Ernestinum Gotha

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Gymnasium Ernestinum Gotha
Bild des Gymnasiums Ernestinum in Gotha.
Schulform Gymnasium
Schulnummer 50300
Gründung 1524
Auflösung 1947
Wiedergründung 1991
Adresse

Bergallee 8
99867 Gotha

Ort Gotha
Land Thüringen
Staat Deutschland
Koordinaten 50° 56′ 44″ N, 10° 42′ 2″ OKoordinaten: 50° 56′ 44″ N, 10° 42′ 2″ O
Schüler etwa 500
Lehrkräfte etwa 40
Leitung Lutz Wagner
Website www.ernestinum-gotha.de

Das Gymnasium Ernestinum Gotha ist ein humanistisch-naturwissenschaftlich orientiertes Gymnasium in Gotha, das 1859 aus der Vereinigung von Gymnasium illustre und Herzoglichem Realgymnasium hervorging. Bis 1949 galt es als das älteste Gymnasium im deutschsprachigen Raum, ehe es durch seine vorübergehende Schließung von 1947 bis 1991 vom 1526 gegründeten Melanchthon-Gymnasium Nürnberg als solches abgelöst wurde.[1][2]

Entwicklung des Gymnasiums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von den Anfängen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der älteste Vorläufer ist die 1291 erwähnte Lateinschule an der Pfarrkirche St. Marien. Am 21. Dezember 1524 wurde das Gymnasium durch den Freund Martin Luthers, den Reformator Friedrich Myconius, im Kreuzgang des Augustinerklosters gegründet. Durch den Einfluss der Reformation wurden Inhalt und Form des Unterrichts schon Mitte des 16. Jahrhunderts unter Leitung von Cyriacus Lindemann (1562–1568) neu ausgerichtet. Er legte dabei vor allem Wert auf die Beherrschung grammatischer Regeln und die Interpretation lateinischer Autoren. Dabei führte er das neue Unterrichtsfach Deklamation ein. Großen Wert legte er auf sorgfältige schriftliche Arbeiten der Schüler. Neben diesen Aspekten der Gelehrsamkeit machte er sich durch seinen humanen Umgang mit Schülern einen Namen, da er stets um ein Vertrauensverhältnis zu seinen Schülern bemüht war. Dieses unterschied ihn von seinem Amtsvorgänger Pankratius Sussenbach (1540–1562).

Um 1600 erhielt das Gymnasium den Zusatz „illustre“ (vortrefflich, glänzend, berühmt) durch Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg verliehen. Zu diesem Zeitraum nahm Andreas Wilke (1592–1631) die Rektoratstätigkeit wahr. Er war an der Weiterentwicklung der Schule nicht unerheblich beteiligt. Wilke sorgte für mehr Lehrer an der Schule, erhöhte die Anzahl der Klassen und erweiterte das Schulgebäude, indem er sich für dessen Umbau einsetzte. Zugleich unterhielt er Verbindungen zu namhaften Professoren und Wissenschaftlern in ganz Deutschland.

Blütezeit des Gymnasiums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der 12. Rektor Andreas Reyher im Kreis seiner Familie, Porträt von August Erich (1643)
Zeugnisliste der Selecta 1677; in der untersten Zeile die Bewertungen für August Hermann Francke
Die Geburtsorte der Absolventen des Gymnasiums Illustre/ Ernestinum von der Gründung 1524 bis zum Jahrgang September 1882 FactGrid Wikibase Datenbankabfrage

Im 17. Jahrhundert wurde das Gymnasium durch Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg weiterhin gefördert. Er bot Söhnen verfolgter Lutheraner aus Ungarn, Schlesien, Polen, Russland und Skandinavien Asyl, die am hiesigen Gymnasium lernten. Mit der Ernennung von Andreas Reyher (1641–1673) zum Rektor wurde die allgemeine Schulpflicht für alle Fünf- bis Zwölfjährigen im Herzogtum Gotha eingeführt. Er reformierte das Gothaer Schulwesen im Sinne von Wolfgang Ratke. Sein Rektorat begann Reyher mit dem Entwurf einer neuen Schulordnung unter dem Titel „Special- und sonderbahrer Bericht, Wie (...) Knaben und Mägdlein (...) unterrichtet werden können und sollen“ (1642). Reyher setzte eine inhaltliche Reform des Schulwesens durch, die über die Landesgrenzen hinaus berühmt werden sollte. Durch die Einführung der Selecta kam es zur Aufstockung der Klassen und zur Erhöhung des Fächerkanons. Erstmals wurde der Unterricht in der Muttersprache erteilt. Mathematik, Poetik und Geschichte wurden als neue Fächer eingeführt. Zur Vorbereitung auf das Studium wurden in der Abschlussklasse Selecta die Fächer Rhetorik, Logik, Ethik, Mathematik, Metaphysik und Sphärik gelehrt.

