Gosteli-Stiftung
Die Gosteli-Stiftung ist die Trägerschaft des Archivs zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung. In Worblaufen (Gemeinde Ittigen) im Kanton Bern führt die Stiftung das Archiv mit Dokumenten zur Geschichte der Schweizer Frauen seit dem späten 19. Jahrhundert.
Die Dokumentation ist unter den Kulturgütern von nationaler Bedeutung aufgeführt und das Archiv hat seit 2020 den Status einer Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung.[1]
Bestände
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Sammlungen der Gosteli-Stiftung sind unterteilt in:
- Archive von Frauenorganisationen und Frauenverbänden (wie dem Bund Schweizerischer Frauenvereine oder der Frauenbefreiungsbewegung), über 250 Bestände
- Persönliche Archive von Frauen (rund 200 Bestände), z. B. der Lehrerin Helene Stucki, der Psychiaterin Erna Hoch, der Unternehmerin Elisabeth Feller oder der Ärztin Emanuele Meyer-Schweizer.
- Biografische Notizen (über 10'000 Dossiers)
- Bibliothek (rund 15'000 Katalogisate)
Neben den Unterlagen von Verbänden werden auch Archive von Berufsverbänden oder Ausbildungsstätten aufbewahrt.
Die Sammlung biografischer Notizen wurde 1924 von der Journalistin Agnes Debrit-Vogel begonnen und bis in die Gegenwart weitergeführt. Sie enthält Zeitungsartikel, Lebensläufe, Nachrufe und Broschüren zu bekannten und unbekannten Frauen.[2]
Neben schriftlichen Dokumenten befinden sich in den Archiven auch zahlreiche Fotografien, Dias, Filme und elektronische Datenträger. Eine Plakatsammlung zu den Abstimmungen über die Einführung des Frauenstimmrechts illustriert zudem den langjährigen Kampf zahlreicher Frauen für ihre politischen Rechte.[3]
Ins Archiv werden nach wie vor neue Bestände aufgenommen.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gegründet wurde die Stiftung am 20. August 1982 von der Schweizer Frauenrechtlerin Marthe Gosteli mit der Unterstützung der Berner Geschichtsprofessorin Beatrix Mesmer.[4] Die Organisation sammelt Archivmaterial von Frauenverbänden und -organisationen sowie Nachlässe und andere biografische Materialien von Frauen aus der Schweiz und Dokumente zur Geschichte der Frauenarbeit. Bisher wurden rund 400 Bestände archiviert (Stand 2020).
Der Stiftungsrat wird von der Berner Ökonomin und Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP) präsidiert (Stand 2024).[5]
Ehemalige Präsidentin und Präsidenten der Stiftung waren: Marthe Gosteli (bis 2009); Hansueli Grunder (2009–2014), Gemeindeschreiber von Ittigen; Peter Martig (2015–2019), ehemaliger Staatsarchivar des Kantons Bern.
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Sammlungen der Gosteli-Stiftung können nach persönlicher Anmeldung und Terminvereinbarung am Standort der Stiftung benützt werden.
Die Stiftung befindet sich in einem ehemaligen Landhaus in Worblaufen und verfügt zudem über Lagerräume in andern Häusern.
Dokumente in der Gosteli-Stiftung animierten die Regisseurin Petra Volpe zu ihrem vielbeachteten Film «Die göttliche Ordnung».[6]
Weiterentwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weil die Finanzierung der Institution nach dem Tod von Marthe Gosteli im Jahr 2017 gefährdet war, wurden auf Bundesebene parlamentarische Vorstösse eingereicht,[7] die der Bundesrat am 15. Mai in einem Bericht 2019 beantwortete.[8] Dieser würdigt die Leistung der privaten Organisation für die neuere Geschichte der Schweiz und skizziert drei mögliche Varianten für die künftige Organisation des Archivs, unter anderem auch die Übernahme der Archivbestände durch das Schweizerische Bundesarchiv.[9] Die Gosteli-Stiftung reichte ihrerseits ein Gesuch um Bundesgelder ein. 2020 verlangte der Nationalrat in einer Motion, dass der Bund die Stiftung bis ins Jahr 2024 mit vier Millionen Franken unterstützt.[10] Mit der Lancierung einer Petition Mitte April 2020 wurde der Forderung nach Weiterbestehen des Archivs, und zwar in Worblaufen, Nachdruck verliehen.[11]
Anfangs 2021 wurde bekannt, dass die Eidgenossenschaft die Gosteli-Stiftung neu als Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung anerkennt und in den nächsten vier Jahren Beiträge von insgesamt rund zwei Millionen Franken an die Betriebskosten gewährt.[12][13] Im September 2021 beschloss das Berner Kantonsparlament eine Erhöhung seines Jahresbeitrags von 100'000 auf 450'000 Franken.[14]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Verena E. Müller: Bewegte Vergangenheit. 20 Jahre Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung. Hrsg. Susanna Woodtli. Stämpfli, Bern 2002, ISBN 3-7272-1270-5.
