Hans Reuther
Hans Reuther (* 21. November 1920 in Berlin; † 11. März 1989) war ein deutscher Architekturhistoriker, Bauforscher, Denkmalpfleger und Hochschullehrer. Ab 1966 war er ordentlicher Professor für Baugeschichte an der Technischen Universität Berlin.
Leben und Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Reuthers Familie stammt väterlicherseits aus Mainfranken[1] und besaß einen Natursteinbetrieb.[2] Seine Mutter war Charlotte Reuther, geborene Fielitz, sein Vater der Kaufmann Franz Reuther. Hans Reuther war katholisch und Mitglied der katholischen Jugendbewegung, trat 1932 dem Bund Neudeutschland bei und blieb diesem zeitlebens treu.[1] Er wuchs in Berlin auf und legte dort 1938 das Abitur ab.[2]
Von 1939 bis 1944 studierte Reuther zunächst Architektur an der TH Berlin-Charlottenburg und wurde nach Abschluss des Studiums als Diplom-Ingenieur 1944 an die TH Graz als Assistent „zugewiesen“; vom Kriegsdienst blieb er befreit.[2] Dann folgte ab 1945 ein Zweitstudium der Kunstgeschichte (bei Rudolf Krömstedt[2]), Klassischen Archäologie und Musikwissenschaft an der Universität Erlangen, das er 1947 abschloss. Im selben Jahr wurde er mit einer baugeschichtlichen Dissertation über die Weizbergkirche Joseph Huebers in der Steiermark zum Dr. phil. promoviert. Anschließend wurde er 1948 ein zweites Mal promoviert, nun zum Dr.-Ing. im Fach Architektur an der TH Darmstadt mit einer ebenfalls baugeschichtlichen Dissertation über die von Balthasar Neumann geschaffene Wallfahrtskirche Maria Limbach.
Ab 1940 war Reuther Lektor und von 1949 bis 1957 Wissenschaftlicher Referent an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste[2][3] in München und bearbeitete dort Stichworte der Neuen Deutschen Biographie.[4] In München wurde auch die monographische Bearbeitung Balthasar Neumanns zum Lebensziel.[2]
Anschließend arbeitete er 1957 bis 1966 als Konservator in der Niedersächsischen Landesdenkmalpflege in Hannover, von wo aus er die Stadt und den Regierungsbezirk Hildesheim betreute.[2] Zudem war ihm von Landeskonservator Oskar Karpa die Redaktion der Jahresberichte Niedersächsische Denkmalpflege übertragen.[5] Während dieser Zeit widmete er sich zunehmend der Baugeschichtsforschung. Nebenbei habilitierte er sich 1961 an der TU Berlin mit einer Arbeit über Kirchenbauten Balthasar Neumanns[2] und wurde im selben Jahr Privatdozent in Berlin. 1966 übernahm Hans Reuther den Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauaufnahme an der Architekturfakultät der TU Berlin, den er bis zu seiner Emeritierung 1986 innehatte,[6] und wurde Direktor des Instituts für Architektur und Stadtgeschichte.
Hans Reuther wohnte in Hannoversch Münden in Südniedersachsen, von wo aus er jede Woche mit dem Zug über die damalige Interzonenstrecke Braunschweig – Helmstedt – Marienborn – Magdeburg nach Berlin (West) fuhr. Nach dem plötzlichen Tode von Konrad Hecht 1980 übernahm er für mehrere Semester dessen Hauptvorlesung an der TU Braunschweig, wofür er jeweils am Ende der Woche seine Heimfahrt nach Hannoversch Münden in Braunschweig unterbrach.
Reuthers breit gefächerte Interessen spiegelten sich bereits in der Auswahl der Studienfächer und schlugen sich dann während mehr als vier Jahrzehnten in der Vielfalt seiner Publikationsthemen nieder. Dennoch bildeten die mittelalterliche Bau- und Kunstgeschichte sowie die nordeuropäische Barockarchitektur einen Schwerpunkt seiner Forschungen.[7] Sein besonderes und immer wieder aufgegriffenes Interesse galt der Architektur Balthasar Neumanns und barocken Gewölbesystemen.[2] „Hans Reuther war ein umgemein fleißiger Sammler und Ordner, der umsichtig und zielstrebig eine staunenswerte Fülle von Literatur, Quellen, Materialien und Kenntnissen zusammentrug und wohlgeordnet auf dem aktuellen Stand zu halten wusste“ (Harmen Thies).[2] Er verfasste auch Texte zu Kulturfilmen (über Einbeck und Bernwardtstüren in Hildesheim). Zu seinen Hobbys gehörte der Modelleisenbahnbau.
