Erich Blechschmidt

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Erich Blechschmidt (* 13. November 1904 in Karlsruhe; † 19. April 1992 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Anatom.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn eines Arztes studierte Medizin in Freiburg, München und Wien,[1] promovierte 1931 in Freiburg[2] und habilitierte sich 1937 ebendort für das Fach Anatomie[1]. Am 7. Juni 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 4.584.132),[3] nachdem er bereits seit Herbst 1933 als Sanitäter in der SA war.[4] Nach Tätigkeiten an den anatomischen Instituten der Universitäten Gießen und Würzburg wurde er 1942 zum beamteten außerordentlichen Professor an die Georg-August-Universität Göttingen berufen.[4] Von 1949 bis 1973 war er dort ordentlicher Professor für Anatomie.[1] Er war Direktor des Anatomischen Instituts.[1] Sein Spezialforschungsgebiet war die Embryogenese, vor allem die Morphologie der frühen vorgeburtlichen Stadien des Menschen. Die Frage nach der Herkunft seiner Präparate kann nicht mehr beantwortet werden, da aufgrund seiner unprofessionellen Dokumentation nur für wenige individuelle Präparate eine Herkunft eindeutig anhand von Begleitschreiben oder Durchschlägen von Blechschmidts Antwortbriefen belegt werden kann.[5]

Die Ergebnisse seiner Forschungen ließ Blechschmidt in Kunststoffmodellen darstellen, die die heute nach ihm benannte „Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt“ bilden.[6] Diese Sammlung befindet sich öffentlich zugänglich im Untergeschoss des Zentrums Anatomie der Universität Göttingen.[7] Sie besteht aus 64 Modellen, die die Entwicklung des menschlichen Embryos von der Befruchtung bis zum Ende der 8. Schwangerschaftswoche darstellen.

Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blechschmidt postulierte in der Embryogenese von ihm so bezeichnete „morphogenetische Felder“, die teilweise übernatürlicher Art seien[8]. Auch glaubte er, dass die Gene allein nicht für die Entwicklung eines Embryo zuständig sein könnten, weil alle Gene wiederum von Genen gesteuert würden, so dass die erste Ursache anderer Natur sein müsse.[8] Blechschmidt war vehementer Gegner der Darwinschen Evolutionstheorie.[9]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die vorgeburtlichen Entwicklungsstadien des Menschen. Eine Einführung in die Humanembryologie. S. Karger, Basel 1960 (deutsch-englischer Paralleltext).
  • Vom Ei zum Embryo. Die Gestaltungskraft des menschlichen Keims. Eine Einführung in die Humanembryologie. DVA, Stuttgart 1968; zuletzt: Wie beginnt das menschliche Leben? Vom Ei zum Embryo. Befunde und Konsequenzen. 8. Auflage. Christiana-Verlag, Stein am Rhein 2008, ISBN 978-3-7171-0653-1.
  • Humanembryologie. Prinzipien und Grundbegriffe. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1974; Neuauflage ebd. 1991, ISBN 978-3-7773-0366-6.
  • Anatomie und Ontogenese des Menschen (= Biologische Arbeitsbücher. Bd. 22). Quelle & Meyer, Heidelberg 1978. Neuauflage: Ontogenese des Menschen: Kinetische Anatomie. Kiener Verlag, München 2012, ISBN 978-3-943324-03-7.
  • Die Erhaltung der Individualität: Der Mensch – Person von Anfang an. Humanbiologische Befunde, Gustav-Siewerth-Akademie, Weilheim-Bierbronnen 1996 (= Schriftenreihe der Gustav-Siewerth-Akademie. Band 14). ISBN 3-928273-14-0.
  • Die Frühentwicklung des Menschen: Eine Einführung. Kiener, München 2011, ISBN 978-3-943324-00-6.
  • Ontogenese des Menschen: Kinetische Anatomie. Kiener, München 2012, ISBN 978-3-943324-03-7.
  • Schriftensammlung Erich Blechschmidt: Gesicht, Kopf, Nervensystem. Hrsg. von Konrad Obermeier. Kiener Verlag, München 2015, ISBN 978-3-943324-11-2.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hraban Haacke: Reines Menschsein – gerade in den Anfängen. Zum Gedenken an Prof. Dr. Erich Blechschmidt, in: Theologisches 22 (6/1992), Sp. 284–285. online
  • Alfred Häußler: Zum Tod von Prof. Dr. med. Erich Blechschmidt. In: Medizin und Ideologie. 14. Jahrgang, August 1992, S. 12–14. online
  • Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung. Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus, mit einer biographischen Dokumentation der entlassenen und verfolgten Hochschullehrer: Universität Göttingen – TH Braunschweig – TH Hannover – Tierärztliche Hochschule Hannover. Wallstein, Göttingen 2000, ISBN 978-3-89244-381-0 (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises Geschichte des Landes Niedersachsen (nach 1945), Band 15, zugleich Dissertation an der Universität Hannover 1998).
  • Michael Markert: „Es besteht hier immer Bedarf an frischen Embryonen.“ Die humanembryologische Sammlungspraxis Erich Blechschmidts in der Göttinger Anatomie von 1942 bis 1969 aus sammlungsethischer Perspektive / “There is always a Need for Fresh Embryos.” / The Practices of Collecting Human Embryos at Göttingen University between 1942 and 1969 from the Perspective of Collection Ethics. In: Sudhoffs Archiv. Bd. 106 (2022), Heft 1, S. 86–122.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Alfred Häußler: Zum Tod von Prof. Dr. med. Erich Blechschmidt. In: Medizin und Ideologie. 14. Jahrgang, August 1992, S. 12–14 (Digitalisat).
  2. Erich Blechschmidt: Farbe und Figur bei anomalen Trichromaten. Trute, Quakenbrück 1931 (Dissertation, Universität Freiburg, 2. März 1931).
  3. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/3190615
  4. a b Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung: Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus. Wallstein, Göttingen 2000, S. 187, Fn. 493 (online).
  5. Michael Markert: Die „Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt“: Geschichte einer sensiblen Sammlung, 1939-1973. doi:10.3249/ugoe-publ-2 (uni-goettingen.de [abgerufen am 24. September 2019]).
  6. Anna Domdey, Corinne Astrid Iffert, Jakob Krahl und Denise Simone Walter (Hrsg.): Zwischen Mensch und Modell. 2021, doi:10.17875/gup2020-1358 (oapen.org [PDF; abgerufen am 10. Juli 2023]).
  7. Hannah Menne: Erich Blechschmidt. Abbilder. 10. Mai 2019 (forum-wissen.de [abgerufen am 10. Juli 2023]).
  8. a b Erich Blechschmidt: Die Erhaltung der Individualität: Fakten zur Humanembryologie (= Wort und Wissen. Bd. 12). 2. Auflage. Hänssler, Neuhausen-Stuttgart 1985.
  9. Florian G. Mildenberger: Anatom, Abtreibungsgegner, Antidarwinist: Die drei Leben des Erich Blechschmidt (1904–1992). In: Medizinhistorisches Journal. Vol. 51, Nr. 3, 2016, S. 246–279.