- Franziska Rogger: «Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!» Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht. Verlag NZZ Libro, Zürich 2015, ISBN 978-3-03810-006-5.
- Silvia Bühler / Ladina Fessler: Die Gosteli-Stiftung. Das Archiv der schweizerischen Frauenbewegung. In: Ariadne. Forum für Frauen und Geschlechtergeschichte, Bd. 77 (2020), S. 230–243.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Website der Gosteli-Stiftung
- Gosteli-Stiftung - Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung auf archeco.info
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die Gosteli-Stiftung – das Archiv der Frauenbewegung ist gerettet! auf swonet.ch, abgerufen am 23. Mai 2021.
- ↑ Silvia Bühler / Ladina Fessler: Die Gosteli-Stiftung. Das Archiv der schweizerischen Frauenbewegung. In: Ariadne. Forum für Frauen und Geschlechtergeschichte, Bd. 77 (2020), S. 244, Fussnote 12.
- ↑ Bestände. In: gosteli-foundation.ch. Abgerufen am 28. August 2021.
- ↑ Marthe Gosteli. In: gosteli-foundation.ch. Abgerufen am 26. November 2020.
- ↑ Stiftungsrat und Team. In: gosteli-foundation.ch. Abgerufen am 26. November 2020.
- ↑ https://www.fm1today.ch/schweiz/kommission-will-gosteli-archiv-zur-frauenbewegung-finanziell-unterstuetzen-136278192, abgerufen am 28. November 2020.
- ↑ Postulate im Nationalrat: 17.3329 (Doris Fiala, FDP), 17.3330 (Barbara Schmid-Federer, CVP), 17.3335 (Susanne Leutenegger Oberholzer, SP), 17.3336 (Maya Graf, GPS), 17.3337 (Kathrin Bertschy).
- ↑ Grundlagen für die Unterstützung der Gosteli-Stiftung. Bericht des Bundesrates, in Erfüllung der Postulate 17.3329 Fiala, 17.3330 Schmid-Federer, 17.3335 Leutenegger Oberholzer, 17.3336 Graf Maya und 17.3337 Bertschy vom 4. Mai 2017 auf admin.ch.
- ↑ Der Bundesrat schlägt Lösungen zur Unterstützung des Archivs der Gosteli-Stiftung vor. Abgerufen am 19. Mai 2019.
- ↑ Nationalrat will bedrohtes Gosteli-Archiv finanziell stützen. Abgerufen am 26. November 2020.
- ↑ https://www.gendercampus.ch/de/aktuelles/neuigkeiten/petition-das-gosteli-archiv-muss-weiterbestehen/, abgerufen am 26. April 2020.
- ↑ Geschichte der Schweizerinnen - Archiv der Frauenbewegung ist gerettet. In: srf.ch. 11. Januar 2021, abgerufen am 11. Januar 2021.
- ↑ Kathrin Alder: Gosteli-Archiv zur Geschichte der Frauenbewegung in der Schweiz ist gerettet, Neue Zürcher Zeitung, 11. Januar 2021.
- ↑ Der Grosse Rat kneift nicht – Jetzt gibt es Geld für das Gosteli-Archiv. In: Der Bund. 7. September 2021, abgerufen am 11. September 2021.