Das 18. Jahrhundert ist im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg durch die Aufklärung geprägt. Besondere Förderung erhielt das Gymnasium unter der Herrschaft Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, der sich für die Entwicklung guter Schulen einsetzte. Dabei ließ er sich von dem Grundsatz leiten, dass gebildete Untertanen auf allen Gebieten eine wichtige Voraussetzung für die ökonomische und politische Stabilität des Landes waren. Während seiner Regierungszeit amtierte Johann Gottfried Geißler (1768–1779) als Rektor am Gymnasium illustre. Unter ihm wurde das Konzept entwickelt, welches den Anteil der alten Sprachen zugunsten der naturwissenschaftlichen Disziplinen, Deutsch, Literatur, Englisch und Französisch verringerte. Um den Freiraum der Schüler für häusliche und selbständige Arbeiten zu erhöhen, wurde die Anzahl der Stunden auf 4 am Vormittag und 3 am Nachmittag beschränkt. Er führte das Fachlehrerprinzip ein und sorgte für feste verbindliche Lehrpläne. Ausgangspunkt dieser Veränderungen bildete Geisslers Schrift „Unvorgreifliche Gedanken, wie die Einrichtung des gymnasii illustris Gothani einigermaßen könnte verbessert werden“ vom 1. November 1768. Unter Friedrich Andreas Stroth (1779–1785) und Friedrich Wilhelm Döring (1786–1833) wurden diese Entwicklungen kontinuierlich fortgesetzt. Die unter ihnen tätigen Lehrkräfte Johann Georg August Galletti, Johann Friedrich Salomon Kaltwasser (1752–1813), Adolf Heinrich Friedrich von Schlichtegroll, Johann Kaspar Friedrich Manso und Friedrich Jacobs zeichneten sich durch ein hohes Maß an Kompetenz und Pflichtbewusstsein aus. Ihre Namen sind als Gelehrte und Schriftsteller in die Geschichte eingegangen.

Gründung und Entwicklung des Gymnasiums Ernestinum bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bild des Gymnasiums Ernestinum im 19. Jahrhundert.

In den Jahren 1837/38 wurde für das Gymnasium in der Bergallee ein modernes Schulgebäude im klassizistischen Stil errichtet, das den Erfordernissen der Zeit entsprach. Nach einem kurzen Interregnum zwischen 1833 und 1841 unter dem Oberhofprediger Eduard Adolf Jacobi (1796–1866) und Gottfried Seebode (1792–1868) sorgte Valentin Rost (1841–1859) für das Wiedererstarken des Gymnasiums. Er musste sich der Herausforderung eines durch das Gothaer Bürgertum begründeten Konkurrenten, des Herzoglichen Realgymnasiums, stellen. Dieses 1836 gegründete Realgymnasium orientierte sich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend an einem naturwissenschaftlich-mathematischen Lehrprogramm. Chemie, Physik und Mineralogie wurden als eigenständige Fächer unterrichtet. Die modernen Fremdsprachen Französisch und Englisch gewannen gegenüber Latein an Bedeutung.

Am 12. April 1859 wurden das Gymnasium illustre und das Herzogliche Realgymnasium vereinigt. Die Bildungseinrichtung erhielt anlässlich dessen den Namen Gymnasium Ernestinum Gothae – zu Ehren Herzog Ernsts I. von Sachsen-Coburg und Gotha.

Der neue Rektor Joachim Marquardt (1859–1882) sorgte für strenge Einhaltung der neuen Schulordnung, ohne besondere Härte einzusetzen. Gegenüber seinen Lehrerkollegen vertrat er eine ebensolche strenge, aber zugleich freundschaftliche Haltung. Er engagierte sich für eine bessere Einrichtung des Schulplans. Unter seiner Leitung wurden ein Erweiterungsbau der Schule vorgenommen, eine Aula eingerichtet, neue Bibliotheksräume und eine Turnhalle geschaffen. Unterrichtet wurde nach einem einheitlichen Fächerkanon. Ab der Untertertia erfolgte die Untergliederung in humanistische und realgymnasiale Klassen. Nachfolger Marquardts war Albert von Bamberg (1883–1910), der ebenso neben der humanistischen Bildung die realen Wissenschaften förderte. Unter dem neuen Rektor Ludwig Mackensen (1910–1914) sollten erstmals auch Mädchen das Ernestinum besuchen. Heinrich Anz (1914–1935) musste sich bei seiner Amtsübernahme mit den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auseinandersetzen. Auch in den darauf folgenden Jahren der Weimarer Republik ist es Anz zu verdanken, dass das humanistische Gymnasium weiter fortbestehen konnte. Während der Naziherrschaft wirkten sich das Eingreifen der Hitlerjugend, die Beurlaubung von Lehrkräften, Staatsfeierlichkeiten, die Einberufung von Schülern zum Militärdienst negativ auf den Schulbetrieb aus. Otto Küttler (1938–1945) war als Rektor bestrebt, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Unter ihm wurden Theateraufführungen, Vorträge und Sportveranstaltungen organisiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Gymnasialbibliothek auf Schloss Friedenstein überführt. Heute ist sie Bestandteil der Forschungsbibliothek Gotha.

