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Hathwig (Essen)

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Stifterbild der verlorenen Vita der Hl. Pinnosa und Cosmas und Damian: Hathwig überreicht unter Fürbitten Pinnosas der thronenden Maria die Handschrift. Umzeichnung von 1697

Hathwig (in der Literatur auch oft Hadwig, historisch auch Hathauuiga, Hathuwi und Hathuwig; * unbekannt; † am 18. Juli eines unbekannten Jahres) war Äbtissin des Stifts Essen. Ihre genauen Regierungsdaten sind unbekannt. In ihre Amtszeit fiel ein Brand, der die Stiftskirche beschädigte und das Stiftsarchiv vernichtete. Hathwig betrieb tatkräftig den Wiederaufbau, wodurch sie die Grundlage der Blüte des Stiftes unter den Äbtissinnen Mathilde, Sophia und Theophanu legte.

Quellenlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hathwig ist als Essener Äbtissin durch eine am 15. Januar 947 in Frankfurt ausgestellte Urkunde König Ottos I.[1] sowie durch eine abschriftlich überlieferte Urkunde des Papstes Agapitus II.[2] belegt. Das Todesdatum ist belegt im Merseburger Nekrolog als Hathuwi abbatissa sowie im Essener Nekrolog als Hathuwig. Weitere Einträge finden sich in den Gedenkbüchern der Reichenau sowie des Klosters St. Gallen, im Nekrolog von Borghorst sowie in den Memorialeinträgen eines Essener Sakramentars aus dem späten 10. Jahrhundert. Ein Grabgedicht, das in einer Handschrift aus Saint-Omer[3] vom Ende des 10. Jahrhunderts überliefert ist, wird ihr zugeordnet. Das Stifterbild eines Codex, den Hathwig gestiftet hat, ist durch eine Umzeichnung aus dem 17. Jahrhundert erhalten.

Trotz dieser scheinbaren Vielfalt von Quellen ist es bisher weder gelungen, Hathwigs Amtszeit als Äbtissin exakt zu bestimmen, noch ihren familiären Hintergrund genau zu ermitteln.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hathwigs Geburtsjahr, Geburtsort, Abstammung und exakte Amtszeit sind nicht bekannt. Die Urkunde Ottos I. aus dem Jahr 947 bietet das einzige exakte Datum aus Hathwigs Leben. Die Echtheit dieser Urkunde, bei der nur die ersten beiden Zeilen aus der Feder des Erzkanzlers Brun stammen und der Rest in Essen geschrieben wurde, ist unbestritten, da die Urkunde nach 962 mit dem nach der Kaiserkrönung verwendeten Siegel Ottos I. neu gesiegelt wurde und der Text in späteren Urkunden für das Stift Essen in Bezug genommen wird[4]. Das auf einem Umweg über eine westfränkische Handschrift aus St. Omer überlieferte Grabgedicht ist mit Sicherheit Hathwig zuzuordnen, da es als Leistung der Verstorbenen den Wiederaufbau einer Kirche preist. Der Stiftsbrand von 946 ist durch die Urkunde Ottos I. und eine Erwähnung in Kölner Annalen[5] belegt. Nach dem Grabgedicht hat Hathwig fast fünfzig Jahre als Äbtissin amtiert und nach dem Brand noch einige Jahre gelebt. Die nur in einer auf Initiative der Äbtissin Berta von Arnsberg 1245 und nochmals 1290 päpstlich bestätigten Abschrift überlieferte Urkunde Agapits II. wird auf 951 datiert. Die Echtheit dieser Urkunde wird angezweifelt[6]. Die nächste sichere datierbare Äbtissin von Essen ist Mathilde, die am 23. Juli 973 eine Urkunde Ottos II. erhielt, so dass Hathwig zwischen 951 und 973 verstorben sein muss.

