George Gernert

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George Gernert der Jüngere (* um 1630; † vor 1693)

Auswanderung der Protestanten aus Rochlitz im Isergebirge nach Schwarzbach im Jahr 1682
Bürgerhaus der Gernert Exulanten, links neben dem Rathaus von Arnau

war Gerichtsprimus und Dorfrichter von 1657 bis 1682 in Rochlitz an der Iser. Er führte als Schultheiß im böhmischen Riesengebirge eine spektakuläre Exulanten-Flucht nach Sachsen an, die großes Aufsehen in Wien, Prag und Dresden, beim römisch-deutschen Kaiser und böhmischen König Leopold I. und beim sächsischen Kurfürsten Johann Georg III., hervorrief. Er kehrte vor 1693 mit seiner Frau und fünf Kindern aufgrund eines Versprechens der böhmischen Gutsbesitzerin von Starkenbach, ihn in seinen verlassenen Besitz wieder einzusetzen, in das katholische Rochlitz zurück.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

George Gernerts Vater, George Gernert der Ältere, entstammte dem bürgerlichen Patriziergeschlecht Gernert aus Arnau.[1] Die Familie war mit den wohlgestellten Bürgerfamilien Cirkan und Dreyschuch aus den umliegenden Ortschaften Kottwitz, Tschermna und Silber verwandt. Seine Vorfahren waren Senatoren und Bürgermeister (1611) der Stadt Arnau. Die Gernerts besaßen in Arnau neben dem Rathaus, um 1592 nachgewiesen, ein Bürgerhaus mit einem großen Weinkeller und einen Weinhandel. Es ist heute das[2] Hotel am Ring. Die Gernerts waren Ratsherren und Weinschenke der bekannten Adelsherren von Arnau, der von Waltstein, später von Wallenstein genannt. Die von Waltstein kauften Merten Gernert 1592 das Haus samt dem Braugewerbe ab.[3][4] Die gotischen Kellergewölbe hatten Verbindungen zum Ratskeller. Die Gernerts besaßen eine Vielzahl von Ackergrundstücken um die Stadt herum und entlang der Elbe,[5] eine Fleischbank am Markt, eine Familiengruft am Kloster, 1528 ein Pfortenhaus vor dem östlichen Stadttor, dem Niderthor. Dort konnte man nach Schließung der Stadttore logieren, zechen, die Pferde versorgen, und es wurde hier das Geld entrichtet, um die Stadt zu betreten.

Die Repressionen der Gegenreformation zwangen den Teil der Familie, der sich nicht rekatholisieren lassen wollte, in die noch bis 1682 protestantischen Ortschaften an der Grenze zu Sachsen und Schlesien. Das nach dem Dreißigjährigen Krieg aufstrebende Rochlitz brauchte einen Gerichtsschulzen. George Gernert der Ältere bekam das privilegierte Amt. In der Folgezeit dominierten die gewählten Dorfrichter Georg Gernert der Ältere und der Jüngere von 1657 bis 1682 in diesem Amt. Am 15. Juli 1682[6] war der Druck vonseiten der katholischen Herrschaftsbesitzerin Anna Francisca Harrant, geb. Gräfin Schönfeld so groß, dass 200 Untertanen – das Gros der Ortsbevölkerung – die Glasfenster zerschlugen, die nötigsten Sachen packten, die Schornsteine einrissen und mit dem Rädelsführer George Gernert dem Jüngeren auf dem Böhmersteig übers Riesengebirge flohen. Ein Jahr zuvor war ein „aufrührischer“ Untertan des Dorfes, Nathaniel Müller, der nicht den katholischen Glauben annehmen wollte, aus der böhmischen Haft nach Gebhardsdorf in Sachsen entflohen. Nathaniel Müller kam nun mit bewaffneten Exulanten aus Sachsen (Gebhardsdorf/Schwarzbach) übers Riesengebirge und unterstützte die Flucht der Rochlitzer Protestanten.

