Heinz Tietjen

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Heinz Tietjen (sitzend) mit Marta Fuchs und Ivar Andresen (1936)

Heinz Tietjen (* 24. Juli 1881 in Tanger, Marokko; † 30. November 1967 in Baden-Baden) war ein deutscher Regisseur, Dirigent und Intendant.

Karriere

Tietjen absolvierte zunächst eine Kaufmannsausbildung in Bremen und arbeitete im Anschluss für die Bremer Westafrika-Gesellschaft im Ausland, ehe er begann, sich der Musik zuzuwenden und unter anderem bei dem ungarischen Dirigenten Arthur Nikisch zu lernen.

Tietjen erhielt 1904 sein erstes Engagement als Kapellmeister und Regisseur am Theater Trier, avancierte dort 1907 zum Direktor und war von 1919 bis 1922 schließlich Intendant des Hauses. Er wurde im Anschluss zum Intendanten des Breslauer Theaters berufen, was er mitunter wohl seinen Förderern, dem späteren preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker und den Fachreferenten seines Ministeriums, Ludwig Seelig und Leo Kestenberg, zu verdanken hatte. Eine weitere Stelle als Intendant führte Tietjen an das Saarländische Staatstheater Saarbrücken.

Seit 1925 war Tietjen Leiter der Deutschen Oper Berlin und übernahm ab 1926 zudem die Leitung der staatlichen Opernhäuser Unter den Linden und Krolloper. 1927 wurde er Generalintendant aller Preußischen Staatstheater, welche das königliche Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, das Schillertheater sowie die Theater Wiesbaden und Kassel umfassten und behielt diesen Posten bis 1944 bei. Seine spätere Vertraute Winifred Wagner berief Tietjen 1931 zum künstlerischen Leiter der Bayreuther Festspiele, die er von 1934 bis 1944 in Zusammenarbeit mit ihr leitete. Nach Deutung von Hannes Heer war Tietjen 1931 zum „mächtigsten Theaterleiter in der Endphase der Weimarer Republik“ geworden, der seine Karriere „seinem Doppeltalent als wirtschaftlich wie künstlerisch gleich effektiver Theatermanager und als ebenso gerissener wie verschwiegener Kulturpolitiker“ verdankte.[1] Tietjen befürwortete die Schließung der Krolloper, die 1931 von der nationalsozialistischen Presse als „rötlich-jüdisches Kulturinstitut“ angegriffen wurde.[2]

Zeit des Nationalsozialismus

Nach Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Tietjen von Hermann Göring am 11. September 1936 zum Leiter der Berliner Staatsoper und im Dezember desselben Jahres, gemeinsam mit Gustaf Gründgens, zum Preußischen Staatsrat ernannt. Als Generalintendant der preußischen Staatstheater war Heinz Tietjen, Vertrauter von Adolf Hitler und Göring, Freund der Hitler-Verehrerin Winifred Wagner eine wichtige Stütze der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Am 1. Juni 1933 entließ Tietjen 27 Angestellte von Staatsoper und Schauspielhaus. Im Schauspielhaus kündigte er dem Kommunisten Hans Otto. An der Absprache Tietjens mit Göring war auch Wilhelm Furtwängler, Operndirektor der Staatsoper, beteiligt.

Für Hannes Heer besteht kein Zweifel an Tietjens Rolle als Steigbügelhalter der Nazis. Belege dafür lieferten Personalakten, die er im Preußischen Staatsarchiv Dahlem und von Entnazifizierungsakten, die er im Berliner Landesarchiv fand. Danach drang Tietjen nicht bei Hans Hinkel darauf, zumindest die in Mischehe lebenden Ensemblemitglieder weiter zu beschäftigen.[3]

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende wurde gegen Tietjen ein Entnazifizierungsverfahren eingeleitet, welches jedoch im April 1947 mit seiner vollständigen Entlastung geschlossen wurde. Die Kommission bescheinigte ihm zwar eine „opportunistische Haltung“, sah aber aufgrund zweier beigebrachter Zeugenaussagen eine „aktive Beteiligung“ am Widerstand gegen den Nationalsozialismus als gegeben an. Hannes Heer hält die Selbstinszenierung Tietjens als Schutzpatron des Ensembles, als Judenretter oder gar als Widerstandskämpfer für geschönt.[4]

Im August 1948 wurde Tietjen vom Berliner Magistrat erneut die Intendanz der Deutschen Oper übertragen, welche er diesmal bis 1954 ausführte und wo unter seiner Leitung 1951 erstmals die Berliner Festwochen veranstaltet wurden. 1954 ging Tietjen an die Hamburgische Staatsoper. Von 1957 an war Tietjen dort als Intendant tätig, ehe er sich 1959 zur Ruhe setzte.

Auszeichnungen und Ehrungen

Tietjen wurde 1953 mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Anlässlich seines 50. Bühnenjubiläums erhielt er am 26. September 1954 vom Berliner Senat die Ernst-Reuter-Plakette. 1956 wurde er mit dem Silbernen Blatt der Dramatiker Union und 1958 mit dem Ehrensiegel der Stadt Trier ausgezeichnet.

Im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg wurde die Tietjenstraße nach ihm benannt.

In der Trierer Innenstadt (am Theater) wurde der Heinz-Tietjen-Weg nach ihm benannt.

Mitgliedschaften

Tietjen wurde 1955 zum Mitglied der Berliner Akademie der Künste gewählt.

Literatur

  • Heinz Tietjen 1881-1967. Intendant, Dirigent und Regisseur. Bilder aus seinem Leben. Katalog zu einer Ausstellung im Theater Trier in Zusammenarbeit mit dem Richard-Wagner-Verband Trier, veröffentlicht zur Vernissage am 10. Mai 1992. Programmheft Theater Trier. Trier 1992, 1993.
  • Hannes Heer und Boris von Haken: Der Überläufer Heinz Tietjen. Der Generalintendant der Preußischen Staatstheater im Dritten Reich. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 58(2010) H. 1, S. 28–53.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hannes Heer und Boris von Haken: Der Überläufer Heinz Tietjen. Der Generalintendant der Preußischen Staatstheater im Dritten Reich. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 58(2010) H. 1, S. 28.
  2. Hannes Heer und Boris von Haken: Der Überläufer Heinz Tietjen... In: ZfG 58(2010) H. 1, S. 32.
  3. Hannes Heer und Boris von Haken: Der Überläufer Heinz Tietjen... In: ZfG 58(2010) H. 1, S. 40 und 43.
  4. Hannes Heer und Boris von Haken: Der Überläufer Heinz Tietjen... In: ZfG 58(2010) H. 1, S. 42f.