Die überlieferten Essener Äbtissinnenkalender helfen bei einer Bestimmung der Amtszeit Hathwigs nicht weiter, da sie erst in der frühen Neuzeit zusammengestellt wurden und von Irrtümern durchsetzt sind. Der sogenannte Brüsseler Äbtissinnenkatalog erwähnt Hathwig als zehnte Essener Äbtissin nach einer Gerbergis, die wie sie eine Tochter „imperatoris Henrici primi“ (gemeint ist König Heinrich I., der nie imperator, also Kaiser war) gewesen sein soll. Diese familiäre Zuordnung ist eine Verwechselung des Katalogerstellers: Heinrich I. hatte zwar tatsächlich zwei Töchter namens Gerberga und Hathwig, beide verblieben jedoch im Laienstand. Hathwig war 947, als die Essener Äbtissin gleichen Namens die Urkunde Ottos I. erhielt, mit Hugo von Franzien verheiratet, eine Identität der Tochter Heinrichs I. mit der Äbtissin ist daher ausgeschlossen, da Ehestand und Äbtissinnenwürde nicht miteinander vereinbar waren. Auch der zweite frühneuzeitliche Äbtissinnenkatalog von Hiltrop macht Hathwig zur Tochter Heinrichs I. Auch seine übrigen Angaben zu ihr sind verwirrend: Bei Hiltrop ist ihre Vorgängerin Suanhild, die hundert Jahre später lebte, Hathwigs Nachfolgerin soll Mathilde I. sein, der eine Alheidis folgt, die auf zwei Gemmenkreuzen abgebildet sei (das trifft jedoch nur auf Mathilde zu).

Auch wenn Hathwigs Amtszeit nicht exakt bestimmbar ist, lassen sich aus den Quellen zahlreiche Aktivitäten der Äbtissin erschließen.

Der Hathwig-Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Zimmermann, der 1952 archäologische Ausgrabungen am kriegszerstörten Essener Münster unternahm, fand unter dem Westwerk Fundamente eines bis dahin unbekannten Vorgängerbaus. Aufgrund der aus dem Grabgedicht bekannten Bautätigkeit Hathwigs prägte er für diesen Bau die Bezeichnung Hathwig-Bau, den er als typisches ottonisches Westwerk mit quadratischem Mittelturm und zwei flankierenden Treppentürmen rekonstruierte, wobei das Westwerk nach dem Brand ab 947 neu errichtet worden sei. Ausgehend davon, dass dieses erste Westwerk um 947 erbaut worden sei, datierte Zimmermann das heute noch vorhandene Westwerk des Münsters auf die Amtszeit der Äbtissin Theophanu (1039 bis 1058). Die neuere Forschung hat sich inzwischen entschieden, das vorhandene Westwerk auf 997 bis 1002 zu datieren, also in die Amtszeit der Äbtissin Mathilde, und den Bau des bisher Hathwig zugeschriebenen ersten Westwerk früher anzusetzen. Durch den Bau von Westwerken machten Klöster auch baulich ihre Reichsunmittelbarkeit deutlich. Aus dem Text der Urkunde vom 15. Januar 947 geht hervor, dass das Stift Essen die Reichsunmittelbarkeit bereits unter den Vorgängern Ottos I. erlangt hatte, mutmaßlich unter Konrad I. (911–919)[7]. Die Zuordnung des ersten Westwerks zu Hathwig ist daher fraglich, aufgrund ihrer langen Amtszeit kann sie als Bauherrin allerdings nicht ausgeschlossen werden. Auch der Umfang ihres durch das Grabgedicht gesicherten Wiederaufbaus ist unbekannt.

