Flechtmaschine

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Flechtmaschine von 1925

Die Flechtmaschine ist eine Apparatur, mit der automatisch Litzen oder Schnüre geflochten werden.

Funktionsprinzip

Flechtmaschine von 1925 in Funktion
Prinzip der Flechterei

Es werden auf Spulen aufgerollte Fäden kreisförmig um den Flechtpunkt herumgeführt. Diese Spulen werden in Schlangenlinien näher zum und wieder weiter entfernt vom Flechtpunkt auf Spulenträgern, den sogenannten Klöppeln geleitet. Dadurch dass Fäden sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn verlaufen, werden sie verflochten.

Die Klöppel oder in Österreich auch Docke (vom norddeutschen Wort Puppe) tragen die Spule. Zum Ausgleich der Entfernung vom Flechtpunkt hatten die Klöppel früher ein Bleigewicht, auch als "Lot" bezeichnet und heute eine Feder, so dass der Faden immer gespannt verarbeitet wird. Die Klöppel haben eine Fadenüberwachung, die die Flechtmaschine bei Fadenbruch abstellt. Die Spulen können entweder angetrieben oder nur durch Bremsung abgespult werden. Dazu haben sie Kerbungen über die der Antrieb oder die Bremsung erfolgt. Bei den Barmer-Flechtmaschinen haben die Spulen, wie auf dem Bild ersichtlich, auf der Oberseite Zacken, wo eine Klinke einrastet. Wird der Faden soweit gespannt, dass das Gewicht im Kern der Spule so hoch gezogen wird, so hebt es die Klinke auf und die Spule kann den Faden soweit abspulen, bis die Klinke wieder einrastet und die Spule zum Stehen bringt.

Barmer Flechtmaschine

Die verflochtenen Fäden werden vom Flechtpunkt mit Quetschwalzen oder anderen Abzügen konstant weggezogen und dann weiter aufgewickelt oder einer weiteren Produktionsstufe, beispielsweise einem automatischen Ablängen zugeführt.

Die Struktur von Geflechten ist stark abhängig von der Anzahl der Klöppel. Hier liegt die Problematik von Flechtmaschinen, da die Klöppelanzahl bei bestehenden Maschinen nur sehr bedingt verändert werden kann. Deshalb braucht man abhängig von dem zu produzierenden Produkt jeweils eine andere Maschine. So gibt es Maschinen die nur sehr wenige Klöppel (z. B. neun Klöppel) bis zu großen Maschinen, die bis über 150 Klöppel aufweisen.

Waren früher die Drehzahlen durch die Qualität des Fadenmaterials begrenzt, ist es durch die Herstellung von Kunstfasern mit wesentlich größerer mechanischer Festigkeit eher die Bauweise der Maschine selbst. Auch die Spulenkörper können durch exaktere Führungen wesentlich größer sein, was auch wieder zu kürzeren Stillstandszeiten durch Spulenwechsel führt.

Das Funktionsprinzip ist aber auch bei heutigen Maschinen identisch mit jenem der Maschinen in den letzten hundert Jahren.

Litzen und Schlauchgeflechte

Abhängig davon, ob die Klöppel immer jeweils in eine Richtung laufen oder an den Endpunkten umkehren, ergibt sich ein Schlauchgeflecht (Schnur oder Kordel) oder ein Flachgeflecht (Litze, in Österreich auch Börtel bezeichnet). Üblicherweise ergeben sich durch die Technik bei einer ungeraden Anzahl von Fäden eine Litze, bei einer geraden Anzahl eine Schnur. Die kleinsten Geflechte sind mit drei Fäden, wie bei einem Zopf als Litze, bei vier Fäden eine Schnur. Durch Zuführen einer Seele im Flechtpunkt von unten, kann man das Schlauchgeflecht zu einer Schnur noch betonen. Außerdem kann diese Seele Zugkräfte aufnehmen, ohne dass sich ein Geflecht zusammenzieht.

Elastische Litzen werden in der Form erzeugt, dass Gummifäden von unten in gespannten Zustand nach oben innerhalb des Geflechtes zugeführt werden, diesmal aber nicht mittig im Flechtpunkt, sondern jeweils in den Kreuzungspunkten der einzelnen Klöppel.

Gestaltungsmöglichkeiten von Geflechten

Prinzipiell bestimmt die Fadenanzahl und Fadendicke die Stärke des Geflechts. Zusätzlich sind aber noch andere Möglichkeiten, das Aussehen des Geflechtes zu beeinflussen, möglich.