Hans Reuther war ab 1954 mit der Medizinerin Brigitte Reuther, geborene Schwob, verheiratet und hatte einen Sohn (Clemens).
Ämter und Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1968–1981 Vorsitzender des Vereins für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim[3] mit zahlreichen Publikationen in dessen Zeitschriften.
- Mitglied der Koldewey-Gesellschaft für Baugeschichtliche Forschung
- Mitherausgeber der Niederdeutschen Beiträge zur Kunstgeschichte.[2]
- Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts[1] in Berlin
- Mitglied der Kunstkommission der Diözese Hildesheim[1]
- ordentliches Mitglied des Instituts für Historische Landesforschung an der Universität Göttingen
- Seit 1982 ordentliches Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Des steirischen Baumeisters Joseph Huebers Weizbergkirche und die verwandten theatralisch-dekorativen Raumwirkungen im Sakralbau des süddeutschen Spätbarocks. (Diss. phil. Darmstadt 1947), Haßfurt 1947
- Johann Balthasar Neumanns Kirchenbau zu Maria-Limbach. (Diss.-Ing. Darmstadt 1948), Darmstadt 1948.
- Die Landkirchen Balthasar Neumanns. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 16, H. 2 (1953), S. 154–170.
- Die Wölbformen im Mainfränkischen Sakralbau von 1660 bis um 1720. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Jg. 18, (1955), Heft 1, S. 40–60. (Digitalisat)
- Eine Gruppe elliptischer Zentralraumkirchen des 18. Jahrhunderts in Steiermark: Eberhard Hempel zum 70. Geburtstag. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Bd. 19, H. 3 (1956), S. 237–258.
- Burgen- und Schlösserforschung und -erhaltung in Niedersachsen. In: Burgen und Schlösser, Jg. 1960, Heft II, S. 23–26. (Digitalisat auf journals.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 1. Mai 2023) – Mit Porträtfoto.
- als Hrsg.: Rudolf Kömstedt, Von Bauten und Baumeistern des fränkischen Barocks. Hesseling, Berlin 1963.
- Die Werrabrücke zu Hann. Münden. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, Band 12, 1973, S. 179–203.
- Die Wallfahrtskirche zu Vierzehnheiligen. München 1957; 5., überarbeitete Auflage 1976.
- mit Karl Busch: Welcher Stil ist das? Die abendländischen Stile mit ihren Grundlagen in der Antike und im Alten Orient. Stuttgart 1958.
- Franz Ignaz Michael Neumanns Konstruktionsriss für Neresheim. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Bd. 21, Heft 1 (1958), S. 40–49.
- Die Kirchenbauten Balthasar Neumanns. Hessling, Berlin 1960.
- Dome, Kirchen und Klöster in Franken. Nach alten Vorlagen (= Dome, Kirchen, Klöster. Band 5). Gebicke, Darmstadt 1963; Weidlich (Lizenz), Frankfurt am Main 1963.
- Das Schloß Herzberg am Harz und seine Wiederherstellung. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege. 23 (1965), S. 37–44.
- Land am Harz. 1966.
- mit Udo von Alvensleben: Herrenhausen. Die Sommerresidenz der Welfen. 2. Auflage. Hannover 1966.
- Ein unbekannter Brief der Kurfürstin Sophie von Hannover an den Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn. In: Die Diözese Hildesheim. 34 (1966), S. 95–98.
- Zur Restaurierung der Barockkirchen in der Diözese Hildesheim in den Jahren 1945–1965. In: Die Diözese Hildesheim. 35 (1967), S. 40–59.
- Barock in Berlin. Meister und Werke der Berliner Baukunst 1640–1786. Rembrandt Verlag, Berlin 1969.
- mit Victor H. Elbern: St. Godehard zu Hildesheim. Bauwerk und Schatzkammer. Lax, Hildesheim 1969.
- mit Victor H. Elbern: Der Hildesheimer Domschatz. 1969.