Das Essener Skriptorium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Brand von 946 hat bis auf eine Urkunde des Königs Zwentibold das Stiftsarchiv und den Bücherbestand bis auf ältere, nicht mehr in Benutzung befindliche Bücher wie das Altfrid-Evangeliar vernichtet. Unter der Leitung Hathwigs verwendeten die Essener Stiftsdamen großen Fleiß darauf, die Bestände zu ersetzen und zu ergänzen. Das Essener Skriptorium ist erst 1991 aufgrund Gemeinsamkeiten der Handschriften nachgewiesen worden. Aufgrund der Anzahl der schreibenden Personen – zwischen dem Stiftsbrand und dem Ende des Jahrhunderts wurden etwa 60 einzelne im Essener Stil schreibende Hände nachgewiesen – sind die Kanoniker des Stifts als Schreiber ausgeschlossen. Die einzelnen Hände erreichten selten kalligrafisches Niveau. Initialen waren einfach gehalten, Zeichnungen sind selten und von eher geringer künstlerischer Qualität. Die Stiftsdamen schrieben zum eigenen Gebrauch auf gutem weißem Schafspergament, das sie mit einer schwarzglänzenden Tinte beschrieben, die leicht von der braunen Eisengallustinte des benachbarten Klosters Werden zu unterscheiden ist. Die Vorlagen für die Abschriften wählte man in Essen sorgfältig aus. An einer Prudentius-Handschrift, die sich erhalten hat, lässt sich ablesen, dass die Essener Stiftsdamen das von Werden überlassene Buch anhand einer weiteren Abschrift, die aus einer anderen Texttradition stammte, vervollständigt haben. Quelle der anderen Vorlage könnte Bischof Brun von Köln gewesen sein, der Prudentiustexte an einige Konvente weitergegeben haben soll, und als sehr belesen galt[8]. Bruns Grabgedicht ist in derselben Handschrift aus St. Omer wie Hathwigs überliefert, was auf Kontakte zwischen dem Stift Essen und Brun schließen lässt.

Reliquienerwerb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illustration aus der verlorenen Vitenhandschrift Hathwigs: Jesus krönt die Heiligen Cosmas und Damian. Umzeichnung von 1697

Hathwig erweiterte das Heiltum ihrer Kirche um weitere Reliquien, wobei sie eine besonders ausgeprägte Tendenz zeigte, Reliquien von weiblichen Heiligen zu erwerben, die sich als Rollenvorbilder für die Sanktimonialen des Stifts besonders eigneten. Hathwig beschaffte Reliquien der Heiligen Pinnosa aus Köln und möglicherweise der Hl. Liuttrudis aus Niggenkerke (bei Corvey) und der Hl. Walburga aus dem Stift Meschede. Besonders die Hl. Pinnosa war eine hoch geschätzte Heilige; der Verlust dieser Reliquien wurde in Köln stark beklagt, da ursprünglich diese Heilige die Rolle der Hl. Ursula als Anführerin der Jungfrauen hatte, die durch die Hunnen vor Köln den Märtyrertod erlitten. Hathwig ließ die Vita Pinnosas sowie der Stiftspatrone Cosmas und Damian durch das Skriptorium der Abtei Fulda in einer Prachthandschrift niederschreiben, die heute verloren ist. Lediglich das Stifterbild ist durch eine neuzeitliche Umzeichnung überliefert. Die Verehrung Pinnosas hielt auch unter Hathwigs Nachfolgerinnen an. Die Äbtissin Theophanu ließ für die Reliquien einen silbernen, heute ebenfalls verlorenen Reliquienschrein anfertigen. Auf dem Buchdeckel des ebenfalls von dieser Äbtissin gestifteten Theophanu-Evangeliars ist Pinnosa neben Walburga eine der Heiligen, die Theophanus Fürbitte unterstützen.

Der Hathwig-Codex[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der Prachthandschrift, die Hathwig für das Stift Essen anfertigen ließ, sind lediglich zwei Zeichnungen durch neuzeitliche Abzeichnungen überliefert. Beiden Zeichnungen gemeinsam ist die teilweise Verwendung griechischer Schriftzeichen zur Bezeichnung der Figuren. Die Zeichnungen sind das Stifterbild, auf dem Hathwig in Begleitung einer weiteren Figur in Kleidung einer Sanktimonialen durch die Vermittlung der Heiligen Pinnosa das Buch der Gottesmutter, die von zwei Engeln begleitet wird, übergibt. Das zweite Bild zeigt Jesus, der die Heiligen Cosmas und Damian krönt. Aus diesen Bildern wird geschlossen, dass die Handschrift die Heiligenviten von Cosmas und Damian und Pinnosas enthielt. Beide Bilder sind trotz des Umstandes, dass sie nur als Abzeichnungen bekannt sind, als Produkte der Fuldaer Buchmalerschule zu erkennen.