Einen wesentlichen Faktor bildet die Geschwindigkeit, wie schnell ein Geflecht vom Flechtpunkt abgezogen (weggezogen) wird. Eine langsame Abzugsgeschwindigkeit bewirkt ein dichtes und dickeres Geflecht, während eine schnelle Abzuggeschwindigkeit ein loses und leicht verschiebbares Geflecht ergibt. Besonders bei elastischen Geflechten ist dieser Punkt zu beachten, wie weich oder streng der Zug der Gummilitze im Endeffekt ist.

Auch mit den Gewichten in den Klöppeln kann die Dichte eines Geflechtes stark beeinflusst werden. Mit schwereren Gewichten wird der Faden jeweils stärker gespannt und das Geflecht wird enger und dünner. Durch eine bestimmte Anordnung von verschiedenen Gewichten ist es beispielsweise möglich eine Zackenlitze herzustellen, in dem die Litze jeweils vom Flechtpunkt aus nach links oder nach rechts gezogen wird.

Wenn man einige dünne Fäden in einer Richtung und stärkere Fäden in die Gegenrichtung laufen lässt, kann man beispielsweise Schnüre flechten, die mit einem gedrehten Seil eine Ähnlichkeit aufweisen.

Bei elastischen Geflechten ist das Aussehen und vor allem auch die spätere Dehnmöglichkeit des Geflechts stark abhängig von der Vorspannung der von unten gerade durchlaufenden Gummifäden.

Durch Kombination verschiedener Einflussfaktoren kann man auf diese Weise die verschiedensten Geflechte herstellen.

Sonderbauarten

Laufen die Klöppel abhängig von Litzen oder Schlauchgeflechten üblicherweise immer dieselben Wege, so können sogenannte Wechsel ähnlich Eisenbahnweichen die Laufbahnen zeitweise trennen und später wieder zusammenführen. Auf diese Weise können beispielsweise Gummilitzen mit Unterbrechungen, wie Knopflochgummilitzen gefertigt werden.

Bei anderen Bauformen können sich mehrere Laufbahnkreise nur tangential berühren, sodass an den Berührungsstellen dünne Verbindungen zweier Schnüre entstehen, wie sie beispielsweise Passepoilgeflechte darstellen.

Auf ähnliche Weise lassen sich ein Schnurkreis und ein Litzenkreis miteinander verbinden, sodass auch wieder spezielle Geflechte entstehen wie beispielsweise eine Kordellitze, die aus einer Schnur mit einem flachen Flügel besteht.

Da die Flechtindustrie in den letzten zwanzig Jahren insgesamt in Europa stark in Niedriglohnländer abgewandert ist, dort aber nur Massenware erzeugt wird, ist der Bestand an solchen Maschinen nur mehr sehr gering.

In den letzten Jahren kommt es wieder zu einer Zunahme von Spezialflechtmaschinen, allerdings nicht im klassischen Textilbereich, sondern bei der Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen. Die hier verwendeten Maschinen wurden ursprünglich oft für die Textilindustrie konzipiert und dann umgerüstet, um damit Kohle-, Glas- und Aramidfasern verarbeiten zu können.

Historisches

Die ersten Spuren einer mechanischen Flechtvorrichtung findet man in einem Buch von Georg Philipp Harsdörffer, das 1653 in Nürnberg erschienen ist. Laut den Angaben des Autors soll die dort beschriebene Vorrichtung, deren Antrieb über eine Handkurbel erfolgte, in Utrecht erfunden worden sein. Rund ein Jahrhundert später wurde 1748 dem Engländer Thomas Walford aus Manchester erstmals ein Patent auf eine Flechtmaschine erteilt. Im Tal der Wupper gilt Johann Heinrich Bockmühl als der Erfinder dieser Maschine, was nicht zutrifft. Verbesserungen an der Flechtmaschine gehen aber auf ihn zurück. Die industrielle Herstellung von Flechtmaschinen begann um 1880. Führend auf diesem Gebiet waren die Hersteller in Wuppertal-Barmen. Diese Börtelflechtereien, wie sie oft bezeichnet wurden, waren vielerorts der Beginn der Industrialisierung. Vor allem in Gebieten, in denen Wasserkraft als Antrieb des Wasserrades vorhanden war, entstanden diese Fabriken schon vor der Elektrifizierung. Später wurden diese Antriebe durch Dampfmaschinen oder Lokomobile ersetzt.

einzelner Klöppel mit Fadenüberwachung

Die Flechtmaschinen wurden nebeneinander auf sogenannten Flechttischen zusammengestellt. Diese waren einfache Holzgestelle, die der Länge nach eine Antriebswelle hatten und die Maschinen einzeln über Kegelräder antrieben. Eingeschaltet wurden diese Maschinen durch einfaches Bewegen der Maschine, so dass die Zahnräder in Eingriff kamen. Aus dieser Zeit stammt auch die Ausdrücke Einrücken und Ausrücken für Einschalten oder Ausschalten der Maschine. Angetrieben wurden die einzelnen Tische über eine Transmission.

