Extradosed-Brücke

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Gantertalbrücke, Ingenieur: Christian Menn, eine der ersten Extradosed-Brücken
Sunnibergbrücke, Ingenieur: Christian Menn, Beispiel für eine Extradosed-Brücke

Als Extradosed-Brücke (extradosed bridge) wird eine vergleichsweise neue Konstruktion von Spannbetonbrücken bezeichnet, bei der die Spannglieder außerhalb des Querschnitts des Fahrbahnträgers über einen niedrigen Pylon geführt werden und dadurch das Tragverhalten einer Schrägseilbrücke und einer Balkenbrücke kombiniert wird. Die Bezeichnung leitet sich ursprünglich aus dem französischen Begriff „extrados“ für „außerhalb liegender (Gewölbe-)Rücken“ ab, der leicht bedeutungsverändert ins Englische übernommen wurde.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pelješac-Brücke, die das kroatische Festland mit der Halbinsel Pelješac verbindet und dadurch den Korridor von Neum (Bosnien-Herzegowina) umgeht

Äußerlich unterscheiden sich Extradosed-Brücken von Schrägseilbrücken durch niedrige Pylone und flach geneigte Schrägseile bzw. Spannglieder. Durch diese Anordnung wird der innere Hebelarm für die Spannglieder deutlich günstiger festgelegt. Die flach geneigten Schrägseile wirken wie eine oben liegende Voute. Sie tragen den Überbau von einem relativ niedrigen Pylon aus und spannen den Überbau gleichzeitig vor. Die Pylone können viel niedriger sein, als sie bei einer reinen Schrägseilbrücke sein müssten. Ihre Höhe beträgt meist nur 1/10 bis 1/12 der Hauptspannweite. Die Schrägseile reichen meist nicht bis zur Mitte der Hauptöffnung, sondern lassen das mittlere Fünftel frei. Der Überbau benötigt eine geringere Bauhöhe als eine Balkenbrücke mit innen liegender Vorspannung. Das Tragsystem kann auch als „überspannter Durchlaufträger“ bezeichnet werden.

Auch hinsichtlich der Spannweite von Brücken sind Extradosed-Brücken ein Zwischenglied zwischen Balkenbrücken und Schrägseilbrücken. Balkenbrücken gelten bei kleinen Spannweiten von 100 bis zu 200 m als wirtschaftlich.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Vorläufer war die von Ulrich Finsterwalder und Herbert Schambeck entworfene Werksbrücke West (1972), deren Hauptöffnung aus Platzgründen nicht in ganzer Länge an den einzigen Pylon der Schrägseilbrücke angehängt werden konnte. Sie hat auf dem gegenüberliegenden nördlichen Uferpfeiler sogenannte Betonsegel, in denen die Spannglieder für den nördlichen Teil der Kragträger angeordnet sind.

Christian Menn entwarf die zwischen 1976 und 1980 erbaute Ganterbrücke, ohne allerdings in dem 1979 erschienenen Artikel den Begriff „extradosed“ zu benutzen. Sie weist durch Betonscheiben umhüllte Schrägkabel auf.[2]

Bei der 1980 durchgeführten Verstärkung der Brücke über den San bei Rzuchow (polnisch Most w Rzuchowie), einer zur Landgemeinde Leżajsk in der Woiwodschaft Karpatenvorland in Polen gehörenden Ortschaft, wurden die seitlich angebrachten externen Spannkabel über niedrige Pylone geführt.[3] Da die Verstärkung noch vor der Ganterbrücke fertiggestellt war, sehen manche diese Brücke als erste Extradosed-Brücke.

Jacques Mathivat stellte 1983 oder 1984 in einem nicht realisierten Entwurf für das Viaduc de l’Arrêt Darré erstmals eine Brücke vor, deren Längsverspannung offen über einen niedrigen Pylon geführt wird. In einem 1987 erschienenen französischen Artikel prägte er dafür den Begriff précontrainte extradossée.[4] Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form 1988 in der üblicherweise in der Literatur zitierten englischen Fassung.[5][6]

Einige Extradosed-Brücken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas Vogel, Peter Marti (Hrsg.): Christian Menn – Brückenbauer. 2., ergänzte Auflage, vdf Hochschulverlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-7281-3137-9 (= Gesellschaft für Ingenieurbaukunst. Band 3).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karsten Geißler: Handbuch Brückenbau. Ernst & Sohn, Berlin 2014, ISBN 978-3-433-02903-9, S. 323.
  2. Christian Menn, Hans Rigendinger: Ganterbrücke. In: Schweizer Ingenieur und Architekt, Band 97, Heft 38, 1979, S. 733 (http://doi.org/10.5169/seals-85537)
  3. Grażyna Łagoda, Marek Łagoda: Nowe typy konstrukcji – w mostownictwie XXI wieku auf nbi.com.pl
  4. Jacques Mathivat: Évolution récente des ponts en béton précontraint. In: IABSE reports = Rapports AIPC = IVBH Berichte, Band 55, 1987, S. 318–329, 328 (http://doi.org/10.5169/seals-42743)
  5. Jacques Mathivat, W. F. Crozier: Recent developments in prestressed concrete bridges. In: FIP Notes, Nr. 2, 1988, S. 15–21
  6. José Benjumea, Gustavo Chio, Esperanza Maldonado: Structural behavior and design criteria of extradosed bridges: general insight and state of the art auf scielo.conicyt.cl
  7. Ponte dos Socorridos. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  8. Odawara-Brücke. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  9. Natorigawa-Brücke. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  10. Shin-Karato-Brücke. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  11. Tsukuharabrücke. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  12. Marcelo-Fernan-Brücke. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  13. Extradosed-Eisenbahnbrücke Sapporo. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  14. Waschmühltalbrücke. In: Structurae, abgerufen am 12. Januar 2020.
  15. St. Croix Crossing | HDR. Abgerufen am 27. Juli 2022.