Das Stifterbild[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Stifterbild zeigt in der oberen Ebene Maria in einem ovalen Heiligenschein als thronende Gottesmutter, die von zwei in griechischer Schrift als Cherubim und Seraphim bezeichneten Engeln begleitet ist. Auf einer als Hügel der Bodenlinie gebildeten Zwischenebene, also über die Stifter erhoben, steht die Heilige Pinnosa, die mit der rechten auf die Bittenden deutet, während ihre Linke zu Maria vermittelt. Unterhalb Marias ist Hathwig in kniender, betender Haltung abgebildet, die mit der rechten das Buch darbringt. Neben Hathwig steht eine zweite weibliche Figur in der Kleidung einer Sanktimonialen, die als Thioterae bezeichnet ist. Die Deutung dieser Figur ist nicht sicher. Vorgeschlagen wurde, dass es sich um eine Verballhornung von Θεοφοῤος handelt, Bodarwé schlägt die Lesart ΟεωΘεεαι (die Gottgeweihten) vor, womit die Figur als Vertreterin des Konvents zu interpretieren wäre[9].

Das Christusbild[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bild zeigt zentral Jesus thronend in einem ovalen Heiligenschein, zusätzlich gekennzeichnet durch einen Kreuznimbus und den in griechischen Buchstaben geschriebenen Titel als „König der Könige“. Unter ihm stehen die namentlich bezeichneten Heiligen Cosmas und Damian, rechts Cosmas, links Damian. Beide sind zusätzlich durch ihr übliches Heiligenattribut, den Salbtopf, als Ärzte gekennzeichnet. Christus setzt beiden eine Krone als Zeichen ihrer durch das Martyrium gewonnenen Heiligkeit auf. Der Aufbau dieses Bildes folgt byzantinischen Vorbildern.

Steigerung der Bedeutung des Stiftes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Essener Konvent erneuerte unter Hathwig eine Gebetsverbrüderung mit dem Kloster St. Gallen sowie dem Stift Gandersheim, dieses wird daraus geschlossen, dass eine Liste Essener Stiftsdamen über den Umweg Gandersheim in ein St. Gallener Verbrüderungsbuch gelangte. Essen war damit in Gebetsgemeinschaften mit bedeutenden und angesehenen Institutionen verbunden, die sich durch besondere Herrschernähe auszeichneten. Dieses erlaubt den Rückschluss, dass Essen ebenfalls über großes Ansehen und Herrschernähe verfügte. Diese äußerte sich auch darin, dass in der Urkunde Ottos I. von 947 erstmals die Stiftsimmunität dokumentiert ist. In der Papsturkunde Agapits erhielt das Stift zudem die Exemtion, so dass es weltlich nur dem Herrscher und spirituell nur dem Heiligen Stuhl unterstand. Sofern die Vermutung stimmt, dass die spätere Essener Äbtissin Mathilde, die eine Enkelin Ottos war, bereits um 953 dem Stift Essen zur Erziehung übergeben wurde, war dieses auch eine Anerkennung der Leistungen Hathwigs durch das Herrscherhaus.

Memoria[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hathwigs Todesjahr ist wie das vieler mittelalterlicher Personen nicht verzeichnet, da es im Rahmen des Totengedenkens nur auf den jährlich wiederkehrenden Todestag ankam. In Essen wurde Hathwig alljährlich mit mehreren Messen und Illumination ihres Grabes, das sich wahrscheinlich im Mittelschiff der Stiftskirche vor dem Altar befand, gedacht. Hathwigs Todestag, der 18. Juli, ist in mehreren Nekrologen von Klöstern und Stiften verzeichnet, die größtenteils dem Stift Essen in Gebetsverbrüderung verbunden waren. Bemerkenswert ist ihr Eintrag im Merseburger Nekrolog, in dem der Historiker Gerd Althoff die Memoria der Liudolfinger erkannt hat[10]. Aufgrund der Aufnahme Hathwigs in das Gebetsgedenken der Liudolfinger wird eine liudolfingische Abstammung Hathwigs für sicher gehalten.

