Bernard Haitink

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Bernard Haitink, 1984

Bernard Johan Herman Haitink, CH (* 4. März 1929 in Amsterdam; † 21. Oktober 2021[1][2] in London) war ein niederländischer Dirigent.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haitink war der Sohn von Willem und Anna Haitink. Willem Haitink war ein Beamter, der zuletzt als Leiter eines Elektrizitätswerks tätig war. Während der deutschen Besatzung wurde er zur Vergeltung eines Bombenanschlags auf eine Buchhandlung als eine von hundert Geiseln für mehrere Monate in einem deutschen Konzentrationslager inhaftiert. Die Mutter Anna überlebte als sogenannte Halbjüdin die Nazi-Herrschaft. Sie arbeitete für die Alliance française. Bernard Haitink wuchs mit einem älteren Bruder und einer Schwester auf.[3]

Haitink studierte in seiner Geburtsstadt am Konservatorium. Danach spielte er als Violinist in einer Reihe von Orchestern. 1954 und 1955 lernte er unter der Anleitung Ferdinand Leitners zu dirigieren. 1955 wurde er Zweiter Dirigent des Radio Filharmonisch Orkest (Niederländisches Radioorchester).

Bernard Haitink (1959)

1956 war er für Carlo Maria Giulini beim Concertgebouw-Orchester eingesprungen, erhielt fortan zunächst einige Einladungen und führte das Orchester dann auf einer England-Tournee 1959. Nach dem plötzlichen Tod von Eduard van Beinum 1959 übertrug man Haitink das Amt des Ersten Dirigenten. Internationalen Ruf erwarb sich Haitink 1961, als er mit Eugen Jochum zum gemeinsamen Chefdirigenten des Concertgebouw-Orchesters bestellt wurde. Als Jochum 1964 das Amt aufgab, wurde er alleiniger Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Orchesters.

1967 wurde er zum Ersten Dirigenten des London Philharmonic Orchestra ernannt, das er bis 1979 leitete. Von 1978 bis 1988 war Haitink musikalischer Leiter des Opernfestivals in Glyndebourne. Sein Vertrag mit dem Concertgebouw-Orchester wurde 1988 nicht mehr verlängert, was Haitink dem Orchester so verübelte, dass er knapp fünf Jahre nicht mehr mit ihm auftrat.[4][5] Dennoch ernannte ihn das Orchester 1999 zum Ehrendirigenten.

Von 1977 bis 1987 dirigierte Haitink jede Weihnachten das Concertgebouw-Orchester in den Kerstmatinees (Weihnachts-Matineen). Es wurden nur Werke von Gustav Mahler gespielt und die Konzerte international in der Eurovision übertragen.

Von 1987 bis 1998 hatte Haitink die musikalische Leitung des Royal Opera House in London inne, von 1995 bis 2004 war er außerdem erster Gastdirigent des Boston Symphony Orchestra. 2002 übernahm er den Posten des Chefdirigenten bei der Staatskapelle Dresden. Aufgrund von vermeintlichen Unstimmigkeiten bei der Wahl seines Nachfolgers gab Haitink seinen Posten 2004 vorzeitig auf. 2006 ernannte ihn das Chicago Symphony Orchestra zum Ersten Dirigenten, weil das Amt des Musikdirektors seit Daniel Barenboims Rückzug in diesem Jahr nicht mehr besetzt war.

Im Jahr 2008 erarbeitete Haitink mit dem Chamber Orchestra of Europe exklusiv für das Lucerne Festival einen Beethoven-Zyklus auf der Grundlage der neuen Kritischen Gesamtausgabe, 2010/2011 am selben Ort mit demselben Klangkörper einen Zyklus mit den Orchesterwerken von Brahms.[6] Auch die Orchesterwerke von Schumann hat er seitdem in Luzern dirigiert. Außerdem gab Haitink ab 2011 dort jährlich zum Oster-Festival Meisterkurse für junge Dirigenten.[7][8] Am 6. September 2019 nahm er mit einem Konzert der Wiener Philharmoniker im Rahmen des Lucerne Festival seinen Abschied vom Konzertpodium.[9] Das BBC Music Magazine zählte ihn zu den zwanzig bedeutendsten Dirigenten aller Zeiten.[10] Er starb im Lebensalter von 92 in London.

Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haitink war ab 1956 mit Marjolein Snijder verheiratet, mit der er drei Töchter und zwei Söhne hatte. In den 1980er und 1990er Jahren folgten eine zweite Ehe mit einer Cellistin und eine dritte Ehe mit einer Violinistin. Ab 1994 war er in vierter Ehe mit Patricia Bloomfield verheiratet, die im Royal Opera House Viola spielte, bevor sie Rechtsanwältin wurde.[3][11] Haitink lebte einige Jahre zusammen mit seiner Frau Patricia in Kastanienbaum LU am Vierwaldstättersee. In seiner dortigen Villa mit angebautem Konzertsaal[12] veranstaltete er gelegentlich Privatkonzerte.[13] Das Ehepaar lebte in London in der Nähe des Holland Parks.[14]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haitink dirigierte ein breites Repertoire. Unter seinen Plattenaufnahmen befinden sich unter anderem alle Symphonien von Ludwig van Beethoven (drei Zyklen mit dem London Philharmonic, Concertgebouw- und London Symphony Orchestra), Robert Schumann, Johannes Brahms (drei Zyklen: Concertgebouw, Boston Symphony, London Symphony Orchestra), Peter Tschaikowski, Anton Bruckner (viele mehrfach),[15] Gustav Mahler (bis auf die Achte mehrfach), Dmitri Schostakowitsch und die Gesamtaufnahme der Sinfonien Ralph Vaughan Williams’ mit dem London Philharmonic. Außerdem begann Haitink mit seiner Tätigkeit an Opernhäusern auch Opern einzuspielen, unter anderem Richard Wagners kompletten Ring des Nibelungen.

Bernard Haitink nach einem Konzert mit dem London Symphony Orchestra (2011)

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Hagmann, Erich Singer: Bernard Haitink „Dirigieren ist ein Rätsel“: Gespräche und Essays. Bärenreiter, Henschel, Kassel, Leipzig 2019, ISBN 978-3-89487-951-8. Rezension: Clemens Haustein in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 204 Dienstag, 3. September 2019, S. 12: Literatur und Sachbuch.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bernard Haitink – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dirigent Bernard Haitink ist tot. In: Der Spiegel (online) vom 22. Oktober 2021
  2. Bernard Haitink, 1929–2021. In: Askonas Holt. 21. Oktober 2021, abgerufen am 21. Oktober 2021 (amerikanisches Englisch).
  3. a b Master of the House theguardian.com, 14. Oktober 2000.
  4. Egon Bezold: CD-Kritik: Anthologie des Royal Concertgebouw (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive), klassik.com, 15. Mai 2007
  5. Cultuurgids@1@2Vorlage:Toter Link/cultuurgids.avro.nl (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im August 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. Peter Hagmann: Glück der Vollendung. (Memento vom 13. April 2016 im Internet Archive) Konzertkritik in der Neuen Zürcher Zeitung vom 27. August 2011.
  7. Bernard Haitink, Dirigent lucernefestival.ch, abgerufen am 18. Januar 2019.
  8. Vgl. Meisterkurse (Memento des Originals vom 19. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lucernefestival.ch lucernefestival.ch, mit drei Videos von Haitinks Meisterkurs beim Oster-Festival 2012.
  9. Christian Wildhagen: Wie man ein ganzes Orchester umarmt: Bernard Haitink beendet am Lucerne Festival seine grosse Karriere. In: nzz.ch. 7. September 2019, abgerufen am 8. September 2019.
  10. The 20 Greatest Conductors of All Time. In: BBC Music Magazine. April 2011; (englisch).
  11. 10 Facts about Bernard Haitink: Family life classicfm.com (Bild mit Haitink und Patricia Bloomfield).
  12. Klangfülle vor Alpenpanorama. deutschlandfunkkultur.de, 17. September 2007.
  13. Glückwunsch: Bernard Haitink 80, Dirigent. In: Die Welt, 4. März 2009.
  14. Ein Leben für die Musik: Bernard Haitink zum 90ten. (Memento vom 22. März 2020 im Internet Archive) srf.ch, 27. Dezember 2019.
  15. Auf dem Plattenprogramm der Philharmoniker: Alle Bruckner-Symphonien unter Haitink. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 25. August 1971, S. 8.
  16. Die goldene Mahler-Medaille. gustav-mahler.org; abgerufen am 30. Oktober 2014
  17. Schallplattenpreis „Toblacher Komponierhäuschen 2012“, BR, 10. Dezember 2012, abgerufen am 7. Oktober 2013.
  18. Edison Oeuvreprijs 2016
  19. Bernard Haitink wird Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker. Artikel vom 14. März 2019, abgerufen am 14. März 2019.
  20. Bernard Haitink wird Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker. In: Salzburger Nachrichten. 28. August 2019, abgerufen am 29. August 2019.