Girls’ Day

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Der Girls’ Day (Eigenschreibweise: Girls'Day) ist ein einmal im Jahr stattfindender Aktionstag, der Mädchen und Frauen motivieren soll, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen. Der Girls’Day soll dazu beitragen, den Anteil der weiblichen Beschäftigten in sogenannten „Männerberufen“ zu erhöhen und einen angenommenen bzw. für die Zukunft prognostizierten Fachkräftemangel in der Industrie zu verringern. Der Boys’ Day gilt als Pendant zum Girls’ Day.

Girls Day in Frankfurt am Main

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verschiedene Unternehmen, überwiegend in der Industrie, laden Mädchen ab der fünften Jahrgangsstufe in ihr Unternehmen ein und geben Gelegenheit, Arbeitsplätze in Technik, Naturwissenschaften, Handwerk und Informationstechnik kennenzulernen. Der größte Teil der Unternehmen und Institutionen (über 80 Prozent) lädt zum Girls’Day interessierte Mädchen zu sogenannten „offenen Veranstaltungen“ ein. In einem kleineren Teil der Organisationen erhalten Mitarbeitertöchter die Gelegenheit, den Arbeitsplatz ihrer Eltern kennenzulernen. Üblicherweise wird der Girls’Day von einem Rahmenprogramm begleitet, bei dem die Mädchen den Betrieb vorgestellt bekommen und Gelegenheit haben, selbst Fragen zu stellen und aktiv zu werden.

Situation in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland wurde zum Girls’Day eine Gemeinschaftsinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Initiative D21, der Bundesagentur für Arbeit, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und des Bundesverbands der Deutschen Industrie ins Leben gerufen. Das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. koordiniert viele der teilnehmenden Organisationen und Betriebe.

Das Land Brandenburg bietet seit 2002 anstatt des Girls’Day den „Zukunftstag für Mädchen und Jungen“ an. An diesem Projekttag können alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen sechs bis neun geschlechts-untypische Berufe in Unternehmen kennenlernen. So sollen nicht nur Mädchen typische Männerberufe in ihre Berufswahl stärker einbeziehen, sondern auch Jungen typische Frauenberufe (wie Kita, Grundschule und Pflege). Der Brandenburger Zukunftstag dient damit auch der allgemeinen Fachkräftesicherung.

In Niedersachsen findet seit 2005 zeitgleich zum bundesweiten Girls’Day der „Zukunftstag für Mädchen und Jungen“ statt,[1] seit 2018 ist die Teilnahme für Schüler der Klassenstufen 5 bis 9 als Bestandteil in die berufliche Orientierung an allgemein bildenden Schulen eingebettet.[2] Der entsprechende Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 17. September 2018 sieht für den Zukunftstag getrennte Angebote vor, wobei sich die Mädchen und Jungen einen Einblick in vermeintlich typische Berufe des jeweils anderen Geschlechts verschaffen sollen.[3]

Der amtierende Bundeskanzler oder die amtierende Bundeskanzlerin lädt Mädchen einen Tag vor dem eigentlichen Girls’Day in das Bundeskanzleramt ein, um für mehr Frauen in MINT-Berufen und -Studiengängen zu werben, denn Frauen sind dort noch immer deutlich unterrepräsentiert.[4] Auch die Bundeswehr beteiligt sich von Anfang an beim Girls’Day.[5]

Seit 2011 findet parallel zum Girls’Day auch ein bundesweiter Boys’Day statt, der die Rollenstereotype für Jungen aufbrechen möchte.[6]

Girls’Days in Deutschland [7][8]
Datum Angebote Plätze
26. April 2001 39 1.800
25. April 2002 1.267 42.500
8. Mai 2003 3.905 101.000
22. April 2004 5.303 114.000
28. April 2005 6.974 127.000
27. April 2006 7.085 122.000
26. April 2007 8.113 138.000
24. April 2008 8.583 133.000
23. April 2009 9.098 127.000
22. April 2010 9.618 123.000
14. April 2011 9.831 126.000
26. April 2012 9.572 116.000
25. April 2013 9.240 108.000
27. März 2014 9.000 103.000
23. April 2015 9.450 103.000
28. April 2016 9.500 98.400
27. April 2017 10.300 100.000
26. April 2018 10.500 100.000
28. März 2019 10.450 100.300
26. März 2020 0 0
22. April 2021 3.352 78.629
28. April 2022 7.874 91.651
27. April 2023 13.600 124.600
25. April 2024 0 0

Situation in Österreich und der Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich findet der Girls’Day seit 2001 jährlich statt.

Seit 2006, immer am 4. Donnerstag im April, beteiligen sich Institutionen mit vielseitigen Programmen am Girls' Day im Bundesdienst. Seit dem Jahr 2015 konnte mit dem Girls' Day MINI ein zusätzliches Angebot für Mädchen ab vier Jahren geschaffen werden.[9]

In der Schweiz ist ein ähnlicher Aktionstag als Nationaler Zukunftstag bekannt.