Grabgedicht Hathwigs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Perquam conspicuus generoso pectore ΤΑΦΟC,
Quo debellato sita victrix principe mundi
Candida lacteoli coetus antistes, amicum
Spiritui sanctum templum, sed integra vitae
Hostia grata Deo, sed labia pura, sed agno
Digna comes, durx virginibus dignissima castis.
Quos hic mundus habet, requis decerpta laborum
Iam meliore sui super æthera parte triumphat.
Non est huic titulus atavos conferre supinos,
Prestitit his sola virtutis imagine nota
Atque ita se gessit, dum mundo seria vixit,
Ut nido hanc pennas facile extendisse loquare
Magno maiores. Subiit nam mascula mundum
Foecundum culpe ΑΡΕΤΗC CΠΟΥΔΟΙΑ satelles,
Certans angelicae fragile sub corpore vitae
Propositique tenax sexum virtute redemit.
Et quam post cineres tibi, Christe, restruxerat edem,
Augens qua numero commissas qua meritorum
Ditans dote suas callensque sagacius una,
Quid deceat, quid non, quo virtus, quo ferat error.
Adde, quod insignis studio pietatis in omnes
Cara suis iuxta metuendaque mater alumnis
Ingenium tetrico destrinxit mite severo.
Tota teres vitiisque recalcans tuta tetendit
Unguibus a teneris mutare superna caducis,
Quod sibi iam gratum gratatur compote voto.
Qua concessisti naturae, virgo beata,
Et subscripta dies, quam versu dicere non est,
nos prece, nos psalmis tibi iusta peregimus, at tu
Sis nostris memor atque perita precare vicissim.

[11]

Darunter findet sich ein kurzer Prosatext, der schlecht erhalten ist und große Lücken aufweist. Dieser berichtet, dass Hathwig zur Äbtissin eingesetzt worden sei und dieses Amt vorbildlich für achtundvierzig Jahre innegehabt hätte. Sie war körperlich leidend und sei nach langem Leiden verstorben und von allen tief betrauert worden.

Das Gedicht selbst enthält an zahlreichen Stellen Bezugnahmen oder Zitate antiker Autoren, so etwa in Zeile 3 „integra vitae“, die sich auf Horaz' Carmen I, 22, 1 bezieht, oder Zeile 8, die auf Ovids Metamorphosen 15, 875 Bezug nimmt.

Fragestellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Liudolfingerin Hathwig war eine tatkräftige Leiterin des Stifts Essen, von deren Wirken ihre heute prominenteren Nachfolgerinnen profitierten. Offen bleibt die Frage ihrer exakten Amtszeit. Insbesondere ist die Reihenfolge der Essener Äbtissinnen vor Mathilde fraglich. In den ungefähr siebzig Jahren zwischen Äbtissin Wicburg, die 898 die Schenkung König Zwentibolds erhielt und möglicherweise 906 verstarb, und dem um 973 anzusetzenden Amtsantritt Mathildes II. amtierten neben Hathwig, die allein etwa 48 Jahre amtiert hat, mindestens die Äbtissinnen Mathilde I., Ida und Agana, wobei besonders die Reihung von Agana, unter der die erste Krypta der Stiftskirche geweiht wurde, und Hathwig Probleme macht. Pothmann hat 1987 die Abfolge Mathilde I., Hathwig, Agana, Ida vertreten, die neuere Forschung neigt dazu, Agana vor Hathwig anzusetzen[12].