Zum Transport der nötigsten Habe wurden 100 eigene und auch 200 Rinder der Herrschaft mitgenommen. Der ganze Abzug ins protestantische Sachsen wurde mit Schuss- und Stichwaffen durch die aufständischen Exulanten durchgesetzt. Der Marsch endete in Schwarzbach im sächsischen Queiskreis, einem Dorf der protestantischen Herrschaft von Uechtritz (Gebhardsdorf, Schwerta). Die Hauptlast der Eingliederung und Sesshaftmachung der deutsch-böhmischen Exulanten trug Gebhardsdorf. Die nun untertanenlose Herrschaft in Böhmen beklagte sich bei Kaiser Leopold I. in Wien, in Prag und in Dresden beim Kurfürsten von Sachsen über ihren Missstand. Viel Schriftverkehr wurde geführt, um die Exulanten wieder zurückzubekommen. In einem Protokoll vom 6. Oktober 1682,[7] beim Bürgermeister von Grottau auf Anordnung des Monarchen aufgenommen, erklärte George Gernert das Versprechen des die Exulanten aufnehmenden Gutsherrn, Christoph von Uechtritz, Er wolle ihn an- und aufnehmen und hätte seinen Leuten geboten bei hoher Strafe, wenn sie die Entlaufenen nicht aufnehmen würden.

Böhmersteig, historischer Handelsweg vom böhmischen Rochlitz zum schlesischen Schreiberhau

Trotzdem wurde noch im 17. Jahrhundert angeordnet, die Exulanten mit der Garantie der Einsetzung in ihre ehemaligen Stellen wieder zurückzuführen. Von 200 geflohenen Personen gingen 121 wieder nach Böhmen.[8][9]

George Gernert kehrte mit Frau und 5 Kindern vor 1693 wieder nach Rochlitz zurück; seinen sozialen Stand als Richter bekam er nicht wieder. Sein Bruder[10] Hans Gernert, ein Bauer, blieb in Sachsen in Schwarzbach/Queiskreis. Dessen Sohn Christian siedelte 1713 in Estherwalde mit Frau und zwei Kindern auf der Hofstelle Nr. 9, immer zur Exulanten-Flucht bereit. Hinter ihrem Haus floss der Schwarzbach, der ehemalige Grenzbach zwischen Sachsen und Schlesien. In Gebhardsdorf wurden Exulanten vom Abendmahl ausgeschlossen, diese hielten sich alsdann an die Kirchen Nieder Wiesa und Gerlachsheim. So zogen 12 Familien, zusammen 60 Personen, aus Gründen der Uneinigkeit in der Glaubensausübung, mit Streit und Zerwürfnissen in der Gemeinde Gebhardsdorf fort. Die später in Schlesien und Brandenburg lebenden friderizianische Kolonisten der Nachfahren der Exulanten Gernert nahmen in nachfolgender Zeit die Familiennamen Gerner und Görner an.[11] Nach 1945 wurden Plauen, Potsdam, Berlin, Braunschweig und Schwerin zur neuen Heimat der Gerner.

Häuser der Dorfrichter Gernert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Grundstück (alt) 092, 1657 bis 1681
  • Grundstück (alt) 102, 1657 bis 1681
  • Grundstück (alt) 103, 1667
  • Grundstück (alt) 101, 1667 bis 1698
  • Grundstück (alt) 093, 1681 bis 1706

Orte der Seßhaftmachung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abwanderungen Rochlitzer Exulantengenerationen ab 1720[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