- Die St.-Blasius-Kirche in Hann. Münden (= Große Baudenkmäler. Band 246). Deutscher Kunstverlag, München 1970.
- mit Victor H. Elbern und H. Engfer: Der Hildesheimer Dom. 2. Auflage. 1976.
- Die Zeichnungen aus dem Nachlaß Balthasar Neumanns. Der Bestand in der Kunstbibliothek zu Berlin. Mann, Berlin 1979, ISBN 3-7861-1237-1.
- Das Modell des Salomonischen Tempels im Museum für Hamburgische Geschichte. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 19, 1980, S. 161–198.
- Balthasar Neumann. Der mainfränkische Barockbaumeister. Süddeutscher Verlag, München 1983, ISBN 3-7991-6106-6.
- Deutsch-skandinavische Wechselbeziehungen in der Barockarchitektur. In: Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft. Band 35, 1983, S. 75–87. (Digitalisat auf leopard.tu-braunschweig.de, abgerufen am 1. Mai 2023).
- Gotländische Sonderformen des Domikalgewölbes. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 23 (1984), S. 43–62.
- Die große Zerstörung Berlins. 200 Jahre Stadtbaugeschichte. Propyläen, Frankfurt/Berlin 1985, ISBN 3-549-07199-X.
- Wallfahrtskirche Maria Limbach. Schnell & Steiner, München 1986.
- Die Museumsinsel in Berlin. Propyläen-Verlag, Frankfurt 1978 (unveränderter Nachdruck postum: Ullstein/Propyläen, Frankfurt am Main 1993).
- (postum, mit Ekhart Berckenhagen) Deutsche Architekturmodelle. Projekthilfe zwischen 1500 und 1900. Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 1994, ISBN 3-87157-166-0.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich Eymelt: Eine Würdigung: Prof. Dr.-Ing. Dr. phil. Hans Reuther. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart, Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde im Bistum Hildesheim, Jg. 54 (1986), S. 7–8. – Mit Porträtfoto.
- Hellmut Lorenz: Nachruf Hans Reuther (1920–1989). In: Jahrbuch der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft 1990, S. 50–51.
- Harmen Thies: Nachruf Hans Reuther (21.11.1920–11.3.1989). In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 3, 1989, Heft 3. S. 87.
- Reuther, Hans. In: Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1000.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Hans Reuther im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Seite des Instituts für Baugeschichte der TU Berlin (archive.org)
- Prof. Dr. phil. Dr.-Ing. Hans Reuther, im Catalogus Professorum TU Berlin
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d Friedrich Eymelt: Eine Würdigung: Prof. Dr.-Ing. Dr. phil. Hans Reuther. In: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart, Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde im Bistum Hildesheim, Jg. 54 (1986), S. 7–8, hier S. 7.
- ↑ a b c d e f g h i j k Harmen Thies: Nachruf Hans Reuther (21.11.1920–11.3.1989). In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 3, 1989, Heft 3. S. 87.
- ↑ a b Julius Seiters, Thomas Scharf-Wrede: Geschichte. Verein für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim. Abgerufen am 1. Mai 2023.
- ↑ Niedersächsische Denkmalpflege, Bd. 3, 1957, S. 78, und Bd. 4, 1958/1958, S. 78. – Reuther setzte die Bearbeitungen der NDB über seine Münchner Zeit hinaus fort, als er schon in Hannover wirkte.
- ↑ Niedersächsische Denkmalpflege, Bd. 3, 1957, S. 6, und Bd. 4, 1958/1959, S. 14.
- ↑ Prof. Dr. phil. Dr.-Ing. Hans Reuther. In: cp.tu-berlin.de (Catalogus Professorum TU Berlin). Technische Universität Berlin, abgerufen am 5. Februar 2024.
- ↑ Mitarbeiter, Hans Reuther. In: baugeschichte.a.tu-berlin.de (auf archive.org). Institut für Baugeschichte der TU Berlin, 7. März 2017, archiviert vom am 7. März 2017; abgerufen am 1. Mai 2023.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Reuther, Hans |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Architekturhistoriker und Bauforscher |
| GEBURTSDATUM | 21. November 1920 |
| GEBURTSORT | Berlin |
| STERBEDATUM | 11. März 1989 |