogenannte Intermittenzkosten, welche den Produktionskosten zugefügt werden müssten. Sie behaupten, dass für die nächsten 20 bis 30 Jahre kein Geschäftsmodell für den saisonalen Ausgleich absehbar sei, um den aus alternativen Quellen erzeugten Strom bedarfsgerecht und wirtschaftlich verfügbar zu machen. Je mehr in diese Formen der Alternativstromproduktion investiert werde, desto unrentabler würden sie für die Anbieter. Deshalb würden Subventionen entsprechend zunehmen müssen, was Zusatzkosten für Nachfrager und/oder Steuerzahler bedeuten werde.
- Andere Kritiker bezeichnen die Schweizer Energiestrategie 2050 bezüglich Elektrizität als «Importstrategie». Insbesondere im Winterhalbjahr werde auch auf viele Jahre hinaus noch mit Stromeinfuhr aus Nachbarländern gerechnet. Eine vom Bundesamt für Energie in Auftrag gegebene Studie kommt im Oktober 2017 zum Schluss, dass Stromimporte zentral für die künftige Versorgungssicherheit sein werden.[13] Ob unsere bisherigen Hauptlieferanten von Strom in Deutschland und Frankreich auch in Zukunft in der Lage sein werden, uns Strom zu liefern wird bezweifelt.[14] So soll der europäische Netzbetreiberverband bereits 2015 warnend darauf hingewiesen haben, dass Deutschland vom Jahr 2025 an selber zu Importen genötigt sein werde. Frankreich hat im Gegensatz zur Schweiz und Deutschland nicht die Absicht hat, die Kernenergie auslaufen zu lassen. Trotzdem wird auch dieses Land laut dem europäischem Netzbetreiberverband wahrscheinlich ab dem Jahr 2025 zu wenig Strom für den Eigenbedarf zur Verfügung haben. Um ab etwa 2025 die Versorgungssicherheit in der Schweiz zu gewährleisten und keinen umfassenden Stromausfall (Blackout) zu riskieren, sehen diese beiden Autoren als wichtigsten Schritt den raschen Bau von Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken, welche bei Engpässen temporär in Betrieb genommen werden könnten.[13][14]
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Energiestrategie 2050 auf der Website des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
- Energiestrategie 2050 auf der Website des Bundesamts für Energie
- Informationen zur Energiestrategie 2050 auf dem Blog des Bundesamts für Energie
- Energiestrategie 2050 auf der Website parlament.ch
- FAZ.net: Mutlose Schweizer (Kommentar)
- NZZ.ch: Die Energie-Lobbyisten haben gewonnen (Kommentar)
Fussnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Faktenblatt «Energieversorgung der Schweiz und internationale Entwicklung»
- ↑ Revidiertes Energiegesetz. (PDF) In: Bundesblatt, BBl 2016 7683. Abgerufen am 2. Juni 2017.
- ↑ Gramm CO2 pro km (Benzin) in Liter pro 100 Kilometer umrechnen – Kraftstoffverbrauch online konvertieren. In: UnitJuggler. Abgerufen am 9. Januar 2017.
- ↑ Netzentwicklung – Strategie Stromnetze. In: www.bfe.admin.ch. Abgerufen am 3. Januar 2017.
- ↑ Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK: Übersicht über die Massnahmen der Energiestrategie 2050. (Nicht mehr online verfügbar.) In: www.uvek.admin.ch. Archiviert vom Original am 3. Januar 2017; abgerufen am 3. Januar 2017.
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- ↑ Nico Häusler: Energiestrategie 2050: Meilenstein geschafft. In: Blog des Bundesamts für Energie. 30. September 2016, abgerufen am 9. Januar 2017.
- ↑ Helmut Stalder: Energiewende soll vors Volk kommen. NZZ, 7. Oktober 2016, abgerufen am 9. Januar 2017
- ↑ Überparteiliches Komitee ergreift Referendum gegen das Energiegesetz. In: www.svp.ch. Abgerufen am 3. Januar 2017.
- ↑ SVP reicht Unterschriften gegen Energiestrategie ein. In: watson.ch. (watson.ch [abgerufen am 20. Januar 2017]).
- ↑ Worum geht es beim Referendum zur Energiestrategie 2050? Informationen auf dem Blog des Bundesamts für Energie, Stand 7. November 2016,
- ↑ Vorlage Nr. 612. Schweizerische Bundeskanzlei, 21. Mai 2017, abgerufen am 21. Mai 2017.
- ↑ Silvio Borner und Bernd Schips: Der Pferdefuss der Energiestrategie 2050. Solar- und Windenergie werden in der Schweiz niemals marktfähig. NZZ, 8. September 2018, abgerufen am 16. September 2018
- ↑ a b Hans Rentsch: Energiewende: «Post-Truth» in der Musterdemokratie. NZZ, 1. Juni 2018, abgerufen am 15. November 2019
- ↑ a b Edwin Somm: Damit der Schweiz der Strom nicht ausgeht. NZZ, 25. September 2018, abgerufen am 15. November 2019