Das Gymnasium in der Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick auf das Schulhaus

Mit dem Einführen einer neuen Bildungskonzeption in der Sowjetischen Besatzungszone wurden dem Fortbestand eines humanistischen Gymnasiums die Grundlagen entzogen. Die letzten Abiturprüfungen am Ernestinum wurden im Schuljahr 1945/46 durchgeführt. Im Frühjahr 1947 hörte das Gymnasium Ernestinum formell und dem Namen nach auf zu existieren. Die bestehenden Oberschulklassen wurden am 10. April 1947 in die Arnoldischule eingegliedert, um dort weiter zum Abitur geführt zu werden. Im Schulgebäude des einstigen Ernestinums war fortan eine zehnjährige Mittelschule untergebracht, aus der 1959 eine Polytechnische Oberschule hervorging, die 1965 den Namen POS Albert Schweitzer erhielt.

Das Gymnasium von 1991 bis zur Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Gymnasium Ernestinum am 1. November 1991 wiedergegründet, 1993 wurden die ersten Abiturprüfungen nach 48 Jahren abgelegt. Seit diesem Zeitpunkt wird es von Lutz Wagner geführt. Heute lernen 438 Schülerinnen und Schüler an dieser Einrichtung. Sie werden von 49 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. [Stand September 2009]

Außerschulische Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Teilnahme an der Mathematik-, Chemie- und Physikolympiade
  • Teilnahme an „Jugend trainiert für Olympia
  • Schüleraustausch mit Benevento und einer Partnerschule in der Ukraine
  • Beteiligung am Gothaer Kinderchor
  • Ausstellung künstlerischer Leistungen im Schloss Friedenstein sowie in der Stadt Gotha

Kooperation mit anderen Einrichtungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Schnupperwoche“ für Grundschüler der 4. Klassen
  • Gemeinsame Leistungskurse in Klasse 11/12 mit der Arnoldischule
  • Praktikum für Studierende der Fachrichtung Lehramt unterschiedlicher Universitäten
  • Ausbildungsschule für Referendare in Kooperation mit der Universität Erfurt

Rektoren und Direktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekannte Lehrer und Schüler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heinrich Anz (Hrsg.): Gotha und sein Gymnasium. Bausteine zur Geistesgeschichte einer deutschen Residenz. Zur 400-Jahrfeier des Gymnasiums Ernestinum, Verlag Friedrich Andreas Perthes A.-G., Gotha/Stuttgart 1924.
  • Christoph Köhler u. a. [Red.]: Festschrift zum 475-jährigen Schuljubiläum des Gymnasiums Ernestinum Gotha 1524–1999, Gotha, 1999.
  • Christoph Köhler: Das herzogliche Realgymnasium Gotha – eine der beiden Vorgängerschulen des heutigen Gymnasiums Ernestinum, in: Das Schuljahr 2004–2005, S. 5–12, Gotha 2005.
  • Mitteldeutscher Kulturrat Bonn (Hrsg.): Gymnasien Thüringens, Band 3, Kammwegverlag, Troisdorf 1972.
  • Sascha Salatowsky (Hrsg.): Gotha macht Schule. Bildung von Luther bis Francke [= Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha, Bd. 49]. Gotha 2012.
  • Max Schneider: Die Abiturienten des Gymnasiums Illustre zu Gotha aus M. Andreas Reyhers und Georg Hessens Rektorat von 1653–1694, Engelhard-Reyher, 1911.
  • Ders.: Neue Studien zur älteren Geschichte des Gothaer Gymnasiums, in: Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung, Gotha 1913, S. 23–55.
  • Christian Ferdinand Schulze: Geschichte des Gymnasiums zu Gotha, Justus Perthes, Gotha, 1824 (online).
  • Olaf Simons: Die Absolventen des Gothaer Gymnasiums Illustre/ Ernestinum 1524 – 1882, von Heino Richard zusammengesetzter FactGrid Datensatz (24. 4. 2021), https://blog.factgrid.de/archives/2153

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ernestinum Gotha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Startseite. In: melanchthon-gymnasium.de, abgerufen am 12. November 2018.
  2. Anna Günther, Hans Kratzer: „Humanistische Bildung gibt es auch ohne Latein und Griechisch“. In: sueddeutsche.de, 18. April 2017, abgerufen am 12. November 2018.