Diese Fadenüberwachung ist bemerkenswert, da es diese Automatik ohne eine heute bekannten Sensorik nur bei diesen Maschinen gab. An der Seite jedes Klöppels gibt es einen Schieber, der durch den Faden in der Höhe gehalten wird. Reißt der Faden, so fällt der Schieber nach unten, so drückt er beim Vorbeiführen die seitlich angeordneten Auslösestange nach außen, die wiederum Zahnräder außer Eingriff bringt. In der Folge bleibt die Maschine stehen, ohne dass zwangsläufig ein Fehler im Geflecht entsteht. Es war also die schwache Fadenspannung ausreichend, die schwere Maschine abzustellen. (siehe rechte Abbildung)

Bei Bandwebmaschinen war diese Überwachung nicht möglich, so dass die Flechtmaschine einen großen Teil der Produkte der vorher schon bekannten Webereien ablöste. Erst in den 1970er Jahren, löste die Erfindung der Nadelwebstühle und der Häkelgalonmaschinen, die eine wesentlich höhere Produktivität haben, die Flechtmaschinen wieder größtenteils ab. Nur mehr Spezialgebiete der Textilindustrie arbeiten heute mit Flechtmaschinen.

Die bekannten Hersteller dieser Flechtmaschinen siedelten sich naturgemäß in den Gebieten an, wo auch diese Flechtindustrie vorherrschte. Bekannte Industriegebiete, die über eine große Anzahl solcher Erzeugungen verfügten, waren der Raum Wuppertal in Deutschland und das Waldviertel (bekannt auch als das Bandlkramerland) und das Wiener Becken in Österreich. In Wien selbst war beispielsweise der siebente Bezirk Neubau ein solches Gebiet. Noch heute erinnern Straßennamen, wie Bandgasse oder Seidengasse an diese Zeit.

Anwendungsbeispiele

  • Gummilitzen, die als Einziehgummi in Kleidungsstücken verwendet werden
  • Kerzendochte können geflochtene Schnüre sein
  • Schlangen oder Zackenlitzen, die als Ziergeflecht aufgenäht werden
  • Schnürsenkel (Schuhbänder).

Es gibt aber auch technische Geflechte, wie:

  • sogenannte Einziehstrümpfe, bei denen das Zusammenziehen des kurzen Schlauchgeflecht-Abschnitts genutzt wird, um ein Kabel oder einen Schlauch zu fassen und diesen in ein Schutzrohr oder Kabelkanal einzuziehen, ähnlich einer chinesischen Fingerfalle
  • Umflochtene elektrische Leitungen, bei denen der Kabelmantel entweder durch eine Umflechtung geschützt ist (z. B. Bügeleisen-Zuleitung) oder diese ersetzt (sogenannte Pendelschnur bei Hängelampen mit Aufrollautomatik, bzw. in letzter Zeit immer öfter bei Kopfhörerkabeln), um eine größere Flexibilität des Kabels zu erreichen
  • Geflechte zur Kunststoffverstärkung (z. B. aus Carbon, Glasfaser, Aramide)
  • Kupferlitzen, die als Masseverbindung bei Fahrzeugbatterien verwendet werden.
  • Litzen werden auch als Entlötlitze verwendet.
  • Schlauchgeflechte werden beispielsweise für Duschschläuche eingesetzt, bei denen ein Gummischlauch mit Stahldrähten umflochten wird. Bei Koaxialkabeln wird die Schirmung geflochten.
  • Schläuche zur thermischen Isolierung

Literatur

  • Bernhard Lepperhoff: Die Flechterei. Leipzig (1914)
  • Herbert Vogler: Wurde die Flechtmaschine in Barmen erfunden?. Band- und Flechtindustrie, 36 (1999), S. 43-46
Commons: Flechtmaschinen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien