Heinrich Bornkamm

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Heinrich Bornkamm, 1936

Heinrich Bornkamm (* 26. Juni 1901 in Wuitz, Kreis Zeitz; † 21. Januar 1977 in Heidelberg[1]) war ein deutscher evangelischer Theologe mit dem Schwerpunkt in der Lutherforschung. Er lehrte Kirchengeschichte als Professor an den Universitäten Gießen, Leipzig und Heidelberg. Er war ein Bruder des Neutestamentlers Günther Bornkamm.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bornkamm studierte Theologie in Jena, Tübingen und Berlin. Er wurde 1924 in Berlin promoviert und habilitierte sich 1925 in Tübingen für das Fach Kirchengeschichte. 1927 wurde er als ordentlicher Professor für Kirchengeschichte an die Universität Gießen berufen. 1932 wurde er vom letzten freien Gesamtsenat zum Rektor der Universität Gießen für das Jahr Oktober 1933 bis Oktober 1934 gewählt. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde er 1933 auf Vorschlag der hessischen Regierung vom Reichsstatthalter zum Rektor ernannt. Gleichzeitig war Bornkamm Obmann der Hochschullehrer im NS-Lehrerbund. Bornkamm trat der völkisch orientierten, antisemitischen Glaubensbewegung der Deutschen Christen bei, die er aber nach der berüchtigten Sportpalastkundgebung der DC am 13. November 1933 bald wieder verließ.[2] Unter dem Eindruck einer Fakultätsprüfung in Gießen, bei der er den Vorsitz geführt hatte, schrieb der deutsch-christliche Landesbischof Ernst Ludwig Dietrich im Februar 1934 an August Jäger, Staatskommissar und Leiter der Kirchenabteilung im preußischen Kirchenministerium, sowie Rechtswalter des Reichsbischofs Ludwig Müller: „Unter den Professoren befindet sich Bornkamm, den man schon längst kaltstellen müßte, da er uns die ganze theologische Jugend verdirbt.“[3] Im Frühjahr 1934 trat Bornkamm der SA-Reserve bei,[1] aus der er im Dezember 1934 wieder austrat.

1935 wurde er an die Universität Leipzig versetzt und wirkte hier als Ordinarius. In den Jahren seiner Leipziger Tätigkeit geriet er in schwere Auseinandersetzungen mit dem sächsischen Reichsstatthalter und NS-Gauleiter Martin Mutschmann wegen der Schließung der theologischen Fakultät zu Beginn des Herbstsemesters 1939.[4] Trotzdem bezeichnete Bornkamm noch 1939 Adolf Hitler als ein „Geschenk an unser Geschlecht“ und sprach von der „staatsmännischen Größe des Führers“.[5][6] Es ist jedoch zu beachten, dass Bornkamm sich deutlich von deutsch-christlichen Gedanken und kirchenpolitischen Maßnahmen abhob.[7]

Von 1935 bis 1963 war Bornkamm Präsident des Evangelischen Bundes. Aus einem Briefwechsel zwischen Martin Bormann und dem Auswärtigen Amt von 1942 geht hervor, dass der Evangelische Bund inzwischen als höchst unzuverlässig galt, weil er die nationalsozialistische Geisteshaltung bekämpfen würde.[8]

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges lag Leipzig in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Die Universität entließ Bornkamm und dieser verließ die SBZ. Von 1948 bis 1969 lehrte er als Professor für Kirchengeschichte an der Universität Heidelberg. In der DDR setzte 1953 das Ministerium für Volksbildung Bornkamms Schrift Vom christlichen zum nationalen Sozialismus (Diesterweg, Frankfurt a. M. 1935) auf die Liste der auszusondernden Literatur.[9] Von 1958 bis 1960 war Bornkamm Vorsitzender der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Als führendem Lutherforscher, der Kirchengeschichte als Universalgeschichte verstand, wurde ihm von den theologischen Fakultäten Berlin, Debrecen/Ungarn, Uppsala/Schweden und Montpellier/Frankreich die Würde eines Ehrendoktors verliehen. Außerdem erhielt er 1973 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland[10]. Heinrich Bornkamm wurde auf dem Heidelberger Bergfriedhof beigesetzt.

Ein Sohn Bornkamms wurde Pfarrer in Emmendingen und Lahr, eine Enkelin Pfarrerin in Ettlingen.[11]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Volk und Rasse bei Martin Luther. In: Volk. Staat. Kirche. Ein Lehrgang der Theologischen Fakultät Gießen. Verlag von Alfred Töpelmann, Gießen 1933.
  • Die Sendung der deutschen Universität in der Gegenwart. Rede bei Antritt des Rektorates der Ludwigs-Universität Gießen am 8. Nov. 1933. Armanen, Reihe: Volk im Werden, Leipzig 1934.
  • Vom christlichen zum nationalen Sozialismus. Diesterweg, Frankfurt 1935.
  • Der Totalitätsanspruch des Evangeliums. Verlag des Evangelischen Bundes, Berlin 1937.
  • Luther und das Naturbild der Neuzeit. (= Der Heliand. Deutsch-protestantische Hefte. Heft Nr. 45.) Verlag des Evangelischen Bundes, Berlin 1937.
  • Die Einführung der Reformation in Leipzig. Vortrag bei dem Festakt im großen Saale des Gewandhauses zu Leipzig am 25. Mai 1939. Verlag des Evangelischen Bundes, Berlin 1939.
  • Luther und das Alte Testament. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1948.
  • Die Staatsidee im Kulturkampf. München 1950.
  • Luthers geistige Welt. Bertelsmann, Gütersloh 1959.
  • Das Jahrhundert der Reformation. Gestalten und Kräfte. Göttingen 1961.
  • Luther im Spiegel der deutschen Geistesgeschichte. Mit ausgewählten Texten von Lessing bis zur Gegenwart. 2., neu bearb. und erw. Auflage. Göttingen 1970.
  • Luther. Gestalt und Wirkungen. Gesammelte Aufsätze. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1975.
  • Martin Luther in der Mitte seines Lebens. Das Jahrzehnt zwischen dem Wormser und dem Augsburger Reichstag Aus dem Nachlass hg. von Karin Bornkamm. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1979.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gießener Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Hans Georg Gundel, Peter Moraw, Volker Press. Elwert, Marburg 1982, S. 87–98.
  • Michael Grüttner, Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004, S. 26.
  • Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. (Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg. Springer, Berlin Heidelberg Tokio 2012, ISBN 978-3-642-70761-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 66.
  2. Kurt Meier: Die theologischen Fakultäten im Dritten Reich, Berlin und New York, 1966, S. 153 und Walter Fleischmann-Bisten: Protestanten auf dem Wege, Bensheimer Hefte 65, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986, S. 136f.
  3. Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Bd. I, Halle-Göttingen 1976, Anmerkung 723.
  4. Kurt Meier, Fakultäten, S. 449f.
  5. Zitate bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer Taschenbuch Verlag 2005, S. 66.
  6. Heinrich Bornkamm: Was erwarten wir von der deutschen evangelischen Kirche der Zukunft?, Berlin 1939, S. 56.
  7. Giessener Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Hans Georg Gundel u. a., Marburg 1982, S. 92.
  8. Fleischmann-Bisten, Protestanten auf dem Wege, 1986, S. 163.
  9. Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik: Liste der auszusondernden Literatur. Dritter Nachtrag, Berlin: VEB Deutscher Zentralverlag, 1953, Transkript Buchstabe B, Seiten 12–30. Abgerufen am 6. November 2010
  10. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 25, Nr. 85, 8. Mai 1973.
  11. http://www.lahrer-zeitung.de/inhalt.lahr-das-ist-ein-wertvolles-geschenk.045d22b2-a743-4ae2-884c-e7a3e82cbefe.html