Die zweite offene Frage ist die genaue Einordnung Hathwigs innerhalb der liudolfingischen Familie. Zimmermann hat sie in der Publikation seiner Ausgrabungsergebnisse 1958 als Tochter Ottos des Erlauchten bezeichnet, ohne dieses näher zu begründen[13]. Diese Ansetzung ist fraglich. Die belegten Kinder Ottos des Erlauchten sind vor oder um 876 geboren, beim Regierungsantritt seines Sohnes Heinrich I. 912 waren dessen ältere Brüder bereits verstorben. Hathwig müsste, wenn sie Tochter Ottos des Erlauchten war, um 880 geboren sein und ihre größten Leistungen als Äbtissin dann bereits in hohem Alter vollbracht haben, was in ihrem Grabgedicht nicht erwähnt ist. Auch ist Hathwig in der Urkunde Ottos I. nicht als Verwandte bezeichnet, obwohl sie nach Zimmermann die Tante des Königs gewesen wäre. Wahrscheinlicher erscheint, dass Hathwig von einem der Kinder Ottos des Erlauchten abstammt.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Urkunde Nr. 85 in Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 12: Die Urkunden Konrad I., Heinrich I. und Otto I. (Conradi I., Heinrici I. et Ottonis I. Diplomata). Hannover 1879, S. 166–168 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  2. Rhein. UB Nr. 2, Nr. 165, S. 41–44.
  3. Boulogne-sur-Mar, Bibliothèque muncipale, Hs. 102, unten wiedergegeben nach Poetae Latini medii aevi 5,1.2: Die Ottonenzeit Teil 1/2. Herausgegeben von Karl Strecker unter Mitarbeit von Norbert Fickermann. Leipzig 1937, S. 303–304 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  4. Fremer S. 37, Bodarwé S. 117
  5. Astrude crematur. In Georg Heinrich Pertz u. a. (Hrsg.): Scriptores (in Folio) 1: Annales et chronica aevi Carolini. Hannover 1826, S. 98 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  6. Die Bestätigungen tragen den Vermerk, dass dem Heiligen Stuhl die Originale nicht vorlagen. Agapit stellte allerdings inhaltlich ähnliche Urkunden für das Stift Gandersheim aus.
  7. Lange, St. Cosmas und Damian, S. 50
  8. Bodarwé S. 276
  9. Bodarwé, S. 371
  10. Althoff, Adels- und Königsfamilien, S. 293
  11. Eine Übersetzung ist unter http://www.inschriften.net/essen-stadt/inschrift/nr/di081-0004.html#content verfügbar.
  12. Pothmann, Die Äbtissinnen, S. 6, dagegen Fremer, S. 38f., Bodarwé S. 53
  13. Zimmermann, S. 39, der dort Äbtissin Ida ebenso unbelegt zu einer älteren Schwester Mathildes II. machte

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katrinette Bodarwé: Sanctimoniales litteratae: Schriftlichkeit und Bildung in den ottonischen Frauenkommunitäten Gandersheim, Essen und Quedlinburg. Aschendorff'sche Verlagsbuchhandlung, Münster 2004, ISBN 3-402-06249-6.
  • Thorsten Fremer: Äbtissin Theophanu und das Stift Essen: Gedächtnis und Individualität in ottonisch-salischer Zeit. Verlag Peter Pomp, Bottrop Essen 2002, ISBN 3-89355-233-2.
  • Klaus Lange: St. Cosmas und Damian zu Essen. Ein Plädoyer für eine neue Sicht der älteren Baugeschichte. in: Herrschaft, Bildung und Gebet. Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-907-2.
  • Heinrich May: Verlorener Buchdeckel aus dem Münsterschatz wiederentdeckt. In: Münster am Hellweg, Mitteilungsblatt des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters. Essen 1963, S. 29–31.
  • Helmut Müller: Essener Geschichtsschreibung und Forscher früherer Jahrhunderte. Neuer Forschungsergebnisse. In: Essener Beiträge. Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 82, Essen 1966, S. 1ff.
  • Tobias Nüssel: Überlegungen zu den Essener Äbtissinnen zwischen Wicburg und Mathilde In: Das Münster am Hellweg, Jahrbuch des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters-Münsterbauverein e.V., Essen 2010, S. 7–31
  • Alfred Pothmann: Die Äbtissinnen des Essener Stifts. In: Münster am Hellweg, Mitteilungsblatt des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters. Essen 1987, S. 5–11.
  • Hedwig Röckelein: Leben im Schutz der Heiligen. Reliquientranslationen nach Essen vom 9. bis 11. Jahrhundert in: Herrschaft, Bildung und Gebet. Klartext Verlag, Essen 2000, ISBN 3-88474-907-2.
  • Walter Zimmermann: Das Münster zu Essen. Düsseldorf 1956.