325. Jährung der Flucht über das Riesengebirge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2007 organisierten Nachfahren von George Gerner dem Älteren, Kurt Gernert und Jürgen Gerner die Wiederholung des Exulantenmarsches. Der Fluchtweg, der Böhmersteig auch Böhmische Weg genannt, rot ausgewiesen führte als alter Handelsweg von Rokytnice nad Jizerou (Rochlitz an der Iser), über die Labská louka (Elbwiese) in das Luftlinie vier Kilometer nordwestlich gelegene Szklarska Poręba (Schreiberhau) in Schlesien. Die Fußstrecke führte vorbei an den Höhenweiden der ehemaligen Herrschaft Starkenbach, von denen sich die damaligen Glaubensflüchtlinge zuvor 200 Rinder nahmen und diese mit ihrer Habe beluden. Sie mussten ca. 900 Höhenmeter aufsteigen und 800 Höhenmeter absteigen, der erste Teil der Fluchtstrecke betrug 20 km. Ziel war 1682 das protestantische Sachsen, indem man die Exulanten in Schwarzbach / Schwerta / Gebhardsdorf aufnahm. Mit Hilfe des Touristischen Informationszentrums Rokytnice, der tschechischen Fam. Gernert und Gebert wurde die Fluchtstrecke bis Schreiberhau erörtert. Die Wanderung ergab, dass die Grenzpassage mit den 300 Packrindern nach den historischen Situationsbriefen die im Sächsischen Staatsarchiv Dresden lagern, nur fußläufig über den Böhmersteig passabel war.

Persönlichkeiten, besondere Verwandte, Nach- und Vorfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans H. Donth: Rochlitz an der Iser und Harrachsdorf in der Frühzeit. Quellen zu Herrschaft und Alltag in einer ländlichen Industriesiedlung im Riesengebirge (= Collegium Carolinum, Band 65). R. Oldenbourg Verlag, München 1993, Register, S. 573.
  • Franz Donth, Hans H. Donth: Quellen zur Geschichte der Herrschaft Starkenbach im Riesengebirge im 17. Jahrhundert (= Collegium Carolinum, Wissenschaftliche Materialien und Beiträge zur Geschichte und Landeskunde der böhmischen Länder, Heft 17). Verlag Robert Lerche, München 1974, Register, S. 752.
  • Vincenz Elsner: Heimatskunde des Rochlitzer Gerichtsbezirkes, Starkenbach und Hochstadt. Selbstverlag, Rochlitz 1893, S. 116.
  • Alfred Meißner, Karl Schneider: Sudetendeutsche Heimatgaue. Das Land an der hohen Elbe – Arnau und Hohenelbe (= Flugschriften der Heimatbildung, Heft 17). Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus, Reichenberg nach 1921, S. 9–11.
  • Wulf Wäntig: Grenzerfahrungen. Böhmische Exulanten im 17. Jahrhundert. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2007, ISBN 978-3-89669-612-0, S. 523–524.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Carl Leeder: Beiträge zur Geschichte Arnau. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Prag 1872, S. 45 „1528 … Merten Gerneth sein Haus …“
  2. Hotel am Ring Archivierte Kopie (Memento vom 31. Januar 2017 im Internet Archive)
  3. Aus den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen Nr. 47 (1908) S. 94–100, Register über den Weinhandel 1579 (in Arnau)
  4. Otto Weiss: Die alte Heimat. Arnau an der Elbe im Riesengebirge, Band 1, S. 100, letzter Satz.
  5. Karte auf archivnimapy.cuzk.cz. Abgerufen am 13. April 2019.
  6. Franz Donth, Hans H. Donth: Quellen zur Geschichte der Herrschaft Starkenbach im Riesengebirge im 17. Jahrhundert. Collegium Carolinum, Forschungsstelle für die böhmischen Länder, Verlag Robert Lerche, München 1974, S. 389–412.
  7. Franz Donth, Hans H. Donth: Quellen zur Geschichte der Herrschaft Starkenbach im Riesengebirge. Collegium Carolinum, München 1974, S. 431, 433.
  8. https://www.exulanten.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?module=results&class=details&pid=10776&
  9. https://www.exulanten.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?module=welcome
  10. https://www.exulanten.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?module=results&class=details&pid=10775&
  11. Hans Gerner ist der Stammvater der Gerner-/Görner-Familien im niederschlesischen SprottischwaldauPrimkenauMallmitz.
  12. Monatschrift von und für Schlesien: 1829,1. Graß, Barth u. Company, 1. Januar 1829, S. 84–87 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Jürgen Gerner: Verarmter Landadel namens Buchwälder - Buchwald – Buchler – Puchler. In: Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V. (Hrsg.): Arbeitsbericht. Heft 2. Herne 2009.
  14. George Gernert. Abgerufen am 2. April 2022.