Vorläufer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Vorläufervariante des Aktionstags wurde 1993 in New Orleans in den USA von der Organisation Ms. Foundation for Women veranstaltet. Der take our daughters to work day wurde inzwischen in take our daughters and sons to work („nehmt unsere Töchter und Söhne mit zur Arbeit“) umbenannt und ist ein Tag ausschließlich für Kinder von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unternehmen. Er findet – wie auch der Girls’ Day – Mädchen-Zukunftstag – üblicherweise am vierten Donnerstag im April statt. Der Girls’ Day ist im Gegensatz zu dieser Vorläufervariante nicht auf Mitarbeiterkinder beschränkt. Ziel des Girls’ Day ist auch nicht in erster Linie das Kennenlernen der Arbeitsplätze der Eltern. Mädchen sollen an diesem Tag die Chance auf einen möglichst breitgefächerten Einblick in Berufsbereiche erhalten, in denen bisher nur wenige Frauen arbeiten. Angestrebt wird, dass Schülerinnen sich ihren Girls’-Day-Platz selbst auswählen können. Häufig ergreifen sie die Initiative zur Anmeldung selbst (60 Prozent). Der erste Tag, der nach diesem Muster durchgeführt wurde, fand in dem Unternehmen Lucent Technologies in Nürnberg im Jahr 2000 statt und wurde in einem Forum an Schulen, Politik und Gesellschaft weiter verfolgt.[10] Den Girls’ Day gibt es seit dem Jahr 2001. Ursprungsland ist Deutschland.

Name[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Angaben der Projektverantwortlichen wählten Mädchen im Alter von 10 bis 15 Jahren bei einer kleinen Umfrage in Mädchen-Treffs und Schulklassen den Namen Girls’ Day unter mehreren Alternativen aus; Mädchen-Zukunftstag wurde hinzugefügt, damit das Ziel dieses bundesweiten Aktionstags auch in deutscher Sprache im Namen enthalten ist.[11]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Einführung des Girls’Days wurde immer wieder auf das fehlende Gegenstück für Jungen hingewiesen. Seit 2011 gibt es den Boys’Day. Es gibt jedoch auch Kritik daran, dass Jungs an die schlecht bezahlten Jobs im sozialen Bereich herangeführt werden sollen und dass die Aktionstage nicht nachhaltig seien.[12] Der erste Kritikpunkt weist allerdings weit über die Einzelmaßnahme Boys’Day hinaus:

„Wenn die Lohnlücke zwischen typisch männlichen und typisch weiblichen Berufen nicht so weit aufklaffen würde, könnten sich mehr Männer mit dem Gedanken anfreunden, in einem ursprünglich frauendominierten Beruf zu arbeiten – im Kindergarten oder im Altenheim zum Beispiel. Allerdings zeigt die Forschung auch, dass dies die Geschlechterunterschiede bei der Berufswahl nur marginal verändern würde.[13]

Der zweite Kritikpunkt, die fehlende Nachhaltigkeit, wird darauf zurückgeführt, dass der Prozess, in dem sich der Berufswunsch ausbildet, bereits im Kindergarten und Vorschulalter beginnt und der Girls’Day relativ spät ansetzt; aber immerhin „helfen diese Tage dabei, das Thema ins Bewusstsein der Gesellschaft zu heben. Sie machen uns bewusst, dass wir da immer noch ein Defizit haben.“[13]

Die Bundeswehr als inzwischen größter Veranstalter am Girls’Day wurde kritisiert, gegen die UN-Kinderrechtskonventionen zu verstoßen. Entgegen der Selbstverpflichtung von einem Mindestalter von 14 Jahren wurde bereits bei elfjährigen Mädchen für den Beruf der Soldatin geworben.[14]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Girls’Day in den Bundesländern: Niedersachsen (Memento des Originals vom 24. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.girls-day.de, abgerufen am 26. April 2012.
  2. Zukunftstag für Mädchen und Jungen in Niedersachsen, abgerufen am 31. Juli 2019.
  3. Berufliche Orientierung an allgemein bildenden Schulen. Runderlass 24-81403 – VORIS 22410. Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, 17. September 2018, abgerufen am 31. Juli 2019.
  4. Treffen des Bundeskanzlers mit Schülerinnen anlässlich des Mädchen-Zukunftstages. Abgerufen am 3. Mai 2023.
  5. „Technik ist Männersache. Oder nicht?“ – Weg vom Klischee der Männerberufe. Abgerufen am 3. Mai 2023.
  6. Homepage Boys’ Day - Jungenzukunftstag, abgerufen am 12. Januar 2014
  7. Girls'Day in Zahlen. Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V., abgerufen am 3. Mai 2023.
  8. Girls’Day kurz erklärt – Fragen und Antworten. FAQ. Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit, abgerufen am 8. Mai 2012: „Girls’Day – Mädchen-Zukunftstag ist immer am vierten Donnerstag im April.“
  9. Was ist der Girls' Day. Bundeskanzleramt Österreich, abgerufen am 9. Mai 2023.
  10. Bericht vom Frauenbüro Münster, 2004, S. 16 (PDF-Datei; 1,40 MB)
  11. Häufige Fragen zum Girls’Day - Abschnitt: Woher hat der Girls’Day seinen Namen? (abgerufen am 7. Juni 2018)
  12. Spiegel Online: Die Aktionstage Girls’Day und Boys’Day sind umstritten - Girls’Day und Boys’Day – Männer hängt die Pin-up-Poster ab., 24. April 2013, abgerufen am 12. Januar 2014
  13. a b Marcel Helbig im Interview mit C. Bertelsmann: „Die Rollenmuster aufbrechen.“ Der Bildungssoziologe Marcel Helbig über Sinn und Unsinn des Girls’Day. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 31, 7./8. Februar 2015, ISSN 0174-4917, S. 67.
  14. heise online / Telepolis: Mädels ans Maschinengewehr, 14. April 2011