Hamburger Appell

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Hamburger Appell[1] ist ein kurz vor der Bundestagswahl 2005 von 243 Wirtschaftswissenschaftlern unterzeichneter[2], öffentlicher Appell für wirtschaftspolitische Reformen in Deutschland. Der Appell wurde durch eine Anzeigenserie der Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), in welcher der Hamburger Appell auszugsweise zitiert wurde, in die breite Öffentlichkeit getragen.[3]

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Hamburger Appell wurde im Frühsommer 2005 von den an der Universität Hamburg tätigen Professoren Michael Funke, Bernd Lucke und Thomas Straubhaar initiiert und am 30. Juni 2005 in der Tageszeitung Die Welt veröffentlicht.[4] Vorausgegangen waren Äußerungen von führenden Vertretern der Bundesregierung, die Lohnerhöhungen zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage forderten.[5]

Inhalte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem Appell werden fiskalische Ausgabenprogramme als grundsätzlich untauglich eingestuft. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sei „eine bedeutende und komplex strukturierte ökonomische Größe, die sich einer nachhaltigen Steuerung weitestgehend entzieht“. Deshalb müsse „eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik streng stabilitätsorientiert sein“.[6] Konkret wurde unter anderem gefordert, dass die Geringverdienenden weniger verdienen sollten und die Sozialhilfe vermehrt von Lohnersatzleistungen zu Lohnzuschüssen wechseln müsse.[7]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas Apolte, einer der Unterzeichner des Hamburger Appells, konstatierte 2009 einen Meinungsumschwung: Ihm zufolge hält die Mehrheit der Ökonomen angesichts der Weltwirtschaftskrise ab 2007 ein massives deficit spending im Augenblick für geboten. Dabei habe der größte Teil der Ökonomen 2005 den von der Öffentlichkeit weitgehend ignorierten Hamburger Appell unterschrieben, in dem fiskalische Ausgabenprogramme nicht nur für die damalige Situation, sondern als grundsätzlich untauglich eingestuft werden.[6]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Text des Hamburger Appells (Memento vom 26. Februar 2013 im Internet Archive)
  2. Unterzeichner des Hamburger Appells - PDF. Abgerufen am 21. Februar 2018.
  3. Lobbycontrol, Christiansen-Schaubühne komplett (PDF; 534 kB), 7. September 2006, Seite 11; Walter Ötsch: Computer-Welten und Markt-Diskurs. In: Ötsch/Thomasberger (Hrsg.): Der neoliberale Markt-Diskurs: Ursprünge, Geschichte, Wirkungen, Marburg, Metropolis, 2009, S. 125–150, hier: S. 140.
  4. Hamburger Appell (Memento vom 3. Februar 2010 im Internet Archive)
  5. Spiegel Online Opposition weist Forderungen nach höheren Löhnen zurück
  6. a b Thomas Apolte: Are we all Keynesians now? (PDF; 72 kB) in: WiSt 38. Jahrgang, Heft 3, Seite 113, März 2009
  7. „Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. [...] Eine Kompensation der Geringverdienenden durch den Sozialstaat ist in gewissem Umfang möglich. Aber dafür muss die Sozialpolitik von Lohnersatzleistungen zu Lohnzuschüssen wechseln. Das deutsche System der Lohnersatzleistungen von der Sozialhilfe über das Arbeitslosengeld bis zur subventionierten Frührente erzeugt Lohnansprüche, die der Markt nicht mehr befriedigen kann.“